Freitag, 16. Mai 2008
Die Umfallerin oder: Armes Deutschland kuscht mal wieder
Am 27. Februar 1991 machte die Bild-Zeitung mit einem flachgelegten Foto des Bundeskanzlers Helmut Kohl auf und dem Titel "Der Umfaller" auf. Kohl hatte zuvor einen Schwenk in der deutschen Finanzpolitik verkündet, hatte, nachdem sich die deutsche Einheit als nicht aus der Portokasse finanzierbar erwies, massive Steuererhöhungen angekündigt. Er war umgefallen, war zum Umfaller geworden.
Ähnliches widerfährt zurzeit seiner talentierten Schülerin Angela Merkel. Leider, möchte ich sagen, denn ich schätze das Tun der ersten deutschen Bundeskanzlerin sehr. Zumindest meistens.
Aktuell hat sie sich jedoch als Umfallerin erwiesen, als Einkneiferin eines nicht vorhandenen Schwanzes.
Dabei geht es nicht um Steuern und Finanzen, sondern um das Gebiet, auf dem Angela Merkel bisher besonders punkten konnte: Außenpolitik.
Vor gar nicht so langer Zeit, Ende September 2007, empfing Angela Merkel den Dalai Lama. Respekt! Die chinesische Führung tobte, die diplomatischen Beziehungen erhielten einen Knacks und die Franzosen durften sich über einen Auftrag zum Bau eines Atomkraftwerkes freuen. Und wenig später normalisierten sich die Beziehungen zwischen little Germany und dem riesigen Reich der Mitte wieder.
Nun kam der Dalai Lama wieder nach Deutschland - und wie Schaben, die plötzlich von einem Scheinwerfer angestrahlt werden, stoben die deutschen Spitzenpolitiker von dannen. Kein Ort der Welt, kein Staat war unfreundlich genug, um sich nicht dorthin zu verpissen, keine Ausrede dumm genug, um sie nicht zwecks Absage jeglicher Begegnung mit dem Dalai Lama zu gebrauchen. Nur weg! Einzig das Entwicklungsressort versäumte den Absprung.
Ist Angela Merkel vor ihrer seinerzeit demonstrierten Courage erschrocken? Hat sie ihren Mut verloren? Oder hat die deutsche Wirtschaft sie schlicht und einfach wissen lassen, dass solche schä(n)dliches Verhalten wie beim ersten Besuch des Dalai Lama künftig mit dem Verlassen des Standortes Deutschland geahndet wird?
Keine Ahnung - aber Fakt ist, dass der Dalai Lama kam und sich in Deutschland gefühlt haben dürfte, wie Kevin allein zuhaus. Armes Deutschland.

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Donnerstag, 15. Mai 2008
Nachruf auf einen Freund oder: Am Tag, als auch Viagra nicht mehr half
Er hat es getan. Oder besser gesagt: Er tut es nicht mehr, vielleicht sogar nimmermehr. Oder, wie Edgar Allan Poe the Raven im Original so herrlich krächzen ließ: Nevermore. Er – das ist ein beinahe guter Freund, ein Mitbewohner, der mich seit etlichen Jahren begleitet hat.
Dabei hätte ich gewarnt sein müssen. Sein Stehvermögen ließ schon seit Jahren zu wünschen übrig. Konnte er in seiner Jugendblüte sieben-, acht-, ja – zehnmal, so reichte es zuletzt nicht mehr für eine einzige Dreiminutennummer.
Um Missverständnissen vorzubeugen: Die Rede ist von meinem Trockenrasierer, der in die Jahre gekommen war. Sicher, ich hatte ihm regelmäßig eine neue Scherfolie gegönnt und von Zeit zu Zeit sogar den sündhaft teuren Messerblock ersetzt, aber die Kraft der Jugend hatten seine Akkus längst verloren. Nur mit 220 Volt kam er noch über die Runden – Viagra für müde Rasierer gewissermaßen – aber das störte mich nicht, denn ich pflege beim Rasieren nicht durchs Haus zu wandern. Ein drahtloses Telefon ist mir Mobilität genug. Und auf seine Art war der Uralt-Braun eine ehrliche Haut, die auf modischen Schnickschnack verzichtete. Er brauchte keine digitale Ladestandsanzeige mit wetterabhängiger Restlaufzeitprognose. Wenn ihm der Saft ausging, ließ er es mich wissen, in dem er langsamer lief und irgendwann stehenblieb – auch wenn dabei gerade eine Stoppel in der Mechanik klemmte. So lernte ich, seine leisen Signale zu deuten. So wächst Freundschaft. Männerfreundschaft, wie sie Frauen beim Wachspeeling nie erleben werden.
