Samstag, 20. September 2008
Hilfe, ich bin militant. Oder: Artikel 5 GG gehört abgeschafft.
Bei einem Pressegespräch hatte ich heute ein Erlebnis der besonderen Art: Ein Berufskollege bezeichnete mich als „militant“. Nun ja, als Nichtraucher bin ich das beim Zusammentreffen mit rücksichtlosen „Kippenfressern“ tatsächlich. Und ich gestehe: In einem finsteren Winkel meines Herzens bin ich sogar ein wenig militaristisch. Aber es ging weder um das eine noch um das andere. Besagter Kollege bezog das Attribut „militant“ auf Einträge in meinem kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuch.
Nach kurzem Nachdenken geriet meine Welt wieder ins Lot, denn mein werter Berufskollege ist schließlich für seine Nähe zur boomenden Logistikbranche in der Region Leipzig bekannt. Das ist kein Makel, denn – so sprach Marlon Brando in seiner Paraderolle als Pate - „man muss ja essen“. Und Steuern zahlen. Und Raten überweisen. Und, und, und.
Und angesichts seiner Logistikverbandelung ist es da das gute Recht meines Kollegen, über ihm und/oder seinen Auftraggebern unangenehme Tagebuchgedanken zum Thema DHL, Flughafen Leipzig-Halle, Air Cargo und Nachtflugterror ein wenig sauer zu sein und sogar das Attribut „grenzwertig“ zu gebrauchen.
Aber „militant“ - nööö, der spinnt. Schließlich habe ich lediglich eine ausgeprägte Vorliebe für Artikel 5 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland. Nummer 5 – das ist der Artikel mit der Meinungsfreiheit. Stichwort „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten ...“ Ich bin kein militanter Flughafengegner, aber ich nehme für mich das Recht in Anspruch, meine Meinung frei zu äußern.
Zu sagen, dass es mich anstinkt, wenn aus einem Airport mit sinkenden Passagierzahlen ein Fracht- und Militärflughafen wird. Dass ich es übel finde, wenn Menschen, die sich mit ihrem Hausbau für Jahrzehnte verschuldet haben, durch Fluglärm quasi enteignet und von gewissenlosen Populisten verhöhnt werden. Dass ich Verständnis für die lärmgeplagten Brüsseler habe, die DHL den Stuhl vor die Tür gestellt haben. Dass ich hoffe, der Herrgott lässt irgendwann auch über Leipzig Hirn vom Himmel regnen ... Zumindest sage ich das, solange der Artikel 5 des Grundgesetzes noch nicht abgeschafft ist.
Aber „militant“ bin ich deshalb noch lange nicht. Nönö, Ma ...

