Montag, 17. September 2007
Konvertiten im Fadenkreuz
Wochenenden haben einen ganz besonderen Reiz. Und der liegt nur zum kleineren Teil darin, dass man Zeit zum Ausschlafen, Bummeln, Laufen etc. hat. Den eigentlichen Reiz stellen aus meiner Sicht all die zwischen Freitagmittag und Montagmorgen abgesonderten Absonderlichkeiten mediengeiler Politiker und ihrer Helfershelfer dar. Dass Wolfgang S. dem Bundestrojaner nun den drohenden Atomschlag finsterer Islamisten folgenden ließ, dürfte ja keinen normalen Menschen ernsthaft überrascht habe. Es ist aber auch schwer, Woche für Woche noch eins draufzusetzen. Erst machte Brigitte Z. ihm Konkurrenz, und nun wirft auch Verteidigungsminister Franz Josef Jung seinen Hut beim Wettbewerb um den dämlichsten Vorschlag in die Runde.
Im Falle einer Flugzeugentführung zum Zwecke eines terroristischen Anschlags soll, so Jungs Forderung, die Maschine zum Abschuss freigegeben werden. Dass das Bundesverfassungsgericht eben diesen Abschuss bzw. das entsprechende Luftsicherheitsgesetz bereits für verfassungswidrig erklärt hat, scheint Notstands-Jung nicht zu stören.
Nun ist Juristerei alles andere als eine exakte Wissenschaft und allein aus diesem Grund nicht meine Sache. Vorstellen kann ich mir den Casus aber allemal: Eine Maschine mit, sagen 86 Menschen an Bord, wird per Entführung zur fliegenden Bombe umgenutzt. Weil die Twin Towers gerade nicht verfügbar sind, fliegt sie in Frankfurt am Main auf ein Bankenhochhaus zu, in dem 1.500 Menschen arbeiten und in der Kürze der verfügbaren Zeit nicht zu evakuieren sind. Was sagt der oberste deutsche Verteidiger? „86 hin, 1.500 im Sinn – schießt den Vogel ab.“
Wie ist die Situation, wenn sich die Entführer mit der Zeit vertan haben und im Wolkenkratzer nur 92 Reinigungskräfte arbeiten, in der Maschine aber 86 Akademiker sitzen? Zählen die mehr oder weniger? Zählen die Entführer, die ja auch Menschen sind, ebenfalls als potenzielle Opfer und gehen sie so in die Rechnung ein?
Gilt ein zufällig Linie fliegender Landtagsabgeordneter mehr oder weniger als ein Bundestagsabgeordneter an seinem terrestrischen Schreibtisch? Ist ein „Ossie“ bei dieser Rechnung mehr wert als ein „Wessie“? Wie viele Hartz-IV-Empfänger am Boden wiegen ein Mitglied des RWE-Aufsichtsrates auf? Und – beim Zählen besonders problematisch – woher weiß der Verteidigungsminister, auf welches Gebäude der Entführer zielt?
Dürfen deutsche Jetpiloten auch eine entführte Maschine voller Israelis abschießen? Oder muss da eine Tornadobesatzung aus Tel Aviv ran? Kann man die Entführer in einem solchen Fall in die Warteschleife bitten und die Maschine zur Not auch in der Luft auftanken, so unter dem Motto „Sorry, aber die politisch korrekten Piloten für ihren konkteten Fall müssen erst geholt werden.“ Dürfen Konvertiten auch ohne Vorliegen einer Entführung vom Himmel geholt werden? Schließlich muss das neue Register ja für etwas gut sein.
Es kommt also einiges auf die Fluggesellschaften zu. Es genügt nun nicht mehr, nur die elementaren Passagierdaten zu erheben. Viel wichtiger ist es zum Zwecke einer fundierten Abwägen im Jungschen Sinne den Wert eines Flugzeuges samt Besatzung, Passagieren und ggf. Entführern vor dem Abflug zu bestimmen. Dazu bedarf es beim Einchecken zusätzlich der genauen Erfassung von Einkommens- und Vermögensverhältnissen, ehemaliger und aktueller Partei-, Vereins-, Parlaments- und Religionszugehörigkeit, Verpflichtungen, beruflichem Status und Karriereaussichten, Schuhgröße, Automarke etc.
Daraus errechnet ein noch zu entwickelndes Computermodell den Abschusswert für den jeweiligen Flug (Nur am Rande sei erwähnt, dass sich dieser Wert während des Fluges ändern kann, wenn z.B. der Aktienwert einer Gesellschaft sinkt, eine Partei in der Wählergunst steigt usw.). Betrachten wir ihn während der Einführungsphase der Jungschen Killerphantasien jedoch der Einfachheit halber als konstant.
Dem Abschusswert steht der Target-Index des Anschlagsziels gegenüber. Auch dieser variiert. Wenn die jungdynamischen Finanzexperten einer namhaften deutschen Privatbank ihren Tower in Richtung after-work-Party verlassen und die osteuropäische Putzkolonne die Etagen erobert, fällt der Index drastisch. Ein Abschuss des anfliegenden Jumbos wäre nur noch gerechtfertigt, wenn der mindestens zu zwei Dritteln mit Konvertiten gefüllt ist ... Oder hätte er dann gar nicht erst starten dürfen? Fragen über Fragen.
Nur eines steht aus meiner Sicht schon jetzt fest: Profilneurotische Politiker sollten viel, viel mehr fliegen.

