Freitag, 29. Mai 2009
Heroin auf Rezept. Oder: Abwrackprämie für Junkies
Wer fünf Jahre schwerstabhängig war, bekommt künftig Heroin auf Rezept. Den Weg für diese Neuerung hat der Bundestag freigemacht. Das ganze Projekt läuft unter dem Stichwort heroingestützte Substitutionsbehandlung. Guckst Du hier: http://www.netzeitung.de/politik/deutschland/1368979.html
Als ich das gelesen habe, musste ich irgendwie an die Abwrackprämie denken. Für Junkies.

Und noch etwas ging mir dabei durch den Kopf: Die generelle Verlogenheit der deutschen Drogenpolitik. Da gibt es auf der einen Seite toxische, kanzerogene Substanzen mit hohem Suchtpoptenzial, die pro jahr zehntausende Opfer fordern und legal erhältlich, ja sogar Teil unserer Freizeitkultur sind. Die Rede ist von Alkohol und Tabakprodukten.
Auf der anderen Seite sind weitaus weniger gefährliche Substanzen verboten - die Rede ist von Cannabis und seinen "Geschwistern".
Wer einigermaßen logisch denkt, wird keine vernünftige Erklärung dafür finden, dass die gefährlicheren Substanzen frei gehandelt und konsumiert werden dürfen, die weniger gefährlicher aber in die Illegaltität gedrängt werden.
Nun mag der eine oder andere Leser dieses kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuches meinen, dass die Erklärung doch auf der Hand liegt: Mit Nikotin und Alkohol verdient der Staat ordentlich Knete, mit "Gras" nicht. Das entspricht der Realität, aber vernünftig ist es nicht ...

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Dienstag, 26. Mai 2009
Leipziger Qualitätsjournalismus reloaded. Oder: Mit dem Glückstelefon zum neuen Auto
Vor langer, langer Zeit stand auf meinem Stundenplan das Unterrichtsfach Deutsch. Irgendwann (es muss kurz nach der Entstehung der Braunkohle gewesen sein) lernte ich auch etwas über das Steigern von Adjektiven. Also „schön“, „schöner“, „am schönsten“, damals Grund-, Mehr- und Meistform genannt. Heute nennt man das übrigens Komparation, die drei Formen heißen Positiv, Komparativ und Superlativ. Nur der Vollständigkeit halber: Nach dem Superlativ kommen eigentlich noch Elativ und Exzessiv als Steigerungsformen Nummer 4 und 5, allerdings sind diese im Deutschen ungebräuchlich – wir sind halt eher nordisch-kühl und nicht so überschwänglich. Elativ und Exzessiv ist also eher etwas für die US-Amerikaner, bei denen ja schon „great“ ist, wer die Uhr ablesen kann.
Nun mag sich der eine oder andere Leser meines kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuches fragen, weshalb ich meine knapp bemessene Lebenszeit dazu missbrauche, um über die Steigerung von Adjektiven bzw. Adverbien zu philosophieren.
Schuld ist ein Phänomen, auf das ich beim Lesen eher per Zufall gestoßen bin. Es gibt offensichtlich eine ganze Reihe von Adjektiven, bei deren Steigerung man auf den selben Superlativ kommt.
Beispiel gefällig? Nehmen wir das Wort „frech“. Steigerung: Frecher, LVZ. Auf den selben Superlativ komme ich bei „unverschämt“: unverschämter, LVZ. Die Reihe lässt sich mit Worten wie „dreist“, „betrügerisch“ usw. beliebig fortsetzen. Im Klartext: Meine Lokalpostille, die nach eigener Aussage dem Qualitätsjournalismus verpflichtete Leipziger Volkszeitung, befleißigt sich zunehmen einer Arbeitsweise, die mit Worten wie „unverschämt“, „dreist“ und „frech“ sehr wohlwollend umschrieben ist. Weniger zurückhaltende Menschen als ich sprechen eher von „kriminell“ und „Leserverarschung“.