... link (0 Kommentare)   ... comment


Donnerstag, 18. September 2008
Daten-Gau in Norwegen. Oder: Zentrale Daten sind nicht sicher - auch in Deutschland
Die Deutsche Presseagentur verschickte am gestrigen 17. September eine Meldung über eine peinliche Datenpanne in Norwegen. Veröffentlicht hat’s u.a. die Netzeitung, guckst Du hier: http://www.netzeitung.de/politik/ausland/1157058.html und staunst Du. Das norwegische Steueramt – in etwa vergleichbar mit dem Deutschen Bundeszentralamt für Steuern – hat CDs mit den Daten aller norwegischen Steuerzahler – in summa vier Millionen Seelen – an zehn Zeitungsredaktionen verschickt. Die Datenträger enthalten neben Namen und der Höhe der zu zahlenden Steuern auch die Personennummer, sodass eine eindeutige Zuordnung möglich ist.
Die aus dem Geburtsdatum und einer fünfziffrigen Zahl bestehende Personennummer wird in Norwegen von allen Behörden, Banken, Versicherungen, Krankenhäusern und auch Unternehmen zur Personenidentifizierung benutzt und gilt deshalb als viel wichtiger als Namen.
Die Steuerbehörde fügte diese Nummer irrtümlich an die elektronische Liste aller norwegischen Steuerzahler, die sie alljährlich an Medien schickt. Darin sind üblicherweise Namen, Einkommen und Einkommensteuer als öffentlich zugängliche Daten enthalten, nicht aber die streng vertrauliche Personennummer. Mit dieser zusätzlichen Information werde Kriminellen «der Diebstahl von Identitäten mit interessantem finanziellen Hintergrund mehr als leicht gemacht», sagte der Sprecher der Datenschutzbehörde.
Nun mag sich der eine oder andere Leser dieses kleinen Tagebuches fragen, warum ich diese Nachricht für so wichtig halte? Schließlich sind vier Millionen Norwegen, wenn es nicht gerade um Wintersport geht, doch eher sekundär fürs deutsche Wohl und Wehe.
Das mag stimmen, aber auch in Deutschland gibt es ja endlich wieder eine Personennummer, über die ich mich kürzlich (guckst Du hier: http://zeitungsdieb.blogger.de/stories/1205084/) ein wenig ausgelassen habe. Zugegeben, die neudeutsche Identifikationsnummer ist zwar ein direkter Nachkomme von Reichspersonalnummer und Personenkennzahl PKZ, aber sie kommt im Unterschied zu diesen (und zur norwegischen Variante) ohne Geburtsdatum im Klartext daher.
Aber die Datenpanne in der Heimat von Henrik Ibsen und dem Opera-Browser macht deutlich, dass es beim Umgang mit personenbezogenen Daten nicht möglich ist, Fehler per Gesetz auszuschließen. Murphy’s Law besagt, dass, wenn etwas schief gehen kann, dieses auch passiert. Ganz zu schweigen davon, dass Datensammlungen stets die Begehrlichkeiten von Politikern und anderen kriminell veranlagten Elementen wecken und dass zumindest erstere auch Mittel und Wege finden, ihr Verlangen durchzusetzen.
Und das – dessen dürfen sich die Leser meines kleinen Tagebuches sicher sein – gilt auch für Deutschland. Die Frage ist nur, ob die in der Zentraldatei des Bundesamtes für Steuern zuerst dank einer Datenpanne offengelegt oder zuerst per Gesetz „zum Zwecke der Terrorismusbekämpfung“ mit anderen Daten abgeglichen und abgerastert werden. Für das Eintreten des ersten Szenarios spricht Murphy’s Law, für das des zweitgenannten das rastlose Rotieren des innenministeriellen Rollteufels.

... link (0 Kommentare)   ... comment


Wolfgang Schäuble und Aids. Oder: Die Krankheit der anderen
Was haben Aids und die Überwachungspläne von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble gemeinsam?
Antwort 1: Beide können einem ganz schön den Spaß am Leben verderben. Aber das meine ich nicht, deshalb folgt ...
Antwort 2: Beide Krankheiten wurden solange unterschätzt, bis sie nicht mehr aufzuhalten waren bzw. sind.

Hä? So oder ähnlich mag das Geräusch klingen, das nun der eine oder andere Leser meines kleinen, politisch nicht immer gänzlich korrekten und auch nicht dem bundesrepublikanischen Mainstream verpflichteten Tagebuches macht.
Ganz einfach: Als Aids (bzw. HIV) in der Neuzeit „erfunden“ wurde (gab’s nämlich in den 30er-Jahren auch schon mal, wurde damals nur nicht entsprechend gewürdigt und verschwand wieder, aber das ist eine andere Geschichte ...), war es über Jahre die Krankheit „der anderen“. Betroffen war ja nicht der stinkdurchschnittliche, brave Normalbürger, sondern andere: Neger, Schwule, Fixer, Nutten und Stricher, Fremdgeher ... und irgendwann die ganze Gesellschaft.

Ähnlich ist die Situation bei den Überwachungsplänen des Bundesinnungsministers und seiner ministeriellen Mittäter. Vorratsdatenspeicherung, Bundestrojaner, Fernmeldeüberwachung, BKA-Gesetz und all der andere Schlapphutmist richten sich ja gegen den internationalen Terrorismus, gegen rechte Extremisten, gegen linke Extremisten, gegen Kinderschänder, gegen Schwerkriminelle und deren Vereinigungen, gegen Zumwinkel und andere Steuerhinterzieher, gegen Reiche, gegen Telekom-Kunden, gegen Zu-Schnell-Fahrer, gegen Rotfahrer, gegen Falschparker ... gegen ganz normale Bundesbürger wie Du und ich, die nichts anderes wollen, als grundgesetzlich verbriefte Rechte in Anspruch zu nehmen. Wie weit das Tor zum Überwachungsstaat bereits offen steht, guckst Du hier www.telepolis.de, in der Suchfunktion einfach mal die Worte „Schäuble“ und „Vorratsdatenspeicherung“ eingeben.