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Freitag, 14. September 2007
Kundenpflege: wieder eine Prophezeiung
Weil ich gerade bei den Vermutungen bin: Am 10. September hatte ich mich an dieser Stelle über die nervige Verquickung von Anzeige(n) und Redaktion bzw. über die Selbstbeweihräucherung auf den Seiten meines mir leider sehr teuren Lokalblättchens ausgelassen. Die heutige Ausgabe gibt mir Anlass zu einer neuerlichen Prophezeiung: In der Montagsausgabe, d.h. am 17. September 2007, wird im Blatt ein netter Bericht über das Kraftwerk Lippendorf stehen.
Woher ich diese Weisheit beziehe? Nun, einst kamen in meinem Lokalblättchen doch tatsächlich Menschen zu Wort, die sich über die aus dem gigantischen Kühlturm entweichenden Wolken beschwerten, die ihnen nervige Schatten über Haus und Garten huschen ließen. Aber das ist Geschichte. Jetzt schaltet Vattenfall Europe (Da war doch was ...) Anzeigen in meinem Lieblingsgutenmorgenknisterpapierpaket. Heute erschien eine Viertelseite – das bringt einige Tausender, da muss ein alte Frau lange für stricken! Besagtes Seitenviertel steht unter dem Motto „Für alle: Strom gucken!“ und ist eine Einladung zur Kraftwerksbesichtigung mit Humtata, Speis’ und Trank. Brot und Spiele hieß das wohl früher mal ...
Und da ein erfolgreiches Medienhaus des 21. Jahrhunderts weiß, wie man sich für den einen oder anderen Tausender erkenntlich zeigen und künftige Geschäfte anbahnen kann, wird es wohl eine liebevolle Berichterstattung geben. Tätteräää.

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Applaus für die blonde Eva
Den Lesern dieses kleinen, im Sinne der Political Correctness mitunter etwas fragwürdigen Tagebuches habe ich meine Meinung zur Causa Eva Herman ja bereits am 12. September mitgeteilt: Nicht superblonder Dummheit, sondern klarem Kalkül war ihre „uuups“-Lobpreisung der Familienpolitik des Gröfaz geschuldet. Im Klartext: Die blonde Eva hat, wie schon im Fall ihres zuvor veröffentlichten Elaborates „Das Eva-Prinzip“ sich nicht verquatscht, sondern den Skandal bewusst inszeniert, um ihr neues Buch zu promoten. Ob sie dafür den Rausschmiss beim NDR in Kauf genommen hat oder von diesem Schritt wirklich überrascht wurde, sei dahingestellt. Ich vermute ja, dass sie erwartet hatte, mit der Nummer noch mal durchzukommen. Wo sie doch ihre Entschuldigung mit demütigem Blick unter der blonden Gardine hervor so prompt vorgetragen hat ...
Aber das ist eine pure Vermutung. Fakt ist hingegen, dass die PR-Nummer voll aufgegangen ist, denn „Das Prinzip Arche Noah“ hat auf Anhieb den Sprung in die deutschen Beststellerlisten geschafft.
Interessierten Lesern sei zur Sicherheit noch einmal die Lektüre des letzten Absatzes meines Tagebucheintrags vom 12. September empfohlen.
Mitunter kotzt es mich an, mit meinen Vermutungen so oft richtig zu liegen.

