Freitag, 4. Juni 2010
Merkel und das kleinere Übel. Oder: Deutschland braucht die Bundespräsidenten GmbH
So, nu isses raus: Zensursula von der Leyen wird nicht Bundes-Uschi, dafür soll der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff nun Schlossherr in Berlin werden. Wird er wohl auch, sofern der liebe Gott nicht noch Hirn vom Himmel schmeißt und in der Bundesversammlung eine Mehrheit für Joachim Gauck hinbekommt. Aber daran wird er wohl scheitern. Es ist einfacher, eine ganze Welt zu erschaffen, als festgefahrenes Lagerdenken aufzulösen und durch gesunden Menschenverstand zu ersetzen. Schade, Joachim Gauck hätte das Zeug zu einem sehr klugen, sehr nachdenklichen und sehr unbequemen Bundespräsidenten, auf alle Fälle mehr als ein MP, dessen bisher größte Tat, die Abschaffung der Datenschutzaufsicht in seinem Bundesland, ihm immerhin den Big Brother Award des Jahres 2005 eingebracht hat, guckst Du hier: http://www.bigbrotherawards.de/2005

Dennoch ist die ganze Nummer mit Horst „mit sofortiger Wirkung“ Köhler, Zensursula Not my president und Christian „Lasst mich ran“ Wulff ein schönes Stück aus der Kategorie „Was lehrt uns das?“ (Für PISA-Geschädigte: Was lernd unsn das?).
Nun mag sich der eine oder andere Leser meines kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuches fragen, wo bitteschön hier die Moral versteckt sein soll ...
Keine Angst, Ihr habt sie nicht übersehen – Moral ist da wirklich nicht drin; schließlich isses Bundespolitik, aber lernen kann man trotzdem daraus.
1. zeigt uns das Bundesmerkel, dass die schöne Fabel vom Fuchs und den Trauben noch immer aktuell ist. Wenn’s nicht die Bundes-Uschi wird, dann eben der dümmste Jurist Deutschlands. Warum er das ist, sei nicht verschwiegen: In der so genannten Ticketaffäre flog Bundeswulffi mit Air Berlin in die Ferien und ließ sich für lau in die Business-Class upgraden. Laut Ministergesetz seines Bundeslandes darf er nur Geschenke bis zu einem Wert von zehn Euro annehmen. Dass sein Nobelflug womöglich nicht so ganz gesetzeskonform gewesen sein könnte, ging dem Juristen Wulff erst nach einer entsprechenden Anfrage des „Spiegel“ auf. Achja, das war vor einem reichlichen halben Jahr. Bei „normalen“ Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes wäre wahrscheinlich noch nicht einmal das Disziplinarverfahren abgeschlossen ... aber die wollen ja auch nicht oberstes deutsches Winkelement werden.
2. haben die katholischen Männerbündler in der CDU ihrer vermeintlichen Chefin nicht fein, aber sehr deutlich gezeigt, wo der Hammer hängt. Schlimm genug, dass da irgendwie eine evangelische Tusse ins Kanzleramt gerutscht ist, kaum auszudenken, wenn im Schloss Bellevue nun auch eine Lutheranerin säße. Bei allem Gedöns von wegen Gender Mainstreaming und Trennung von Kirche und Staat – wenn schon Merkel auf der einen Seite, dann auf der anderen aber bitteschön ein Typ mit Eiern in der Hose – und zwar mit katholischen!
3. demonstriert das Gemauschel um die Neubesetzung des verwaisten Horsthorstes sehr schön, wie man das tumbe Wählervolk einlullt – hätte Lenin die Vokabel „Opium für das Volk“ nicht schon im Bezug auf die Religion verbraten, könnte man sie tatsächlich für den vorliegenden Fall verwenden. Warum? Ganz einfach: Man/frau schicke einen Kandidaten ins Rennen, der nicht wirklich geliebt werden wird. Das war in diesem Fall Zensursula von der Leyen, aber auch Wolfgang „Lauschohr“ Schäuble (der mit den 100.000 DM im Briefumschlag) wäre eine gute Wahl gewesen. Dann schiebt man einen neuen Kandidaten nach, der zwar nicht gut, aber nicht ganz so schlimm wie der/die erste ist und verkauft das ganze als Erfolg. Wäre Angela Merkel nicht Physikerin, sondern Ärztin, würde das beim Patientengespräch so ablaufen: „Ich habe eine schlechte Nachricht für Sie: Es ist ein inoperabler Hirntumor, sie haben noch drei Wochen zu leben. Ach nein, es ist ja Lungenkrebs, damit machen Sie es locker noch eineinhalb Monate ...“
4. und letztens beweist das ganze Gezerre um den Präsidentenposten die Sinn- und Nutzlosigkeit dieses Amtes viel besser, als es eine millionenteure Studie vermocht hätte. Wozu um alles in der Welt braucht Deutschland so einen hochdotierten Unterschriftsonkel, der vor allem nett winken und immer knuffig aussehen muss, damit kein Staatsgast das Bild vom bösen Deutschen vor dem innerem Auge hat? Die Engländer machen’s doch mit ihrer Queen vor, dass das auch einfacher geht. Einmal im Jahr im Parlament eine fremdgeschriebene Rede vorlesen, ansonsten als Sehenswürdigkeit und Futter für die bunten Blätter zur Verfügung stehen – so wird heute repräsentiert. Geschickt privatisiert könnte das Bundespräsidialamt durchaus schwarze Zahlen schreiben und außerdem Hunderttausende Arbeitsplätze in der Tourismusbranche sichern. Wenn ich nur an die Möglichkeiten des Verkaufes von Lizenzen und Merchandising-Produkten denke ...

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