Donnerstag, 5. Februar 2009
Springer stößt Tageszeitungen ab. Oder: SPD gewinnt im Medienbereich an Einfluss
Die in Berlin erscheinende TAZ (www.TAZ.de) - „Die Tageszeitung“ – gehört ob ihrer unverbrämt ideologischen Ausrichtung nicht wirklich zu meinen Lieblingstiteln. Zudem glänzt die TAZ in aller Regel auch nicht durch übermäßige journalistische Exklusivität und hat nicht den Ruf, als Enthüllungsblatt spektakuläre Neuigkeiten auf den Markt zu werfen. Doch am gestrigen Dienstag schaffte die TAZ das Kunststück, die etablierte Konkurrenz mit einer Nachricht zu überholen: Während sich alle Protagonisten noch brav ins vereinbarte Schweigen hüllten, berichtete die TAZ über den anstehenden Verkauf von Beteiligungen der Axel Springer AG an allerlei Zeitungsverlagen an die in hannoversche Madsack-Gruppe. Waren zunächst weder Käufer noch Verkäufer zu Auskünften bereit, so berichtet heute meine (vom Verkauf ebenfalls betroffene) Lokalpostille, die Leipziger Volkszeitung www.lvz.de über den Deal, der am heutigen Donnerstag besiegelt werden soll. Dieser relativ schwammig gehaltene Text ist wohl in allen übernommenen Titeln erschienen, denn der Autor, Stefan Winter http://www.haz.de/newsroom/wirueberuns/dezentral/wirueberuns/wirtschaft/art3821,123941
, ist Ressortleiter der Wirtschaftsredaktion der Hannoverschen Allgemeinen und steht sozusagen in zweiter Reihe auf der Brücke des Madsack-Flaggschiffes.
Mich hat die Nachricht vom Verkauf der Springeranteile u.a. der Leipziger Volkszeitung, der Lübecker Nachrichten, der Ostseezeitung, der Kieler Nachrichten sowie von der Veräußerung einer Reihe von Anzeigenblättern und Rundfunkbeteiligungen amüsiert und neugierig gemacht. Laut Stefan Winter – und dessen Artikel hat wohl den Status einer offiziellen Erklärung der Madsack-Gruppe, kostet das gesamte Paket rund 300 Millionen Euro. Das ist einerseits viel Geld (schon für ein Prozent würde ich versprechen, nicht mehr über meine Lokalpostille zu lästern, aber weniger dürfte es nicht sein, sonst wäre das Angebot zeitlich begrenzt), andererseits aber auch ein Schnäppchen.
Schließlich hat jede Bank, die etwas auf sich hält, in den letzten Monaten wesentlich mehr Geld weggezaubert. Vor allem aber kauft Madsack für die 300 Millionen eine Menge Medienmacht. Allein der Auflagenzuwachs von derzeit 600.000 auf eine Millionen Exemplare Tageszeitungen – davon geschätzte mindestens 400.000 Aboleser – ist branchenüblich so um die 40 Millionen Euro wert. Mindestens, denn Abonnenten sind ein wertvolles Gut. Hinzu kommen Anzeigenblätter mit zwei Millionen Wochenauflage – auch das hat seinen Preis.
Zudem: Die Verlagshäuser, deren Anteile hier über den Tisch geschoben werden, haben in den vergangenen Jahren stets mit schwarzen Zahlen zur Bilanz des Springer-Imperiums beigetragen. Und wenn auch die Qualität der zumeist im Regionalmonopol erscheinenden Titel nur mäßig ist, so sind die Verlage doch modern ausgerichtet und dank laufender Investitionen im zweistelligen Millionenbereich „gut aufgestellt“.
Fazit: 300 Millionen Euro sind in etwa die Summe, die man benötigen würde, um gegen eine Monopolzeitung wie die „LVZ“ in Leipzig einen alternativen Abo-Titel aufzubauen und für den Verkauf eines ganzen Medienpaketes folglich ein Schnäppchen, zu dem man der Madsack-Gruppe nur gratulieren kann.
Apropos gratulieren: Eine Gratulation ist auch in Richtung SPD angebracht. Warum? Deren Medienholding, die öffentlich kaum wahrgenommene Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft mbH http://www.ddvg.de/ , ist mit 23,1 Prozent (http://www.ddvg.de/wirueberuns/unserebeteiligungen/ ) an der Madsack Gruppe beteiligt. Die bei Wikipedia (http://de.wikipedia.org/wiki/Deutsche_Druck-_und_Verlagsgesellschaft ) genannten 20,4 Prozent sind übrigens Schnee von gestern, denn die Genossen bauen ihren Einfluss kontinuierlich aus. Durch den heutigen Deal bekommt die rosarote Medienmacht einen kräftigen Schub und die alte Tante SPD kann sich über einen Zuwachs der jährlichen Einnahmen aus den Gewinnen dieses Imperiums freuen. Schade, dass dieser Aspekt des Anteilsverkaufs im Bericht meines werten Kollegen Stefan Winter nicht beleuchtet wurde.
Nun mag der eine oder andere Leser meines kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebüchleins beim Leser dieser Zeilen ins Grübeln geraten sein, welche Konsequenzen der 300-Millionen-Deal wohl für die Beschäftigten der Verlage hat. Kurzfristig sicher keine, mittel- und langfristig wird der Verkauf der Anteile bzw. die Übernahme kompletter Titel wohl zur Steigerung der Effizienz der Verlagshäuser führen – im Klartext: Synergien werden genutzt bzw. deren Nutzung verstärkt und Stellen abgebaut. Schon jetzt werden innerhalb des Madsack-Imperiums Verlagsprodukte zentral produziert bzw. eingekauft und von verschiedenen Titeln nach minimaler Anpassung genutzt, Beispiele sind Beilagen zur Fußball-WM, Gesundheits-Beilagen usw. Das wird zunehmen und den einen oder anderen Redakteur überflüssig machen.
Viel interessanter ist die Frage, ob mit dem Verkauf der Springer-Anteile an meiner Lokalpostille auch die aus dem Hause Springer nach Leipzig entsendeten Hilfstruppen zurückbeordert werden. Nach Aussage nicht ganz unbedeutender Verlagsmitarbeiter wurde die Leipziger Volkszeitung von mehreren Beraterwellen überflutet, die mitunter recht fragwürdige Entwicklungen lostraten.
Sicher, der eine oder andere „Experte“ wird wohl wieder ins Stammhaus zurückkehren. Auf einen Wechsel an der redaktionellen Spitze sollte indes kein LVZ-Mitarbeiter spekulieren. Bernd Hilder, der das Schiff als Chefredakteur führt, mag nicht gerade für sein Charisma berühmt sein, doch sein Stuhl steht sicher. Denn schließlich kam Hilder 2004 vom Göttinger Tageblatt (wo bei der Nachricht von seinem Weggang die Korken geknallt haben sollen – guckst Du hier http://www.rote-gruetze-magazin.de/100fragen_christmann.html , bitte nach „Hilder“ suchen, steht ziemlich weit unten) zur LVZ – und das Göttinger Tageblatt ist ebenfalls ein Madsack-Titel ...

Genug geschrieben? Nein – zwei Fragen bleiben noch: Warum verkauft Springer das Medienpaket gerade jetzt? Und: Was hat Springer mit den 300 Millionen Euro vor?

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