Das ist übertrieben? Wer das glaubt, sollte sich hier http://www.heise.de/tp/r4/artikel/27/27734/1.html einmal einlesen. In Kürze: Eine in einem Internetforum oder Gästebuch hinterlassene E-Mail-Adresse ist in mehreren Fällen Grundlage von Durchsuchungsbefehlen gewesen – ohne vorherige Prüfung, ob der Inhaber der Adresse oder ein anderer Nutzer diese eingetippt hatte. Der aus meiner Sicht spektakulärste Fall betraf einen Berliner Geschäftsman, der vor einigen Monaten frühmorgendlichen Besuch von lautstark in seine Wohnung stürmenden SEKisten und Ermittlungsbeamten erhielt. Wegen kinderpornographischer Missetaten kam dieser Sturmtrupp durch die Tür, beschlagnahmte Papier und EDV-Anlage. Die Rückgabe nahm – gut Untersuchung will Zeit haben – Monate in Anspruch und erfolgte, als der Geschäftsmann bereits seiner wirtschaftlichen Existenz verlustig gegangen und privat erledigt war.
„Schlimmeres“ ist dem Berliner übrigens nicht widerfahren. Ein Schreiben der Ermittlungsbehörden informierte darüber, dass es bei der Zuordnung der IP-Adresse des Kinderpornographieliebhabers zur konkreten Person von Seiten des Providers einen Fehler gegeben habe ...
Wie war das? Aids ist die Krankheit der anderen. Überwachung auch ...

Wie schwer es ist, bei durchaus zum Denken neigenden Menschen eine gewisse Sensibilität für die Gefahren der neuen Schäuble-Seuche zu wecken, erlebte ich erst vor einigen Tagen beim Gespräch mit einem guten Bekannten. Dieser verschanzte sich hinter der Feststellung, dass er doch nichts zu befürchten habe: Schließlich meide er den Kontakt zu Terroristen, Rechten und Linken extremer Ausprägung, zahle seine Steuern, sei ein guter Mensch, lasse sich nichts zuschulden kommen ...

Ihm und allen anderen braven Staatsbürgern gebe ich den Rat, den kleinen Handkoffer mit den wichtigsten Sachen stets am Bett stehen zu haben. Denn: „Sie kommen immer in der Nacht.“

... link (0 Kommentare)   ... comment


Mittwoch, 17. September 2008
Jenny und die Zootiere. Oder: Niedergang der deutschen Leitkultur
Meine Lokalpostille, die nach eigener Aussage dem Qualitätsjournalismus verpflichtete Leipziger Volkszeitung, hat eine Online-Ausgabe. Auch wenn diese noch Lichtjahre von netzeitung.de, welt.de oder gar telepolis.de entfernt ist, tut sich doch etwas. Dümpelte die Online-Ausgabe lange Zeit scheintot vor sich hin und wurde selbst während internationaler Großereignisse wie der Fußball-EM nächtens nicht aktualisiert, kann der geneigte Leser nun beobachten, dass nimmermüde Redakteure die eine oder andere Agenturmeldung ins Content-Management-System hieven und gelegentlich sogar eigene Berichte veröffentlichen.
Besonders stark sind solcherlei kleinkünstlerische Werke im Hinblick auf eigene wirtschaftliche Interessen des Verlages anzutreffen. Aber auch die Rubrik „Wissen, das die Welt nicht braucht“ ist gut besetzt.
Beispiel gefällig? Heute hat die LVZ-Online-Ausgabe (guckst Du hier: http://www.lvz.de/aktuell/content/73220.htm) eine dpa-Meldung übernommen und berichtet über einen bösen Unfall, den Jenny Elvers-Ebertzhagen (das ist wohl die Miss Heidschnucke, die mit Big-Brother-Alex irgendwie rumgemacht hatte) bei Dreharbeiten für die dritte „Dr. Mertens“-Staffel erlitt. Nun kenne ich weder die erste noch die zweite Staffel und werde auch die dritte nie kennenlernen (wahrscheinlich), es geht aber irgendwie um den Leipziger Zoo. Miss Heidschnucke spielt Nicole Sommer, die neue Assistentin der filmischen Zootierärztin Dr. Mertens, und hat sich dabei von einem Marabu in die Hand beißen lassen.
Blablabla, der Rest ist PR. Kurzer Abriss des Wer mit Wem (Handlung kann man diese öffentlich-rechtliche Sülze ja wohl nicht nennen), des weiteren Drehverlaufes und des zu erwartenden Sendetermins. Außerdem darf Heidschnucke Jenny noch verkünden, dass sie Angst vor dem großen Braunbären hat und daheim schnuckelige kleine Hasenbabies betreut.
Gähn. Wenn es die mit Kompetenz gesegneten Lokalpostilleros der LVZ-Onlineredaktion wenigstens geschafft hätten, den einen oder anderen Link einzubauen ... Wer freiwillig solchen Brösel wie die erschröckliche Moritat von der gebissenenen Miss Heidschnucke liest, der hätte doch sicher gern auch auf die einschlägigen Seiten von Zoo, mdr etc. geklickt und sich bei Wikipedia darüber informiert, was ein Marabu eigentlich ist und wie er aussieht. Aber das darf man wohl derzeit nur bei telepolis.de und burks.de erwarten ...