Hätte man nicht etwas gegen die zunehmenden Alterserscheinungen tun können, wird nun der eine oder andere Leser meines kleinen Tagebuches fragen. Ich habe es ja versucht. Habe den Rasierer, als die Potenzschwäche deutlich wurde, eingehend visitiert, habe ihm den alternden, aber noch immer straffen Leib geöffnet und stieß dort auf Spuren fiesester Ingenieurskunst, gepaart mit der dunkelsten Seite asiatischer Fingerfertigkeit. Die Akkus sind zwar vom Standardmaß, jedoch so gründlich verlötet und so kunstvoll mit weiteren lebenswichtigen Eingeweiden umbaut, dass eine Operation zum Zwecke der Wiederherstellung einstiger Vitalität die Existenz des Patienten in Frage gestellt hätte.
Also handelte ich wie ein verantwortungsvoller Arzt: Ich machte wieder zu und fand im Netzbetrieb eine Lösung, die den Patienten zwar nicht heilte, ihm jedoch ein würdevolles Altern ermöglichte.
Bis – ja, bis vor einigen Tagen mit dem eingebauten Netzteil ein lebenswichtiges Organ seinen Dienst quittierte und den beinahe-Freund an Altersschwäche starb. Er war über Nacht friedlich eingeschlafen. Als ich ihn am Morgen zum Dienst rief, blieb das vertraute Brummen aus. Ich habe daraufhin in meinem Sammelsurium nicht wegzuwerfender alter Dinge gestöbert, dort einen vor mehr als einem Jahrzehnt aus der Mode gekommenen Gilette-Rasierer entdeckt und schabe mir die Stoppeln nun wieder „nass“ aus dem Gesicht. Ich denke, mein alter, brummender Trockenrasierer hätte es so gewollt.
In Trauer
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PS.: Ganz habe ich meinen verblichenen Freund noch nicht aufgegeben. Ich werde ihn demnächst einem umfangreichen Eingriff unterziehen. Jetzt, wo ich um seinen körperlichen Fortbestand nicht mehr bangen muss, werde ich es wagen, in sein Innerstes vorzudringen. Die Leser dieses kleinen Tagebuches werden die ersten sein, die ich über den Ausgang dieses letzten Rettungsversuches informiere.

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Mittwoch, 14. Mai 2008
Frühstück für Helden oder: Leipziger Qualitätsjournalismus
Meine Lokalpostille hat’s einfach drauf. Wann immer ich glaube, dass die Bandbreite verlegerischer Wunderlichkeiten ausgereizt ist – die LVZler schaffen es mit ihrem Verständnis von Qualitätsjournalismus doch stets aufs Neue, mich zu verblüffen. Unter dem Motto „Frühstück für Helden“ prangte auf der heutigen ersten Lokalseite der Leipziger Volkszeitung ein großer Text, in dem für ein Leserfrühstück geworben wird.
Worum geht’s? Ende Juni startet meine Lokalpostille eine Werbeaktion, in deren Verlauf allerlei Menschen (mindestens zwei, höchstens 15) mit einem Gratisfrühstück bedacht werden. Samt Brötchen, Marmelade, Tasse und – diese Kröte muss man schlucken – druckfrischer LVZ.
Mit geringen Modifikationen fand sich die epische Ankündigung dieser Aktion nicht nur in der Leipziger Ausgabe der LVZ, sondern auch auf dem Lokaltitel der Kreisausgaben. Solcherart Gleichschaltung spricht für zentrale Vorgaben aus der Chef-Etage. Roland Herold, der Ressortleiter Regionales himself, hat den Text geliefert.