Wie ich darauf komme? In den vergangenen Monaten hat die Praxis, eigene geschäftliche Belange des Verlages redaktionell breitzutreten, einen bisher unbekannten Stand erreicht. Ich weiß, wovon ich spreche, denn berufsbedingt tue ich mir allmorgendlich die „Leipziger Volkszeitung“ an – aber aktuell ist sie eigentlich „unlesbar“ (auch die Steigerung dieses Wortes führt zu „LVZ“).

Schuld sind – neben dem unverkennbaren qualitativen Niedergang – die fortwährenden Verstöße gegen den Pressekodex ( Guckst Du hier: http://www.presserat.info/uploads/media/Pressekodex_01.pdf ) . In letzterem ist in Ziffer 7 folgendes festgelegt:

„Ziffer 7 – Trennung von Werbung und Redaktion
Die Verantwortung der Presse gegenüber der Öffentlichkeit gebietet, dass redaktionelle Veröffentlichungen nicht durch private oder geschäftliche Interessen Dritter oder durch persönliche wirtschaftliche Interessen der Journalistinnen und Journalisten beeinflusst werden. Verleger und Redakteure wehren derartige Versuche
ab und achten auf eine klare Trennung zwischen redaktionellem Text und Veröffentlichungen zu werblichen Zwecken. Bei Veröffentlichungen, die ein Eigeninteresse des Verlages betreffen, muss dieses erkennbar sein.“

Näheres zu dieser Thematik mag der geneigte Leser hier http://zeitungsdieb.blogger.de/stories/1362406/ und da http://zeitungsdieb.blogger.de/stories/1393681/ nachlesen. Im Zuge ihres Tests, wie blöd der immer noch verbliebene Durchschnittsrestleser der LVZ mittlerweile ist, hat meine Lokalpostille ein Gewinnspiel aufgelegt. Gestern durfte Heinrich Lillie, ein zur Selbstgoogelung neigendes Mitglied der Verlagselite, zum wiederholten Male die redaktionelle Werbetrommel für die Verlosung eines Megane-Cabrios rühren. Per „Glückstelefon“ (Originalton LVZ) darf der geneigte, hinreichend unbedarfte Leser schon seit einigen Wochen für 50 ct je Anruf die Kasse klingeln lassen. Noch bis zum 8. Juni übrigens. Und schon am 9. Juni darf das Auto beim Autohaus Lange in Grimma abgeholt werden – wenn man genug angerufen und Glück hat, immer an den Osterhasen glaubt und zu Nikolaus seine Stiefelchen fein geputzt hat. Die netten Privatfunker von 9 live & Co. lassen artig grüßen.

Was mich daran so ärgert, ist weniger die galoppierende Leserverscheißerung, die hier betrieben wird. Wer bei solchen Spielen mitmacht, verdient es nicht besser. Fast schon kriminell ist hingegen, dass meine Lokalpostille solcherart Geschäftemacherei nicht als Anzeige deklariert, ja nicht einmal in einer so genannten „Verlagssonderveröffentlichung“ platziert, was das gedruckte Gegenstück zur „Dauerwerbesendung“ wäre.
Nein, die Qualitätsjournalistiker meiner Lokalpostille stellen die schamlose Werbung für ihr Gewinnspiel auf die Titelseite des Lokalteils – nicht nur in Leipzig, sondern auch in den angeschlossenen Kreisblättchen.

Meine Beschwerde an den Deutschen Presserat werde ich übrigens weder per Post noch per E-Mail schicken. Ich gebe das Schreiben einfach dem Chefredakteur der Leipziger Volkszeitung. Das bietet sich an, denn schließlich ist Bernd Hilder Stellvertretender Sprecher des Presserates, so kann ich mir das Porto sparen.

