Mittwoch, 20. Februar 2008
Adenauer, Goethe und Heinrich der Kastrierer oder: Wie meine Lokalpostille Zitate entstellt
Heute bescherte mir meine Lokalpostille wieder ein Erlebnis der besonderen Art. Da ich mich zurzeit auf ein Seminar zum Thema Pressearbeit vorbereite, dass ich demnächst vor einem größeren Teilnehmerkreis halten werde, lese ich mein Leib- und Magenblatt ein wenig intensiver, um für diese oder jene güldene Regel, die ich meinen Zuhörern verkünden möchte, aktuelle Beispiele anführen zu können.
In einer Kreisausgabe der nach eigenem Selbstverständnis dem Qualitätsjournalismus verpflichteten Leipziger Volkszeitung wurde ich jedoch in gänzlich unerwarteter Richtung fündig. Auf der ersten Seite des Blättchens philosophierte Regional-Chefredakteur Heinrich Lillie über die wundersamen Veränderungen, die das Goethe-Gedicht „Über allen Gipfeln ist Ruh, in allen Wipfeln spürest du kaum einen Hauch; die Vögelein schweigen im Walde. Warte nur, balde ruhest auch du“ durch Übersetzung ins Japanische (1902) und anschließend als vermeintlich japanisch Lyrik ins Französische (1911) erfuhr.
Durch neuerliche Übersetzung repatriiert, lauten die Zeilen des Dichterfürsten nun „Stille ist im Pavillon
aus Jade. Krähen fliegen stumm zu beschneiten Kirschbäumen im Mondlicht. Ich sitze und weine.“
Nette Geschichte, beweist sie doch eindrucksvoll, dass es nicht erst der webbasierten Übersetzungshilfen bedarf, um sprachliche Wunder zu vollbringen.
Leider sah sich mein werter Journalistenkollege genötigt, zur Einstimmung auf die wundersamen Sprachwandlungen noch einige Zeilen abzusondern, in denen er über Politiker räsonierte, die nicht zu ihren Worten stehen. Ich halte das zwar für eine handwerklich misslungene Einleitung, aber wir leben ja in einem freien Land.
Dass besagter Kollege als besonders eklatantes Beispiel für Politiker und ihre Praxis des Wortverbiegens jedoch den ersten deutschen Bundeskanzler Konrad Adenauer ins Feld führte, ging mir denn doch ein wenig gegen die Hutschnur. Heinrich Lillie belegte das mit dem Adenauer-Zitat „Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern.“
Nun ist es mit dem Zitieren so eine Sache, vor allem wenn man einen Ausspruch sinnentstellend verkürzt. Adenauer hat sich seinerzeit meines Wissens so geäußert: „Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern, wenn ich doch jeden Tag etwas dazulerne.“ In anderen Quellen ist der zweite Teil des Ausspruches mit „Schließlich bin ich am Morgen ein Stück weiser“ angegeben.
Ganz gleich, welche der beiden Fassungen man zugrundelegt, auf alle Fälle klingt Konrad Adenauer so deutlich anders als in der kastrierten Fassung. Soll ich meinem falsch zitierenden Kollegen nun böswillige Absicht oder nur schlichte Unwissenheit unterstellen?
Bis ich in diesem Punkt eine Antwort gefunden habe, halte ich es wieder einmal mit Adenauer. Neben vielen anderen schönen Aussprüchen, wie zum Beispiel dem mit den kleinen Jungen, den Journalisten und den Steinen, stammt von ihm auch der folgende:
„Wir leben alle unter dem gleichen Himmel, aber wir haben nicht alle den gleichen Horizont.“

Recht hat er, der alte Fuchs!

PS.: Für einen Hinweis auf die exakte Herkunft des Geschwätz-Zitates wäre ich den Lesern meines kleinen Tagebuches dankbar.

