Donnerstag, 7. Januar 2010
Silvesterschäden. Oder: Himmelslaternen haben in Deutschland keine Lobby
Na, gut ins neue Jahr gerutscht? Ich verkneife mir an dieser Stelle die obligatorischen, selten ernst gemeinten Sprüche und Wünsche – schon deshalb habe ich mit dem Schreiben dieses Textes bis nach dem Dreikönigstag gewartet. Irgendwann habe ich einmal gelernt, dass Neujahrsgrüße nur bis zu diesem Datum zulässig seien. Und was man nicht darf, das muss man auch nicht und damit basta. Dennoch: Möge den Lesern meines kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuches im Jahr 2010 all das widerfahren, was sie mir wünschen.
Aber zurück zum eigentlichen Anlass: Noch bedeckt reichlich Schnee all den Silvesterdreck, spätestens morgen dürfte die Decke noch ein Stück anwachsen. Doch in einigen Wochen sieht es anders aus. Ist der Schnee geschmolzen, wird deutlich zu sehen sein, dass das Motto „Brot statt Böller“ wieder einmal nicht wirklich gezogen hat. Alles in allem haben die Deutschen zwecks Begrüßung des Jahres 2010 wieder über 100 Millionen Euro verballert und sich dabei weder um Krise noch um Feinstaub geschert.
Und auch an Kollateralschäden mangelte es nicht: Es sind wieder reichlich Dächer und Hausflure zu Schaden gekommen, Autos angekokelt und Haustiere verschreckt worden. Nachzulesen u.a. hier http://www.feuerwehrmagazin.de/magazin/2009/12/30/brande-und-verletzte-durch-feuerwerk/ , hier http://www.feuerwehrmagazin.de/magazin/tag/feuerwerk/ , hier http://www.haz.de/Nachrichten/Panorama/Uebersicht/Feuer-in-historischer-Altstadt-von-Goslar und leider an vielen weiteren Stellen. Ganz zaghaft werden bundesweit Verordnungen erlassen, die das verbieten, was kein denkenden Mensch tun würde: Nämlich Feuerwerke in unmittelbarer Nähe von Fachwerkhäusern und anderen brandgefährdeten Objekten abzubrennen. Aber gegen Dummheit und Böswilligkeit helfen auch solche Verordnungen wenig, wie die mit schöner Regelmäßigkeit gesprengten Briefkästen beweisen.
Bei dieser Gelegenheit muss ich an das Gezeter um die Himmelslaternen denken, deren Flug mittlerweile in allen Bundesländern per Polizeiverordnung verboten ist. Für das Verbot dieser Flugkörper genügten einige wenige Brände, die auf das Konto der Himmelslaternen gingen oder bei denen zumindest der Verdacht geäußert wurde, dass eine solche im Spiel gewesen sein könnte. Inwieweit der eine oder andere „warme Abriss“ einer vergammelten Scheune dabei war, sei dahingestellt.
Fazit: Die Himmelslaternen haben am teutonischen Himmel nichts mehr verloren. Bilder wie dieses http://nachrichten.lvz-online.de/fotos/detailansicht/r-detailansicht-galerie-252-4771.html vom Gedenken an die Tsunamiopfer wären in Good Old Germany schon mehr als nur eine Ordnungswidrigkeit.
Woran das liegen mag? Zum einen wahrscheinlich am deutschen Regulierungswahn, zum anderen aber daran, dass weder die fernöstlichen Hersteller der Himmelslaternen noch die Asialäden, die vermeintlich brandgefährlichen Flugobjekte unters tumbe deutsche Volk brachten, hierzulande ein so starke Lobby haben wie die deutsche Feuerwerksindustrie.
Oder, anders ausgedrückt: Wären die Himmelslaternen ein deutsches Produkt, das deutsche Arbeitsplätze sichert, würden sie 1. mindestens 15 Euro kosten, wären 2. ein schützenswertes Kulturgut und 3. mindestens so ungefährlich wie süße Cola, fettes Schweinefleisch und Autos aus Sindelfingen.

