Dienstag, 17. Juni 2008
Ein Nachtrag zum Flughafen-Verein
Im Forenbereich meiner Lokalpostille beharken sich DHL-Befürworter und -Gegner recht vehement. Den jüngsten Eintrag möchte ich meinen Lesern nicht vorenthalten:

"Ab heute gibt es für all die hier vertretenen Forenschreiber, die sich aktiv gegen die Manipulation und Desinformation der Nachtflug- und damit Arbeitsplatzgegner zur Wehr setzen wollen, dem Verein "PRO-Flughafen-Leipzig/Halle beizutreten. ( www.pro-flughafen-lej.de )
Dieser hat es sich zum Ziel gesetzt, im Interesse der Region, deren Einwohner und der hier entstandenen und noch entstehenden Arbeitsplätze sachliche Aufklärung über die mit dem Ausbau des Flughafens verbundenen Fragen zu betreiben.
sbranse"

Zwei Anmerkungen:
1. Die Betroffenen, die sich gegen den Nachtflugterror zur Wehr setzen, werden der "Manipulation und Desinformation" beschuldigt.
2. Der genannte Link www.pro-flughafen-lej.de wird derzeit noch auf die Seite der Beziehungsmanagerin Maria Sharichin umgeleitet, die bei der Denic auch als Ansprechpartner registriert ist. Da war wohl der Forumsschreiber etwas zu schnell ...

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Lobbyismus "Pro Flughafen" oder: Gutmenschenalarm
Bei der heutigen Morgenlektüre bescherte mir die Berichterstattung meiner Lokalpostille einen Hustenanfall: Ein Verein „Pro Tierversuche“ wurde gegründet und soll dem marktschreierischen Argumenten der Tierversuchsgegner Paroli bieten.
Unglaublich? Keine Angst, ich habe die Tatsachen ein wenig verfremdet. Den Verein „Pro Tierversuche“ gibt es tatsächlich (noch) nicht in Leipzig, dafür wurde am 13. Juni 2008 (Also doch ein black friday?) der Verein „Pro Flughafen Leipzig/Halle“ gegründet. Dieser versteht sich als Bürgerverein und will sich für den Flughafen und dessen Entwicklung einsetzen. Man sei offen für jedermann, heißt es. Das komme auch im bewusst niedrig gewählten Jahresbeitrag von nur 25 Euro zum Ausdruck.
Den ortsunkundigen Lesern meines kleinen Tagebuches sei an dieser Stelle ein wenig Information über den Flughafen Leipzig/Halle verabreicht. Die anderen können ja den nun folgenden Absatz überspringen.
Also: Der Flughafen Leipzig/Halle war lange Zeit eher so eine Art Feldflughafen, der (zu Zeiten der entschlafenen DDR) nur zweimal pro Jahr reanimiert wurde, um den Flugverkehr der Leipziger Messe (die fand damals im Frühjahr und im Herbst statt) abzufangen. Der viel zu früh verstorbene Franz Josef Strauß nannte besagten Airport einmal eine „liebenswürdige sächsische Kesselschmiede“. Ab 1990 wuchs der Flughafen, erhielt ein neues Terminal und über eine zweite Landebahn und war eigentlich immer irgendwie beliebt. Daran änderte auch die Tatsache, dass die US-Army den Flughafen für sich entdeckte, nicht wirklich etwas. Bis dann die Sache mit DHL passierte: Die gelben Frachtflieger durften in Brüssel nicht mehr nachts fliegen und kamen nach Sachsen. Bauten am Flughafen gar heftig und weihten erst kürzlich ihr „Hub“ (gemeint ist damit das neudeutsche Luftfrachtdrehkreuz, nicht das Computer-Hub) ein. Nun schweben gegen Mitternacht allerlei dröhnende Frachtflieger ein, um am frühen Morgen wieder in den Himmel aufzusteigen. Dass angesichts der mitternächtlichen Turboproperei in den besonders betroffenen Betten nicht nur die Popperei, sondern auch der ganz normale Nachtschlaf leidet, sorgt seither für Zoff. Bürgerinitiativen entstanden, Verstöße gegen Planfeststellungsauflagen wurden vor Gericht gebracht, Leserbriefschreiber echauffieren sich über nächtlichen Lärm und kalte Enteignung von Häuslebauern, die nun plötzlich in einer zuvor nicht vorhandenen Einflugschneise die Nächte durchwachen. Und auch die Gegenseite macht mobil und hetzt gegen diejenigen, die aufs vermeintlich ruhige Land gezogen sind. Aus der DHL-Führungsriege war jüngst gar die Drohung zu hören, das Engagement in Halle/Leipzig auf den Prüfstand zu stellen. Ein Abzug von Leipzig dürfte für DHL durchaus lukrativ sein, denn der Freistaat Sachsen hat dem gelben Segensbringer bei der Ansiedlung eine Bürgschaft gegeben: Wenn die Nachtflugerlaubnis vor Ablauf der versprochenen 30 Jahre fällt, gibt es für DHL bis zu 500 Mio. Euro Entschädigung.
