Montag, 14. Januar 2008
Buch oder nicht Buch oder: Vom Lob der Genossenschaft
Ganz gleich, ob „Harry Potter“ oder das zum Glück noch nicht geschriebene Lügenmärchen eines mehr oder minder gescheiterten Weltumrunders – für Bücher gilt in Deutschland ein bestimmter Preis. Und so ist es unerheblich, ob man "Robby Clemens - mein Leben im Wohnmobil" im kleinen Buchladen an der Ecke (so es ihn denn noch gibt), bei Hugendingsbums oder per Internetversand kauft – der Preis bleibt gleich (und wird zumindest für das letztgenannte Werk in jedem Fall zu hoch sein. Selbst geschenkt.) Das nennt man Buchpreisbindung. Es gibt sie in u.a. in Deutschland, Österreich und Frankreich, in der Schweiz wurde sie 2007 abgeschafft.
Die Befürworter der Preisbindung argumentieren damit, dass diese eine flächendeckende Versorgung mit dem Kulturgut Buch sicherstellt, indem kleinen Geschäften Überlebenschancen gegeben werden. Außerdem macht die Buchpreisbindung die Quersubventionierung in den Verlagen möglich. Soll heißen: Ein Megaseller wie Harry Potter erlaubt es dem Hanser-Verlag, sich auch einige unrentable Produktionen zu leisten. Das klingt ein wenig unglaubwürdig, scheint aber tatsächlich zu finktionieren.
Über eine Beschränkung des freien Wettbewerbs schimpfen hingegen die Gegner der Buchpreisbindung. Ohne dieses Instrument, so ihr Argument, könnten Bücher viel preiswerter angeboten werden.
Ausnahmen von der Preisbindung sind lediglich bei Importbüchern zulässig, die aus Ländern stammen, in denen es diese Regelung nicht gibt. Außerdem kann die Buchpreisbindung durch den Verlag aufgehoben werden, wenn ein Titel seit 18 Monaten auf dem Markt ist. Nach entsprechender Ankündigung werden die Titel dann verramscht – so der offizielle Begriff für diese Art der Resteverwertung.
Große Buchhändler nutzen zudem gern die Möglichkeit, so genannte Mängelexemplare deutlich unter Preis auf den Markt zu werfen. Allerdings müssen die Bücher dazu sichtbare Schäden aufweisen. Nachdem Amazon & Co. es einige Zeit mit den Mängeln nicht so genau genommen hatten, ist nun zumindest in dieser Beziehung wieder ein wenig Ordnung eingekehrt.
Die regelmäßigen Leser dieses kleinen Tagebuches werden sich nun fragen, weshalb ich sie mit diesem drögen Stoff traktiere. Nun, ich hatte jüngst Gelegenheit, ein wenig über die Argumente der Buchpreisgegner nachzudenken. Anlass dazu bot mir bereits genannter Harry Potter. Der (wahrscheinlich) letzte Band der Reihe ist im vergangenen Jahr erschienen, am 11. Januar kam das Hörbuch auf den deutschen Markt. Nun ist es mit einem Hörbuch so wie mit dem Neusilber, aus dem die DDR-Markstücke bestanden: Beide sind nicht das, was der Name vorgaukelt. Bestand die silberfreie DDR-Währung vor allem aus Aluminium, so ist ein Hörbuch ein Produkt, das zwar möglicherweise ein wenig Papier enthält, dessen Gebrauchswert jedoch in den enthaltenen CDs liegt.
Folglich fällt es trotz der Bezeichnung „Hörbuch“ nicht unter die Buchpreisbindung. Und folglich, so könnte der logische Schluss des geneigten Lesers lauten, sind große Anbieter in der Lage, es wohlfeiler anzubieten als kleine.
Um das Ende meiner Recherchen vorwegzunehmen: Die Welt ist nicht so, wie man sie sich mitunter vorstellt. Das Harry-Potter-Hörbuch hat vom Verlag eine unverbindliche Preisempfehlung von 90 Euro erhalten. Na gut, daran hält sich eh kein Händler. Und da frühere HP-Hörbücher anfänglich für 50 Euro ins Regal kamen, war ich noch guten Mutes.
Als ich bei Mediamarkt auf knapp 80 Euro stieß, schluckte ich. Weil nicht blöd, wechselte ich das Geschäft. Immerhin, bis auf rund 60 Euro im normalen Buchhandel dehnte ich meinen Test aus. Für 69 Euro kann man die Vorlesekünste von Rufus Beck bei Amazon ergattern. Als Neuware. Gebraucht (mit dem Vermerk „Nur einmal gehört“) gibt es Harry & Co. in diversen Amazon-Shops noch ein Stück günstiger.
Was ich aus diesem Erlebnis gelernt habe? Zweierlei.
Erstens scheint es mit den günstigeren Preisen, die die Gegner der Buchpreisbindung mir versprechen, so eine Sache zu sein ... zu groß ist die Zahl der Artikel, die ich bei Mediamarkt und Saturn schon wesentlich teurer als in anderen Geschäften gesehen habe.