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Dienstag, 14. Juli 2009
Windoof-Jubelarien. Oder: Der Hype geht in die nächste Runde
Die Deutsche Presseagentur dpa meldet, dass sich Microsoft mit Windows 7 „gut gerüstet“ sieht und eine „rasante Nachfrage“ erwartet. Und Microsoft-Manager Robert Helgerth darf verkünden, dass alle, die Windows 7 gesehen haben, „ restlos begeistert“ seien.Guckst Du hier: http://www.netzeitung.de/internet/computer/1403380.html
Solcherart Vorab-Applaus kommt mir bekannt vor. Das mag daran liegen, dass ich mit IT schon länger zu tun habe. Streng genommen hatte ich das schon zu einer Zeit, als das Zeugs noch „Rechner“, „Bürocomputer“ oder „Arbeitsplatzcomputer“ hieß und als Betriebssysteme noch auf eine labberige Diskette („Floppy“) passten. Stichwort CP/M, SCP und so.
Zurück zur anstehenden Windoof-7-Euphorie. „Kenne ich schon“, betone ich hiermit und nehme für mich keine beginnende Altersweisheit in Anspruch, sondern nur ein wenig Erfahrung mit Billyboy & Co.
Schon Windows 95 (Guckst Du hier: http://www.winhistory.de/more/win95.htm ) war das allerallerallerbeste aller nur denkbaren Betriebssysteme, in Wahrheit aber eine tüchtige Möhre. Zumindest dann, wenn man damit arbeiten wollte. Für die Kampagne zum Start dieses Absturzkünstlers mussten sogar die Rolling Stones („Start me up“) herhalten. Na gut, die fallen ja auch manchmal von der Palme und so ...
Das Prozedere – the alltime greatest Operating System is born – wiederholt sich seither: Win 98, 2000, XP und erreichte seinen vorläufigen Höhepunkt mit dem Rohrkrepierer Vista!
Man darf also gespannt sein auf Windoof 7 und auf all die Deppen, die das neue Feeling als allerallerallererste erleben möchten und dafür ihre leidlich funktionierenden Konfigurationen schrotten.

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Montag, 2. März 2009
Dummheit, Frechheit, Aktionäre. Oder: Carl Fürstenberg aktuell
In der von mir hochgeschätzten Welt am Sonntag (guckst Du hier: www.welt.de ) wurde gleich an mehreren Stellen über das Elend der Geldanleger berichtet. Irgendwie kam ich beim Lesen nicht umhin, mit an einen Ausspruch Carl Fürstenbergs (1850 - 1933) zu erinnern. Dieser Mann war seines Zeichens Bankier – man beachte den feinen Unterschied zum heute gebräuchlichen Wort „Banker“.
Besagter Carl Fürstenberg war einer der führenden Köpfe des deutschen Finanzwesens Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts. Von ihm stammt der folgende Ausspruch: „Aktionäre sind dumm und frech. Dumm, weil sie ihr Geld fremden Leuten ohne ausreichende Kontrolle anvertrauen und frech, weil sie Dividenden fordern, also für ihre Dummheit auch noch belohnt werden wollen.“
Eigentlich ist dieser Erkenntnis Carl Fürstenbergs aus aktueller Sicht nichts hinzuzufügen.

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Mittwoch, 4. Februar 2009
Die Milch macht's. Oder: Heute die CMA, morgen IHK und GEZ
Das Bundesverfassungsgericht hat gestern entschieden, dass die von Landwirtschaftsbetrieben zu entrichtende Zwangsabgabe an den Absatzfonds der Land- und Ernährungswirtschafts verfassungswidrig und nichtig ist. Im Klartext: Ganz gleich, ob Kleinstbauer oder Global Player mit Millionen Hühnern in der Folterkammer – sie alle mussten bisher in diesen Fons je nach Umsatz einzahlen. Außerdem speisten auch Brauereien, Schlachthöfe und Molkereien die munter sprudelnde Geldquelle, aus der sich jährlich immerhin 90 Millionen Euro ergossen. Das ist eine Menge Knete, dafür muss ein Bauer lange melken.