Die regelmäßigen Leser dieses kleinen Tagebuches werden sich nun fragen, warum ich das erwähnenswert finde. Dass meine dem Qualitätsjournalismus verpflichtete Lokalpostille eine Eigenmarketingaktion an exponierter Stelle ins Blatt hebt, mag Geschmacksache sein bzw. allenfalls ein leichtes Geschmäckle haben. Allerdings muss laut Pressekodex in einem solchen Fall eine Kennzeichnung erfolgen, die es auch dem DAL (Dümmstanzunehmendem Leser) leicht macht, den Braten zu riechen. In besagtem Pressekodex heißt es unter Ziffer 7 „Bei Veröffentlichungen, die ein Eigeninteresse des Verlages betreffen, muss dieses erkennbar sein.“ Wer’s genauer nachlesen will, findet den Pressekodex hier: www.presserat.de/Einfuehrung.27.0.html Es lohnt sich übrigens, ein wenig auf den Seiten des Presserates zu stöbern, möglicherweise sieht der eine oder andere Leser meines kleinen Tagebuches „seine“ Lokalpostille unter einem ganz neuen Licht.
In diesem Sinne – angenehmes Frühstück noch.

PS.: Ach ja, eine Anmerkung muss noch sein. Das "Frühstück für Helden" ist so neu übrigens nicht. 1999 kam eine US-amerikanische Filmkomödie gleichen Namens (Original: Breakfast of Champions) in die Kinos, die sich in den USA zwar als veritabler Durchfaller erwies, deren Titel aber dennoch geschützt sein dürfte - nicht zuletzt, da der Film auf dem Buch "Breakfast of Champions" von Kurt Vonnegut aus dem Jahre 1973 basiert. Das macht die Aktion meiner Lokalpostille nicht besser, aber spannender. Vielleicht meldet sich ja ein Abmahner bei den Helden ...

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Dienstag, 13. Mai 2008
Ammenmärchen, Kniestrümpfe, Kirschkerne oder: Was wird man als kleiner Mensch verar...
Kürzlich kam mir zu Bewusstsein, in welchem Maße Eltern, aber auch wohlmeinende Tanten, allerlei Lehrer und so ziemlich alle anderen Menschen dieser Welt dazu neigen, Kinder unter Einsatz falscher Weisheiten zu erziehen. Beispiel gefällig? Keine Angst – es bleibt jugendfrei, ich rede jetzt nicht von der vermeintlichen Tatsache, dass man von gewissen Praktiken Schwindsucht ...
Mir fällt ganz spontan der kluge Satz ein, dass derjenige, welcher seine Nagelpflege vernachlässigt spätestens dann eines schrecklichen Todes sterben muss, wenn eingewachsener Dreck den Körper vergiftet. Ein Blick auf die Hände zahlreicher Mitmenschen beweist, dass man sehr wohl mit dreckigen Fingernägeln leben kann. Ebenso unwahr ist übrigens auch die Erziehungsweisheit, dass man von zuviel kalter Limonade Flöhe bzw. von Cola Löcher im Bauch bekomme.
Besonders schön finde ich den Spruch, dass sich verschluckte Apfel-, Sonneblumen-, Melone-, Kirsch- und werweiß was noch für Kerne (bzw. Steine) im Wurmfortsatz festsetzen und dort zu einer schlimmen Blinddarmentzündung führen. Nun habe ich derlei Ammenmärchen immer tapfer widerstanden, habe Äpfel mit Strunk und Stiel (also ohne Stil) in mich hineingeschnurpst, Melonen nach Pferdeart „vom Stück“ gegessen – und bin mehr als 47 Jahre ohne Blinddarmentzündung durch die Welt gekommen. Übrigens wird der geneigte Konsument seit einiger Zeit u.a. mit Kürbiskernbrötchen traktiert, ohne dass dies die Mortalitätsrate der deutschen Bäckerkunden erkennbar erhöht hätte. Und die Russen? Vermehren sich kräftig, obwohl bei ihnen Sonnenblumenkerne zu den Grundnahrungsmitteln zählen.
