Dienstag, 5. Januar 2010
Gedanken zur BKA-Statistik. Oder: Sind Propagandadelikte ein braunes Privileg?
Die Springerzeitungen vermelden heute Interessantes aus dem Universum des Bundeskriminalamtes: Die rechtsextreme Gewalt hat abgenommen, die linksextreme hingegen zugelegt. Den Link zur Behörde enthalte ich meinen geneigten Lesern vor, weil das BKA mitunter IP-Adressen sammelt und zum Gegenstand seiner Ermittlungen macht. Unverfänglicher lässt sich die Information z.B. hier http://www.welt.de/politik/deutschland/article5730848/Weniger-rechtsextreme-Gewalttaten-in-Deutschland.html nachlesen.
Mehrere Dinge gingen mir nach der Lektüre des Welt-Artikels durch den Kopf:
Erstens fragte ich mich, ob der Rückgang der rechten Gewalt all den großzügig finanzierten Ausstiegs- und sonst wie Besserungsprogrammen zu verdanken ist.
Zweitens sann ich darüber nach, warum die Weltler ihrer Leserschaft zwar die prozentuale Entwicklung linker Gewalt nannten, ihnen jedoch doch absoluten Zahlen vorenthielten.
Drittens kam ich mal wieder ins Grübeln, wie hoch der Anteil der behandlungsbedürftigen psychisch Kranken im Welt-Leserforum wohl ist. Die geneinten Leser meines kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuches mögen einmal die Kommentare unter dem Artikel lesen und sich ein eigenes Urteil bilden.

Viertens stolperte ich über den Begriff „Propagandadelikt“. Ein solcher liegt bei den braunen Heerscharen z.B. vor, wenn ein Hakenkreuz gemalt oder ein „Deutscher Gruß“ gezeigt wird. Besagte Propagandadelikte dürfte wohl maßgeblich für den vom BKA im Gegensatz zur rückläufigen Gewaltentwicklung verzeichneten Anstieg rechter Straftaten verantwortlich sein, denn schließlich leistet nicht nur jeder Fußball-Hooligan, der mit erhobenem rechten Arm über die Fankurve grüßt, seinen Beitrag zur Statistik, sondern auch jeder Idiot, der – ganz gleich, ob ernst gemeint oder als Mutprobe – ein Hakenkreuz auf die Wand der Klobox malt.
Und spätestens jetzt drängte sich mir die Frage auf, ob es neben rechten Propagandadelikten auch linke gibt – und ob diese auch so gründlich aufgelistet werden.
Das Strafgesetzbuch lässt im §86 (http://bundesrecht.juris.de/stgb/__86.html) und 86a (http://bundesrecht.juris.de/stgb/__86a.html) durchaus Raum für eine solche Deutung, denn es benennt zwar ausdrücklich „ehemalige nationalsozialistische Organisationen“, geht ansonsten aber von verfassungswidrigen und/oder gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung agierenden Parteien und Organisation aus.
Ein bis heute gültiger Klassiker in diesem Sinne ist die Freie Deutsche Jugend der DDR samt ihrem (noch heute gern zum Fasching getragenen) Blauhemd, aber auch die RAF und deren Logo (Der rote Stern mit der Heckler&Koch-MPi). Und was ist mit „Feuer und Flamme für diesen Staat“? Und was mit ...

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Abschied von der Netzeitung. Oder: Wenn Menschen ersetzt werden.
Die Netzeitung www.netzeitung.de ist tot. Seit Ende 2000 lieferte sie als erste deutsche Tageszeitung Informationen ausschließlich übers Internet, d.h. ohne gedruckte Ausgabe. Und das zu einer Zeit, als "Online" bei den etablierten Holzmedien noch ein Fremdwort war und so mancher Erbsenzähler im xyz-Verlag nicht einsehen mochte, wozu um alles in der Welt eine Tageszeitung einen Internetauftritt haben sollte. Die Netzeitung berichtete über alles und jedes, beinahe rund um die Uhr - und sie wurde von Menschen gemacht.
Das ist seit heute anders - und deshalb ist die Netzeitung tot. Über allerlei Zwischenstationen zog sich das Sterben hin, bis schlussendlich Eigentümer DuMont Schauberg den (Sarg-)Deckel zu und die Netzeitung dicht machte.
Was bis Jahresende durch Redakteure geleistet wurde, liefert nun ein automatisiertes Nachrichtenportal - doch das ist keine Zeitung mehr, das ist nur schlecht, so schlecht, dass es beim Anschauen schmerzt.
Schade drum. Schade um Netzeitung, Autogazette, Golem, Altpapier, Netdoktor und all die anderen Facetten, der ersten deutschen Onlinezeitung.
Schade auch deshalb, weil ich mir nun einen neue Startseite suchen muss. Telepolis.de? Tagesspiegel.de? TAZ.de?

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Die "Welt" im Winterwahn. Oder: Denkt hier keiner mehr mit?
Es ist Winter, allen Klimaveränderungsprophezeiungen zum Trotz ist es kalt und es liegt Schnee. Wie schon vor einem Jahr, als ebenfalls ein richtiger Winter stattfand, ebenfalls allen Prognosen zum Trotz.
Doch kaum ist dieser jahreszeitlich normale Zustand namens Winter eingetreten, wird er zum medialen Ereignis erster Güte. Angesichts des Schnees von heute ist die Schweinegrippe nicht mal mehr Schnee von gestern, da helfen auch die neuerlichen Aufrufe der Pharmalobby nichts, die den Warnungen vor der ausgefallenen ersten Endemiewelle nun die Warnungen vor einer zweiten folgen lassen.
Es ist Winter. Und folglich lassen Sender und Blätter echte und vermeintliche Experten zu Wort kommen, um über Wetter, Klima, Extreme und Normalität zu philosophieren. Eine besonders schöne Expertenmeinung fing sich die Welt ein. Deren Leser durften hier http://www.welt.de/vermischtes/article5722447/Winter-so-kalt-wie-seit-13-Jahren-nicht-mehr.html neben dem ganz normalen Wintermüll auch die klugen Sprüche eines Birger Tinz vom Deutschen Wetterdienst in Hamburg lesen. Ob es sich bei Birger Tinz um einen Meteorologen, den Kantinenbetreiber oder den Hausmeister handelt, erfuhr der geneigte Leser nicht. Ich tippe mal auf eine der beiden letztgenannten Tätigkeiten ... Bürger Birger verkündet angesichts der gemessenen 16 nächtlichen Minusgrade „Solche Temperaturen gab es schon lange nicht mehr … Das, was wir derzeit erleben, kann wieder ein richtiger Winter genannt werden.“ Und nun wird’s mathematisch: In früheren Zeiten habe es etwa alle acht Jahre derart kalte Winter gegeben. Heutzutage gebe es pro Jahrzehnt ein bis zwei kalte Winter. Mal nachgerechnet ... wie groß ist der Unterschied zwischen „früher (Wann war das?) aller acht Jahre“ und heute „ein bis zwei pro Jahrzehnt“? Denkt bei der Welt keiner mehr mit?

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