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Dienstag, 19. Februar 2008
Armes Deutschland oder: Hehlerei von Amts wegen
Mein Großmütterlein hatte ein schier unerschöpfliches Arsenal an mehr oder minder gut gereimten Lebensweisheiten auf Lager. Und obwohl sie nun schon einige Jahre tot ist, weiß ich genau, welchen Spruch sie am heutigen Tag von sich gegeben hätte. Die Worte „Der Hehler ist so schlimm wie der Stehler“ wären ihr Kommentar darauf gewesen, dass die Bundesrepublik in Gestalt ihrer Schlapphutbehörde einem Dieb ein erklecklich Sümmchen zwischen vier und fünf Millionen Euro zukommen lässt, um im Gegenzug eine geklaute CD mit vertraulichen Bankdaten zu erhalten, die über Geschäfte Auskunft gegen, die in Liechtenstein, dem Herkunftsland der CD, legal sind.
Wikipedia definiert die Hehlerei http://de.wikipedia.org/wiki/Hehlerei als bedeutendste Anschlussstraftat an einen zuvor begangenen Diebstahl. Näheres steht im § 259 StGB. Das Wesen der Hehlerei besteht darin, dass jemand eine Sache, die ein anderer gestohlen ... hat, sich oder einem Dritten verschafft, um sich oder einen Dritten zu bereichern.
Wenn die deutschen Bundesschlapphüte des BND von einem Dieb eine CD kaufen, um diese an einen Dritten weiterzugeben, auf dass dieser daraus mehrere hundert Millionen oder gar einige Milliarden Euro zu erlösen, ist das – genau: Hehlerei. Und eben dieses böse Wort war heute auch aus Liechtenstein zu hören, denn dort ist man über die deutsche Vorgehensweise alles andere als amüsiert.
Die geneigten Leser dieses kleinen Tagebuches mögen sich vielleicht noch an eine Eintrübung des deutsch-italienischen Verhältnisses im Zusammenhang mit den Mafia-Morden von Duisburg im August 2007. Bei den Ermittlungen kam ans Licht, dass der italienische Geheimdienst bei seinen Untersuchungen im Mafia-Umfeld auch in Deutschland tätig geworden ist und dazu u.a. Fahrzeugen verwanzt und deren Insassen abgehört hat.
Aus Regierungskreisen war darob ein kräftiges Murren zu hören. Hinter den politischen Kulissen zeigte man sich „not amused“, von einem Affront gegen Deutschland war die Rede. Weil die italienische Seite – Geheimhaltung hin, Geheimhaltung her – doch nicht einfach in einem souveränen Staat ermitteln kann wie sie lustig ist.
Nun ist Liechtenstein mit seinen 35.000 Einwohnern alles andere als eine Supermacht. Dennoch sollte Deutschland sich auch im Umgang mit einer Staat gewordenen Kleinstadt an gewisse Spielregeln halten. Wenn deutsche Schlapphüte auf irgendeinem der 160 Liechtensteiner Quadratkilometer Diebesgut kaufen, begehen sie Hehlerei und damit eine Straftat. Lassen sich nachrichtendienstliche Operationen auf fremdem Territorium nicht vermeiden, so ist es unter zivilisierten Staaten üblich, derartiges hinter den Kulissen abzustimmen. Alles andere hat den Beigeschmack eines Kommandounternehmens und kommt der Missachtung der staatlichen Eigenständigkeit gleich. Nun mag der eine oder andere Leser meines Tagebuches denken, dass 35.000 Liechtensteinsche Nasen nun mal nicht so ins Gewicht fallen wie 82 Millionen Deutschländer, aber das ist ein Irrtum. Auf die Größe (oder hier: Bevölkerungszahl) kommt’s nicht an. Ein souveräner Staat muss die gleichen Rechte wie der andere genießen, sonst könnte der deutsche Verteidigungsjung demnächst auf die Idee kommen, das „Problem Liechtenstein“ in einer „Operation Stiftung“ per Eingemeindung zu lösen.
Soviel zur rotzfrechen Verfahrensweise deutscher Schlapphüte und Geldeintreiber, die Gesetze eines europäischen Landes einfach zu ignorieren. Um mit Columbo zu sprechen: „Aber eine Frage hätte ich doch noch ...“
Üblicherweise brüsten sich kriminelle Elemente wie Diebe und Hehler nicht mit ihren Taten. Im Gegenteil: Verschwiegenheit gehört zum Geschäft der Verbrecher ebenso wie zu dem der Schlapphüte. Warum wird aber der Kauf einer fünf Jahre alten Daten-CD samt relativ exakt bezifferter Kaufsumme und Abwicklungsdetails bis hin zum notariellen Konto in die Welt posaunt?
Mir fällt dazu nur eine Antwort ein: Man hofft auf weitere potenzielle Datendiebe und macht diesen schon mal ein Angebot. „Hey, bei uns gibt es für illegal beschaffte Bankdaten, die zur Aufklärung von Steuerhinterziehungen beitragen, richtig Knete! Wir ziehen Dich bei der Übergabe der Sore auch nicht übern Tisch, wir schalten einen Advokaten ein! Null Risiko, Mann. Und cäsh in the täsch“
Kleinliche Menschen nennen so etwas übrigens „Anstiftung zu einer Straftat“. Nur gut, dass mein Großmütterlein das nicht mehr erleben muss. Und ich? Komme aus dem Kopfschütteln nicht mehr heraus. Dass ich in einer "Diktatur" aufgewachsen bin, habe ich relativ unbeschadet überstanden. Aber dass ich nun in einem kriminellen Regime lebe ... armes Deutschland.