Mein aktuelles Lieblingsammenmärchen stammt übrigens aus dem lange zurückliegenden Sportunterricht (und wurde mir per Umfrage von zahlreichen Gleichaltrigen bestätigt). Zu Beginn einer jeden Sportstunde wies die Sportlehrerschaft uns daraufhin, Socken und Kniestrümpfe „herunterzurollern“. Wer diese Maßnahme unterlasse, so die warnende Aussage der Pädagogen, müsse damit rechnen, dass die Strümpfe ihm die „Adern“ abdrücken, was noch während der Sportstunde unweigerlich zum Absterben des betroffenen Beins führe.
Na und, mag der eine oder andere Leser dieses Tagebuches nun denken, was soll’s, die Lehrer werden sich schon was dabei gedacht haben. Läufer hingegen wissen, warum ich die Runterrollerstrümpfe ins Reich der Märchen verwiesen wissen will: Wer als Langstreckler etwas auf sich hält und in sich keine gar zu starken schwäbischen Gene trägt, trägt beim Laufen „lang“. Kniehoch, extrastraff, damit – na? – der Kreislauf in Gang bleibe und den „Adern“ das Geschäft erleichtert werde.
Schöne Kinderzeit, was wird man da verar... ! Wer nun glaubt, dass das Verar... mit dem Ende der Kinderzeit vorüber ist, der hat die Welt nicht begriffen. Es geht weiter - nur die agierenden Personen werden andere. Warum fällt mir jetzt das Wort "Politiker" ein?

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Donnerstag, 8. Mai 2008
Fleischgewordenes Voice-System vom Amt oder: Die Elster lässt das Klauen nicht.
Vor wenigen Tagen hatte ich wieder einmal ein – positiv formuliert – sehr interessantes Telefonat mit einer Mitarbeiterin des Finanzamtes, das sich seit Jahren in überaus rührender Weise um mein Wohl und Wehe kümmert. Soll heißen: Wenn die Gefahr besteht, dass es mir zu wohl werden könnte, sorgt das Amt für „Wehe“. Ich habe mich in diesem kleinen Tagebuch ja schon einmal (guckst Du hier: http://zeitungsdieb.blogger.de/stories/1001709/ ) ein wenig respektlos über das Tun und Lassen dieser Stütze unseres Gemeinwesens geäußert und war dort zu dem Schluss gekommen, dass heutzutage selbstverständliche Kommunikationsformen wie Fax oder gar E-Mail dort noch nicht wirklich genutzt werden.
Mein aktuelles Telefonat hatte eigentlich einen erfreulichen Hintergrund. Die beste Behörde von allen wollte ausnahmsweise mal kein Geld haben, sondern kam auf mir nicht wirklich nachvollziehbaren Wegen zu dem Schluss, dass ein Betrag von etwas mehr als 20 Euro zur Erstattung fällig sei.
Allerdings, so teilte das Amt in einem dieser herrlich antiquiert anmutenden Graupapierdesignwunderwerken mit, sei die angegebene Bankverbindung nicht mehr gültig. Die Aufforderung zur baldigsten Mitteilung der neuen Kontodaten erging, erstaunlicherweise ohne Verhängung irgendwelcher Zuschläge oder die ansonsten wie ein Serienbrief unters Volk gewordene Drohung mit den glühenden Eisen der Vollstreckung.
Da ich nicht wirklich begeistert von der Aussicht war, dem Amte ein Briefporto in den Rachen zu werfen, was angesichts der Höhe der Erstattung einen Verlust von rund beinahe fünf Prozent bedeutet hätte, telefonierte ich dank Flatrate kostenfrei mit der Bearbeiterin, die mir ihre wertvolle Zeit auch tatsächlich schenkte, mutmaßlich sogar ohne Erlass eines Gebührenbescheides. Aber da bin ich mir noch nicht sicher.