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Mittwoch, 12. September 2007
Die blonde Eva und die kalkulierten Skandale
Der kollektive Aufschrei der Gutmenschen hat wieder mal einen Namen: Eva Herman. Wie kann sie nur ... Ist die Blonde blöd? Oder hat sie einfach nur die richtige Mischung aus Kaltschnäuzigkeit und Cleverness, die die Erfolgreichen auszeichnet?
Dass sie zwar blond, aber nicht blöd ist, stellte die Eva Feldker – später besser bekannt als Eva Herrmann, nach Scheidung und Streichung zweier Konsonanten jetzt Herman – schon häufiger unter Beweis. Diverse Kurz- und Mittelehen waren ihrer Karriere durchaus förderlich, beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk lief es gut. Dass sie 2001 mit „Dann kamst Du“ einen zwei Jahre später sogar verfilmten Roman veröffentlichte, einige Sachbücher nachschob sowie mit Max Raabe und Hape Kerkeling Singklassiker sang – weiß das eigentlich noch jemand?
Weitaus bekannter ist das schon „Das Eva-Prinzip“. Man/frau mag über dieses Elaborat geteilter Meinung sein. Fest steht jedoch, dass der Erfolg des Buches ihre früheren Werke in den Schatten stellte. Das lag nicht in erster Linie am Inhalt. Frauen an den Herd, das ist wahrlich nicht der Brüller. Als Erfolgsrezept bewährte sich hingegen der geschickt eingefädelte Skandal: Zoff mit Alice Schwarzer, Mitautorenschaft an einem kontrovers diskutierten Cicero-Artikel, Prügel und Gegenwehr, heroischer Entschluss „Ich lasse meine Tätigkeit als Tagesschausprecherin ruhen“ – so werden Bestseller inszeniert.
Und weil man das, was einmal geklappt hat, gern wiederholt, ist Eva Herman bei ihrem jüngsten Buch „Das Prinzip Arche Noah“ auf Nummer sicher gegangen. Ein wenig blonde Plapperei, geschickt in Szene gesetzt, ein Vivat auf des Führers Wertschützung für die deutsche Mutter und schwuppdiwupp ist der Skandal da. So lässt sich sogar im 21. Jahrhundert ein dröges Buch verkaufen, das die Rettung der Familie durch Rückkehr zur tradierten Rollentrennung verspricht. Wer sich da empört und glaubt, Eva Herman wäre ein uuups unterlaufen, der hat die Spielregeln der PR nicht erkannt.
Allerdings bin ich auf die Fortsetzung gespannt. Was kommt nach der Arche Noah? Und wie wird es vermarktet?
Mal nachdenken. Eva Herman hat es mit der Bibel. Erst Eva, dann Arche Noah; und weil aller guten Dinge drei sind, folgt vielleicht der „Jüngste Tag“. Hoffentlich kündigt die blonde Bestsellerautorin dieses noch in den Sternen stehende Opus nicht mit einem geschickten Versprecher zum Thema „Endlösung“ an ... Aber wäre das so schlimm? Eva entschuldigt sich ja immer so nett. Und der Erfolg heiligt ja die Mittel.

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Dienstag, 11. September 2007
Klicks by Steppenhahn
Ich bin ja nicht eitel. Aber wenn die Bloggerei schon eine Statistikfunktion hat, kann/soll man sie auch nutzen. Folglich ergötze ich mich im Rahmen meiner morgendlichen Internetlektüre gelegentlich auch an den Zugriffszahlen für meine kleinen Notizen und freue mich, dass sich das Interview mit Rolly Schlehmens nach wie vor großer Beliebtheit erfreut. Und das, obwohl ich seit vielen Wochen nichts mehr über den Autotouristen geschrieben habe.
Seit einigen Tagen ist jedoch ein Element der Zugriffsstatistik auf zeitungsdieb.blogger.de auf dem Durchmarsch: Mein kleiner Bericht über den 100km-Lauf in Fröttstädt, eigentlich noch nie ein Ladenhüter, wird verstärkt gelesen.
Des Rätsels Lösung: Der Stepp hat ihn auf steppenhahn.de verlinkt, prompt klickert es im Gebälk.
Allen Lesern dieser kleinen Bloggerei sei angekündigt, dass wohl spätestens am 12. September ein neuer Bericht über einen meiner erklärten Lieblingsläufe veröffentlicht werden wird. Wer mich und meinen Kalender kennt, weiß ziemlich genau, worum es sich handeln wird. Allen anderen Lesern dieser kleinen Bloggerei sei erneutes Hereinschauen empfohlen. Oder immer mal aufm Steppenhahn nach einem neuen Link gucken. Bis bald.