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Montag, 25. Mai 2009
Bundespräsidentenwahl. Oder: Nur gut, dass es nicht vier geworden sind.
Die Bundesrepublik Deutschland hat seit dem 23. Mai mit Horst Köhler einen neuen Bundespräsidenten, der zugleich der alte ist. Applaus, denn das ist gut so.
Zum einen aus wirtschaftlichen Gründen, denn wäre Köhler nicht im Amt bestätigt worden, hätte er bei vollen Bezügen ("Ehrensold") in den Ruhestand gehen dürfen. Und so gut geht es der Bundesrepublik Deutschland nun wirklich nicht, dass sie vier (!) inaktive Bundepräsidenten alimientieren müsste. Die jetzigen drei genügen. Guckst Du hier: http://zeitungsdieb.blogger.de/stories/1020451/

Außerdem: Die Wahl Horst Köhlers ist auch aus anderen Gründen Applaus wert. Der hat bereits bewiesen, dass er klaren Verstandes ist und im höchsten Staatsamt eine gute Figur macht. Zumindest letzteres ist bei Gesine Schwan samt Pumucklfrisur eher unwahrscheinlich. Berücksichtigt man ihre wenig glücklichen Wahlkampfauftritte, mögen dem einen oder anderen Leser meines kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuches auch an ersterem Kriterium Zweifel kommen.
Eine absolute Zumutung für Auge und Geist wäre aus meiner Sicht der rote Kommissar Peter Sodann gewesen. Nur gut, dass er für seinen Ausflug in die Bundespolitik mit dem Verschwinden von öffentlich-rechtlichen Bildschirmen bezahlen musste. Dritter im Bunde der gescheiterten Möchtegern-Bundespräsidenten ist der rechte Liedermacher Frank Rennicke (http://www.stern.de/politik/deutschland/:Wahl-Bundespr%E4sidenten-Der-Kandidat/701346.html) .
Was Rennicke und Sodann einte, war das Wissen um die eigene Chancenlosigkeit. "Du hast keine Chance. Nutze sie" - unter diesem Motto sind beide in erster Linie als Trommler für ihre Partei angetreten. Und das ist schlimm genug.

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Sonntag, 24. Mai 2009
Danke, Wolfgang Schäuble. Oder: Gedanken nach einer Warnung des BKA
Es geht mal wieder eine böse, böse Mail um. Nein, diesmal geht es nicht um potenzstärkendes Zeugs, sondern um eine Mail vom Bundeskriminalamt. Im Namen des BKA wird der Empfänger darüber informiert, dass er gegen irgendeingeltendes Recht verstoßen hat und sich von dieser vermeintlichen Missetat durch Zahlung eines Betrages X auf ein Konto Y freikaufen kann. Der mittelalterliche Ablasshandel lässt schön grüßen.
Nähere dazu findet der geneigte Leser meines kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuches hier: http://www.heise.de/security/Bundeskriminalamt-warnt-vor-gefaelschten-BKA-Mails--/news/meldung/138325
Ich habe ganz bewusst den Link zu Heise verwendet, weil die ewiggestrigen Holzmedien, zu denen auch meine Lokalpostille namens Leipziger Volkszeitung zählt, wohl noch einige Tage brauchen werden, bevor sie über diesen Fake berichten.
Dass nun auch das Bundeskriminalamt höchstselbst davor warnt, dass in seinem Namen E-Mails verschickt werden, die gar nicht amtlicher Natur sind, sondern der Verarschung dämlicher Teutonen dienen, gibt der Geschichte eine wirklich amüsante Note.
Offensichtlich haben die eigentlich unglaublichen, weil arg am Grundgesetz rüttelnden Machenschaften eines gewissen Wolfgang Schäuble und einer gewissen Zensursula von der Leyen dazu geführt, dass das einstige Volk der Dichter und Denker so ziemlich jeden Scheiß für möglich hält, wenn er denn mit einem amtlichen (oder so erscheinenden) Absender daherkommt.
Diese Hirnzersetzung muss nun schon so weit gediehen sein, dass selbst unbescholtene Bürger angesichts einer E-Mail vom (vermeintlichen) BKA das Resthirn ausschalten, lauthals "Mea Culpa" rufen und vorsorglich hundertdreiundzwölfzig Öcken nach Andalusien oder in die Ukraine überweisen, um Ablass für nie begangene Sünden zu erwirken.
Danke, Wolfgang. Armes Deutschland.