Langer Rede kurzer Sinn: Das Gespräch hätte ich mitschneiden sollen. Mein Versuch, die Herkunft der laut Amt nicht mehr gültigen Bankverbindung zu ergründen, blieb erfolglos. Meine Hinweise, dass ich eine solche Kontonummer noch nie hatte, die vom Amt benannte aber einer anderen, die ich sehr wohl habe, bis auf eine Ziffer gleichkomme, prallten an meinem Gegenüber ab; ja, ich hatte den Eindruck, mit einem fleischgewordenen Voice-Computer zu parlieren und entdeckte deutliche Parallelen zu einem Gespräch mit dem Menü-System meiner Handy-Mailbox. Nur: Leider kam nie die Ansage „Wenn Sie ein Gespräch mit einem Berater wollen, sagen Sie ‚Korkenzieher’ oder drücken Sie die Kombination 0815“.
Fazit: Ich werde heute einen DIN-lang-Umschlag mit Fenster mit 55 ct frankieren und das Schreiben mit der Aktualisierung meiner Bankverbindung, die ja eigentlich keine Aktualisierung, sondern eine Berichtigung einer amtlichen Fehlleistung ist, an die Fehlleistungsverursacher schicken – und das auch noch auf meine Kosten.

Allerdings sollte sich die geneigte Leserschaft meines kleinen Tagebuches davor hüten, nun den Schluss zu ziehen, dass die Finanzämter technisch rückständig sind und in punkto IT hinter dem Mond leben. Zumindest das dem Steuerbürger per fast-Nötigung aufs Auge geschlagene Programm „Elster“ steht bei IT-Fachleuten in einem sehr zweifelhaften Ruf. Guckst Du hier zum Thema Backdoor und Schnüffelsoftware ab Werk www.heise.de/tp/r4/artikel/27/27818/1.html (sehr lesenswert) bzw. hier zum entsprechenden Forumseintrag www.heise.de/tp/foren/S-Hast-du-schon-mal-kontrolliert/forum-136330/msg-14808883/read/ Selbst wenn man den Heise-Autoren und -Lesern, unter denen sich zahlreiche IT-Profis befinden, eine berufsbedingte Paranoia unterstellt, kann ein wenig Vorsicht bis hin zur Installation der diebischen Elster auf einem separaten, unsensiblen PC nicht schaden ...

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Dienstag, 6. Mai 2008
24 Stunden Hoyerswerda oder: Eine Premiere ohne Kinderkrankheiten
Hoyerswerda? Hoyerswerda! Als ich durch das DUV-Forum (guckst Du hier: http://forum.d-u-v.org/forum/viewtopic.php?t=924 ) erfuhr, dass dort Anfang Mai ein 24-Stunden-Lauf stattfinden soll, war ich überrascht und skeptisch. Schließlich ist Hoywoy (so die mundartliche Benennung des Städtchens) nicht gerade eine deutsche Metropole und zudem kein Paradebeispiel für eine deutschzentrale Lage mit bester Verkehrsinfrastruktur.
Aber irgendwie fand sich auf der Seite www.hoyerswerda-marathon.de sogar eine Ausschreibung für den Lauf, also meldete ich mich an.
Die Skepsis blieb, denn die Ausschreibung ließ viele Fragen offen. Zudem tröpfelten die Informationen zum Lauf nur spärlich und über Umwege auf die nach Erleuchtung gierende Ultragemeinde herab. Ein wenig Mut machte mir die Ende April in meinem Briefkasten steckende Meldebestätigung: Eine Ansichtskarte mit Aufnahmen vom Lausitz-Bad, auf mir meine Startnummer mitgeteilt wurde. Außerdem war dort die Telefonnummer von Organisator Manfred Grüneberg vermerkt, die ich kurz vor meinem Aufbruch nach Hoyerswerda wählte, um mich über das Stattfinden des Laufes und der Möglichkeit, bereits am Vortag des Starts irgendwo ein Zelt aufzustellen, zu vergewissern.
Dennoch: Die Skepsis blieb, als wir – meine Frau, dazu Ralph Hermsdorf vom LC Auensee und meine Wenigkeit – am späten Freitagnachmittag am Lausitz-Bad zwar einige Absperrgitter, ein Werbeplakat und das Fahrzeug anderer Läufer, aber keine Spur von Betriebsamkeit entdeckten.