Die CMA, in voller Länge steht das für Centrale Marketing-Agentur der deutschen Agrarwirtschaft, nutzte dieses Geld, um sich selbst und zudem die Werbung für das deutsche Agrarwesen zu finanzieren.
Das tut sie seit 1969 und bescherte der Menschheit so feine Slogans wie „Aus deutschen Landen frisch auf den Tisch“, „Markenqualität aus deutschen Landen“, „Die Milch macht’s“ und „Bestes vom Bauern“. Die CMA griff aber auch in ihre fremdgefüllte Kasse, um mit dem zwangsgespendeten Geld während der Fußball-WM in deutschen Landen für Milch zu werben. Luftnummern wie diese, aber auch das Abkassieren per Zwang ließen einige unfreiwillige Spender zu Klägern werden – mit dem Ergebnis, dass die CMA nun ein Problem hat: Statt automatisch fließender, steuergleich eingetriebener Pflichtbeiträge muss sich der Agrarwerbemonopolist von Staates Gnaden nun daran machen, seine künftigen Gesellschafter durch Leistung und Transparenz zu überzeugen.
Kaum war das gestrige Urteil verkündet, erhob sich übrigens ein weithin hörbares Geheul. Das ließen vor allem diejenigen ertönen, die sich mit der CMA schmücken dürfen, ohne ihre Kassen zu füllen: Verbandsfunktionäre aller Art, aber auch Landwirtschaftsminister und ähnlich praxisfernes Volk. Von der Basis, also von den Bauern, waren differenziertere Töne zu hören. Dort hieß es zumeist, dass die gemeinsame Imagewerbung gut sei, aber die pauschale Pflichtzahlung und die fehlende Transparenz Missstände gewesen seien.
Ich finde das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes übrigens sehr gut. Aus mehreren Gründen. Zum einen gibt es mir die beruhigende Gewissheit, dass die höchsten deutschen Richter hin und wieder durchaus nachvollziehbare und – mit Verlaub – vernünftige Urteile fällen. Zum anderen stellt es die Weichen für die Abschaffung eines staatlich verordneten Monopols, dass so überflüssig ist wie ein Kropf. Und damit gibt dieses Urteil dem Normalbürger durchaus die Hoffnung, dass der Widerstand gegen realitätsferne, arrogante und bürgerfeindliche Institutionen und Gesetze trotz vermeintlicher staatlicher Allmacht durchaus zum Erfolg führen kann. Was dem einen die CMA, ist dem anderen die Handwerkskammer oder die IHK bzw. die GEZ. Oder Schäubles Stasi-Gesetze zur Bürgerüberwachung.

Nun mag der eine oder andere Leser meines kleinen, politisch nicht immer gänzlich korrekten Tagebuches anmerken, dass die CMA doch auch Gutes getan hat ... Richtig, und das kann sie gern weiterhin tun. Nur eben transparent und nicht vom hohen Ross herunter, sondern in Absprache mit den Empfängern der vermeintlichen Wohltaten. Stichwort: Milchwerbung zur Fußball-WM. Dass das durchaus auf Basis der Freiwilligkeit funktionieren kann, beweist das deutsche Bäckerhandwerk. Dessen Betriebe treten ihrer jeweiligen Innung freiwillig bei – im Gegensatz zur Mitgliedschaft in der staatlich verordneten Handwerkskammer. Diese Innungen bilden Landesinnungsverbände, die wiederum dem Zentralverband des deutschen Bäckerhandwerks angehören, der für die Bäcker mit großem Erfolg genau das tut, was die CMA für die Landwirtschaft tut bzw. tun sollte. „Durch Leistung überzeugen“ heißt so etwas wohl. Und was die Bäcker können, sollten auch die Bauern draufhaben.

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Montag, 15. Dezember 2008
Windoof Vista und die Lernfähigkeit. Oder: Fund beim Büroaufräumen
Vorweihnachtszeit, im Büro kehrt allmählich ein erster Hauch von Ruhe ein. Beim Aufräumen fielen mir einige Computerzeitschriften von Anfang 2007 in die Hände. Blättern, amüsiertes Lesen. Zwei Jahre sind eine Ewigkeit. "Damals" wurde Windoof Vista noch als der neue Stern am Softwarehimmel beschrieben, an dem für den User von Welt kein Weg vorbeiführt.
