Mittwoch, 9. Dezember 2009
Harald Schmidt und Hitlers musikalischer Geschmack. Oder: Wo sind politisch korrekten Gutmenschen?
Kaum zu glauben, aber auf die notorischen Bedenkenträger der Nation ist auch kein Verlass mehr. Womöglich sind die üblichen Verdächtigen schon im Weihnachtsurlaub oder aber von Glühwein umnebelt ins Koma gefallen. Was auch nicht schlecht wäre.
Um aber die Leserschaft meines kleinen, politischen Tagebuches nicht auf die Folter zu spannen: Natürlich habe ich einen Grund für diese Behauptung. Nach der Lektüre eines Interwies mit Entertainer Harald Schmidt, fast wortgleich nachzulesen in ziemlich vielen Kulturteilen deutscher Zeitungen, das dieser offensichtlich zum Zwecke der Promotion für seine Mittäterschaft bei der Inszenierung der "Lustigen Witwe" gab, hätte ich Stein und Bein geschworen, dass all die Knoblochs dieser Welt ins kollektive Geheul verfallen würden.

Auf die Frage Marie v. Baumbachs "Die Lustige Witwe war Hitlers Lieblingsoperette. Welche Rolle spielt für Sie die Rezeptionsgeschichte eines Werks?" antwortete Harald Schmidt in fröhlichfrecher Manier:
"Für mich zeigt das, dass der Führer politisch umstritten war, aber musikalisch einen erstklassigen Geschmack hatte. "

So einen schönen Spruch hätten außer Schmidt wahrscheinlich auch noch einige andere Leute drauf, aber die trauen sich nicht, ihn auszusprechen. Dass das obligatorische Geheul der political-correctness-Fraktion ausgeblieben ist, enttäuscht mich da umso mehr ...

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Seelenjäger ohne Feuer und Schwert reloaded. Oder. Die Kreuzritter gehen wieder um
In meinem kleinen, politisch und auch sonst nicht immer korrekten Tagebuch habe ich vor einiger Zeit über die modernen Inquisitoren geschrieben, die im Namen der Mutter Kirche gegen allerlei andersdenkende – sprich: konkurrierende – religiöse Gruppen ins Feld ziehen. Nachzulesen hier: http://zeitungsdieb.blogger.de/stories/1493664/ Stein des Anstoßes war seinerzeit der Auftritt der Internationalen Gesellschaft für Krishnabewusstsein im Rahmen der „Interkulturellen Woche“ im Leipziger Rathaus.
Speerspitze des natürlich vollkommen selbstlosen Kampfes gegen Andersdenkende und vor allem Andersgläubige war damals Solveig Prass, einige putzige Dinge über dieses christelnde Gutmenschlein stehen ebenfalls hier http://zeitungsdieb.blogger.de/stories/1493664/
Fazit: Die Mutter Kirche (auch die evangelische) mag es nicht, dass ihr Marktanteile verloren gehen und dass sie nicht der einzige Hecht im Karpfenteich der Seelenfischer ist. Folglich geht sie gegen Mitbewerber vor – und ist dabei nicht immer zimperlich in der Wahl ihrer Mittel.

Soweit, sogut. Doch nun mag sich der eine oder andere Leser meines Tagebuches fragen, warum ich einer solch heuchelnden Moralblase, wie sie zumindest Teile der Mutter Kirche zweifelsohne darstellen, nun einen neuen Eintrag widme. Ganz einfach: Die Heillige Solveig geht wieder um. Auf dem Leipziger Weihnachtsmarkt entdeckte sie eine neuerliche Bedrohung des Seelenheils, erspähte gar ein weiteres Konkurrenzunternehmen, das der Mutter Kirche womöglich Seelen (und Steuerzahler) abspenstig machen könnte.
Objekt der Feindschaft ist diesmal ein Marktstand, an dem weder Glühwein noch fette Schweinswürstel, sondern etwas viel, viel, viel Schlimmeres feilgeboten wird: Putzige Puppen.