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Mittwoch, 20. Mai 2009
Meine Lokalpostille hat doch noch Leser. Oder: Petra Köpping und die Staatsanwaltschaft
Über Petra Köpping, die zum Glück gescheiterte Landratswiederwahlkandidatin, war an dieser Stelle schon häufiger etwas zu lesen. Auch über ihren geschickten Umgang mit Versorgungsleistungen und Zuverdienst, auf dass die ersteren nicht durch letztgenannte irgendwie beeinträchtigt werden. Als Verwaltungsprofi weiß man halt, worauf es im Leben ankommt.
Aber weil frau mit 50+ für den Ruhestand noch zu jung ist, ist Petra Köpping recht umtriebig. Als Vize der schrumpfenden Landes-SPD kümmert sie sich ums Geschäft und knüpft Kontakte, als Landtagskandidatin auf dem recht sicheren Listenplatz 4 (wobei, bei der SPD weiß man ja nie, ob's für den Einzug reicht ...) dürfte schon bald wieder mit standesgemäßer Reputation und ordentlichem Einkommen zu rechnen sein.
Schade nur, dass die smarte Sozi-Dame sich nun gegen allerlei böse Anfeindungen zur Wehr setzen muss. Schuld ist eine Altlast aus ihren zeiten als Landrätin, die mittlerweile sogar die Staatsanwaltschaft tätig werden ließ. Es geht um Fördermittel für ein 7,2-Mio-Euro-Projekt zur Ausstattung von Schulen im einstigen Köpping-Kreis mit Computern.
Das ist eine schöne Sache - nur gab es dabei einige Wunderlichkeiten. Die Firmen, die den Zuschlag für das Projekt erhielten, spendeten dem Kreis 1,8 Mio Euro, damit dieser die nötigen Eigenmittel vorweisen konnte, um 5,4 Mio. Euro EU-Förderung abzufassen. Die Spende floss dann retour, sagt der Landesrechnungshof. Zudem wird gerügt, dass der Chef einer der beteiligten Firmen mit der Landrätin mehr als nur das Interesse am Landkreis, sondern auch einen guten Teil des Privatlebens teilt ... Und weil das böse Wort vom Fördermittelbetrug gefallen ist, wird nun ermittelt.
Nun mag sich der eine oder andere Leser meines kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuches fragen, wieso ich mich für solcherart Gefilze und Gemauschel interessiere. Ganz einfach: Weil es mich darauf gebracht hat, dass ich meiner Lokalpostille, der unter grassierendem Auflagenschwund leidenden Leipziger Volkszeitung, bitteres Unrecht zugefügt habe.
In allerlei Gesprächen habe ich nicht wiedersprochen, wenn davon die Rede war, dass die LVZ doch kaum noch gelesen wird. Aber ein paar unbeirrbare Leser muss das SPD-nahe Blatt (so nennt man es wohl, wenn die Sozis maßgebliche Anteile an einem Verlag halten) doch noch immer haben.
Wie ich darauf komme?
Gestern berichtete meine Lokalpostille unter der Überschrift "Der Fall Köpping erreicht Dresden" über die Aktivitäten der Staatsanwaltschaft im Fall Köpping. Garniert wurde der Bericht mit einem Foto der "roten Pauli", auf dem diese ausnahmsweise mal etwas gerupft aussieht.
Seit Erscheinen dieses Artikels hat die Google-Sucher nach "Petra Köpping" meinem Tagebuch viele neue Leser beschert. Das ist entweder ein seltsamer Zufall - oder die LVZ hat doch noch Leser.

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Frischer Wind bei der Stasiaufarbeitern. Oder: Auch Behördenmitarbeiter sind lernfäig
Wenn man älter wird, sammelt man Erfahrungen. Von diesen ist es nicht mehr weit bis zum Vorurteil. Ein solches hegte ich - geboren aus jahrelanger Erfahrung - bisher gegenüber einer wichtigen Behörde - nein, ich rede weder vom BMI noch vom Finanzamt oder ähnlichen Kröpfen, sondern von wirklich wichtigen Leuten, von denen in der "Außenstelle Leipzig der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik". Besagte Behörde, besser bekannt als Gauck-, Birthler- oder Stasi-Unterlagenbehörde, in Leipzig auch "Runde Ecke" genannt, verschickt regelmäßig Pressemitteilungen, über deren Sinn bzw. Unsinn ich mich an dieser Stelle ausschweige. Man mag das beginnende Altersmilde nennen ...

