Montag, 2. März 2009
Auf nach Polen. Oder: Mitteldeutsche Fusionsgedanken
Wenn die Untertanen knapp werden, geht den Fürsten irgendwann das Geld aus – spätestens dann, wenn der Schatzkammer verprasst und das Tafelsilber versilbert ist. Diese Erkenntnis ist so neu nicht. Der sie jüngst wieder einmal auf die Tagesordnung gesetzt hat, heißt Peter Struck und ist seines Zeichens Chef der SPD-Bundestagsfraktion. Struck sprach sich dafür aus, die Zahl der derzeit in Entsiedelung begriffenen 16 deutschen Bundesländer in Frage zu stellen und über Länderfusionen nachzudenken. An Kandidaten für solcherart Zusammenschlüsse herrscht kein Mangel – man denke an defizitäre Stadtstaaten, aber auch an kleine Länder wie das Saarland, Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt. Für seine laut geäußerten Überlegungen erntete Struck – gelinde gesagt – reichlich Dresche. Jens Bullerjahn, Finanzminister von Sachsen-Anhalt, stärkte dem Meister mit dem roten Schal nun den Rücken. Er sprach von „Unwuchten“, Finanzausstattung und Wirtschaftskraft und vom kommenden Großland Mitteldeutschland. Das beweist Mut und vielleicht auch genau die selbstzerstörerische Neigung, für die die SPD so bekannt ist, denn wer im Vorfeld von Wahlen von Gebietsveränderungen spricht, bringt Häuptlinge und Indianer gleichermaßen gegen sich auf.
Die geneigten Leser meines kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuches wissen, dass die SPD eine der Parteien ist, deren fortgesetzte Schrumpelei mich nicht eben traurig macht. Dennoch muss ich Struck und Bullerjahn zustimmen und zu ihrer ehrlichen Haltung gratulieren: Ja, die derzeitige Länderstruktur in deutschen Landen ist überholt. Ja, Zusammenschlüsse müssen ins Auge gefasst werden. Ja, der durch die jetzigen Bundesländer Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt gebildete Wirtschaftsraum sollte zu einem gemeinsamen Bundesland werden.
Aber musste es denn unbedingt das böse M-Wort sein? Kaum eine andere Bezeichnung ist für unsere Region so unglücklich wie das Wort Mitteldeutschland.
Dafür gibt es eine Reihe von Gründen: Zum einen ist Mitteldeutschland nicht eindeutig. Wer hier http://de.wikipedia.org/wiki/Mitteldeutschland nachschaut, wird feststellen, dass auch andere Regionen Deutschlands für sich reklamieren, mitteldeutsch zu sein. Zum anderen ist die Bezeichnung Mitteldeutschland für die drei südlichen der neuen Bundesländer ein Affront gegen unsere östlichen Nachbarn. Wenn Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt die Mitte Deutschlands darstellen und wenn es einen Westen, Norden und Süden gibt – wo bitte befindet sich dann der Osten Deutschlands? In Polen und vielleicht noch in Teilen Tschechiens.
Nun lässt sich über die Rechtmäßigkeit der Abtrennung Schlesiens, Ostpreußens und anderer Gebiete vom deutschen Territorium trefflich streiten, doch Fakt ist, dass es sich dabei um historischen Tatsachen handelt. Wer diese in Frage stellt, stiftet – vorsichtig formuliert – Unfrieden. Und wer von Mitteldeutschland redet, stellt genau diese Tatsachen und somit die aktuelle Grenzziehung in Frage. Das gilt für die Befürworter eines Landes unter der Bezeichnung „Mitteldeutschland“ ebenso wie für die geistigen Väter eines „mitteldeutschen rundfunks“.
Nun mag der eine oder andere Leser meinen, dass diese Bedenken überzogen seien. Weit gefehlt! Ein „südwestdeutscher“ Verlag, für den ich tätig bin, wies mich bereits vor zehn Jahren per Brief an, in meiner Berichterstattung über Geschehnisse in „Mitteldeutschland“ das Attribut „mitteldeutsch“ peinlichst zu vermeiden. Besagter Verlag engagiert(e) sich in Polen und spürte dort erhebliche Vorbehalte gegen die deutsche Seite. Insbesondere angesichts der aufkommenden Mitteldeutschtümelei befürchteten die polnischer Partner ein Rollback der aktuellen Grenzziehung.

Allerdings: Wie das künftige Bundeslandgebilde politisch korrekt heißen könnte, ist mir derzeit noch unklar. Eine Fusionsbenennung nach Vorbild Baden-Württembergs dürfte wohl ausfallen. Schließlich wäre ein Land namens „Sachsen-Sachsen-Anhalt-Thüringen“ (andere Reihenfolgen sind nicht besser) nicht nur unaussprechlich, sondern auch lächerlich. Nicht besser sind Abkürzungen wie ThüSaSa oder SaThüSa, schlimm auch die Fusionsbenamsung nach den Hauptstädten. Wer möchte schon in ErMaDre oder DresErfMag leben.
Aber gar zu eilig ist die ganze Geschichte auch nicht. Schließlich haben wir in diesem Jahr eine Bundestagswahl, da passiert nichts. Danach nicht gleich was. Und dann ist wieder bald Wahl. Und überhaupt kann nur dann etwas passieren, wenn alle drei beteiligten Länder von ein- und derselben Partei regiert werden. Wobei: Zumindest in einer Hinsicht stehen die Voraussetzungen gültig – schließlich hat zurzeit nur Sachsen einen handlungsfähigen Ministerpräsidenten. Der Thüringer Landesfürst kann sich trotz (oder wegen?) heftigen Kopfzerbrechens immer noch nicht daran erinnern, welcher Partei er angehört, der notorisch brubbelnde Oberhirte von Sachsen-Anhalt steht (hoffentlich) kurz vor dem Wechsel in die Altersteilzeit, folglich scheiden schon zwei Amtsinhaber bei der Diskussion um die Besitzstandswahrung aus.
Und auch die Hauptstadtfrage ließe sich dank der aktuellen Wirtschaftskrise prima lösen: Statt MD, AF oder DD bietet sich ein Neubau des Verwaltungssitzes nach brasilianischem Vorbild an. Wo? Auf den Flächen von DHL und Lufthansa Cargo, damit wäre allen Beteiligten gedient und das Gebot der zentralen Lage erfüllt.

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Dummheit, Frechheit, Aktionäre. Oder: Carl Fürstenberg aktuell
In der von mir hochgeschätzten Welt am Sonntag (guckst Du hier: www.welt.de ) wurde gleich an mehreren Stellen über das Elend der Geldanleger berichtet. Irgendwie kam ich beim Lesen nicht umhin, mit an einen Ausspruch Carl Fürstenbergs (1850 - 1933) zu erinnern. Dieser Mann war seines Zeichens Bankier – man beachte den feinen Unterschied zum heute gebräuchlichen Wort „Banker“.
Besagter Carl Fürstenberg war einer der führenden Köpfe des deutschen Finanzwesens Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts. Von ihm stammt der folgende Ausspruch: „Aktionäre sind dumm und frech. Dumm, weil sie ihr Geld fremden Leuten ohne ausreichende Kontrolle anvertrauen und frech, weil sie Dividenden fordern, also für ihre Dummheit auch noch belohnt werden wollen.“
Eigentlich ist dieser Erkenntnis Carl Fürstenbergs aus aktueller Sicht nichts hinzuzufügen.

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