So, nun aber zurück zum Verein „Pro Flughafen Leipzig/Halle“. Diesem gehören nach Aussage seines Pressesprechers derzeit 50 Mitglieder an, denen es (das ist jetzt meine Aussage) vor allem um so hehre Ziele wie Arbeitsplätze, Weltfrieden, Glücklichsein und Bienengesummse geht.
Die Stimme des Vereins ist ein Gutmensch namens Holger Schmahl, den ich seit 1990 aus gemeinsamer Tätigkeit für die einstige Tageszeitung „Wir in Leipzig“ kenne. Kurz nach der Wende zählten wir beide zu den Gründungsmitgliedern des „Leipziger Pressestammtisches“. Ich trat irgendwann aus. Zwar nehme ich fast jedes Freibier an, aber irgendwie gehört es nicht zu meiner Lebenszielen, mich abends von Firmensprechern aushalten zu lassen und im Gegenzug für freie Atzung deren Selbstdarstellung zu ertragen.
Holger Schmahl ist dem Metier treugeblieben. In den 90er-Jahren kam er mit einem Titel namens „Argos“ auf den Markt, der eine Art „Spiegel“ für den Osten werden sollte. Nachdem das nicht funktionierte, wurde daraus eine PR-Postille, in der allerlei Unternehmen sich darstellen dürfen – wenn die Kasse stimmt.
Apropos Kasse: Die muss auch bei den „Leutzscher Gesprächen“ stimmen, zu denen Holger Schmahl von Zeit zu Zeit ins Leipziger Lindner Hotel bittet. Das Muster ist einfach: Wer dort auftreten will, zahlt. Dafür kann er sich vor diversen Journalisten, PR-Leuten etc. präsentieren und seine Weisheiten verkünden. Diese Möglichkeit nutzten u.a. Gasversorger Mitgas, Stromlieferant envia, Deutsche Bahn und der Flughafen Halle/Leipzig nebst Tochter FH Dresden. Nachzulesen übrigens hier: www.argos-sentinel.de/leutzscher_gespraeche_archiv.html - solange es nicht gelöscht ist.
Darf man es unmoralisch nennen, wenn ein Holger Schmahl sich dann unter die Gutmenschen des Vereins „Pro Flughafen“ mischt? Das möge der geneigte Leser selbst entscheiden.
Apropos Gutmenschen: Vizechefin des Flughafenvereins ist Maria Sharichin. Diese veranstaltet gemeinsam mit ... Trommelwirbel ... Holger Schmahl die „Ratsgespräche zu Leipzig“. O-Ton auf der Homepage: „Die „ Ratsgespräche zu Leipzig“ im RatskellerClub bieten eine exklusive Gesprächs-Plattform für Erstentscheider, Geschäftsführer, Unternehmer und Verwaltungsspitzen aus Leipzig und der Region.“ Nachzulesen hier: www.ratsgespraeche-zu-leipzig.de/Ratsgesprache/ratsgesprache.html
Unter besagter Adresse ist nachzulesen, wer dort schon so alles seine Heilslehre verkünden durfte. Soviel sei verraten: Der Flughafen Leipzig/Halle war auch schon dabei.