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Montag, 10. September 2007
Zeitungsgelächter
Mir steht ein Muskelkater ins Haus. Nein, es liegt nicht am Weißenstädter 6-Stunden-Lauf, an dem ich am Sonnabend teilgenommen habe. In Vorbereitung eines Seminars habe ich mir von www.presserat.de den Pressekodex in seiner aktuellen Fassung heruntergeladen und bin aus dem Lachen nicht mehr herausgekommen. Muskelkater folgt.
Weshalb das Gelächter? Ich hatte – ebenfalls zwecks Seminarvorbereitung – einige Ausgaben meiner Lokalzeitung, die mir zwar nicht lieb, aber buchstäblich teuer ist, auf dem Schreibtisch zu liegen und verglich Theorie und Praxis.
Besonders erheiternd fand ich den sehr lässigen Umgang mit der im Pressekodex aufgelisteten Ziffer 7, die sich mit der gebotenen Trennung von Werbung und Redaktion befasst. Der Klassiker schlechthin, der in jedem Jahr für einige Rügen des Presserates gut ist. Neuerdings heißt es im Pressekodex, dass Veröffentlichungen, die ein Eigeninteresse des Verlages betreffen, als solche erkennbar sein müssen. Und da die meisten Großverlage so arm sind, dass sie sich keine Juristen leisten können, listet ein separater Kommentar auf der Presserat-Seite sogar explizit auf, was gemeint ist: Gewinnspiele, Leserreisen, gemeinsame Aktionen mit Wirtschaftsunternehmen und Berichterstattung über verlagseigene Unternehmen. Man sollte annehmen, dass das sogar der DAV (Dümmstanzunehmender Verlagsmitarbeiter) versteht. Weit gefehlt.
Beispiel gefällig? Mein Leib- und Magenblatt hat erst kürzlich ein Historienbuch auf den Markt gebracht, auf das die zivilisierte Welt schon seit Äonen gewartet haben muss. Dieser Eindruck drängte sich mir zumindest angesichts der ausladenden Vorabdrucke und Berichterstattung auf, die diesem epochalen Druckerzeugnis zuteil wurde.
Ähnlich bedeutungsvoll scheinen auch die „hauseigenen Veranstaltungen“ meines Blättchens für die Menschheit zu sein: Wenn meine Lokalpostille ihre Leser durch die Landschaft radeln oder in den Zoo gehen lässt, sind das die heißesten News, die man sich denken kann. Da könnte am Wochenende die westliche Welt samt freiheitlich-demokratischer Grundordnung den Bach runtergehen – die Leserschaft wird in epischer Breite über die Begeisterung sektsüffelnder Anzeigenkunden und das Treiben der Lokalpromis zwischen Flamingo und Pavian informiert.
Nur gut, dass der Presserat nicht nur ein zahnloser, sondern auch krallenfreier Tiger ist und dass die geneigte Leserschaft zumindest im Einzugsbereich meines Leib- und Magenblattes beim Erwerb ihrer lokalen Morgenlektüre nur die Wahl zwischen Pest und Cholera hat.