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Sonntag, 17. Februar 2008
Liechtenstein, Zumwinkel, 5 Mio Euro, eine CD und eine Inszenierung. Oder: Judaslohn für Steuerdenunzianten?
Die Nachricht über die Festnahme von Postchef Klaus Zumwinkel erreichte mich in Stuttgart während einer Besprechungspause im Hause eines Kunden. Mein erster Gedanke war: Welcher Zumwinkel? Etwa der von der Post? Kann der so dumm gewesen sein ...? Hat der das nötig?
Erst nach meiner freitäglichen Rückkehr ins heimische Büro hatte ich Gelegenheit, mich etwas näher mit dem Thema zu beschäftigen. Häme oder gar Empörung verspüre ich allerdings auch heute nicht. Weit entfernt bin ich davon, ins allgemeine Geschrei über die maßlosen, abgehobenen Manager und die Verwahrlosung von Deutschlands vermeintlichen Eliten einzustimmen.
Wer darüber anders denkt, sollte sich selbst einige Fragen über sein Verhalten als Steuerzahler stellen. Und wer frei von Fehl ist, wer noch nie bei Reisekostenabrechnungen, Spesen, Arbeitszimmer, km-Pauschale, Zweitwohnung, Sonderaufwendungen, Werbungspauschalen und alle den anderen Verlockungen schwach geworfen ist, der werfe den ersten Stein. Aber Vorsicht, dass es nicht zu sehr im Glashaus scheppert.
Was mich indes sehr beeindruckt hat, ist die Eleganz, mit der die Steuerfahnder ihren großen Coup inszeniert haben. In diesem Zusammenhang kann man von einem Gesamtkunstwerk reden, das denen eines André Heller in nichts nachsteht.

Erstens: Man leistete sich für den Auftakt einen Paukenschlag. Man schoss zum Auftakt nicht irgendeinen deutschen Leistungsträger aus der zweiten Reihe ab, sondern erlegte einen Topmanager mit Saubermannimage, der noch dazu einem Bundesunternehmen vorsteht. Noch spektakulärer wäre es nur gewesen, hätten die Autos mit den Umzugskartons vor der Dienstvilla des Bundespräsidenten geparkt ...

Zweitens: Der Zeitpunkt war perfekt gewählt. Nicht zu früh am Tag, denn die zufällig anwesenden Fernsehkameras sollten gute Bilder liefern. Wer glaubt schon die Mär von der undichten Stelle, die den TV-Hyänen einen Tipp gegeben hat. Jeder Terrorist weiß, dass ein Anschlag über den Bildschirm flimmern muss, soll er auch Schrecken verbreiten.

Drittens: In ihrer Genialität geradezu unglaublich ist die Auswahl von Datum und Wochentag. Schon der Valentinstag spricht für unmöglich geglaubte Poesie in deutschen Amtsstuben. Den Erstschlag gegen die Steuerbösewicht Zumwinkel an einem Donnerstag zu führen, bringt aber auch handfeste psychologische Vorteile: Zugriff am Donnerstag, großes Medieninteresse, am Freitag sind die Zeitungen voll. Viele deutsche Leistungsträger nehmen ihr schlechtes Gewissen nun mit ins Wochenende oder pflegen es aus der Ferne beim Ski-Urlaub. Allenfalls ein Handytelefonat mit dem Steuerberater oder einem hoffentlich nicht ins Lager des Feindes übergelaufenen Treuhänder ist möglich. Was erfährt der schlotternde Sünder dabei? Niemand wird ihm verraten, ob auch seine Sparmodelle von den Informationen aus der „geknackten Bank“ betroffen sind, aber eine Selbstanzeige könne das Schlimmste verhindern …
Und so schmort der mehr oder minder prominente Leistungsträger auf kleiner Flamme durchs Wochenende. Immer und immer wieder erklingt bei Fernseh- und Rundfunkinterviews das Wort „Selbstanzeige“.