Und heute? Kauft man neue PC mit Downgrade-Option, um statt des vorinstallierten Vista-Mülls mit XP arbeiten zu "dürfen" - wenn man den Computer nicht gleich mit Linux betreibt.
Was mich fröhlich stimmt, ist, dass genau die "Fachmagazine", für die Vista vor knapp zwei Jahren das Maß aller Dinge war, heute am lautesten ins Horn stoßen, wenn es darum geht, das miese Betriebssystem zu verdammen.
Wetten, dass das bei der nächsten Windoof-Version wieder so sein wird?

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Dienstag, 2. Dezember 2008
Tanken mit Krisenbonus. Oder: Dieselschnäppchen
Gestern gönnte ich meinem Nissan wieder einmal eine ordentliche Tankfüllung. Knappe 60 Liter Diesel gluckerten hinein. Übrigens zu einem Literpreis von 1,089 Euro. Dass ich eine solche Zahl noch einmal erleben durfte, machte mich ein wenig glücklich. Allmählich wächst mir die Finanzkrise ans Herz - genau so wie der (mutmaßliche) Treibhauseffekt.

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Donnerstag, 25. September 2008
Die Alitalia-Pleite und das Verzeichnis der italienischen Helden. Oder: Auch der Reisepapst hat's nicht richten können
Die Agenturen melden wieder einmal den Todeskampf der Fluggesellschaft Alitalia. Anderen Gesellschaften geht es schlecht, weil ihre Vögel vom Himmel fallen, Alitalia liegt im Sterben, weil sie chronisch klamm, um nicht zu sagen: pleite ist.
Da hilft es auch nicht, dass die 1947 gegründete Gesellschaft Gina Lollobrigida, Sophia Loren und Anita Ekberg unter ihren Passagieren hatte und dass Papst Johanes Paul der II. 104-mal mit Alitalia flog.
Der Airline, die schon unter Insolvenzverwaltung steht, droht zum Monatsende das Aus. Dann ist das letzte Geld verflogen. Kommt kein weißer Ritter, bleibt Grünweißrot am Boden.
Italienisch Medien beschwören Weltuntergangsszenarien herauf, denn der Stolz Italias zerbricht. Ähnliches Leiden wäre in Deutschland nicht einmal denkbar, wenn an ein und demselben Tag Siemens, Mercedes, Porsche, BMW, die Deutsche Bahn und die Telekom pleite gingen. Da müsste als Zugabe schon noch Dieter Bohlen sterben und Kurt Beck Kanzler werden. So schlimm sieht’s um den Stolz der Italiener aus.
Wobei: Die kluge Frau an meiner Seite hat mir vor einigen Jahren aus gegebenem Anlass gesagt, dass Stolz zwar eine gute Sache ist, man ihn sich aber auch leisten können muss. Soviel dazu.

Dass mich niemand missversteht: Ich mag Italien. Und vielleicht findet sich bis Ende September doch noch ein weißer Ritter als Alitalia-Retter. Jeder ist willkommen, wenn’s nur kein Moskiviter ist.

PS.:
Aber eines muss ich noch loswerden – hat nur am Rande mit Alitalia zu tun.
Frage: Wie heißt das kleinste Buch der Welt?
Antwort: Das Verzeichnis der italienischen Helden.
Bruuuaaaaaaah.
Passt nicht zum Thema, aber der olle Kalauer ist zu schön.

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Freitag, 27. Juni 2008
Juristische Begriffe erklärt: Was ist ein Gefahrübergang? Oder: Hagel bei Volkswagen
Es gibt es so allerlei Vokabeln, die man nicht so einfach versteht. Wenn man z.B. eine Sache kauft, tritt zu einem bestimmten Zeitpunkt der so genannte Gefahrübergang ein. Soll heißen: Wenn dem guten Stück etwas passiert, und es ist schon "meins", habe ich die sprichwörtliche A...karte. War der Gefahrübergang noch nicht eingetreten, liegt der schwarze Peter beim Händler, ggf. auch beim Auslieferer.