Schauen wir doch mal, was es mit dem dritten Gutmenschen, den meine Lokalpostille als Mitbegründer des Flughafenschutzvereins nennt, auf sich hat. Der Hallesche Anwalt Freidrich Weiss (guckst Du hier: www.huemmerich-partner.de/berufstraeger/friedrich_weiss.html) sieht sich selbst als wirtschaftsnah und verweist in seiner Selbstdarstellung auf diverse Mitgliedschaften in einschlägigen Vereinen sowie auf Veröffentlichungen im Wirtschaftsmagazin Argos. Man kennt sich.
Noch ein Gutmensch gefällig? Wie wäre es mit dem in meiner Lokalpostille gleichfalls genannten Dietmar Schulz aus Halle an der Saale? Auch der gehört dem Bürgerverein „Pro Tierversuche“ – nööö: Pro Flughafen – an und ist im Hauptberuf Geschäftsführer der Alpha 2000 GmbH. Zu den Kunden dieses Unternehmens zählt u.a. der Flughafen Leipzig/Halle. Guckst Du hier: www.alpha2000.net/cms/pressespiegel/leipziger-volkszeitung-rechner-fur-alle-lebenslagen Und auch der einstige Ost-Spiegel Argos hat darüber geschrieben: www.alpha2000.net/cms/pressespiegel/argos-seiscomp-der-besondere-computer-fur-alle-lebens-lagen Kennt man sich?
Chef vons Janze ist übrigens Dr. Lothar Müller vom Unternehmerverband Sachsen-Anhalt. Auch ihm kann man für sein Tun nur die edelsten Motive nachsagen, schließlich hat der Mann auch schon für die als höchstgradig uneigennützig bekannte Oskar-Patzelt-Stiftung juriert.
Nun mag sich der eine oder andere Leser meines kleinen Tagebuches fragen, warum ich das ganze Thema so breittrete? Auch ich verdiene meine Brötchen, indem ich für Geld arbeite. „Man muss doch essen“, sagte schon „Pate“ Marlon Brando mit herrlicher Fistelstimme, als er einem ihm hilfreichen Polizeioffizier einen Umschlag mit Dollarnoten überreichte. Es gibt nun einmal (jetzt wieder die Fistelstimme einschalten) „Angebote, die man nicht ablehnen kann“. Und auch zu meinem Tun gehört es, den einen oder anderen Zeitgenossen – vorsichtig formuliert – bei seiner Imagegestaltung kreativ zu unterstützen. Aber: Man sollte dabei hinter den Kulissen bleiben.
Und: Wer in Sachen PR unterwegs ist, sollte Ross und Reiter nennen und sich nicht als Gutmensch darstellen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es Idealisten so gut wie gar nicht gibt. Wahrscheinlich ist diese Gattung mit Mahatma Gandhi 1948 ausgestorben. Wenn ein Mensch irgendetwas tut, gibt es dafür – überspitzt formuliert – drei Beweggründe: Geld, Sex oder Macht. Misstrauisch werde ich, wenn ein Gegenüber versucht, mir einzureden, dass er einer Sache um ebendieser Sache willen diene und dass es ihm ein Herzensbedürfnis sei ... Dann erwiesen sich meine Gesprächspartner bisher stets als Lügner – oder sie waren verrückt.
Um noch mal auf meine Lokalpostille zu kommen: Die nach eigener Aussage dem Qualitätsjournalismus verpflichtete Leipziger Volkszeitung hat natürlich nur die offiziellen Statements der Gutmenschen veröffentlicht und auf kritische Fragen verzichtet – oder die darauf erhaltenen Antworten unter den Tisch fallen lassen.

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