Und zweitens werde ich das Hörbuch wohl im Rahmen einer Harry-Potter-Genossenschaft bekommen. Mehrere Interessenten dürfen die CDs ja wohl gemeinsam nutzen, ohne mit irgendwelchen hirnrissigen Gesetzen in Konflikt zu geraten. Und eine Sicherheitskopie sollte ja auch erlaubt sein. Dazu benötige ich nicht einmal ein verbotenes Kopierprogramm oder anderweitiges Teufelszeugs, denn mein alter Apple hat „ab Werk“ die Eigenart, jeglichen neumodischen Kopierschutz zu ignorieren.

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Donnerstag, 10. Januar 2008
Tutti paletti? Müll, Kohle und der weltweite Billigtourismus
Einiges Europa? Was für ein Witz! Sicher, wir haben da neuerdings eine gemeinsame Währung, eine gemeinsame europäische Bürokratie, einen Schwarm von Europaparlamentarien und Lobbyisten sowie offene Grenzen (akzeptieren müssen). Wie weit Europa aber von einer „Einheit“ entfernt ist, wird in diesen Tagen wieder besonders deutlich. Während in Deutschland über Feinstaub aus Wohnzimmerkaminen diskutiert und der Müll fast schon nach rechts- und linksdrehenden Molekülen sortiert wird, geht’s andernorts lustig zur Sache. Beim Spartathlon hatte ich 246 Kilometer lang Gelegenheit, mich von den Feinheiten griechischer Entsorgungskonzepte („Am Straßenrand ist Platz, zur Not gibt es Abhänge“) zu überzeugen. Und in Neapel und Umgebung kollabiert derzeit ein Entsorgungssystem, das eigentlich keines ist.
Positiver Nebeneffekt der italienischen Misere: Die perverse Praxis des Mülltourismus’ kommt wieder einmal ins öffentliche Bewusstsein – so die Öffentlichkeit solche Themen denn wahrnehmen will. Viel lauter wird ja derzeit über mafiöse Strukturen in der italienischen Entsorgungslandschaft getönt, wobei nur zu gern vergessen wird, dass auch viele deutsche Entsorger dabei erwischt worden sind, mit nicht wirklich sauberen Mitteln um Aufträge und Genehmigungen zu kämpfen. Was in Italien Mafia genannt wird, heißt in Deutschland nur zu gern xyz-Wertstofflogistik AG oder weiß-der-Deibel-wie-GmbH und hat statt eines Paten einen Aufsichtsratsvorsitzenden.
Aber zurück zum Mülltourismus. Der boomt kräftig. Schon zu „normalen Zeiten“ lassen clevere Entsorger ein Drittel des Mülls der Region Neapel nach Deutschland karren, um ihre Sortier- und Verbrennungsanlagen auszulasten. Professor Michael Braungart von der Universität Lüneburg geht davon aus, dass Deutschland in Zukunft zum „Müllstaubsauger der ganzen Welt“ werden wird. Der 1958 geborene Braungart steht im Ruf eines Ökovisionärs, er ist Verfahrenstechniker, Chemiker (nähere Infos unter www.braungart.com) und befasst sich mit dem Stoffstrom-Management. In einem wdr-Interview (www.wdr.de/tv/monitor/beitrag.phtml?bid=878&sid=163) verwies Braungart auf eine spektakuläre deutsche Besonderheit: Wer hierzulande eine Müllverbrennungsanlage errichten will, müsse beim Genehmigungsverfahren keinen Nachweis für einen tatsächlich vorhandenen Bedarf führen. Die Anlage wird gebaut, der Müll herangeholt. Laut www.sueddeutsche.de/wissen/artikel/992/133742/print.html planen Investoren in Deutschland den Bau von 83 neuen Müllverbrennungsanlagen. In den derzeit 67 vorhandenen Anlagen wurden 2007 rund 18 Mio Tonnen Müll verbrannt. Durch die angestrebten Neubauten wächst die Verbrennungskapazität um weitere 13 Mio Tonnen. Da der deutsche Müll angesichts dieser Überkapazitäten längst zum begehrten Schatz geworden ist, wird auf Teufel komm raus importiert.
Schon jetzt schleppen deutsche Entsorger jährlich über 12 Mio Tonnen Abfall sowie zusätzlich (!) 5,6 Mio Tonnen giftigen Sondermüll zur Verbrennung ins achso grenzwertbesorgte Deutschland. Mit einer drastischen Steigerung dieser Zahlen wird gerechnet, denn „Müll geht immer den billigsten Weg. Wenn die deutschen Verbrennungspreise wegen der vielen neuen Anlagen sinken, wird der Müllimport drastisch zunehmen“, zeigt sich Günter Dehoust, Umweltschutzingenieur beim Öko-Institut in Darmstadt, überzeugt.
Als besonders kritisch betrachten Vertreter des Umweltbundesamtes den Trend von der klassischen Müllverbrennungsanlage (MVA) hin zu so genannten Ersatzbrennstoff-Kraftwerken. Diese Kraftwerke nutzen die thermische Energie des Mülls für die Stromerzeugung aus und arbeiten so weitaus kostengünstiger. Schlägt eine Tonne Müll bei der „hochwertigen“ Verbrennung in einer MVA mit etwa 500 Euro zu Buche, so kostet die Verbrennung der selben Müllmenge in einem Ersatzbrennstoff-Kraftwerk lediglich 50 Euro.
