Dienstag, 15. Januar 2008
Sonnenflecke, Lebenszyklen, Wachkoma und das Roland-Koch-Syndrom
Am Wochenende habe ich einen interessanten Artikel über Sonnenfleckenaktivität gelesen. Anfang Januar 2008 hat ein neuer Aktivitätszyklus begonnen, der Anteil der von Flecken bedeckten Sonnenoberfläche wird in den nächsten Jahren wachsen, bis er ca. 2013 ein Maximum erreicht. Diese Schwankungen unterliegen einem 11-Jahres-Rhythmus und werden nach ihrem Entdecker, dem in Dessau geborenen Astronomen Samuel Heinrich Schwabe, als Schwabe-Zyklus bezeichnet.
Über den Einfluss der Sonnenfleckenaktivität auf irdisches Geschehen gibt es eine Vielzahl von Untersuchungen. Die schwankende Sonnenaktivität und die damit einhergehenden Strahlungsausbrüche verursachen zum Teil erhebliche Störungen im Kurzwellen-Funkverkehr. In extremen Fällen sollen auch Handynetze und andere Übertragungswege in Mitleidenschaft gezogen werden, wenn von der Sonne heranrasende Magnetstürme in Antennen und Leitungen Störspannungen induzieren.
In der Welt am Sonntag las ich am vergangenen Wochenende zudem von Einflüssen aufs europäische Klima. Durch Störungen des Erdmagnetfeldes sei es möglich, dass polare Luftmassen aus dem Ruder laufen. In Jahren hoher Sonnenfleckenaktivität seien sehr strenge Februarfröste wahrscheinlicher als in anderen Jahren.
Hinweise auf eine Beeinflussung des irdischen Wetters sind auch in alten Chroniken zu finden. Vor einigen Jahren habe ich mehrere mittelalterliche Schilderungen gelesen, in denen von „alles verbrennender Höllenhitze, die das Korn auf dem Halm entzündete“ u.ä. Wetterwunderlichkeiten zu lesen war. Die Chronisten notierten mit schöner Regelmäßigkeit, dass die Sonne „wie mit Hufnägeln gespickt“ ausgesehen habe. Ich muss doch mal nachschauen, wo das stand.
Aber nun ist es wieder einmal soweit: Die regelmäßigen Lesers meines kleinen Tagebuches werden sich schon längst fragen, ob ich heute nur Bildungsprogramm biete oder ob meine Schwafelei über die Sonnenflecke noch zu etwas anderem gut ist.
Keine Angst, jetzt kommt die berühmt-berüchtigte Kurve: Nicht nur die Sonnenfleckenaktivität unterliegt einem Zyklus, auch bei vielen Menschen lässt sich zyklisches Verhalten nachweisen. Keine Angst, ich komme jetzt nicht auf den vierwöchigen „Heute-kann-ich-wieder-nicht-einparken-Zyklus“ des weiblichen Teils der Menschheit zu sprechen.
Mir geht es um den Aktivitätszyklus des Berufspolitikers. Dieser Zyklus ist streng periodisch. Drückt sich der Politiker im Bundestag herum, hat sein Zyklus eine Länge von vier Jahren. Landtagsabgeordnete verdauen ihre Diäten im Fünfjahresrhytmus, sofern sie nicht in Bremen oder Hamburg untätig sind – dort wurden vier Jahre ermittelt. Bei Bürgermeistern, Landräten und einigen anderen Exoten erreicht die Aktivität mitunter aller sechs Jahre ein Maximum.
Die Ursache dieses biologisch-psychologischen Phänomens liegt in der Länge der Wahlperioden. Nach einem extrem ausgeprägten, über einige Monate anhaltenden, starken Anstieg der körperlichen und geistigen Aktivitäten wird kurz vor dem oder am so genannten Wahltag ein Maximum erreicht, dem ein jäher Abfall folgt (Ein besonders krasses Beispiel dieses Effektes lieferte Gerhard Schröder im Herbst 2005, als er am Abend nach der Bundestagswahl seine eigene Niederlage nicht mehr erkannte und öffentlich seinen Anspruch auf das Amt des Bundeskanzlers verkündete. Offensichtlich war hier der geistige Resetknopf bereits gedrückt worden, das Reboot hatte sich jedoch verzögert.).
Nach dem geschilderten Abfall laufen die physischen und psychischen Funktionen noch einige Wochen in einem so genannten abgesicherten Modus, bis alle Fragen der Koalitionsbildung und Ämterverteilung geklärt sind. Danach setzt zumeist ein komatöser Zustand ein, der in der Regel mehrere Jahre anhält. Lediglich elementare Funktionen (Nahrungs- und Geldaufnahme, Atmung, Ja-Sagen etc.) laufen weiter, allerdings scheint dazu keine Hirntätigkeit notwendig zu sein.
Dieser Zustand ist nicht lebensbedrohlich. Offensichtlich handelt es sich dabei um eine Art noch nicht restlosen erforschten Wachkomas, denn etwa sechs Monate vor Ablauf der jeweiligen Wahlperiode führen äußere Signale, insbesondere aus den Medien, dazu, dass die Berufspolitiker aus dem Koma erwachen und wieder deutliche Aktivitäten in ihren Wahlkreisen bzw. -bezirken zeigen.
Diese Phase ist durch ein drastisches Ansteigen sämtlicher Vitalfunktionen gekennzeichnet. Auffällig ist das hohe Redebedürfnis der reanimierten Politiker sowie deren selektiver Muskeleinsatz. Äußere Symptome während dieser Phase des Zyklus sind krampfartiges Lächeln und heftiges Schwenken beider Hände, insbesondere bei Wahrnehmung von Lichtblitzen oder Scheinwerfern. Zugleich weisen die Berufspolitiker zu dieser Zeit eine scheinbare Willenlosigkeit auf, da sie die Erfüllung jeder an sie herangetragenen Forderung zusagen.
Ausnahme gibt es lediglich bei den Politikern, die sich unter hohem Selektionsdruck in Spitzenämtern etablieren konnten. Ihr Zyklus weist in der Regel keine Komaphase, sondern lediglich einen ausgeprägten Tiefschlaf auf. Allerdings scheint das nach Durchlaufen mehrerer Zyklen zu geistigen Schäden zu führen. Diese manifestieren sich in Beratungsresistent, Weltfremdheit und – in schweren Fällen – im Abrutschen in Sprachschleifen, die jeweils bis zum Wahlabend aus eigener Kraft nicht mehr verlassen werden können. Eine exemplarische Fallstudie am hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch hat Eingang in die einschlägige Fachliteratur gefunden. Als sprachliche Schleifen, in denen er bereits gefangen war, sind u.a. „Kopftuchverbot“, „brutalstmögliche Aufklärung“, „keine doppelte Staatsbürgerschaft“ dokumentiert. Vor der Landtagswahl 2008 fiel Koch erneut in eine Sprachschleife. Seine aktuelle Worthülse lautet „Verschärfung des Jugendstrafrechts“. Ob er nach dem 27. Januar 2008 in einen weiteren Politiker-Zyklus verfallen wird, hängt vom Wahlausgang ab.

Ein PS. für alle, die den Unterschied nicht bemerkt haben: Nach den Sonnenflecken habe ich den Satiremodus eingeschaltet.

Satiremode off

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