Das hatte sich geändert, als wir von unserem wenig erwähnenswerten Ausflug in die Hoyerswerdaer Spitzengastronomie zurück an den Ort des mutmaßlichen Geschehens kehrten. Emsige Helfer schafften sich beim Aufbau von Pavillons. Entlang der Laufstrecke waren einige Zelte aus dem Boden geschossen. Und als es uns gelungen war, unser erst am Tag zuvor erworbenes „Palais“ nach anfänglichem Wehgeschrei doch noch aufzubauen, sah ich das Abenteuer „Hoywoy“ schon ein wenig optimistischer.
Am Morgen herrschte am Lausitz-Bad ein beeindruckendes Gewimmel. Während die überschaubare Läuferschar noch Frühstücksbrötchen in sich hinein mampfte und klönend Prognosen für die kommenden 24 Stunden aufstellte, wuselten die Helfer im Start-Ziel-Bereich herum, bauten Verpflegungsstände auf, entschärften Poller und errichteten eine Beschallungsanlage …
Eine positive Überraschung gab es beim Empfang der Startunterlagen: Auf einem gesonderten Blatt wurde die Versorgungsplanung bekannt gegeben. Im Klartext: Während der gesamten 24 Stunden sollte es Obst und Getränke geben, von bestimmten Zeiten an jeweils „Ultra-Vesper“, „Ultra-Abendmahl“, „Nachtversorgung“ und Frühstücksbüfett“. Um es vorweg zu nehmen: Die Macher des Laufes hielten sich kaum an den Plan – es gab praktisch immer alles, was das Herz begehrte. Manfred Grüneberg und seine Mitstreiter erfüllten den Läufern jeden Wunsch, kaum dass dieser geäußert worden war.
Nach erfreulich kurz gehaltenen Reden von Org.-Chef und Bürgermeister fiel der kurz-nach-11-Uhr-Startschuss und das gut zwei Dutzend Köpfe zählende Läuferfeld setzte sich in Bewegung. Die Runde ist schnell beschrieben: Vom Lausitz-Bad führt der Weg über eine kurze Promenade, dann auf befestigten und zum Teil gesplitteten Wegen durchs Grüne rund um den Gondelteich um nach 923 Metern wieder zum Ausgangspunkt zurück zu kehren. Kurz nach dem Start geht es ein Stück hinab, kurz vor dem „Ziel“ wieder ein wenig hinauf, alles in allem geht die Strecke aber als „flach“ durch. Sie ist auf alle Fälle gut und abwechslungsreich zu laufen, man kann den Blick in der Natur schweifen lassen, sich über rauchende Muttis ärgern, Anglern zuschauen, sich von Spaziergängern anfeuern lassen und zum Ende einer jeden Runde das Bad in der überschaubaren Menge genießen.
Meine letzte Skepsis hinsichtlich der Kompetenz des Org.-Teams zerstreute sich, als am frühen Abend offensichtlich alle in Hoyerswerda jemals gesichteten Kabeltrommeln eingesetzt wurden, um rund um den Gondelteich ein temporäres Stromnetz zu knüpfen. Das funktionierte offensichtlich, denn die herangeschafften Flutlichtstrahler vertrieben die Dunkelheit und sorgten in der feuchtkalten Nacht sogar für kurzzeitige Wärmeerlebnisse.
Die Rundenzähler erfüllten ihre Aufgabe zumeist recht gut. Nachdem ich einmal einen offensichtlichen Fehler moniert hatte, klappte es auch mit dem Blickkontakt und die Zählerei haute hin. Allerdings hatten „meine“ Zähler nicht wirklich viel zu tun, denn mir ging es vom Start weg nicht wirklich gut. Und nachdem ich mich trotz einer für gemächliches Tempo sprechenden Marathonzeit von 4:15h wie dreifach durchgekaut und ausgespuckt fühlte, machte ich bis 21 Uhr die 85 Runden voll, ging kurz vor Ladenschluss ins Lausitz-Bad zum Duschen und beendete meinen Lauf.
Andere Läufer taten das nicht, und so holte sich Holger Sakuth bei seinem 24-h-Debüt mit 191,68 km den Sieg, beste Frau war Andrea Möhr mit respektablen 168,53 km.
Nach Ablauf der 24 Stunden kamen die Läufer, soweit sie noch über die Strecke bretterten, auch ohne Schlussignal irgendwie zum Stehen, Ekkehard Steuck (63!), platzierte sich kurz vor der Verpflegungszone dem ihm eilig angetragenen Klappstuhl und konnte sich über mehr als 180 km freuen.