Tücke der Gesetzgebung: Während MVA strengsten Grenzwerten unterworfen sind, gelten für die Müllkraftwerke deutlich weichere Regeln. Das führt dazu, dass die Belastung der Kraftwerksabgase mit Umweltgiften bis hin zum Dioxin um ein Mehrfaches über den Werten der MVA liegen darf – und das bei den schon vorhandenen in aller Regel auch tut.
Aber auch ohne Müllverbrennung lässt sich trefflich Geld verdienen. Die südlich von Leipzig gelegene Deponie Cröbern – benannt nach einem durch den Braunkohleabbau weggebaggerten Dorf – hat eine Kapazität von 12 Mio Kubikmetern. „Schon bei Planung und Bau war sie allerdings heftig umstritten, vor allem deshalb, weil sie völlig überdimensioniert ist“, betonte Liane Deicke, umweltpolitische Sprecherin der SPD, am 15.9.2006 im Sächsischen Landtag. Sie bezeichnet es als Glücksumstand, dass die von RWE ursprünglich beantragte Kapazität von 16,5 Mio Kubikmetern nicht genehmigt wurde.
Die Deponie habe sich für die Stadt Leipzig und die umliegenden Landkreise nach dem Rückzug von RWE als Millionengrab erwiesen und sei nur durch Müllimporte vor dem wirtschaftlichen Aus zu bewahren gewesen.
Zur Verbesserung der Deponieauslastung wurde vor wenigen Jahren eine Mechanisch-Biologische Abfallbehandlungsanlage in Betrieb genommen. Deren Jahreskapazität von 300.000 Tonnen ist ebenfalls weit überdimensioniert – zumindest dann, wenn man vom Müllaufkommen in der Region ausgeht. Und so wurden im vergangenen Jahr nach Aussage des Deponietreibers, der Westsächsischen Entsorgungs- und Verwertungsgesellschaft WEV, „nicht mehr als rund 50.000 Tonnen“ Hausmüll aus Neapel und Umgebung verarbeitet.
Wie WEV-Geschäftsführer Günter Lohmann einem Reporter meiner Lokalpostille versicherte, gibt es „keine Hinweise auf kriminelle Verstrickungen“. Sein GF-Kollege Holger Bauerfeind bezeichnete es zudem als „Völlig ausgeschlossen, dass Sondermüll darunter ist.“ Davon habe sich auch „das italienische Fernsehen“ überzeugt. Damit dürfte die schöne SPD-Landrätin Petra Köpping beruhigt sein, die angesichts der Misere rund um den neapolitanischen Müll um Klärung gebeten hatte.
Tutti Paletti? Wer’s unbedingt glauben will, kann daran sicher nicht gehindert werden.
Aber mal nachgedacht: Zu DDR-Zeiten entsorgte ein auch heute noch recht bekanntes und renommiertes Leipziger Institut radioaktive Flüssigkeiten in einem südlich der Stadt gelegenen Kraftwerk. Dort wurde die Brühe über die per Förderband aus dem Tagebau anrollende Braunkohle gekippt. Die Verbrennung änderte zwar nichts an der strahlenden Laune der Isotope, aber die Verdünnung durch jede Menge Kohle machte pro forma alles wieder gut.
Jede Menge Kohle ... zu DDR-Zeiten kam sie in Gestalt brauner Brocken aus der Erde. Heute sind’s bunte Scheine, und mit dem Müll wird alles wieder gut.
Dass ich in eben diesem Moment an Klas Lage denken muss, ist kein Zufall. Wie singt er in "Monoply" so treffend: "Und die Kohle fällt nach oben".
Schönen Tag noch.

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Mittwoch, 9. Januar 2008
Lustiges aus dem Schäuble-Ministerium oder Humor auf Steuerzahlerkosten
Das Internet und insbesondere der sich darinnen emsig tummelnde Schnuffelhund Schäuble haben mir bereits eine Reihe glückhafter Momente beschert. Ein besonders schönes Stück regierungsamtlicher Realsatire möchte ich den Lesern dieses kleinen, politisch möglicherweise nicht immer gänzlich korrekten, Tagebuches nicht vorenthalten. Es befindet sich auf der Schäuble-Homepage – treffender vielleicht auf gut Deutsch als Heimseite bezeichnet, denn wer so was verzapft gehört eigentlich in ein solches.
Also dann: Unter http://www.bmi.bund.de/cln_012/nn_122688/Internet/Content/Themen/FragenUndAntworten/Online__Durchsuchungen.html beschreiben die Mittäter des größten Terroristenüberollers aller Zeiten, was der Bürger zum Thema Online-Durchsuchung wissen muss bzw. soll. So viel Spaß kann das Internet nur selten bieten.