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Sonntag, 9. September 2007
Die rote Brigitte folgt dem schwarzen Wolfgang
Sonntagmorgen. Kurz mal ins Radio gelauscht. Auf DLF wird vermeldet, dass Bundesjustizministerin Zypries nun auch etwas zur Festnahme mutmaßlicher islamistischer Bombenbauer in Deutschland zu vermelden hat. Kein Wunder, denn schließlich kann die rote Brigitte dem schwarzen Wolfgang das Feld der inneren Sicherheit nicht kampflos überlassen. Um verlorenen Boden gutzumachen, brilliert sie mit einem Vorschlag, der dem sinnfreien Geschwafel von der Onlinedurchsuchung nur wenig nachsteht: Gefordert wird eine Registrierungspflicht beim Kauf von Chemikalien, die zur Herstellung von Sprengstoffen geeignet sind. Selten so gelacht, schon gar nicht am Sonntagmorgen.
Mal zum Mitdenken für alle Unwissenden: Kommt ein Terrorist in den Laden, sagt zum Drogisten: „Ich brauche Glycerin, Salpetersäure und, ääh, was gehört noch zum Nitrieren dazu?“ Wenn es um potenzielle Sprengstoffzutaten geht, ist die Welt nicht schwarz oder weiß.
Sicher, es gibt eine Menge an Chemikalien, die man kaum zum Reinigen des heimischen Herdes einsetzen würde, sondern die recht eindeutigen Zwecken dienen. Aber diese Substanzen sind auch jetzt schon nicht einfach so im Baumarkt erhältlich.
Interessant wird es doch bei den Zutaten, die auf Neudeutsch „Dual Use“-Charakter haben, die also dem einen oder dem anderen oder noch vielen weiteren Zwecken dienen können.
Bleiben wir bei einer meiner Lieblingssubstanzklassen, den so genannten ANFOs. Diese Abkürzung steht für „Ammonium Nitrat(e) Fuel Oil“, dank der IRA und anderer Menschenfreunde auch als „Fertilizer Bombs“ bekannt. Ammonium Nitrat wird im großtechnischen Maßstab produziert und sowohl für die industrielle als auch terroristische Sprengstoffproduktion eingesetzt. Außerdem wird es in Unmengen als Stickstoffdünger auf die Felder geschüttet. In Ägypten habe ich ganze Lastzüge mit dem Zeugs gesehen, die unbewacht am Acker standen – und keiner der allgegenwärtigen Sicherheitsleute macht sich darüber einen Kopf ...
Schüttet man z.B. Diesel ins Ammonium Nitrat, entsteht auf simpelste Weise ANFO. Wer’s heftiger mag, gibt noch Aluminium hinzu. Mit einer simplen Sprengkapsel wird so aus dem Dünger, der dazu beitragen soll, Menschen vor dem Verhungern zu bewahren, ein probates Mittel, um Hunderten Menschen einen zügigen Tod zu bescheren.

Haben das alle verstanden? Dann erinnern wir uns noch einmal an die Forderung des BuJuMi-Brigitte. Wer soll beim Kauf welcher Zutaten registriert werden? Der Bauer, wenn er 130 Tonnen Stickstoffdünger ordert? Der Kleingärtner, wenn er drei Zehnkilotüten Superblühdünger in seinen Einkaufswagen packt? Oder der Autofahrer, der seinen Golf TDI mit Diesel betankt?
Und da man Menschen nicht nur mit Bomben ins Jenseits befördern kann, könnten bei dieser Gelegenheit auch die Käufer von Äxten, Vorschlaghämmern, Kanthölzern, Küchenmessern, Wäscheleinen und allen anderen „Dual Use“-Mordwerkzeugen erfasst werden.

Möglicherweise braucht Deutschland wirklich das eine oder andere neue Gesetz. Ganz oben auf der Prioritätenlisten stehen allerdings solche, die gerade Politiker dazu verpflichten, vor Inbetriebnahme ihres Mundwerkes auch ihr Gehirn einzuschalten.

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Freitag, 7. September 2007
Alles Schlapphut, oder ...?
Drei mutmaßliche Terroristen wurden festgenommen. Dass damit eine Reihe wahrscheinlich geplanter Anschläge verhindert werden konnte, ist erfreulich. Allerdings provoziert die (bisher durchaus widersprüchliche) Berichterstattung über diesen Vorgang eine Reihe von Fragen zur möglichen Rolle der Geheimdienste in dieser Angelegenheit.

Drei Personen, die seit Monaten unter Beobachtung standen, haben frei verkäufliche Zutaten für die Herstellung von Sprengstoff zusammen getragen und sollen kurz davor gestanden haben, daraus eine teuflische Mischung herzustellen. Soweit, soklar? Keinesfalls, zu viele Fragen bleiben offen.