Armes Deutschland.

... link (0 Kommentare)   ... comment


Montag, 15. September 2008
Krebsregister und Risiko. Oder: Gedanken über eine Statistik
Meine Lokalpostille, die Leipziger Volkszeitung, macht ihre Titelseite heute mit der Schlagzeile „Sachsen: Krebsrate in Aue und Zwickau am höchsten“ auf. Unter Bezug auf das gemeinsame Krebsregister der östlichen Bundesländer (guckst Du hier: www.krebsregister-berlin.de) wird dargelegt, dass die Krebsrate in den einstigen Uran-Abbaugebieten der Wismut AG noch immer höher als im Rest Sachsens ist. Im Klartext: Mit 441,6 Krebsfällen je 100.000 Einwohner liegt Sachsen unter dem Bundesdurchschnitt von 452,7. Allerdings liegen die Kreise mit einstigen Wismutstandorten – Aue-Schwarzenberg (504,6), Zwickau (505,1) und Zwickauer Land (486,8) um knapp bzw. deutlich mehr als zehn Prozent über dem Durchschnitt.
Deutlich über dem Mittelwert liegt auch Leipzig – liegt’s an der chemischen Industrie von Buna, Leuna und Bitterfeld, in der viele Leipziger einst tätig waren bzw. deren Dreck sie bei geeignetem Wind auch daheim atmen durften?
Deutlich drunter liegen die Bergbauregion Freiberg (301,0) und die Sächsische Schweiz (330,9), wobei auch in letzterem Gebiet Wismutaktivitäten zu verzeichnen gewesen sind. Die Autoren des Krebsregister-Internetauftrittes betonen jedoch, dass es falsch sei, aus den Zahlen für das eigene Gebiet ein erhöhtes persönliches Krebsrisiko abzuleiten. Dieses sei, wie so vieles im Leben, von den ganz konkreten, persönlichen Veranlagungen und Umständen abhängig. Wer seine Wohnung mit Asbest tapeziert, hat auch in der heilen Welt rund um Freiberg gute Chancen auf ein Krebsleiden.
Was sagt mir dieses Zahlenwerk ansonsten?
Zum einen, dass mein Schwiegervater ein weiser Mann ist. Er verkündet gelegentlich den aus eingehender Geschichtsbetrachtung gezogenen Schluss, dass es für die Sachsen noch nie von Vorteil war, sich mit Franzosen und/oder Russen einzulassen. Während man den Franzmännern in punkto Krebs keine Vorwürfe machen kann, sieht das bei den Russen, die ja einst „unsere sowjetischen Freunde“ waren, ganz anders aus. Die wühlten in Sachsen und Thüringen ganz heftig im Boden, um ihre Atomwaffen mit nuklearem Sprengstoff befüllen zu können. Vielen Dank auch noch!