Allerdings sei dem geneigten Leser vor dem Anklicken des oben genannten Links ein kurzer Moment der Besinnung empfohlen. Ob er bzw. sie die Seite des Bunten Innenministeriums einfach so aufruft oder zuvor einen Anonymisierungsdienst für seine IP-Adresse aktiviert, das sollte einige Sekunden des Nachdenkens wert sein. Denn schließlich sind auf den Seiten eben dieser Behörde in der Vergangenheit bereits IP-Adressen erhoben und zur Grundlage von Ermittlungen gemacht worden. Zwar gab es keine rechtliche Grundlage dafür, Internetnutzer, die frei zugängliche Informationsseiten des BMI zum Thema Extremismus aufrufen, unter einen „begründeten Verdacht“ zu stellen, aber das hat den Betroffenen wenig genutzt. Der Unterschied zwischen Nutzung und Nichtnutzung von Tor & Co. kann im konkreten Fall also den Unterschied zwischen Wahrung der Privatsphäre und Onlinedurchsuchung ausmachen – wenn Schäubles Künstler letztere jemals hinbekommen.
In diesem Sinne: Viel Spaß!

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Dienstag, 8. Januar 2008
Alte Zeitungen, ein Hackerangriff und geschätzte Kollegen
Einigen Stammlesern meines kleinen Tagebuches ist es nicht entgangen, dass ich mit meinem Internetgeschwafel über den Jahreswechsel einige Tage pausiert hatte. Nach einem „recht heftigen“ Jahr 2007 gönnte ich mir – gemeinsam mit Freunden und Familie – einige Tage Auszeit. Im Prinzip sogar politisch korrekt, denn statt Fernreise mit hohen Kohlendioxidemissionen (schließlich bin ich ja kein Politiker) gab’s Kurzferien beinahe vor der Haustür. Dafür aber ohne Internet (auch wenn die Versuchung groß war), ohne Zeitung, mit nur wenigen Nachrichten und einem Handy, das nicht permanent am Mann war.
Nach der Heimkehr lag auf dem Küchentisch erfreulich wenig (darunter keine unerfreuliche) Post, allerlei Werbung (die wird für 5 ct pro Kilo weggeschafft) und ein ziemlicher Stapel mit den Ausgaben meiner Lokalpostille.
Letzterer enthielt auch bei grünlicher Inaugenscheinnahme kaum Überraschungen. Neujahrsansprache mit den – je nach politischer Heimat – üblichen Reaktionen („Aaaaah“ bis „Buuuuuh“); nervende Jahresrückblicke, die kein Mensch wirklich braucht und allerlei Selbstdarsteller, die schnell noch mit einer späten guten Tat zum Jahresende ins Blatt gerutscht sind. Gäbe es in Leipzig nicht den Silvesteraufstand am Connewitzer Kreuz (Für alle Auswärtigen: Das ist so eine Tradition in der Art wie Kreuzberg am 1. Mai), womit hätte man die Zeitung gefüllt? Irgendwelche „linken“ Radauköppe lieferten der Polizei eine Straßenschlacht, so in der Art „68er für Arme“. Die Ordnungshüter gerieten unter schweren Beschuss und hatten Verletzte zu beklagen, die Staatsmacht setzte Idiotenkopfanklopfgeräte und Wasserwerfer ein. Etwas über 30 mutmaßliche Gewalttäter wurden festgenommen. Allerdings waren diese revolutionären Märtyrer wieder frei, bevor der letzte zu Schaden gekommene Polizist verarztet worden war. In den Folgetagen orakelten allerlei Experten über die Ursachen der Tradition des Barrikadenanzündens, der OBM sagte erst nichts und dann nicht wirklich etwas zum Thema, die verschiedenen Parteien forderten – wieder ja nach Farbe – entweder härteres Durchgreifen gegen die Chaoten oder härtere Ermittlungen gegen die Polizei.
So richtig schmunzeln konnte ich eigentlich nur über eine Veröffentlichung in meiner Lokalpostille. Die „Leipziger Volkszeitung“ berichtete am 3. Januar 2008 über einen verruchten Hackerangriff, dem in der Silvesternacht die Computer von Funktaxi Leipzig (FTL) zum Opfer gefallen waren. Zur besten Neujahrsheimfahrtzeit – zwischen 2 und 5 Uhr – ging in der FTL-Zentrale praktisch nichts mehr. Verluste habe es kaum gegeben, da die FTL-Taxis dank vieler tausend alkoholisierter Partyheimkehrer ohnehin ausgebucht waren.
Lesenswert ist allerdings das in der Leipziger Volkszeitung veröffentlichte Statement von FTL-Geschäftsführerin Ines Heintke. Sie schreibt von einem „professionell ausgeführten Hackerangriff“, dessen Verursacher nicht „mit Hilfe seiner Identifikationsnummer“ zu orten gewesen sei. Ihr Fazit: „Der Hacker hat ein ausgefeiltes Verschlüsselungsprogramm benutzt.“ Der Eindringling habe von scheinbaren Standorten in den USA, Italien, der Ukraine, Spanien und Italien aus gearbeitet.
Nun bedarf es für die Heimtücke des geschilderten Angriffs nicht wirklich einer ausgefeilten Verschlüsselung, sondern schlicht und einfach einem Tool zur Anonymisierung bzw. Veränderung der übertragenen IP-Adresse. Dazu gibt es eine ganz Reihe von Möglichkeiten, zu deren bekanntesten wohl die Nutzung des Tor-Netzwerkes (siehe www.torproject.org) zählt. Auch an meinem Firefox befindet sich die Schaltfläche mit der Zwiebel, durch deren Betätigung sich meine IP-Adresse und damit mein scheinbarer Standort per Mausklick verändern lässt. Schließlich muss nicht jeder Datensauger wissen, wer auf seine Seite geschaut hat ...