Schaut man bei Bestellungen ins Kleingedruckte, findet man dort sehr interessante Formulierungen zu eben diesem Gefahrübergang. Manche Händler drücken dem Käufer das Risiko bereits in dem Moment aufs Auge, da die Sendung ihr Lager per Spedition verlässt usw.
Das mag dem einen oder anderen Leser meines kleinen Tagebuches nun ein wenig dröge vorkommen, also halte ich es mit meinem alten Physiklehrer und "mmmachen mir mal ä Beischbiel ...".
Wenn ich ein Auto kaufe, erfolgt der Gefahrübergang im Moment der Übergabe durch den Händler an mich. Soll heißen: Besichtigt, Finanzen geklärt, Unterschrift, Schlüssel und ... in dem Moment schlägt der gefrorene Inhalt einer Flugzeugtoilette in meinem neuen Boliden ein - angeschmiert. Und ich könnte nicht einmal den Händler dafür haftbar machen, denn das herabfallende Airbusklo hat er nicht verursacht. Also ist es in einem solchen Fall besser, der Lehrling fährt nach der Übergabe mit dem Stapler gegen mein neues Auto. Oder so.
Ein typischer Fall von noch nicht erfolgtem Gefahrübergang hat sich am vergangenen Sonntag in Emden ereignet. Dort wurden 30.000 neue Volkswagen (für unsere österreichischen Leser: Volkswägen) von einem Hagelschlag getroffen. Die etwa zweieinhalb Zentimeter großen Eisstücke richteten erheblichen Schaden an, VW spricht von einem dreistelligenMillionenbetrag.
Schade nur, dass die Hagelkörner nicht ein wenig größer waren. Hätten sie einen Durchmesser von mindestens 42,67 mm gehabt, hätte ich über Gölfe, die von golfballgroßen Göschössen zörtöppert wörden, kalauern können.
Ganz spontan fällt mir in Anbetracht des Hagelschadens auf den VW-Freiflächen die alte DDR-Initiative "Industriearbeiter aufs Land" ein. In Anlehnung daran könnten die Lustgreise des VW-Managements die nächste Lustreise ja mal als Bildungsurlaub tarnen und sich bei Obstbauern umsehen. Die sichern ihre edlen Früchte für wenig Geld mit Hilfe von Hagelschlagnetzen.

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Montag, 14. Januar 2008
Buch oder nicht Buch oder: Vom Lob der Genossenschaft
Ganz gleich, ob „Harry Potter“ oder das zum Glück noch nicht geschriebene Lügenmärchen eines mehr oder minder gescheiterten Weltumrunders – für Bücher gilt in Deutschland ein bestimmter Preis. Und so ist es unerheblich, ob man "Robby Clemens - mein Leben im Wohnmobil" im kleinen Buchladen an der Ecke (so es ihn denn noch gibt), bei Hugendingsbums oder per Internetversand kauft – der Preis bleibt gleich (und wird zumindest für das letztgenannte Werk in jedem Fall zu hoch sein. Selbst geschenkt.) Das nennt man Buchpreisbindung. Es gibt sie in u.a. in Deutschland, Österreich und Frankreich, in der Schweiz wurde sie 2007 abgeschafft.
Die Befürworter der Preisbindung argumentieren damit, dass diese eine flächendeckende Versorgung mit dem Kulturgut Buch sicherstellt, indem kleinen Geschäften Überlebenschancen gegeben werden. Außerdem macht die Buchpreisbindung die Quersubventionierung in den Verlagen möglich. Soll heißen: Ein Megaseller wie Harry Potter erlaubt es dem Hanser-Verlag, sich auch einige unrentable Produktionen zu leisten. Das klingt ein wenig unglaubwürdig, scheint aber tatsächlich zu finktionieren.
Über eine Beschränkung des freien Wettbewerbs schimpfen hingegen die Gegner der Buchpreisbindung. Ohne dieses Instrument, so ihr Argument, könnten Bücher viel preiswerter angeboten werden.