Viertens: Die Informationspolitik ist preiswürdig. Die ansonsten eher als verschlossen geltenden Steuerfahnder lassen es menscheln und informieren über modische Vorlieben („meist schwarz gekleidet“) und berufliche Arbeitsweise („lässt gern festnehmen und schmoren, nach zwei Stunden werden die meisten weich“) von Staatsanwältin Margrit Lichtinghagen, der zentralen Ermittlerin. Das erinnert ein wenig an Mafia-Filme, in denen sich der Pate dafür entschuldigt, dass er einen Delinquenten kurz mit Lucca im Raum allein lassen muss. „Nimm’s nicht persönlich“, raunt der Pate dann. „Aber Lucca ist ein wenig jähzornig und er bricht gern Finger. Aber er meint es wirklich nicht böse ...“
Fünftens: Wird es am morgigen Montag bei der Steuerfahndung hoch hergehen. Wahrscheinlich musste für die Aufnahme von Selbstanzeigen ein rumänisches Call-Center beauftragt werden, um den Ansturm zu bewältigen. Bei der Direktannahme wird wohl ein Fahnder Nummern verteilen ...

Was mir an der ganzen Geschichte zu denken gibt, ist hingegen ein anderer Fakt. Wie die Welt am Sonntag heute meldete, zahlte der Bund auf dem Umweg über den Bundesnachrichtendienst 5 Millionen Euro für die Denunziantendatei. Auf der Datei seien, so die WamS, Steuerdaten von „über 1.000“ Cleverles gewesen. Je nach Quelle wird mit Steuernachzahlungen von etwa 3 Milliarden Euro gerechnet.
Schluck. Das ist eine Menge Holz. Aber denken wir die Geschichte mal anders. Wohl selten hat der Bund eine so gewinnbringende Investition getätigt. Fünf Millionen spülen demnächst drei Milliarden ins Bermudadreieck des Staatshaushaltes. Das macht eine Quote von 1:600.

Das wirft eine moralische Frage auf: Natürlich schreien so ziemlich alle braven Bürger „Hurra“, weil es gelungen ist, reiche Missetäter dingfest zu machen und ihnen ihr Liebstes zu entreißen. Da applaudiert der Stino-Deutsche doch sogar einem Denunzianten, der laut Heinrich Hoffmann von Fallersleben „Der schlimmst Lump im ganzen Land“ ist (Pikant: Von Fallersleben ist übrigens der Mann, der den Text fürs „Lied der Deutschen“, allgemein bekannt als aktuelle Nationalhymne, geliefert hat.).
Ganz gleich, ob Rache oder späte Reue, wer deutsche Leistungsträger ans fiskalische Messer liefert, ist ein Held. Meint zumindest die Blöd-Zeitung. Dass er dafür 5 Millionen Öcken (steuerfrei?) genommen hat, ist zwar nicht fein, aber verständlich.
Wie sieht’s aber mit dem Denunzianten aus, der einen mittelständischen Unternehmen zum Abschuss frei gibt, dessen Schlachtung dem Finanzminister sechs Millionen Euro bringt. Dafür wären gemäß der Quote 1:600 immerhin 10.000 Euro auf die gierige Kralle zahlbar.
Und was ist mit dem Fiesling, der seinen ungeliebten Nachbarn für 600.000 hinterzogene Euro aus Börsengeschäften über die Klinge springen lassen will – stehen dem dann 1.000 Euro zu? Und wie sieht’s mit der rachsüchtigen Geliebten aus, die ihrem nun doch nicht zur Scheidung bereiten Galan das Leben zur Hölle machen will und diesen dafür bei der Steuerfahndung anzeigt? Schließlich war das gemeinsame Liebesnest doch eigentlich als betriebliche Immobilie deklariert – na, und die 1.000 Euro Judaslohn nimmt die clevere Dame nun auch noch mit?

Die Leser meines kleinen Tagebuches fragen sich nun wahrscheinlich, weshalb ich mich über diese moralischen Dinge solchermaßen echauffiere. Ganz einfach: Ein Staat sollte aus meiner Sicht zwei Dinge nicht tun – er sollte sich nicht erpressen lassen und er sollte kein Kopfgeld zahlen. Wer sich erpressen lässt, macht sich erpressbar und wird nach einer Zahlung bald die nächste leisten (müssen). Und wer Kopfgeld zahlt, macht sich gemein mit Denunzianten, Spitzeln, Mördern und anderen Kriminellen.