Zum anderen sagt mir das Zahlenwerk des Krebsregisters aber auch, dass Statistiken in Laienhand (und das sind Zeitungsmenschen nun mal – zumindest die meisten) mit Vorsicht zu genießen sind. Sinnvoll wäre z.B. eine Gegenüberstellung der Krebsrate mit Angaben zur durchschnittlichen Lebenserwartung: Wer früher stirbt, ist nämlich nicht nur länger tot, sondern hat auch eine deutliche geringere Wahrscheinlichkeit, „später“ an Krebs zu erkranken. Zum anderen hätte der Artikel meiner Lokalpostille durchaus gewonnen, wären die Zahlen des Krebsregisters zusätzlich mit Angaben zur Binnenwanderung unterfüttert worden. Im Klartext: Wer sich „in der Wismut“ die Lunge mit strahlendem Dreck gefüllt hat, dann aber nach Hinterrumpelshausen in Meckpomm gezogen ist, taucht im dortigen Register auf – ebenso wie der niederbayerische Leihbeamte, der zur Aufbauhilfe Ost in die sächsische Landeshauptstadt Dresden gekommen ist und die Früchte seiner Buschzulage nun in der Sächsischen Schweiz genießt.
Aber solcherart Hintergrundberichterstattung ist ja schon Luxus ...

... link (0 Kommentare)   ... comment


Freitag, 12. September 2008
Der Bedienzuschlag ist tot. Oder: Wann kommt der Nachlass für Internetkunden?
So, die Deutsche Bahn hat ihren Bedienzuschlag gekippt, bevor sie ihn überhaupt eingeführt hat. Die angekündigten 2,50 Euro je Fahrt sind passé.
Die Freude ist groß: Bei allen Automatenmuffeln, Internetverweigerern, Verbraucherschützern, Fahrgastverbänden - und natürlich bei den beiden deutschen Bundesministern für Populismus, Bauchkraulen und Taschenvollhauerei, Wolfgang Tiefensee (SPD) und Horst Seehofer (CSU), womit auch der Parteienproporz innerhalb der großen Koalition gewährleistet wäre.
Wobei: Der Bedienzuschlag ist nicht wirklich tot, der kommt zurück, obwohl er ja nicht weg war, weil er ja noch nie da war - oder so. Kommen wird er, denn anderenfalls würden "die modernen Kunden" ja "die altmodischen" mit ihren Fahrpreisen subventionieren. Und wer will das schon ... Ein Blick in den Dschungel der Bankgebühren macht das deutlich: Wer ein Internet-Konto führt, kommt preiswerter weg als der brave Nutzer altmodischer Überweisungsträger.
Früher oder später wird dieses Gewinnmaximierungs-Prinzip auch bei der Bahn greifen - und wenn's über den Umweg eines "Internetnachlasses" ist.

... link (0 Kommentare)   ... comment


Geburtstagsgönnerei oder: Morgens, halb zehn in Deutschland.
Gestern habe ich mir mal etwas gegönnt. Zu seinem Geburtstag darf man das, auch wenn’s (gottlob noch) kein runder ist. Nönö, nix mit neuem Auto oder modischen Klamotten. Ich habe mir – nach Blick in den Terminkalender – einen vormittäglichen Lauf geleistet. Unter dem Motto „Morgens, halb zehn in Deutschland“ bin ich los und gönnte mir gemütliche 15 Kilometer. Was (im Hinblick auf die Strecke) an sich nichts Besonderes ist, für mich aber ein wirkliches Geburtstagsgeschenk war: Bei perfektem Spätsommerwetter lief ich über Feld- und Waldwege, sah allerlei Getier, freute mich über drei betagte K700-Traktoren, die auf einem großen Schlag um die Wette zu pflügen schienen, grüßte einige andere Läufer (Haben die nichts zu tun, dass sie vormittags auf die Piste gehen?) und nahm auf meiner Geburtstagsrunde mehrere Glückwünsche netter Menschen per Handy entgegen. Fazit: Ein Genusslauf der allerfeinsten Sorte, der damit einhergehende Lustgewinn hätte sich allenfalls durch zwei oder drei Verpflegungsstände mit Bier und Pellkartoffeln steigern lassen. Aber das wäre dann fast schon paradiesisch gewesen ...
Das solchermaßen erlaufene Wohlgefühl versöhnte mich sogar mit dem Umstand, dass ich meine obligatorischen Donnerstagnachmittagslaufrunden am Leipziger Auensee (genau, auf der Strecke des 100ers) wegen eines dienstlichen Termins in Dresden ausfallen lassen musste.
Und heute? Habe ich (natürlich) keinen Geburtstag mehr. Aber vielleicht gönne ich mir am Vormittag noch einen kleinen Geburtstagsnachlauf zur Vermeidung von Entzugserscheinungen – und weil’s so schön war.