Ausnahmen von der Preisbindung sind lediglich bei Importbüchern zulässig, die aus Ländern stammen, in denen es diese Regelung nicht gibt. Außerdem kann die Buchpreisbindung durch den Verlag aufgehoben werden, wenn ein Titel seit 18 Monaten auf dem Markt ist. Nach entsprechender Ankündigung werden die Titel dann verramscht – so der offizielle Begriff für diese Art der Resteverwertung.
Große Buchhändler nutzen zudem gern die Möglichkeit, so genannte Mängelexemplare deutlich unter Preis auf den Markt zu werfen. Allerdings müssen die Bücher dazu sichtbare Schäden aufweisen. Nachdem Amazon & Co. es einige Zeit mit den Mängeln nicht so genau genommen hatten, ist nun zumindest in dieser Beziehung wieder ein wenig Ordnung eingekehrt.
Die regelmäßigen Leser dieses kleinen Tagebuches werden sich nun fragen, weshalb ich sie mit diesem drögen Stoff traktiere. Nun, ich hatte jüngst Gelegenheit, ein wenig über die Argumente der Buchpreisgegner nachzudenken. Anlass dazu bot mir bereits genannter Harry Potter. Der (wahrscheinlich) letzte Band der Reihe ist im vergangenen Jahr erschienen, am 11. Januar kam das Hörbuch auf den deutschen Markt. Nun ist es mit einem Hörbuch so wie mit dem Neusilber, aus dem die DDR-Markstücke bestanden: Beide sind nicht das, was der Name vorgaukelt. Bestand die silberfreie DDR-Währung vor allem aus Aluminium, so ist ein Hörbuch ein Produkt, das zwar möglicherweise ein wenig Papier enthält, dessen Gebrauchswert jedoch in den enthaltenen CDs liegt.
Folglich fällt es trotz der Bezeichnung „Hörbuch“ nicht unter die Buchpreisbindung. Und folglich, so könnte der logische Schluss des geneigten Lesers lauten, sind große Anbieter in der Lage, es wohlfeiler anzubieten als kleine.
Um das Ende meiner Recherchen vorwegzunehmen: Die Welt ist nicht so, wie man sie sich mitunter vorstellt. Das Harry-Potter-Hörbuch hat vom Verlag eine unverbindliche Preisempfehlung von 90 Euro erhalten. Na gut, daran hält sich eh kein Händler. Und da frühere HP-Hörbücher anfänglich für 50 Euro ins Regal kamen, war ich noch guten Mutes.
Als ich bei Mediamarkt auf knapp 80 Euro stieß, schluckte ich. Weil nicht blöd, wechselte ich das Geschäft. Immerhin, bis auf rund 60 Euro im normalen Buchhandel dehnte ich meinen Test aus. Für 69 Euro kann man die Vorlesekünste von Rufus Beck bei Amazon ergattern. Als Neuware. Gebraucht (mit dem Vermerk „Nur einmal gehört“) gibt es Harry & Co. in diversen Amazon-Shops noch ein Stück günstiger.
Was ich aus diesem Erlebnis gelernt habe? Zweierlei.
Erstens scheint es mit den günstigeren Preisen, die die Gegner der Buchpreisbindung mir versprechen, so eine Sache zu sein ... zu groß ist die Zahl der Artikel, die ich bei Mediamarkt und Saturn schon wesentlich teurer als in anderen Geschäften gesehen habe.
Und zweitens werde ich das Hörbuch wohl im Rahmen einer Harry-Potter-Genossenschaft bekommen. Mehrere Interessenten dürfen die CDs ja wohl gemeinsam nutzen, ohne mit irgendwelchen hirnrissigen Gesetzen in Konflikt zu geraten. Und eine Sicherheitskopie sollte ja auch erlaubt sein. Dazu benötige ich nicht einmal ein verbotenes Kopierprogramm oder anderweitiges Teufelszeugs, denn mein alter Apple hat „ab Werk“ die Eigenart, jeglichen neumodischen Kopierschutz zu ignorieren.