Per Messrad wurden die Restmeter aufgenommen und ehe im 24-h-Lauf-typischen Freudengewusel das „Ich-geh-mal-Duschen“-Fieber ausbrach, ging auch schon die Siegerehrung über die Bühne, bei der es für alle Teilnehmer Urkunde, Medaille und ein kleines Erinnerungsgeschenk gab. Nach dem gemeinsamen Verpflegungsrestevernichten leerte sich der Ort des Geschehens, die Ultras zerstreuten sich in alle Winde, die Macher der Veranstaltung räumten in Windeseile auf und beseitigten die Spuren des Laufes.
Eines Laufes, der hoffentlich im kommenden Jahr seine zweite Auflage erleben wird. Denn schließlich verfügen die Mitglieder des Lauftreff Lausitz e.V. hier über eine wirklich gute Strecke und haben bewiesen, dass es Premieren ohne Kinderkrankheiten geben kann. Offensichtlich haben hier Läufer für Läufer organisiert und auch die ihnen im Vorfeld gegebenen Hinweise zu den Besonderheiten einer 24-h-Veranstaltung berücksichtigt.

Keine Kritik? Doch. Aber nur in einem Punkt. Die in der Ausschreibung angekündigte 24-Stunden-Moderation muss nicht sein. Auch beim legendären Reichenbacher Lauf war irgendwann in der Nacht Ruhe. Auf jeden Fall müsste die Lautstärke arg reduziert werden, Läufer und vor allem Supporter nicht unnötig zu quälen. Die nächtliche Endlosbeschallung mit Wolfgang Petri und Heino habe ich nicht als nervig, sondern als Folter empfunden, die es in dieser Art wohl ansonsten nur bei Verhören der CIA geben soll ...

Was könnte im Rahmen eines Feinschliffs verbessert werden?
Da ist zuerst ein „Mehr“ an Kommunikation im Vorfeld zu nennen. Leute, Eure Veranstaltung ist Spitze, teilt das den Ultras auch mit. Dazu gehört eine aktuelle Homepage, dazu gehören (nicht teure) Infoblätter, die bei allen möglichen Veranstaltungen ausgelegt werden.
Zweitens könnte man über einen Richtungswechsel aller sechs Stunden nachdenken. Das bringt Kurzweil auf die Strecke und wird bei einigen anderen Läufen praktiziert, um „orthopädischen Schäden“ vorzubeugen. Auf alle Fälle sorgt es für Abwechslung.
Drittens sollten den Läufern in der Schlussrunde ein Signal für den Zeitablauf übermittelt werden. Wie wär’s mit einem der Hoyerswerdaer Schützenvereine, die Burschen können höllischen Lärm machen ...
Viertens wäre es sinnvoll, den Läufern für die Markierung ihrer Position am Schluss des Rennens ein geeignetes Hilfsmittel zu geben. Legendär ist die Reichenbacher Zitrone, aber auch das Sri-Chinmoy-Hölzchen ist bewährt. Schließlich könnte es ja auch kalt und regnerisch sein – und wer wartet da schon gern auf den Mann mit dem Messrad.

Auf alle Fälle aber eine Bitte: Macht weiter so – ich habe mit der Strecke noch eine Rechnung offen und komme gern wieder nach Hoywoy.
Der Zeitungsdieb

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Montag, 5. Mai 2008
Vorgabe zentraler Olympianormen durch das IOC oder: Ein Funktionär hat's schwär
Am Wochenende auf Achse gewesen. Nach der gestrigen Heimkehr fand sich eine Menge Zeitungen in Kasten und Rohr sowie vor der Tür. Beim Überfliegen wurde mir wieder einmal der Unfug deutscher Olympianormen deutlich, die in einigen Fachverbänden offensichtlich darauf abzielen. die Zahl der zu nominierenden Sportler möglichst niedrig zu halten, damit die ganze Funktionärsblase samt Mischpoke mitreisen darf.
