Freitag, 11. März 2016
Hausnummergedanken. Oder: Die Preußen sind da.
Beim Blick aus dem Fenster erspähte ich gestern einen Menschen mittleren Alters, der umheräugte und schließlich mit einem Papier in der Hand auf mein Haus zustrebte. Da ich neugierig wie eine Ameise bin, öffnete ich und fragte den Ankömmling nach seinem Begehr.
Das lautete "23". Der Mann suchte nach ebendieser Hausnummer, um dort seine Klarsichthülle samt Angebot abzugeben. Mein Hinweis "andere Straßenseite und ein Stück hin" half dem Fremdling nicht weiter. "Aber hier ist doch die 22", beharrte er. "Stimmt", entgegnete ich. "Und daneben die 24." Wo denn nun die 23 sei, wollte der klarsichthüllenwedelnde Bote wissen. Ich wiederholte "andere Straßenseite und ein Stück weiter, hier sind die geraden, dort die ungeraden Nummern.
Der Mann stieg in sein Auto, wendete und fuhr davon - in die falsche Richtung der kleiner werdenden Hausnummern.
Mein Blick fiel aufs Nummernschild und mir's wie Schuppen aus den Haaren. Roter Adler ... ein Preuße. Alles klar.
Wer die Lösung nicht kennt: Im einstigen Preußen wurden Häuser oft nicht in der andernorts gebräuchlichen Weise - stadtauswärts links die ungeraden, rechts die geraden Zahlen - nummeriert, sondern "immer rundherum", d.h. neben der 1 steht die 2 steht die 3 ... bis neben der (fiktiven 126 die 1 steht - wenn man den rum ist.
Oft genug hatte ich in einem viel früheren Leben als schwarzarbeitender Bauhandwerker zu früher, finsterer Morgenstunde nach dem Haus meiner Auftraggeber gesucht und - nachdem es mir gedämmert hatte - auf die blöden Preußen geschimpft. So wie wahrscheinlich mein Kurzzeitbesucher auf die dämlichen Sachsen.

PS.: Übrigens findet man die preußische Zählweise noch heute außerhalb Brandenburgs in Dörfern und Kleinstädten, die einst preußisch waren; wie übrigens auch den komischen Dialekt.

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