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Donnerstag, 10. Januar 2008
Tutti paletti? Müll, Kohle und der weltweite Billigtourismus
Einiges Europa? Was für ein Witz! Sicher, wir haben da neuerdings eine gemeinsame Währung, eine gemeinsame europäische Bürokratie, einen Schwarm von Europaparlamentarien und Lobbyisten sowie offene Grenzen (akzeptieren müssen). Wie weit Europa aber von einer „Einheit“ entfernt ist, wird in diesen Tagen wieder besonders deutlich. Während in Deutschland über Feinstaub aus Wohnzimmerkaminen diskutiert und der Müll fast schon nach rechts- und linksdrehenden Molekülen sortiert wird, geht’s andernorts lustig zur Sache. Beim Spartathlon hatte ich 246 Kilometer lang Gelegenheit, mich von den Feinheiten griechischer Entsorgungskonzepte („Am Straßenrand ist Platz, zur Not gibt es Abhänge“) zu überzeugen. Und in Neapel und Umgebung kollabiert derzeit ein Entsorgungssystem, das eigentlich keines ist.
Positiver Nebeneffekt der italienischen Misere: Die perverse Praxis des Mülltourismus’ kommt wieder einmal ins öffentliche Bewusstsein – so die Öffentlichkeit solche Themen denn wahrnehmen will. Viel lauter wird ja derzeit über mafiöse Strukturen in der italienischen Entsorgungslandschaft getönt, wobei nur zu gern vergessen wird, dass auch viele deutsche Entsorger dabei erwischt worden sind, mit nicht wirklich sauberen Mitteln um Aufträge und Genehmigungen zu kämpfen. Was in Italien Mafia genannt wird, heißt in Deutschland nur zu gern xyz-Wertstofflogistik AG oder weiß-der-Deibel-wie-GmbH und hat statt eines Paten einen Aufsichtsratsvorsitzenden.
Aber zurück zum Mülltourismus. Der boomt kräftig. Schon zu „normalen Zeiten“ lassen clevere Entsorger ein Drittel des Mülls der Region Neapel nach Deutschland karren, um ihre Sortier- und Verbrennungsanlagen auszulasten. Professor Michael Braungart von der Universität Lüneburg geht davon aus, dass Deutschland in Zukunft zum „Müllstaubsauger der ganzen Welt“ werden wird. Der 1958 geborene Braungart steht im Ruf eines Ökovisionärs, er ist Verfahrenstechniker, Chemiker (nähere Infos unter www.braungart.com) und befasst sich mit dem Stoffstrom-Management. In einem wdr-Interview (www.wdr.de/tv/monitor/beitrag.phtml?bid=878&sid=163) verwies Braungart auf eine spektakuläre deutsche Besonderheit: Wer hierzulande eine Müllverbrennungsanlage errichten will, müsse beim Genehmigungsverfahren keinen Nachweis für einen tatsächlich vorhandenen Bedarf führen. Die Anlage wird gebaut, der Müll herangeholt. Laut www.sueddeutsche.de/wissen/artikel/992/133742/print.html planen Investoren in Deutschland den Bau von 83 neuen Müllverbrennungsanlagen. In den derzeit 67 vorhandenen Anlagen wurden 2007 rund 18 Mio Tonnen Müll verbrannt. Durch die angestrebten Neubauten wächst die Verbrennungskapazität um weitere 13 Mio Tonnen. Da der deutsche Müll angesichts dieser Überkapazitäten längst zum begehrten Schatz geworden ist, wird auf Teufel komm raus importiert.
Schon jetzt schleppen deutsche Entsorger jährlich über 12 Mio Tonnen Abfall sowie zusätzlich (!) 5,6 Mio Tonnen giftigen Sondermüll zur Verbrennung ins achso grenzwertbesorgte Deutschland. Mit einer drastischen Steigerung dieser Zahlen wird gerechnet, denn „Müll geht immer den billigsten Weg. Wenn die deutschen Verbrennungspreise wegen der vielen neuen Anlagen sinken, wird der Müllimport drastisch zunehmen“, zeigt sich Günter Dehoust, Umweltschutzingenieur beim Öko-Institut in Darmstadt, überzeugt.