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Montag, 11. Februar 2008
Eine alte Kaffeetasse - oder: Erinnerungen
In meinem Küchenschrank gibt es ein Fach für Espressotassen und eines für allerlei Kaffeepötte. In letzterem sammelt sich interessantes, aber auch wunderliches Gut: Da gibt es eine Rennsteigtasse (wirklich nicht schön, aber das muss ja auch nicht sein, es ist schließlich der Rennsteiglauf), eine Linkshändertasse (hundsgemein, wer sie mit der Rechten nutzt, begießt sich mit Tee bzw. Kaffee) und ein ziemlich durchschnittliches Trinkgefäß, dass seine Besonderheit lediglich aus einem Aufdruck mit dem Schriftzug "CompuServe" zieht.



Meiner Frau, die das Dickicht in unserer Küche und insbesondere in den diversen Schrankfächern gelegentlich lichtet (ich unterstütze sie dabei, in dem ich beim Espresso-Machen hin und wieder eine Tasse zertöppere), ist die CompuServe-Tasse ein Dorn im Auge. Schon mehrere Male landete der schlichte Pott auf der Abschussrampe in Richtung Mülltonne, ebenso oft rettete ich das Trinkgefäß und stellte es wieder in den Schrank zurück.
Nun steht es auf einem meiner Büroschreibtische, wurde für die Leser dieses kleinen Tagebuches im Bild festgehalten und hat gute Chancen, noch einige Zeit genutzt zu werden.
Warum? Reine Sentimentalität. Anfang der 90er-Jahre trieb ich mich per 14.400er Modem in allerlei Mailboxen herum, schaufelte Programme ins Netz und saugte Daten herunter. Hinterließ auf irgendwelchen Schwarzen Brettern Postings und landete irgendwann in dieser Zeit bei Compuserve, ehe ich zu T-Online, das damals noch BTX hieß, wechselte.
Die Bekanntschaft mit Compuserve brachte mir zweierlei Dinge: Erstens exorbitant hohe Telefonrechnungen, denn der nächstgelegene Einwahlknoten befand sich in München. Von Leipzig bis dahin - das war ein veritables Ferngespräch. Und sowas kostete zu jener Zeit noch richtig Geld.
Zweitens blieb mir besagte Compuserve-Tasse, denn das US-Unternehmen bot seinen Kunden etwas, das heute unter dem Schlagwort E-Commerce selbstverständlich ist. Man konnte bei Compuserve lauter obercoole Dinge erwerben: Basecaps, Shirts, Tassen und anderes Zeugs, das die Welt eigentlich nicht braucht. Für richtig viel Geld - inklusive Shipping und Wegelagererzoll habe ich für das Stück wohl an die 30 DM hingelegt, landete irgendeines schönen Tages zu Beginn der 90er besagte Tasse bei mir. In einem kleinen Karton, der um die halbe Welt geschippert war. Auch wenn es bis zum Niedergang von Compuserve noch einige Jahre dauern sollte, so war die Tasse schon damals ein Relikt. Denn ich hatte dem irgendwann größten Online-Anbieter der Welt längst den Rücken gekehrt und nutzte BTX - dieser Dienst bot immerhin einen Einwahlknoten ohne Ferntarif.
Die Tasse werde ich wohl noch einige Zeit vor dem entsorgenden Zugriff meiner Frau schützen. Wie man das ebenso macht mit Erinnerungen. Vorsichtshalber habe ich ihr vor einigen Wochen aber erzählt, warum mir der Pott so am Herzen liegt. Vielleicht hilft es ja ...