Derartige Tools sind übrigens nicht illegal. Ein Anonymisierungsserver, der Java Anon Proxy, wurde u.a. von den Unis Dresden und Regensburg in Betrieb genommen.
Nun liegt es mir wie stets fern, meine werten Kollegen von der Lokalpostille ob ihrer mangelnden IT-Kenntnisse zu schelten. Schließlich schätze ich einen Teil der LVZ-Redakteure sehr (bei denen, die ich nicht wirklich schätze, schätze ich zumindest, dass sie hoffnungslos überbezahlt sind) – aber ein wenig Recherche, die eine oder andere Frage an Leute, die sich auskennen – das könnte dazu beitragen, dass sich meine Lokalpostille von ihrem Anspruch des Qualitätsjournalismus nicht immer weiter entfernt.
Aber die Geschichte nimmt ja ein beinahe positives Ende: FTL-Chefin Heintke hat angesichts des schmerzlichen Computerausfalls Konsequenzen angekündigt und „die Aufrüstung der Computertechnik“ angekündigt. Damit wolle man „Wiederholungen deutlich erschweren“.
Wenn sie dafür nicht die selben Experten ins Boot holt, die dem „professionellen Hackerangriff“ drei Stunden lang bis zum freiwilligen Logout des Missetäters zugeschaut haben, könnte die Sicherheit des FTL-Systems wirklich etwas verbessert werden.
Grund dazu gibt es reichlich. Schließlich buhlen in der Halbmillionenstadt Leipzig 700 Taxen um die Gunst der Kunden. Als auskömmlich gelten lediglich 500 Taxilizenzen. Vier Taxizentralen kämpfen um Marktanteile. Neuling FTL war vor einem halben Jahr angetreten, um den Platzhirschen mit einem günstigeren Angebot Paroli zu bieten und geriet mitten in einen Krieg, der mit harten Bandagen ausgefochten wird: Wundersame Rufumleitungen, getürkte Taxiorders, beschädigte Fahrzeuge – (k)ein Schelm, wer nun denkt, dass der Hackerangriff nur eine auf einen anderen Kriegsschauplatz darstellt.

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Wenn der Schäuble dreimal klingelt oder: Programmtipp der anderen Art
Die regelmäßigen Leser dieses kleinen Tagebuches wissen, dass ich hier üblicherweise lästere, jedoch keine Fernsehtipps gebe. Nun, daran wird sich auch mit diesem Eintrag nichts ändern, denn einen Fernsehtipp stellt der folgende Link nicht dar. Er ist vielmehr der Verweis auf einen sehr interessanten Vortrag von Rechtsanwalt Udo Vetter, den dieser unter dem Motto „Sie haben das Recht zu schweigen" zum Verhalten bei Hausdurchsuchungen gehalten hat.
Nun sind die regelmäßigen Leser dieses kleinen Tagebuches – ebenso wie ich – sicher allesamt brave Staatsbürger, die weder fehlsichtige Mitbürger durch leises „Piep-Piep-Piep“ über rote Ampeln schicken noch irgendwelche Diebstähle begehen. Nagut, höchstens mal kleinere ...
Warum also der Hinweis auf Hausdurchsuchungen und das dabei zu beachtende Verhalten? Ganz einfach: Spätestens seit Sheriff Schäuble wahnhaft von einer terroristischen Gefahr zur nächsten rollt und allerspätestens seit dem Beschluss über die Vorratsdatenspeicherung ist es gar nicht so schwer, in der freiheitlich demokratisch grundgeordneten Bundesrepublik anzuecken bzw. in das Visier paranoider Strafverfolger zu geraten.
RA Udo Vetter führt in seinem Vortrag sehr laienfreundlich aus, welche Feinheiten des deutschen Rechts – insbesondere der Strafprozessordnung – auch oder vor allem brave Staatsbürger kennen sollten, um nicht zu viel Ärger zu bekommen.
Wer das für abstrakt hält: Wenn ein „begründeter Anfangsverdacht“ vorliegt und/oder die „kriminalistische Erfahrung“ beim Gegenüber Missetaten vermuten lässt, darf der Polizist des Vertrauens auch mal ohne amtliches Papierchen tätig werden. Diese Kriterien sind – je nach Auslegungs- bzw. Paragraphendehnungsbereitschaft des konkreten Staatsdieners u.U. schon erfüllt, wenn man im Gesicht dunkler als der Durchschnittsdeutsche ist, eine seltsame Frisur trägt, eigenartig riecht, mit seltsamen Leuten beim Bier angetroffen wird oder krümelige Substanzen in Auto bzw. allerlei Schraubgläsern seiner Sporttasche mit sich führt.
Und spätestens hier wird das Wissen um die gesetzlich verbrieften Bürgerrechte auch für Ultraläufer wie Du und ich interessant. Schließlich sind wir mehr als nur gelegentlich mit seltsamen Figuren unterwegs, tun unverständliche Dinge und haben nicht immer den frischesten Geruch an uns. Vom Inhalt unserer Sporttaschen ganz zu schweigen ...