Die heißen Kumquats und werden von der L. Bodrik KG hergestellt. Jene nun wieder werde nach „streng scientologischen Grundsätzen geführt“, darf Gutmensch Solveig Prass in meiner Lokalpostille, der Leipziger Volkszeitung, verkünden und unterstütze die Scientologen. Und die Seelenretterin darf weiter vom Leder ziehen, dass die Schwarte kracht. Sie spricht von Adoption der Puppen, von einer angeblichen Adressensammlung durch den Hersteller und von künftiger Post, die die Käufer von den Scientologen bekommen. Die Stadt Leipzig müsse, so die Forderung der empörten heimlichen Streiterin im Namen des Kreuzes, dem Treiben der Scientologen das Handwerk legen.

Nun gut, die Stadt ging auf diese vollkommenen uneigennützigen Forderungen bisher nicht ein und gedenkt wohl, das auch (zumindest solange der Weihnachtsmarkt in diesem Jahr dauert) nicht zu tun. In einer Pressemitteilung wurde verkündet, dass eine gültige Platzzuweisung für den Stand vorliegt und für eine Schließung keine Handhabe bestehe. Punkt und gut?

Eher nicht. Die geneigten Leser meines kleinen Tagebuches mögen ein wenig darüber nachdenken, ob wir womöglich ins Mittelalter zurückgekehrt sind. Damals reichten ein Verdacht oder eine Denunziation a’la Solveig Press, um jemanden auf dem Scheiterhaufen zu bringen. Und wenn besagte Gutmenschin gegen die Kumquat-Hersteller ins Feld führt, dass diese wohl Spenden an die Scientology-Church abdrücken und folglich pöhse, pöhse, pöhse seien, so lässt dass eine ziemlich mittelalterliche Geisteshaltung erkennen.
Mal nachdenken: Welche DAX-Konzerne hatten innerhalb der vergangenen zehn Jahre geschäftliche Kontakte zu Schurkenstaaten bzw. Unternehmen, die in diesen ansässig oder für diese sind? Welche DAX-Konzerne haben Potentaten in allen möglichen Ländern geschmiert, in denen Menschenrechte mit Füßen getreten werden? Und welche parteinahen Stiftungen haben von Deutschland aus sehr, sehr seltsame Gruppierungen in aller Welt unterstützt?
Aber zurück zu Solveig Press und ihrem Feldzug gegen die vermeintlich scientologisch angehauchten Puppenhändler. Sekundiert wurde die Seelenjägerin in bewährter Weise von meiner Lokalpostille, der Leipziger Volkszeitung. Ähnlich wie im „Fall“ des bereits erwähnten „Krishna-Skandals“ fand Solveig Prass auch diesmal wieder einen journalistischen Dienstleister mit überschaubarem Qualitätsanspruch, der sich ihre Argumente wohl in den Block diktieren ließ. Verlautbarungsjournalismus nennt man so was wohl und das ist so ziemlich das Gegenteil von sauberer Recherche.
Aber es wäre ungerecht, meinem werten Kollegen Frank Döring zu unterstellen, er habe gar nicht recherchiert. In seinem Kommentar unter dem Titel „Ignoranz wäre verantwortungslös“ stößt er nicht nur ins Press-Horn, sondern lässt uns auch an Einzelheiten seiner tiefgründigen Recherche teilhaben. Frank Döring hat nämlich tatsächlich recherchiert, er hat bei Google die Begriffe „Kumquats“ und „Scientology“ eingegeben und mehr als 6.000 Treffer erhalten.

Toll. So prüft man die Relevanz einer Information. Das ist journalistisches Handwerk, Qualitätsjournalismus vom Allerfeinsten. Gleich mal probieren. Beispiel gefällig?
„LVZ“ und „schlecht“: 12.100 Treffer, also stimmt es.
„LVZ“ und „falsch“: 8.800 Treffer, also stimmt es.
„Kirche“ und „Verbrecher“: 189.000 ...
„Kirche“ und „abschaffen“: 662.000 ...

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