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Donnerstag, 7. Februar 2008
Von Spambots, Deppen, Jecken und dem Karneval
Als Faschingsmuffel ist der gestrige Aschermittwoch für mich beinahe ein Feiertag. Endlich ist das "Tätääää, Tätääää, Tätääää" vorbei, zumindest für einige Monate. Als von Spam geplagter Computernutzer hingegen bedaure ich das Ende der närrischen Zeit. Kaum ist der letzte Jeck wieder so nüchtern, dass er seinen verseuchten PC anschalten kann, kommen die Spambots wieder auf Touren.
Das ist keine Spekulation, sondern eine Erfahrung. In meinem Büro laufen täglich so zwischen 400 und 500 Mails ein. Drei Viertel davon sind Spam verschiedenster Art und landen mehr oder weniger sicher in den Mülleimern vorgeschalteter Filter bzw. werden durch mich per Hand gekillt. Um die 100 "vernünftige" Mails dürfen letzten Endes passieren.
Die Menge des Spams lag in den vergangenen Tagen deutlich unter Durchschnitt. Beginnend mit der Weiberfastnacht ließ die nervige Flut nach, um am Rosenmontag einen absoluten Tiefpunkt zu erreichen. Auch Fastnacht blieb ich von unerwünschter Post verschont, Aschermittwoch schwoll der Strom wieder an, um am heutigen Donnerstag-nach-Karneval den gewohnten Pegel zu erreichen.
Ach, wären die Deppen mit der verseuchten Rechnern doch das ganze Jahr über in Jeckenlaune, dann bliebe mir der größte Teil des Mülls erspart. Vielleicht könnte ich dann sogar noch ein wenig Spaß am Karneval finden.
Aber so? Die Deppen gehen wieder ans Netz, der Spam strömt in alter Frische - und ich kann auf die Weihnachtstage hoffen, wenn alte, infizierte Computer durch neue, kurzzeitig saubere ersetzt werden. Oh, Du fröhliche ....

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Montag, 4. Februar 2008
Nicht normal für ... eine Versicherung. Oder: Kontonummern, eigene Dummheit und der Umgang mit Kunden
Neues Jahr, neues Glück. Im Dezember sorgte ein Brieflein der Hausbank für ungeliebte Betriebsamkeit. Fusionitis und Globalitis hatten dazu geführt, dass die Nummer des privaten Girokontos plötzlich geändert wurde. Im Bankbrief war das natürlich liebevoller umschrieben, fast schien es ein geldwerter Vorteil zu sein, konnte man mutmaßen, dass nun Dutzende über die neue Kontonummer zu informieren waren. Was bei dem einen per E-Mail oder mit einem Telefonat zu regeln ging, setzte bei Behörden ein unterzeichnetes Schreiben voraus – natürlich mit Briefmarke auf dem Umschlag und ab die Post.
Soweit so gut. Im Januar zeigte sich, dass der Teufel im Detail steckte. Einige behördliche Empfänger der Änderungsmitteilung stellten unter Beweis, dass manche Vorurteile über Ämter zutreffen und buchten unter der alten Bankverbindung ab. Oder sie versuchten es, was misslang. Die gute Nachricht: Telefonisch auf die ihnen doch mitgeteilte Änderung aufmerksam gemacht, zeigten sich die Damen und Herren vom Amt kulant und sagten neuerliche Abbuchung vom geänderten Konto ohne Mehrkosten zu. Glück gehabt.
Richtig lustig wurde es allerdings, als sich zeigte, dass die in Serie verschickten E-Mails mit der neuen Kontonummer einen Fehler aufwiesen. Versicherungen, Mobilfunkanbieter, Tochterverpflegungslieferant – sie alle machten schriftlich auf das Missgeschick der geplatzten Lastschrift aufmerksam.
Natürlich ist das ärgerlich und peinlich. Aber die Panne hatte auch eine gute Seite: Sie machte es möglich, Umgangsformen und Geschäftsgebaren der einzelnen Unternehmen, Verbände etc. zu studieren. Der Ton der Briefe reichte von verständnisvoll bis eindeutig bedrohlich („Weitere rechtliche Schritte ...“). Noch breiter war die gefühlte Bandbreite der Rücklastschriftkosten. Oder, anders gesagt: Was denken die geneigten Leser meines kleinen Tagebuches, kostet es, eine Kontonummer falsch anzugeben?
Mein Tipp: Wer sich mit einem solch dämlichen Gedanken trägt, ist bei der Signal-Iduna-Gruppe am besten aufgehoben. Dort schlägt die geplatzte Lastschrift mit lediglich 3 Euro zu Buche. Das ist, so viel sei verraten, der Selbstkostenpreis. An der anderen Ende der Skala residiert mit unverschämtem Grinsen die Allianz Bauspar AG. Für die durch eine falsche Kontonummer ausgelöste Rücklastschrift durften stolze 9 (in Worten: neun!) Euro berappt werden. Und auch der Ton des Schreibens, in dem diese Forderung verkündet wurde, ist – vorsichtig formuliert – nicht wirklich freundlich gewesen. Für knapp 20 Mark darf man doch auch im Falle eigener Dussligkeit etwas Nettes erwarten ...