Ich hatte im Juli 2005 das Vergnügen, auf meiner nächtlichen Heimfahrt vom Kölner 24-Stunden-Lauf auf der Autobahn in eine Routinekontrolle zu geraten. Mein nicht ganz alltägliches Aussehen, der Inhalt meines Autos und vor allem meine schwankende Fortbewegungsart beim Gang zur Kofferklappe ließen die Beamten damals auf einen großen Fang hoffen. Mein Erklärungsversuch „Laufen Sie mal über 200 Kilometer am Stück, dann sehen Sie auch so aus“ trug offensichtlich wenig zur Vertrauensbildung bei, denn die Thüringer Polizisten ließen nicht von mir ab, bevor Alkomat, Drugwipe und allerlei Anfragen bei der Zentrale meine Unbedenklichkeit attestiert hatten. Heute würde das sicher länger dauern; Schäuble sei Dank.
Nach dieser langen Vorrede folgt hier nun der Link zum durchaus unterhaltsamen Vortrag. Einziger Wermutstropfen: Da Udo Vetter zwar recht kurzweilig, aber dennoch eine reichliche Stunde lang über die Untiefen, Klippen, Strudel und trüben Wasser deutscher Ermittlungsgepflogenheiten referiert, sollte der geneigte Leser dieses Tagebuches über eine Flatrate verfügen, wenn er die Informationen auf dem heimischen PC anschauen möchte.
Allen Zeittakt- oder Volumenabrechnern sei hingegen empfohlen, zum Konsum des Vetterschen Vortrages Anschaugemeinschaften mit Flatratenutzern zu bilden. Aber Vorsicht: Laut „kriminalistischer Erfahrung“ liefern Personen, die in Gesellschaft einschlägig bekannter Verdächtiger angetroffen werden, einen „hinreichenden Anfangsverdacht“ für weitere strafprozessuale Maßnahmen. Also vorher überlegen, mit wem man guckt. Bevor der Schäuble dreimal klingelt.
So, hier nun der Link. Um unnötigen Traffic auf dem Server von blogger.de zu vermeiden, direkt zum Speicherort und nicht als Java-Fensterchen.

http://video.google.de/videoplay?docid=-1550832407257277331

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Samstag, 5. Januar 2008
worldrun, Überwachungsstaat, Demagogie und zwei freundliche Pilgerinnen
Nur eineinhalb Tage, dann nimmt das Jahr 2008 Fahrt auf. Begonnen hat es ja schon, aber die verkürzte Woche mit dem beinahe-Feiertag Silvester und dem tatsächlich Feiertag Neujahr sowie dem in diesem Jahr auf-den-Sonntag-fall-Feiertag der drei Paketzusteller aus dem Morgenland hat die erste Woche des neuen Jahres deutlich ruhiger als normal ausfallen lassen.
Das habe ich nicht zuletzt zum Aufarbeiten vieler Dinge genutzt, die ich schon immer mal „ganz eilig“ erledigen wollte – und natürlich zum Aufräumen. Als ich gestern in mein Büro kam, überraschte mich die relative Leere auf den Schreibtischen. So viel Holz ist dort nur nach dem Jahreswechsel zu sehen.
Heute stöberte ich in einem Ablagekorb in diversen Unterlagen zum Worldrun und konnte mir weder Kopfschütteln noch Grinsen verkneifen. Kaum zu glauben, mit welcher Großkotzigkeit – ein anderes Wort fällt mir dazu beim besten Willen nicht ein – und Unverschämtheit Robby Clemens, der selbsternannte Extremsportler, und sein großer Gönner Rolfeckard Giermann das Unternehmen am 4. Januar 2007 starteten. Der weitere Verlauf der Geschichte ist bekannt: Mir persönlich ist aus eigenem Erleben kein Fall bekannt, in dem so unverschämt kreativ mit der Wahrheit umgesprungen und Äußerungen in ihr Gegenteil verkehrt wurden. Auch der Umgang mit Kritikern und Fakten ist lehrbuchreif. Zugleich zeigt das Unternehmen worldrun, dass viele Medienvertreter ihr monatliches Salär nicht wert sind, sondern letzten Endes jede Lüge dankbar veröffentlichen, wenn sie ihnen nur dabei hilft, zum Nulltarif das Blatt oder die Sendeminuten zu füllen.
Wer laut genug trommelt, wird erhört. Und sollten „böse Ultras“ tatsächlich die eine oder andere Lüge ans Licht zerren, wen stört’s? Der gemeine Medienkonsument will nicht Information, sondern Unterhaltung. Bunt, schnell, schrill – heute ein worldrunner, morgen ein Kinderschänder, übermorgen eine Promiheirat. Nächste Woche erinnerst der Ottonormal-Idiot an keines dieser medial inszenierten Ereignisse mehr.