Und eben diese Mitteilungen kamen seit Jahren per E-Mail in meinem Büro an. Besonders lesenswert fand ich daran den E-Mail-Verteiler, den mir die Stasinachlassverwalter jedes Mal komplett mitlieferten.
Wer sich im Medienbereich ein wenig auskennt, weiß, dass ein kompletter Presseverteiler ein kleiner Schatz ist (sofern er nicht so mies gepflegt ist wie der der Landesdirektion Chemnitz, aber das ist eine andere Geschichte). Über die Jahre partizipierte ich ausgiebig von der Unwissenheit der Stasi-Aufarbeiter, die mir mit schöner Regelmäßigkeit einen gut gepflegten Verteiler frei Haus lieferten.
Und nicht nur das: Den Kopf der Mails aus dem Hause Birthler baute ich in eines meiner Seminare ein - als abschreckendes Beispiel in Sachen Datenschutz.

Allmählich wuchs aus meiner Erfahrung ein Vorurteil: "Die sind zu blöd, die kommen nie drauf, dass man nicht jedem Empfänger alle Adressen zuschickt" - so oder ähnlich dachte ich über die beamteten Bewohner der "Runden Ecke" am LeipzigerInnenstadtring.

Und nun? Muss irgendeine Schreibtischmaus doch in einem meiner Seminare gewesen sein oder sich anderweitig weitergebildet haben. Vielleicht ist aber auch nur ein Handbuch aus dem Regal gefallen und zufällig auf der Seite mit dem Stichwort "Blindcopy" liegengeblieben. Oder die Schreibtischmaus hat die Adressen versehentlich ins bcc-Feld kopiert und macht's nun immer so.

Fazit: Die Schnippselzusammenkleber senden ihre Pressemitteilungen neuerdings mit verdecktem Verteiler.
Da soll noch einer sagen, dass Behördenmitarbeiter nicht lernfähig sind.

Allerdings: Ich habe noch die Hoffnung, dass besagte Schreibtischmaus nur die Schwangerschaftsvertretung des blinden Huhns ist, dem ich die bisherige Frei-Haus-Lieferung zu verdanken hatte. Vielleicht ist ja nach einigen Monaten wieder alles beim alten ...

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Dienstag, 19. Mai 2009
Stasi 2.0 reloaded. Oder: Der Wolfgang geht um.
Die Leser meines kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuches wissen, dass ich mich an dieser Stelle gelegentlich über drohende oder bereits stattfindende Einschränkungen elementarer Bürgerrechte auslasse. Oft genug sind diese Auslassungen mit dem Namen eines gewissen Wolfgang Schäuble verbunden, neuerdings auch mit Zensursula von der Leyen. Kürzlich ließ mich ein guter Bekannter wissen, dass er solcherart Bedrohungsszenario für unrealistisch hält.
Seine Begründung: Wir leben in einer Demokratie, es gibt Kontrollmechanismen, das ist ja alles nicht wie in der DDR.
Meinem guten Bekannten (und allen anderen, die noch immer nicht begriffen haben, das Stasi 2.0 keine Bedrohung, sondern bereits beginnende Realität ist), sei die Lektüre des folgenden Artikels der "Zeit" empfohlen:
http://www.zeit.de/online/2009/21/netzsperren-satire?page=all

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Montag, 18. Mai 2009
www.laufende-gedanken.de oder: Dieter Baumann und ich.
Was haben Dieter Baumann (guckst Du hier: http://www.dieterbaumann.de/ ) und ich gemeinsam? Wir laufen und denken dabei über so manches nach.
Wegen des Laufens und des Nachdenkens habe ich vor mehr als zwei Jahren (exakt sind es heute 833 Tage) mit meinem kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuch „Laufende Gedanken“ begonnen. Und weil Dieter Baumann seine Gedanken ebenfalls nicht für sich behalten will, hat er sie in allerlei Kolumnen in TAZ und Spiridon veröffentlicht. Am 16. März sind diese Kolumnen nun als Buch erschienen, der Titel: „Laufende Gedanken”. Uups.