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Sonntag, 3. Februar 2008
Die Meldung des Wochenendes
Ohweh. Diese Nachricht hatte es in sich. Microsoft will Yahoo übernehmen. Hätte ich genug Geld, würde ich nun Yahoo-Aktien kaufen. Habe ich aber nicht, also denke ich über Schadensbegrenzung nach. Meine E-Mail-Adresse Zeitungsdieb läuft auf Yahoo - der drohende Deal ist mir Motivation, an meiner Zeitungsdieb-Domain endlich mal etwas intensiver zu basteln und dort auch ein ordentliches Postfach anzulegen.
Denn was wird passieren, wenn die Gates-Krake Yahoo schluckt? Der Internetpionier wird den Standards von Microsoft angepasst, also gleichgeschaltet. Das heißt im besten Fall, dass Yahoo dann abstürzt, und entsprechende Anfragen bei Microsoft in bewährter Weise mit der Auskunft "It's not a bug, it's a feature" beantwortet werden.
Im schlimmeren und sehr wahrscheinlichen Fall wird yahoo zur Microsoft-Dependance, zum Datenstaubsauger und zur Vertriebsverbesserungskrücke für Gates-Produkte- Pfuideibel.

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Wenn der Gerhard auf Privatreise geht. Oder: Lasst euch nicht verschrödern!
Heute möchte ich meinen Tagebucheintrag mit einem kleinen Text beginnen: Welches Verb bzw. welche Tätigkeit fällt Ihnen ganz spontan beim Stichwort „Gashahn“ ein?
Die ein wenig älteren Leser meines Tagebuches werden wahrscheinlich ans „Aufdrehen“ gedacht haben. Wer etwas jünger ist und/oder ans Beheizen seiner Wohnung denkt, könnte durchaus das „Zudrehen“ favorisieren.
Warum? Früher (also vor einigen Jahrzehnten) war es ein geflügeltes Wort, den Gashahn aufzudrehen. Man bzw. frau beging auf diese Weise Selbstmord, was keine Schwierigkeit darstellte, denn das aus der Leitung strömende Gas enthielt Kohlenmonoxid, ein giftiges Gas, welches das Hämoglobin blockiert und auf diese Weise für ein Entschlummern ohne Wiederkehr sorgt.
Heute klappt das nicht mehr, denn der Küchenherd, wenn er denn nicht elektrisch betrieben wird, arbeitet mit ungiftigem Erdgas oder einer Propan-Butan-Mischung.
Apropos Erdgas: Sofern dieses aus dem großen russischen Reich stammt, in dem der lupenreine Demokrat Wladimir Putin herrscht, kann der Hahn an der Lieferleitung durchaus ganz schnell mal zugedreht werden. Dazu muss man nicht mal mit der Bezahlung des Energieträgers in Rückstand geraten, es genügt, dass man dem Neuzaren unsympathisch geworden ist, weil man unter Demokratie etwas anderes versteht als der Ex-KGB-Mann.
Ein Herz und eine Seele mit Wladimir Putin ist hingegen Gerhard Schröder, was der Doris ihr Mann und den Deutschen n Gottseidank ihr Exkanzler ist. Der Wladimir Putin mag den Gerhard ja so sehr, dass er ihn zu seinem obersten Gasmann gemacht hat, oder besser Gazprom-Mann. Was nun wieder die Doris freut, denn die beiden Kinder, die sie vom Waldimir bekommen hat, werden ja allmählich größer und man weiß ja, was das kostet.
Also, um Missverständnisse zu vermeiden: Die Kinder sind zwar vom Wladimir, aber nicht wirklich von ihm, sondern die hat der nur besorgt oder so. Ist ja alles so geheim bei dem.
Aber obwohl der Gerhard beim Wladimir als Gasmann so viel zu tun hat und nebenbei auch noch für einen Schweizer Verlag anschafft, hat er sich jetzt mal einen kleinen Ausflug gegönnt. Nach Zypern, da wo die Götter Urlaub machen. Oder genauer gesagt, machten. Denn den Gerhard zog es ganz privat in den Norden Zyperns, da wo statt der Götter die Türken hocken. Seit 1974, da sind sie nämlich dort einmarschiert.
Der Gerhard, was dem lupenreinen Demokraten Wladimir sein Freund ist, wollte damit „einen Beitrag dazu leisten, um die wirtschaftliche Isolation Nordzyperns zu beenden“, sagt sein Büro. Mal nachdenken: Dazu braucht’s nicht den abgetretenen deutschen Kanzler. Ein simpler Rückzug der türkischen Besatzer würde ausreichen und die Chancen des Halbmondlandes auf einen Beitritt zur EU sicher erhöhen.
