Montag, 20. Dezember 2010
Abfallsammler im Schnee. Oder: So lustig kann deutsches Recht sein.
Das artgerechte Winterwetter der vergangenen Tage offenbarte wieder einmal eine der Putzigkeiten unserer wundersamen Republik: Auf den Straßen Leipzigs sah ich wiederholt wunderliche Gestalten durch den tiefen Schnee nicht beräumter Gehwege stapfen. Ihr Tun war sehr eigenartig, denn von Zeit zu Zeit fassten sie mit langen Greifscheren in den Schnee, griffen dort Papierschnipsel und Zigarettenkippen und beförderten sie in große, blaue Müllsäcke, die sie lustlos hinter sich her schleiften.
Was für den unbeteiligten und unwissenden Beobachter möglicherweise wie eine Spätwirkung maßlosen Drogenkonsums, auf alle aber äußerst befremdlich aussieht, hat einen guten, deutschen, juristischen Grund, den ich den Leserinnen und Lesern meines kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuches natürlich nicht vorenthalten möchte. Es handelt sich bei den Schneesammlern nicht etwa um verschrobene Jünger einer neuen Sekte, sondern um so genannte „Blau-Gelbe Engel“.
Hinter dieser himmlischen Wortschöpfung, die ihren Ursprung auf der einen Seite in den Leipziger Stadtfarben, auf der anderen im himmlisch anmutenden Tun der Engelsschar hat, verbirgt sich eine Arbeitsgelegenheit (guckst Du hier: http://de.wikipedia.org/wiki/Arbeitsgelegenheit ) für Langzeitarbeitslose. Diese an sich recht positive Beschäftigungsvariante darf, um gesetzeskonform zu sein, ausschließlich „zusätzliche Tätigkeiten“ umfassen. Das sind solche, die nicht zu den kommunalen Pflichtaufgaben gehören. Und weil der Winterdienst eine Pflichtaufgabe der Kommune ist, dürfen die Blau-Gelben Engel keine Schneeschieber in die Hand nehmen – auch dann, wenn die Stadt Leipzig eben diesen Winterdienst per Satzung und aus Kostengründen auf ein absolutes Minimum zusammengestrichen hat und im Schnee versinkt. Das Aufsammeln von Kronkorken, Taschentüchern und Zigarettenkippen hingegen ist keine Pflichtaufgabe und darf daher mit Engeliger Hilfe erfolgen. Sogar dann, wenn sich die AGHler auf den ungeräumten Gehwegen die Haxen brechen. Denn das ist ein Arbeitsunfall und der ist laut Gesetz nicht verboten.
Denjenigen LeserInnen meines kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuches, die diese Gedanken für absurd, bescheuert und absolut irrig halten, sei jubilierend mitgeteilt, dass sie mit ihrer Einschätzung vollkommen richtig liegen. Deutsches Recht ist nun mal so. Bundesweit, nicht nur in Leipzig.

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