Donnerstag, 6. März 2008
Ypsilantis, Lügilantis und der Napoleon von der Saar oder: Versprechen brechen ist zum Erbrechen
Worauf reimt sich „Versprechen“? Unter anderem auf „brechen“. Und auf erbrechen. Und auf Verbrechen. Hat das etwas damit zu tun, dass es zum Erbrechen ist, wenn Menschen ihre Versprechen brechen? Oder ist es ein Verbrechen, Versprechen zu brechen? Es wäre mir ein Leichtes, dieses sinnfreie Spiel fernab von sinnvollem Versmaß noch einige Zeit fortzusetzen. Aber ich bin überzeugt, dass auch der müdeste Leser meines kleinen Tagebuches erkannt hat, worum es mir heute geht: Ich grüble ein wenig über Politiker, die ja irgendwie auch als Menschen durchgehen; über Politiker, für die das Brechen von Versprechen so selbstverständlich ist wie für mich das beinahe alltägliche Lauftraining.
Ein gar nicht so neues Mitglied im Club der Versprechensverbrecher ist Andrea Ypsilanti.
Diese linke Pflanze – vor ihrer gecrashten Ehe mit einem Griechen trug sie den grünlichen Namen Dill – hat die hessische SPD Ende 2006/Anfang 2007 staatsstreichartig übernommen und sich gegen das Votum der SPD-Basis zur Spitzenkandidatin gekürt. Die Frau hat einen Machtinstinkt, der sich sehen lassen kann.
Und sie weiß, dass man dem tumben Volk allerhand erzählen kann und dass es dem eigenen Weiterkommen nicht schadet, öffentlich Wasser zu predigen und gar nicht so heimlich Wein zu saufen, der nicht von Aldi stammt. Anders formuliert: Dass Andrea Ypsilanti das Bildungskonzept der Gemeinschaftsschule befürwortet, hindert sie nicht daran, ihren 1995 geborenen Sohn auf eine Privatschule zu schicken.
Ähnlich lässig handhabt die diplomierte Soziologin auch den Umgang mit ihren Wahlversprechen. Vor der Landtagswahl erklärte sie wörtlich: „Es gibt keine irgendwie geartete Zusammenarbeit mit den Linken.”
Das war – wie schon gesagt – vor der Landtagswahl am 27. Januar 2008. Vor dem defacto Patt in Hessen. Vor dem Sündenfall der überzeugten WG-Bewohnerin, die schon geschworen hat, ihren Lebenspartner Klaus-Dieter Stork nicht zu heiraten.
Doch dann nahm die Frau mit dem ausgeprägten Machtinstinkt Witterung auf. Hielt die Nase in die laue Februarluft und sprach, dass die Frage einer Wahl mit den Stimmen der Linken „auch in mir noch nicht entschieden“ sei. Das ist fein formuliert, denn es ist kein plötzlicher Wortbruch, sondern eher eine Erosion, ein Abbröckeln des politischen Fundaments. Und das klingt ja fast schon wieder nach Natur, nach den Grünen, deren politische Überzeugungen seit Joschkas Turnschuhdebüt als Hessenminister ja auch mächtig abgebröckelt sind.
Aber zurück zu Ex-Stewardess Andrea Ypsilanti. Deren Versprechensbröckelei sorgt an der hessischen Basis für Unmut. Zur Erinnerung: Die hessische SPD-Basis, das sind die Beitragszahler, deren mehrheitliches Votum die aufsteigende Andrea bei ihrer Selbstinthronisierung schon einmal ignoriert hat und deren Meinung ihr an irgendeinem hinteren Körperteil vorbeigeht.
Das nächste Stadium der Versprechensbröckelei erreichte Ypsilanti laut Frankfurter Rundschau (guckst Du hier: www.fr-online.de/in_und_ausland/politik/aktuell/?em_cnt=1298500) bei einem Beckmann-Auftritt. Dort fasst sie ihren aktuellen Erkenntnisstand in Sachen Ehrlichkeit mit den Worten „Man muss irgendwo an irgendeiner Stelle sagen: Dieses Versprechen kann ich nicht einhalten“ zusammen. Können oder Wollen?
Inzwischen ist die geschmeidige Wortverbiegerin schon ein Stück weiter. Nach dem Ende der pro-forma-Gespräche mit der CDU (Wer hat eigentlich ernsthaft daran geglaubt, dass irgendwer in Hessen eine große Koalition zusammentackert?) verkündete Ypsilanti ihre Absicht, eine rot-grüne Koalition einzugehen und sich mit den Stimmen der Linkspartei zur Ministerpräsidentin wählen zu lassen. Fortan wollen Sie dann mit wechselnden Mehrheiten regieren.
Für den Fall, dass dieser Plan misslingt und Ypsilanti bei der Wahl am 5. April womöglich das Schicksal von Heide Simonis erleidet, die von U-Booten in der eigenen Fraktion torpediert und versenkt wurde, hat der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Peter Struck, schon mal durchblicken lassen, dass Ypsilanti zwar mit Billigung der Bundespartei handele, alle weiteren Entscheidungen aber Sache der hessischen Landes-SPD seien.
Das ist gut so, denn die Wahl von Andrea Ypsilanti ist keineswegs sicher. Auf die Stimmen der Linken kann sie zählen, denn im kleinen Reich des Saar-Napoleons herrschen Zucht und Ordnung. Und auch die Grünen dürften eine sichere Bank sein, denn sie haben während ihres Marsches durch die Institutionen an diversen Honigtöpfen gekostet und gelernt, sich zu prostituieren.
Unsichere Kantonisten gibt es hingegen in der SPD, denn der eine oder andere Genosse hat sich seinen eigenen Verstand bewahrt. Zudem hat Ypsilanti bei ihrem flotten Aufstieg viel Porzellan zertöppert und so manchem die Zehen zertreten. Das könnte sich rächen …
Sollte Frau Lügilantis (BILD) aber tatsächlich Selbstzerstörer Roland Koch beerben, wird’s spannend. Wechselnde Mehrheiten sind für ein Land in etwa ebenso nützlich wie Oskar Lafontaine ein Ehrenmann ist. Zudem hat die glücklose Amtsführung des geschassten Dresdner Oberbürgermeisters Ingolf Rossberg gezeigt, dass es kaum möglich ist, all den gierigen Steigbügelhaltern, die beim Aufstieg in den Sattel geholfen haben, später die Mäuler zu stopfen.
Aber für den Fall, dass die ganze Geschichte hoffentlich bald schief geht, muss Andrea Ypsilantis nicht um ihre weitere Karriere bangen. Wie’s geht, hat Hoppel-Heide (BILD) vorgemacht. Nach ihrer Versenkung wechselte Heide Simonis zu Unicef und tanzte sich bei RTL PR-wirksam auf die Bildschirme zumindest des schlichteren Teils der deutschen Nation. Und bei Unicef sind ja einige Stühle frei ...

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