Der Präsident der Republik Zypern (das ist der Süden, der auch zur EU gehört), Tassos Papadopoulos, bezeichnete die Schröder-Tour als „sehr bedauerlich“. In allerlei Foren, so zum Beispiel hier www.politikforen.de/showthread.php?p=1930004 wurde über die Schröderei gewettert, n-tv berichtete (www.n-tv.de/913386.html)
über Schröders Auftritt auf einer Pressekonferenz mit dem Regierungschef Nord-Zyperns, Ferdi Sabit Soyer. Dort sagt Schröder am 2. Februar 2008 nach türkisch-zyprischen Rundfunkberichten, er unterstütze die Bemühungen der Vereinten Nationen, die auf eine Wiedervereinigung Zyperns hinzielen.
Nun tue ich mich mit Gerhard Schröder und seinem Privatbesuch auf Zypern schwer. Sicher, es gibt eine Menge Menschen, denen ich die Story abnehmen würde. Aber Schröder? Nööö. Wäre die Sache privat, hätte der Ex-Kanzler Frau Nummer vier und seine liebreizenden Kinderlein mit dabei, würde nicht nur zwei Tage bleiben und ganz sicher nicht in den Norden fahren. Privat wäre der Genussmensch Schröder in den Süden, in die Republik Zypern gereist. Da ist der Wein besser und es gibt mehr Russen.
Was also könnte Gasmann Gerhard also zum Kurztrip in den Norden bewogen haben? Auch wenn ich länger nachdenke, fällt mir dazu nur das Stichwort Geld ein. Und wer zahlt? Die Türken, weil sie die PR-Granate aus Niedersachsen auch mal bei sich einschlagen lassen und auf diese Weise ihr türkisches Protektorat ein wenig in die deutschen Medien bringen wollen? Wenn das stimmt, ist das Geld gut angelegt, denn die Geschichte wird noch ein Weilchen durch die deutschen Blätter rascheln. Sicher gibt auch die überbissige Exkanzlersgattin bald ein Interview und verkündet der deutschen Öffentlichkeit, was für nette Menschen die Türken sind und dass wir ohne die glorreichen Taten der Säbelschwinger noch nicht einmal Kaffee hätten.
Oder reist Privatier Gerhard im Auftrag seines Freundes Waldimir? Nicht unwahrscheinlich. Schließlich liefert Russland über die Blue-Stream-Pipeline Gas an die Türkei (http://www.russland.ru/ruwir0010/morenews.php?iditem=12701), bei Wikipedia steht das übrigens falschrum. Aserbaidschan hingegen will Öl über die Türkei und Griechenland nach Italien liefern (http://www.russland.ru/ruwir0010/morenews.php?iditem=15795), sehr interesssant ist auch (http://www.robertamsterdam.com/deutsch/2007/03/), dort findet sich u.a. folgende Information:
„ Wohin die EU-Abgesandten auch kommen, die Russen waren schon da. So handelten Gasprom und Lukoil in Algerien flugs Verträge mit dem Energie- Staatskonzern Sonatrach aus. Aserbaidschan zögert gegenüber der EU mit neuen Lieferzusagen, weil die Russen politisch Gegendruck ausüben. Das gilt auch für die Türkei: Russland will das Transitland am Bosporus enger an sich binden - hier verlaufen die wichtigsten Pipeline-Projekte.“ Und der Stern http://www.stern.de/wirtschaft/unternehmen/unternehmen/:Energie-Korridor-T%FCrkei-Das-Rotterdam-Mittelmeer/565588.html beschreibt die Türkei ob ihrer Bedeutung als Drehscheibe des Öl- und Gastransports ohne Berührung von Iran und Irak als „Rotterdam am Mittelmeer“.
Außerdem wäre da noch die Agentur Reuters, die über die begonnene Erschließung von Öl- und Gasvorkommen in der Ägäis berichtet http://de.reuters.com/article/worldNews/idDEHUM24881320080202 , übrigens in einem Gebiet, um das sich EU-Mitglied Griechenland und Nicht-EU-Mitglied Türkei seit Jahren streiten. Wie heißt es so schön: „Die Freunde meiner Feinde ...“
So viel zum Thema Schröder, so viel zum Thema Privatreise, unverschämte Lügen und Demagogie.

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