... link (0 Kommentare)   ... comment


Donnerstag, 11. September 2008
El Qaida im Regierungsviertel. Oder: Ein Prosit auf nine-eleven
11. September. Mein Geburtstag. Als ich ihn 2001 mit einigen Freunden in einer Kneipe feierte, gab’s von den Leuten an den Nachbartischen Blicke, die Unverständnis signalisierten. Wie kann man an so einem Tag guter Stimmung sein. An genau dem Tag, an dem die Twin-Towers in die Knie gingen, an dem Tausende starben, an dem die USA sich erstmals auf dem eigenen Territorium angegriffen fühlten.
Mit ist dieser 11.9. 2001 – seither bekannt als nine-eleven – aus einem ganz speziellen Grund in Erinnerung geblieben. Ich hatte am Nachmittag in Dresden an einer Veranstaltung teilgenommen, stieg nach deren Ende ins Auto und hörte im Radio den Bericht eines DLF-Korrespondenten, der aus seinem Fenster schaute, einen der brennenden Türme im Blick hatte, das Gesehene beschrieb und plötzlich den Anflug eines zweiten Flugzeuges schilderte – und ich dachte ein Hörspiel, ähnlich der fiktiven Radioreportage „Marsianer“, mit der Orson Welles 1938 bei vielen Amerikanern Panik auslöste. Erst allmählich wurde mir klar, dass hier keine Hörspiel lief, sondern die Realität beschrieben wurde.
Am 20. September 2001 rief US-Präsident George Bush jr. den Kreuzzug gegen den Terror aus. Erst nachträglich wurde diese Vokabel umgebogen, wich der historisch belastete Terminus „Kreuzzug“ dem „Krieg“.

Heute las ich in der Welt einen Text von Alexander Ritzmann (guckst Du hier: http://www.welt.de/politik/article2421302/Warum-die-Terrororganisation-al-Qaida-versagt-hat.html), in dem er über die Gründe für das vermeintliche Versagen der Terrororganisation al-Quaida philosophiert. Ritzmann ist ein kluger Kopf, der es sich zum Ziel gemacht hat, dem Islamismus auf den Grund zu gehen. Er arbeitet in Brüssel in einem Think Tank und liegt – soviel Unverschämtheit sei gestattet – mit seiner These vom Versagen al Qaidas schlichtweg falsch. Diese Terrororganisation hat viele ihrer Ziele bereits erreicht und ist auf dem besten Weg, die westliche Welt in der uns bekannten Form zu zerstören.
Sicher, vom Kalifatstaat sind wir noch weit entfernt. Aber die westlichen Demokratien haben sich seit dem 11. September 2001 so grundlegend verändert, haben so viele Bürgerrechte entsorgt, dass man von einem Etappensieg der Islamisten sprechen muss.
Wer das nicht glaubt, der sollte zunächst ein wenig über die Veränderungen in den USA nachdenken. Heimatschutz, no-fly-Listen, Sonderbefugnisse für Ermittler im Anti-Terror-Kampf, Einschränkung von Bürgerrechten, Guantanamo – diese Beispiele sollten genügen, und sie lassen nur einen Schluss zu: In ihrem Bestreben, den islamistischen Terrorismus zu bekämpfen, haben sich die USA weit von ihrem demokratischen Selbstverständnis entfernt und sich dem Islamismus mehr genähert, als sie selbst zuzugeben bereit sind. In der Quantenphysik spricht man in diesem Zusammenhang von Wechselwirkungen ...