Dennoch lohnt sich ein Blick auf die Seite www.worldrun.de auch heute noch. Auch nach dem nun doch irgendwie erreichten (oder nicht?) Ende des Unternehmens Weltumrundung tut sich auf der Seite ab und zu noch etwas. Hin und wieder darf ein bewährter Lobhudeler wie Hans-Werner Göldel aus Leipzig noch mal einen artigen Leserbrief absondern. Unter dem Motto Feintuning wird außerdem daran gearbeitet, die worldrun-Seite von Hinweisen auf die einstige Kooperation der Giermann-AG (Nomen es omen – warum ist mir soeben dieser Spruch eingefallen?) mit dem wordrun e.V. zu säubern. Noch finden sich einige, nobody is perfect. Aber schon bald wird die Wahrheit zurecht gebogen sein. Wie heißt es in 1984 so schön: „Wer die Vergangenheit beherrscht ...“ Ob der eine oder andere Worldrunner einst für das Ministerium für Wahrheit tätig wahr?
Aber nun genug des Sarkasmus’ zum Jahresanfang. Sonst sorgt sich eine oder andere Stammleser dieses kleinen Tagebuches womöglich noch um meinen Allgemeinzustand. Mir geht’s gut, auch wenn ich trotz meiner sonstigen Sympathie für Angela Merkel nicht in ihre aber-sowas-von-positive Neujahrsbotschaft einstimmen kann. Wenn Verschlimmbesserungen im Steuerrecht als Verbesserungen verkauft werden, ist das versuchte Demagogie. Wenn die einst ganz klar im Dienste der Überwachung stehende DDR-Personenkennzahl in Gestalt einer bei der Geburt zu vergebenden Steueridentifikationsnummer Auferstehung feiert, bereitet mir das Kopfzerbrechen. Und wenn man mir einreden will, dass ich mein Bürgerrecht auf den Schutz meiner ganz persönlichen Daten irgendeinem paranoiden Terroristenbekämpfer opfern soll, dann gerate ich doch ins Grübeln. Würde ich verlangen, die vermeintlich guten Seiten der entsorgten DDR zu reanimieren, müsste ich mich – sehr zu Recht – als Geschichtsklitterer und Ostalgiker beschimpfen lassen. Wenn nun aber einige anerkannt schlechte Seiten der DDR fröhliche Urständ feiern (endlich kann ich diese herrliche Spiegel-Redewendung mal anbringen, man will ja zeigen, was man als Journalist so drauf hat), beginne ich an der Zurechnungsfähigkeit der offensichtlichen Mehrheit der Bundestagsabgeordneten zu zweifeln.
Huuuch, schon wieder Sarkasmus. Aber nun zum Schluss doch noch etwas Positives. Am heutigen Sonnabend bin ich – zum ersten Mal im neuen Jahr – auf meiner heimischen 15-km-Runde gelaufen. Schon war’s, bei drei Grad über dem Gefrierpunkt lief es sich gut. Ich traf einige mir bekannte Läufer – die „üblichen Verdächtigen“ also, aber keine „Ich-hab-einen-guten-Vorsatz-Schnaufer. Das wird sicher noch, die werden wohl bis zum Dreikönigstag alle noch Urlaub machen. Dafür waren zahlreiche Hunde auf der Strecke, einige hielt ich für vierbeinige bellende und schei...de Weihnachtsanschaffungen.
Richtig gefreut habe ich mich über zwei Frauen von ca. 60 Jahren (je Frau), die ich auf einem Teilstück des Jakobsweges überholte. Mit großen Rucksäcken und wetterfester Kleidung zogen sie gen Westen und freuten sich über meinen bei solchen Begegnungen üblichen Wunsch „Noch einen guten Weg“. Beide haben ihre Pilgerreise am Neujahrstag in Görlitz begonnen. Darum, dass sie ihr Ziel erreichen werden, ist mir nicht bange. Wer so freundlich und positiv eine lange Reise in Angriff nimmt, hat gute Chancen auf glückliche Ankunft. Bei großkotzigen Worldrunnern sieht es da schon anders aus, wie die Erfahrungen des vergangenen Jahres gezeigt haben.

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Montag, 24. Dezember 2007
Wünsche und sowas
Na denn, wieder einmal ist ein Jahr fast vorüber, das obligatorische Weihnachtsfest rückt unerbittlich näher. Ehe ich für meinen alljährlichen Vorbescherungslauf die Schuhe schnüre, wünsche ich allen regelmäßigen und gelegentlichen Lesern dieses kleinen Tagebuches ein besinnliches und friedvolles Weihnachtsfest.
Und falls sich jemand dafür interessiert, was ich mir so wünsche (außer Gesundheit, Weltfrieden etc.):
- Laufsachen, die man nicht waschen muss,
- Freistarts für Marathonsammler,
- Computertastaturen, die keine shift-lock-Funktion mehr haben und außerdem
- ... nööö, das eine oder andere sollte doch geheim bleiben.