1. lässt der Hinweis auf das in großen Mengen beschaffte Wasserstoffperoxid vermuten, dass entweder HMTD oder APEX produziert werden sollten. Die dazu benötigten „weiteren Zutaten“ sind gleichfalls frei erhältlich. Bei beiden Substanzen gelten als sehr brisante, aber tückische Sprengstoffe. Bei ihrer Herstellung besteht die Gefahr, dass selbst kleinere Ansätze außer Kontrolle geraten und explodieren. Die Verarbeitung von mehr als einer halben Tonne Wasserstoffperoxid ist ein anspruchsvolles Unterfangen, das nicht mit dem Kochen von Marmelade am Küchentisch einer Ferienwohnung zu vergleichen ist. Auch Lagerung und Transport der fertigen Sprengstoffe sind riskant. Zudem sind die Zutaten relativ teuer. Weshalb sollten potenzielle Terroristen, die in ein internationales Netzwerk eingebunden sind, sich auf solche Schwierigkeiten einlassen?
2. hatte das von den mutmaßlichen Terroristen erworbene Wasserstoffperoxid laut Medienberichten eine Konzentration von 35 Prozent und wurde im Zuge der Ermittlungen gegen eine 5-prozentige Lösung ausgetauscht. Das ist löblich, denn unter acht Prozent ist die Flüssigkeit zur Sprengstoffherstellung nicht mehr zu gebrauchen. Allerdings kann jede Friseuse und auch jeder Chemielaborant die eine von der anderen Lösung unterscheiden. Sollte das nicht auch den in einem Ausbildungslager geschulten, mutmaßlichen Terroristen möglich gewesen sein? Zumindest wäre ihnen beim ersten Ansatz zur Sprengstoffherstellung aufgefallen, dass da etwas nicht stimmen kann. Folglich können die drei Festgenommenen noch nicht so weit gewesen sein. Oder sie waren wirklich blauäugig. Wie sie dann auf TMTD bzw. APEX gekommen sind, ist unklar.
3. sind Sprengstoffe auf Basis von Stickstoffdünger und Öl (ANFO: Ammonium-Nitrate Fuel Oil) leicht und billig herstellbar und einfach zu handhaben. ANFO wird kommerziell genutzt, ist jedoch auch bei einer Vielzahl von terroristischen Aktivitäten verwendet worden. So genannte Fertilizer-Bombs nutzten u.a. der Oklahoma-Bomber und die IRA. Lt. Angaben der Ermittlungsbehörden wurden bei den drei mutmaßlichen Terroristen auch Sprengkapseln gefunden, sodass die Zündung eines ANFO-Gemisches kein Problem dargestellt hätte.
4. drängt sich mir die Frage auf, woher ALG-II-Empfänger das Geld für Ferienhaus, bundesweiten Einkauf von Chemikalien etc. haben. Hier muss es Unterstützer geben. Aber: Wenn es im Rahmen eines Netzwerkes solche Helfer gibt, warum haben diese die mutmaßlichen Terroristen dann nicht auf eine praktikablere Lösung hingewiesen? Oder stammten die Unterstützer aus ganz anderen Kreisen und hatten Interesse an der Inszenierung einer medienwirksamen Festnahme?
5. gibt mir das perfekte zeitliche Zusammentreffen von behördlichem Zugriff und aktueller Diskussion um Online-Durchsuchungen - gelinde gesagt - sehr zu denken. Hier drängt sich die Frage auf, inwieweit V-Leute in die Aktion eingebunden waren und ob diese Einfluss auf die Tätigkeit der drei mutmaßlichen Terroristen genommen haben? Das Leben steckt voller Zufälle, aber dass just in dem Moment, da der Innenminister mit dem Waffenrecht baden gegangen ist und in puncto Bundestrojaner Gegenwind vom Koalitionspartner bekommt, drei Chemie-Alis gefangen werden, scheint mir doch kein Zufall zu sein.
6. sollte kein Leser meiner Zeilen die oben gemachten Angaben zu Sprengstoffen in irgendeiner Weise "als Aufforderung zum Tanz" verstehen. Die genannten Zutaten sind zwar frei erhältlich, von ihrer Verwendung zur Herstellung von Sprengstoffen wird jedoch ausdrücklich abgeraten.
Insbesondere sollte der Hinweis auf ANFO nicht dahingehend missverstanden werden, eventuelle Probleme im privaten, beruflichen oder behördlichen Umfeld durch zweckentfremdeten Einsatz von Ammoniumdünger und Diesel zu lösen.
Der Umgang mit dem Zeugs ist gefährlich, nicht jeder hat das Glück, dass Onkel Schlapphut sich nachts in den Hobbykeller schleicht und den Mist entschärft. *g*

Der Zeitungsdieb

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