Als besonders kritisch betrachten Vertreter des Umweltbundesamtes den Trend von der klassischen Müllverbrennungsanlage (MVA) hin zu so genannten Ersatzbrennstoff-Kraftwerken. Diese Kraftwerke nutzen die thermische Energie des Mülls für die Stromerzeugung aus und arbeiten so weitaus kostengünstiger. Schlägt eine Tonne Müll bei der „hochwertigen“ Verbrennung in einer MVA mit etwa 500 Euro zu Buche, so kostet die Verbrennung der selben Müllmenge in einem Ersatzbrennstoff-Kraftwerk lediglich 50 Euro.
Tücke der Gesetzgebung: Während MVA strengsten Grenzwerten unterworfen sind, gelten für die Müllkraftwerke deutlich weichere Regeln. Das führt dazu, dass die Belastung der Kraftwerksabgase mit Umweltgiften bis hin zum Dioxin um ein Mehrfaches über den Werten der MVA liegen darf – und das bei den schon vorhandenen in aller Regel auch tut.
Aber auch ohne Müllverbrennung lässt sich trefflich Geld verdienen. Die südlich von Leipzig gelegene Deponie Cröbern – benannt nach einem durch den Braunkohleabbau weggebaggerten Dorf – hat eine Kapazität von 12 Mio Kubikmetern. „Schon bei Planung und Bau war sie allerdings heftig umstritten, vor allem deshalb, weil sie völlig überdimensioniert ist“, betonte Liane Deicke, umweltpolitische Sprecherin der SPD, am 15.9.2006 im Sächsischen Landtag. Sie bezeichnet es als Glücksumstand, dass die von RWE ursprünglich beantragte Kapazität von 16,5 Mio Kubikmetern nicht genehmigt wurde.
Die Deponie habe sich für die Stadt Leipzig und die umliegenden Landkreise nach dem Rückzug von RWE als Millionengrab erwiesen und sei nur durch Müllimporte vor dem wirtschaftlichen Aus zu bewahren gewesen.
Zur Verbesserung der Deponieauslastung wurde vor wenigen Jahren eine Mechanisch-Biologische Abfallbehandlungsanlage in Betrieb genommen. Deren Jahreskapazität von 300.000 Tonnen ist ebenfalls weit überdimensioniert – zumindest dann, wenn man vom Müllaufkommen in der Region ausgeht. Und so wurden im vergangenen Jahr nach Aussage des Deponietreibers, der Westsächsischen Entsorgungs- und Verwertungsgesellschaft WEV, „nicht mehr als rund 50.000 Tonnen“ Hausmüll aus Neapel und Umgebung verarbeitet.
Wie WEV-Geschäftsführer Günter Lohmann einem Reporter meiner Lokalpostille versicherte, gibt es „keine Hinweise auf kriminelle Verstrickungen“. Sein GF-Kollege Holger Bauerfeind bezeichnete es zudem als „Völlig ausgeschlossen, dass Sondermüll darunter ist.“ Davon habe sich auch „das italienische Fernsehen“ überzeugt. Damit dürfte die schöne SPD-Landrätin Petra Köpping beruhigt sein, die angesichts der Misere rund um den neapolitanischen Müll um Klärung gebeten hatte.
Tutti Paletti? Wer’s unbedingt glauben will, kann daran sicher nicht gehindert werden.
Aber mal nachgedacht: Zu DDR-Zeiten entsorgte ein auch heute noch recht bekanntes und renommiertes Leipziger Institut radioaktive Flüssigkeiten in einem südlich der Stadt gelegenen Kraftwerk. Dort wurde die Brühe über die per Förderband aus dem Tagebau anrollende Braunkohle gekippt. Die Verbrennung änderte zwar nichts an der strahlenden Laune der Isotope, aber die Verdünnung durch jede Menge Kohle machte pro forma alles wieder gut.
Jede Menge Kohle ... zu DDR-Zeiten kam sie in Gestalt brauner Brocken aus der Erde. Heute sind’s bunte Scheine, und mit dem Müll wird alles wieder gut.
Dass ich in eben diesem Moment an Klas Lage denken muss, ist kein Zufall. Wie singt er in "Monoply" so treffend: "Und die Kohle fällt nach oben".
Schönen Tag noch.

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