In diesem Sinne: Ein frohes Fest Euch allen, lauft mal ein Stück - es muss ja nicht gleich eine Autofahrt um die Welt draus werden.
ad

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Samstag, 22. Dezember 2007
eGov, Aufkleber und amtliche Handarbeit
Von Berufs wegen darf ich mich von Zeit zu Zeit ein wenig mit dem Thema EGov befassen. EGov – das ist Neusprech und bedeutet EGovernment. Hinter diesem englisch daherkommenden Schlagwort verbergen sich IT-Lösungen, die öffentlichen Verwaltungen („Government“) durch den Einsatz pfiffiger elektronischer Lösungen („e“) Arbeit abnehmen. Das soll dazu beitragen, dem Bürger zeitgemäße Dienstleistungen auch übers Internet anzubieten und in den Fällen, da unsereins noch zum Amt muss, Wartezeiten zu vermeiden. Außerdem trägt eGov dazu bei, in Zeiten knapper Kassen Budgets zu schonen. Beispiele für EGov kennt so ziemlich jeder: Stichworte wie Virtuelles Rathaus sind zwar vor allem Insidern bekannt, doch bei der Beantragung eines neuen Ausweises oder eines Führerscheins erlebt auch der Normalbürger, was elektronische Lösungen so alles vereinfachen können. Digitales Foto, gescannter Fingerabdruck, Name und Adresse – alles rutscht übers kommunale Datennetz mit 128-Bit-Verschlüsselung gen Bundesdruckerei. Die Kehrseite der Medaille: Immer mehr Politessen nutzen den P3-Stift- Auch das ist eGov: Ein kleines elektronisches Zauberding, das zum Beispiel bei Parkverstößen die Fotos knipst, das Ticket ausfüllt und das ganze Elend per Handy in einen Zentralrechner beamt – nur die Überweisung muss man als Missetäter noch selbst ausfüllen, Abbuchung geht noch nicht.
Apropos Abbuchung: Eine solche empfiehlt sich beim Finanzamt, denn dort schreibt man z.B. für die alljährlich zu entrichtende Kfz.-Steuer nur noch einen Bescheid. In den Folgejahren muss man selbst an die Zahlung denken, sonst kommt auf graugrieseligem Amtspapier ein böse gedengeltes Mahnschreiben ins Haus geflattert. Dessen Layout versucht gar nicht erst, den Meckerzettel als gute Nachricht zu tarnen. Nö – die Staatsmacht fällt mit der Tür ins Haus: Nicht gezahlt, aber nun schnell, Mahngebühr, Drohung mit Stilllegung und Kniescheibe kaputt. Letzteres noch nicht wirklich, aber ich würde nicht drauf wetten, dass nicht in einigen Jahren vielleicht auch diese Methode gegen säumige Zahler eingesetzt wird.
Aber zurück zur Abbuchung: Wer schlau ist, lässt das Finanzamt Kfz.-Steuer und ähnliche Spenden selbst vom Konto holen. Das klappt, und wenn man ein Auto verkauft, bekommt man sogar Geld zurück.
Neulich erlebte ich jedoch mit, dass das Schlagwort eGov zumindest bei einem Finanzamt noch nicht angekommen ist: Eine Veränderung der Bankverbindung war zu melden, auf dass die eisige Hand der beamteten Kassenfüller nicht ins Leere greife. Also ins Internet geschaut und die nicht eben preisverdächtige Homepage des zuständigen Finanzamtes angeschaut. eGov? Fehlanzeige! Nach längerem Suchen bot der Kontakt-Knopf zumindest eine E-Mail-Adresse an. Es hätte mich stutzig machen sollen, dass diese mit „info@ ...“ begann. Aber man soll ja keine Vorurteile haben. Also eine freundliche Mail mit Autonummer und neuer Bankverbindung auf den Weg gebracht und der Dinge geharrt, die da kommen ...
Und sie kamen – zwei Tage später in Form eines Briefes. Staatstragendes Grau, Packpapierqualität, vom Finanzamt. Sehenswert. Das Fenster des DIN-lang-Umschlages war mit einem Aufkleber dichtgeklebt, darauf handschriftlich die Adresse notiert. Drinnen fand sich ein offensichtlich schon zweidreiviertel Milliarden Mal kopiertes Formular zwecks Bekanntgabe der neuen Bankverbindung. Statt eines Anschreibens klebte auf dem Formular ein gelbes PostIt. Darauf war immerhin gerade noch entzifferbar gekritzelt, dass die Änderung per E-Mail aus diesem und jenem staatstragenden Grund nicht möglich die Rücksendung des Formulars – natürlich nach Ausfüllung – notwendig sei. Um zu vermeiden, dass womöglich technische Teufeleien nach Art eines Telefaxgerätes zur Anwendung kommen, gab die clevere Amtfrau nur eine Postfachadresse an und verschwieg ihre Faxnummer sicherheitshalber.
Schöne neue IT-Welt, schönes neues eGovernment! Was bei Kommunen, Landkreisen und Regierungspräsidien schon Normalität ist, macht um die staatlichen Geldeintreiber noch einen großen Bogen. Als ich das liebevoll ausgefüllte Formular zusammenfaltete, streichelte ich einmal mehr als notwendig über seine schrundige Papieroberfläche. Schon seit Jahren hatte ich mich über die hohen Mahngebühren gewundert, die meine Lieblingsbehörde mir bei verspäteten Zahlungen stets aufbrummte. Nun endlich wusste ich, dass diese gerechtfertigt waren und sind. Wer so vorsintflutlich arbeitet, der kann nicht eben mal so eine Mahnung für nass verschicken. Da muss ein Brief schon Minimum fünf Euronen kosten ...

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