Drastische Wechselwirkungen dieser Art gibt es übrigens auch in Deutschland. Man denke in an Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble, der wie ein Rollteufel umherspringt und immer neue Einschränkungen elementarer Bürgerrechte fordert und – die politische Kaste ist willfährig, das durchschnittliche Wahlvolk tumb – leider zum Teil auch durchsetzt. Da werden Vorratsdaten gespeichert, Ermittlungsverfahren gegen Internetuser angestrengt, die sich auf einer BKA-Seite über Islamismus informieren (!), Abhörmaßnahmen en masse durchgezogen und bis dahin geschützte Berufsstände in die lückenlose Überwachung einbezogen. Willfährig werden persönliche Daten von Flugpassagieren an die US-Behörden ermittelt. V-Leute beäugen irre Bombenbastler bei deren Tun und helfen diesen, wenn Not am Manne ist, bei der Beschaffung von Zutaten für die Höllenmaschinen. Schließlich brauchen die Ermittler Erfolge. Anlässe für neue Repressalien.
Und die Entwicklung schreitet fort: Um den Terrorismus besser bekämpfen zu können, so die politische Logik, werden Fingerabdrücke gescannt und gespeichert. Zentralregister angelegt. Bundestrojaner gehätschelt. Sogar die Überwachungsinstrumente einstiger Diktaturen – die Reichspersonalnummer der Nazis und die Personenkennzahl PKZ der DDR-Machthaber – feiern in Gestalt der Steueridentnummer fröhliche Urständ. Und irgendwann, dessen bin ich sicher, werden in old Germany Wasserpfeifen nicht mehr anrüchig und die Schari'a selbstverständlich sein. Der Erzbischof von Canterbury bezeichnete es im Februar 2008 gegenüber BBC als unvermeidlich, Elemente der Schari'a ins britische Zivilrecht aufzunehmen. In Griechenland kommt die Schari'a auf Grundlage des Vertrages von Sévres für die Minderheiten der westthrakischen Türken und Pomaken seit 1920 zum Einsatz.

Die Islamisten haben versagt? Was für ein Trugschluss – sie sind ihrem Ziel, der Zerstörung der westlichen Demokratien, näher denn je. Nur die selbsternannten Gralshüter unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung haben’s noch nicht bemerkt.
In diesem Sinne: Angenehmen 11. September noch. Ich werde am heutigen Abend wieder auf dieses Datum anstoßen, ich darf das. Steht in meinem Ausweis. Und in meinem Zentralregistereintrag beim Rollteufel (Schade, dass mir dieser Begriff nicht eingefallen ist ... die durchaus lesenswerte Quelle findet sich bei Telepolis ... guckst Du hier http://www.heise.de/tp/blogs/5/114619)

... link (2 Kommentare)   ... comment


Dienstag, 9. September 2008
Meine Lokalpostille und die Schleichwerbung. Oder: Verstöße gegen den Pressekodex reloadet
Heute, am 9. September, habe ich meinen guten Vorsatz für das neue Jahr gefasst. „Häää? Neues Jahr?“, mag sich nun der eine oder andere Leser meines kleinen Tagebuches fragen und zu dem Schluss gelangen, dass der Verfasser dieser Zeilen nun wohl doch dem Schwachsinn anheim gefallen sein muss.
Doch keine Angst – alles ist im Lot. Den guten Vorsatz für 2009 habe ich allerdings tatsächlich bereits gefasst. Vor wenigen Minuten, genauer gesagt: Beim Frühstück und der damit einher gehenden Lektüre meiner Lokalpostille, der Leipziger Volkszeitung. Regelmäßige Leser meiner – politisch nicht immer korrekten – Notizen wissen, dass ich hin und wieder Anstoß an Veröffentlichungen der nach eigener Aussage dem Qualitätsjournalismus verpflichteten LVZ nehme. Die Gründe hierfür sind zumeist die himmelschreiende Dummheit oder die unendliche Faulheit bestimmter Autoren, häufig auch eine Kopplung aus beiden Eigenarten. Regelmäßig ärgere ich mich zudem über Verstöße gegen den Pressekodex. So auch heute.
Wieder einmal – oder heute sogar zweimal auf einer Seite – wurde gegen dieses Regelwerk der Medienbranche verstoßen. In Ziffer 7 (guckst Du hier: http://www.presserat.de/Pressekodex.8.0.html) verweist der Pressekodex auf die Trennung von Werbung und Redaktion. Zum Nachlesen:

ZI F F E R 7 TRENNUNG VON WERBUNG UND REDAKTION
Die Verantwortung der Presse gegenüber der Öffentlichkeit gebietet, dass redaktionelle Veröffentlichungen nicht durch private oder geschäftliche Interessen Dritter oder durch persönliche wirtschaftliche Interessen der Journalistinnen und Journalisten beeinflusst werden. Verleger und Redakteure wehren derartige Versuche ab und achten auf eine klare Trennung zwischen redaktionellem Text und Veröffentlichungen zu werblichen Zwecken. Bei Veröffentlichungen, die ein Eigeninteresse des Verlages betreffen, muss dieses erkennbar sein.

