Mittwoch, 6. Januar 2010
Sexkornbrot. Oder: Wie ein Handwerker sich selbst das Wasser abgräbt.
In einer Lokalausgabe der Leipziger Volkszeitung las ich heute etwas über eine Nerchauer Bäckerei und ihr werbewirksamstes Produkt, das so genannte „Sexkornbrot“. Da ich für eine Fachzeitschrift über allerlei Interessantes aus der Bäckerbranche berichte, witterte ich ein interessantes Thema, las – und wurde enttäuscht.
Im Unterschied zu vielen seiner Kollegen, die in der Backstube neue Produkte austüfteln und damit ein Stück Unverwechselbarkeit gewinnen, verzichtete der wackere Nerchauer Meister aufs Probieren und Entwickeln und setzt industrielles Vorprodukt ein. Sein „Sexkornbrot“ kommt als fertige Backmischung von einem Lieferanten, der Teltomalz GmbH. „Hennigs erhalten übrigens die fertige Körnermischung, geben Hefe und Wasser hinzu, und schon entsteht im Backofen das dunkle deftige Sexkornbrot“, heißt es im Bericht der LVZ.
Zugegeben: Das Brot muss nicht schlecht sein. Aber die Verfahrensweise ist es. Eine kleine, handwerkliche Bäckerei muss sich für die Kunden unverwechselbar machen, muss eigene Produkte kreieren, dann kann sie dem Teufelskreis des Preisvergleichens entrinnen.
Brot aus der Tüte ist zwar bequem, aber es ist austauschbar. Und das ist das Gegenteil von exklusiv. Wenn, wie im LVZ-Text vermeldet, einfach nur „Wasser und Hefe“ zur Mischung gegeben werden, und „schon entsteht im Backofen das dunkle deftige Sexkornbrot” – dann hat das nichts mit handwerklicher Kompetenz zu tun. Dazu braucht es keinen Bäckermeister, anrühren kann so was auch eine Hilfskraft; Fertigbacken kann jeder Backshop, billiger als der Handwerksbetrieb noch dazu.
Der nächste Schritt des Abstiegs? Gefrierteiglinge! Die werden industriell hergestellt und sind wohlfeil erhältlich, sogar aus China werden solcherart backfertige Bequemlichkeitshelfer rund um den Globus geschippert. Die muss man nicht mal mehr anrühren, sondern nur noch in den Ofen schieben.
Dass dabei die eigene Kernkompetenz auf der Strecke bleibt und ein großer, (überlebens-)wichtiger Teil der Wertschöpfung aus dem Betrieb verschwindet, haben schon viele vermeintlich clevere Bäcker erfahren müssen. Und viele werden’s noch erfahren.

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