Freitag, 28. März 2008
Ich sage ja zum Olympiaboykott oder: Lasst die Funktionärsblase daheim
Vor wenigen Tagen ereilte mich in meinem Büro der Anruf eines Meinungsumfragers. Diesmal sollten nicht meine Konsum- und sonstigen Gewohnheiten beleuchtet werden. Statt dessen begehrte der Anrufer, meine Position zu einem möglichen Olympiaboykott zu erfahren. Kurz und knapp: Ich bin dafür. Für den Boykott. Wohl wissend, dass es ihn nicht geben wird, denn zu groß ist die Verquickung von Wirtschaft und Olympia, zu korrupt das IOC und zu machtgeil sind all die Funktionäre, die sich Glanz des weltgrößten Sportereignisses sonnen wollen.
Den Boykott befürworte ich, obwohl ich dank eigener sportlicher Betätigung – fernab jeglicher olympischer Ambitionen – weiß, wie schmerzlich es ist, an einem Saisonhöhepunkt, auf den man sich innerhalb vieler Monate vorbereitet hatte, nicht teilnehmen zu können.
Dennoch: Nur durch einen Boykott könnte das IOC sein Gesicht wiederherstellen, das längst von der kommerziellen Schminke überdeckt ist. Nur durch einen Boykott könnten die Demokratien dieser Welt die Herrscher Chinas spüren lassen, dass man ihnen ihr Verhalten nicht einfach so durchgehen lässt.
Um nicht missverstanden zu werden: Mir geht es nicht allein die völkerrechtswidrige Besetzung von Tibet. Wäre China kein gigantischer Markt für die Produkte der Industrienationen, hätte man es längst als Diktatur, totalitäres Regime oder Schurkenstaat gebrandmarkt. Aber China ist ein wichtiges Rad in der weltweiten Gedlvermehrungsmaschinerie, mit solchen pflegen sich auch die Terroristenjäger dieser Welt gut zu stellen.
Angesichts dieser verlogenen Denkweise erscheint mir der französische Vorschlag ein zumindest erfreulicher Kompromiss: Die Mächtigen dieser Welt bleiben der Eröffnungsveranstaltung der Olympischen Spiele in Peking fern. Hocherfreulich, dass nun auch Angela Merke ihre Teilnahme an diesem Propagandaspektakel in Frage gestellt hat. Schade, dass sie (noch) nicht den Mut hatte, die Politik Chinas als Grund dafür zu benennen.
Wahrgenommen werden wird solches Verhalten von den Mächtigen im Reich der Mitte auf alle Fälle. In totalitären Regimes ist man in solchen Dingen empfindlich, denn internationale Anerkennung ist der Nektar, an dem sich Dikatoren laben. Das war bei Erich Honecker so, und das ist bei den chinesischen Machthabern nicht anders. Es war nicht Realitätsverlust, der den DDR-Chef seinerzeit dazu brachte, die Bewerbung der DDR für die Olympischen Spiele anzukündigen. Angesichts drohenden Staatsbankrotts und des wirtschaftlichen Niedergang hätte ein solches Ereignis die greisen Führer samt ihres Obergurus geadelt.
Um noch einmal auf Peking 2008 zu kommen ... Sollte sich der DOSB samt seiner Funktionärsblase doch noch zu einem Olympiaverzicht durchringen, wäre der Verlust gering. All zu viel Edelmetall werden die Deutschen aus China nicht mit nach Hause bringen. Es sei denn, dass Russen, Amerikaner, Chinesen, Franzosen, Ungarn, Niederländer, Australier, ..., Polynesier und Liechtensteiner sich am Boykott beteiligen. Dann könnten unsere Helden Medaillen scheffeln – sofern sie den die von den deutschen Verbänden ausgetüftelten Normen erfüllt haben.
Aber wenn ich allein an das Geld denke, dass für den Nichttransport, die Nichtunterbringung und die Nichtbeköstigung dieser ganzen Politi- und Funktionärsblase eingespart werden würde ... damit ließe sich in der Sport- und Vereinsförderung eine Menge bewegen.

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