Soweit die Theorie. Oder, wie Jack Sparrow im „Fluch der Karibik“ feststellte: „Der Kodex ist doch nur eine Empfehlung.“ Nicht nur für die Piraten zur See, sondern auch für die der Medienbranche.
Und so berichtet meine Lokalpostille auf Seite 17 ihrer heutigen Ausgabe über die nunmehr in zweiter Auflage erscheinende Broschüre „Zoogeflüster“, zu deren Herstellung sich die LVZ wegen der großen Nachfrage nun entschlossen hat. Auf gut 30 Druckzeilen erfahren die geneigten Liebhaber des Qualitätsjournalismus’ viel Wissenswertes über Inhalt, Aufmachung, Kaufpreis und Bezugsmöglichkeiten des Druckwerkes. Sogar ein Bild spendierten die Gutmenschen aus dem Leipziger Medienhaus der Leserschaft – ein Repro des Covers. Dass hier wirtschaftliche Interessen des Verlages mit redaktioneller Berichterstattung vermengt wurden, sollte auch dem dümmstanzunehmenden Leser auffallen. Tut es aber nicht, weil solcherart Mauscheleien bei der LVZ System haben und die Verleger „derartige Versuche“ ganz offensichtlich nicht nur nicht abwehren, sondern vorschreiben.
Anders lässt es sich nicht erklären, dass der Beitrag in die Spalten des Lokalteils rutschen konnte. Autor ist nämlich keiner der dort mehr oder weniger tätigen Redakteure und auch keiner der wohlfeilen Praktikanten, sondern laut Kürzel „sei“ Thomas Seidler.
Diese war von 1993 bis 2005 Lokalchef der LVZ und hat seither das Amt des Chef-Management-Redakteurs bei der Leipziger Medien Service GmbH (LMS) inne. Dieses Unternehmen gibt allerlei Bücher heraus, die dann bei der LVZ intensivst beworben und verklingelt werden. Wer sich über die Gesellschafterstruktur der LMS informieren will, kann das Handelsregister einsehen und wird keine Überraschungen erleben. Wer sich die Mühe sparen will, gibt mir ein Bier aus, dann erfährt er’s auch.

Solcherart Verquickungen meint der Deutsche Presserat, wenn im Pressekodex von der Kennzeichnungspflicht bei „Veröffentlichungen, die ein Eigeninteresse des Verlages betreffen“, die Rede ist.

Unter Ziffer 7 des Pressekodex’ fällt aber auch eine Veröffentlichung, die in der heutigen Ausgabe meiner Lokalpostille gleich neben der Eigenwerbung für das „Zoogeflüster“ steht. Unter dem Titel „Der Hund von Welt trägt Regencape“ ist dort in Wort und Bild eine nette kleine PR-Geschichte über Birgit Winkler und ihren Minizoo abgedruckt. Im Focus war die von dpa verbreitete PR-Schmonzette übrigens bereits am 14. August 2008 „Bild des Tages“. Aber zurück zur LVZ: Der geneigte Leser dieses qualitätsjournalistischen Werkes erfährt, das die Chihuahuas Quincy und Lilli bei herbstlichen Niederschlägen Regenmäntel tragen, die aus den USA stammen und in Birgits Minizoo verkauft werden.
Womit wir bei der unzulässigen Vermauschelung von Redaktion und Anzeige wären, denn dieser Minizoo ist kein Zoo, sondern ein – ziemlich dürftig aufgemachter – Onlineshop. Guckst Du hier: https://ssl.kundenserver.de/www.birgits-minizoo.de/sess/utn;jsessionid=1548c6141ad10c9/shopdata/index.shopscript
Nun ist es jedem selbst überlassen, sich mit solcherart Angeboten zu bereichern und/oder zu blamieren. Im Lokalteil hat diese Veröffentlichung allerdings nur als Anzeige etwas verloren. Zumindest bei einer Zeitung, die für sich den Anspruch des Qualitätsjournalismus erhebt.

Und was hat das alles mit dem zu Anfang dieser Zeilen erwähnten „guten Vorsatz“ fürs neue Jahr zu tun? Nun, da ich bereits überreichlich Sport treibe, macht das übliche „mehr Sport“ oder „gesund leben“ ja keinen Sinn. Also werde ich im kommenden Jahr die Verstöße meiner Lokalpostille gegen den Pressekodex dokumentieren und einmal pro Quartal an den Presserat schicken. Einer muss es ja tun ...

... link (0 Kommentare)   ... comment