Warum eigentlich macht das belgische Olympiamännchen Jaques Rogge, das sich in so viele Dinge einmischt und z.B. die Gesamtzahl der Olympiateilnehmer limitiert hat, nicht auch die Normen zur Chefsache? Schließlich wäre es doch relativ simpel, würde der Konzern namens IOC schlicht und einfach die Kriterien festlegen, die zu erfüllen sind, um der aller vier Jahre zu Hochtouren auflaufenden Geldmaschine huldigen zu dürfen.
Die Funktionäre auf Ebene der NOKs würden sich darüber nicht ärgern - solange sie sich ihre eigene Reise zu Olympia selbst genehmigen dürfen. Ihnen bliebe die leidige Auseinandersetzung mit meckernden Sportlern, die die deutschen Normen für unangemessen halten, erspart. Und zur Sicherheit könnte das IOC den lokalen Würdenträgern ja noch ein Vetorecht einräumen. Am besten nach Beispiel des DLV, der in seinen Nominierungsrichtlinien zwar auch Zahlen nennt, zugleich aber noch einen Loyalitätsparagraphen samt Wohlverhaltensregel vorrätig hat, damit nicht zu viele Freidenker das Triko mit der fetten Henne überstreifen dürfen ...

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Die Lücke, die er hinterließ, ersetzte ihn ganz. Oder: Schöne Überschriften für meine Sammlung
Eine Erkenntnis vorweg: Beim Blick in die Zugriffsstatistik, die mir das Leserinteresse an diesem kleinen Tagebuch offenbart, gibt es immer wieder Grund zum Staunen: Unangefochtene Nummer 1 ist mein Bericht über den Thüringen Ultra. Kein Wunder, der Lauf war toll und die potenziellen 2008er Starter informieren sich über die Veranstaltung. Gefragt sind auch - obwohl's schon Schnee von gestern und vorgestern ist - meine kautzigen Texte über eine Weltumdingselung, die irgendwie oder doch nicht ... Zunehmender Beliebtheit erfreuen sich auch meine Kommentare zur lokalen Medienwelt. Neben dem verantwortlichen Mitarbeiter meiner Lokalpostille, der regelmäßig nach seinem Namen googelt (macht nüscht, ist ja nicht ehrenrührig ...), lesen auch andere Lokalpostilleros regelmäßig nach, was über ihren Qualitätsjournalismus auf den Seiten des Zeitungsdiebes steht.
Um diesen Berufskollegen bei ihren Recherchen Futter zu liefern, möchte ich den geneigten Lesern eine besonders schöne Blüte, die ich heute in der Leipziger Volkszeitung erspähte, natürlich nicht vorenthalten. Dabei habe ich gar nicht nach Wunderlichkeiten gesucht - dieses Kunstwerk sprang mich förmlich an. Ich verhalf dem unverhofften Fund allerdings zu einem weiteren Sprung: In pdf-Form liegt das schöne Stück in meinem Archiv und wird wohl demnächst Eingang in einen meiner Vorträge finden. Anmerkung für meinen Lieblingsleser aus der Chefetage: Gegen die glaubhafte Inaussichtstellung eines angemessenen Honorars trete ich auch vor ausgewählten Qualitätsjournalisten auf ...

Aber zurück zu meinem Zufallsfund. In der Überschrift zu einem Interview über das Thema "Mammographie" fand sich die folgende Unterzeile: "Fehlende Mammographie-Praxen in Sachsen sollen bis zum Jahresende eröffnen"
Haben's alle verstanden? Auch die Leser aus dem Petersteinweg? Gern würde ich denjenigen, die den Qualitätshumor in dieser Formulierung nicht zu entdecken vermögen, mit einem Vergleich auf die Sprünge helfen - aber leider fällt mir beim besten Willen nichts vergleichbar Dämliches ein. Und - soviel sei zu meiner Ehrenrettung verraten - ich habe mich im Rahmen meiner Möglichkeiten aufrichtig bemüht und mit meinen noch morgenfrischen Äuglein einige Minuten auf diesen Tagebucheintrag gestarrt und um eine passend unpassende Formulierung gerungen.
Manchmal vermag mich sogar meine Lokalpostille noch zu überraschen ...

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