Nun liegt es mir fern, dem einstigen Olympiasieger vorzuschreiben, wie er sein Buch zu nennen hat oder gar auf meine „älteren Rechte“ zu verweisen. Dazu mangelt es mir an Zeit und Lust, ich bin weder Anwalt noch Prozesshansel – ich nutze die mir zur Verfügung stehenden Stunden lieber zum Laufen und Nachdenken, manchmal arbeite ich auch ein wenig oder stänkere gegen innenministerielle Wunderlichkeiten. Und mal ganz ehrlich: Meine „Laufenden Gedanken“ gefallen mir eindeutig besser als die von Dieter Baumann.

Dennoch: Sicherheitshalber habe ich gestern einige Minuten meiner Zeit geopfert, um mir zwei Domain-Namen zu reservieren. Der geneigte Leser kann dieses kleine Tagebuch nun auch durch Eingabe der Adresse www.laufende-gedanken.de erreichen. Und sollte er dabei den Bindestrich vergessen und nur www.laufendegedanken.de eingeben, landet er auch hier. Viele Wege führen zum Zeitungsdieb.

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Dem Rennsteig die Treue. Oder: Sport, Spaß, geplatze Hoffnungen und erfüllte Träume im grünen Herzen Deutschlands beim Rennsteiglauf 2009
„Dem Rennsteig die Treue“ – was für ein markiger Spruch. In Zeiten vorauseilenden politischen Gehorsams ist es eigentlich ein Wunder, dass der Rennsteiglauf angesichts dieses Satzes nicht längst unter innenministerieller Beobachtung und ein SEK am Grenzadler (schon wieder so ein markiges Wort!) steht. Noch dazu, wenn „der Rennsteig“ an einem einzigen Tag rund 15.000 dubiose Gestalten und mindestens ebenso viele Sympathisanten nach Thüringen lockt. Verschärfend kommt hinzu, dass sich unter den 15.000 ein harter Kern von etwa 2.000 Personen befindet, die jegliche staatliche Kontrolle unterwandern und einfach mal so von Eisenach nach Schmiedefeld laufen. Bergauf, bergab durch den Wald, wegen des dichten Laubs weitgehend dem Blick von Satelliten entzogen, dazu ohne überprüfbare IP-Adresse und in aller Regel keinen Ausweis am Mann – da muss etwas faul sein. Das schreit förmlich nach dem Eingreifen unseres allseits beliebten Bundesinnenministers Wolfgang Schäuble und der mindestens ebenso kompetenten Familienministerin Zensursula von der Leyen.
Der geneigte Leser meines kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuches weiß, dass ich bis zu dieser Stelle den Ironie-Modus eingeschaltet hatte. Hiermit knipse ich diesen Modus aus und bemühe mich nun im Rahmen meiner begrenzten Möglichkeiten um Ernsthaftigkeit.
Also dann: Der Rennsteiglauf ist für Laufbegeisterte das, was für Wohnzimmersportler die Fußball-WM ist – man muss dabei sein. Im Unterschied zu den Couch-Bewohnern sollte man den Rennsteig aber tunlichst selbst ablaufen. Das haben am vergangenen Sonnabend, auf zehn verschiedenen Strecken, die oben genannten 15.000 Menschen getan. Vom Knirpsenlauf über allerlei Wanderstrecken, Halbmarathon und Marathon bis hin zum Supermarathon von Eisenach nach Schmiedefeld ist für jeden Geschmack etwas dabei.
Der Rennsteiglauf ist neben Spreewaldgurke, Multicar, Rotkäppchensekt, Fit und Knusperflocken eines der wenigen DDR-Produkte, die Wende und deutsche Einheit überlebt haben und aufs feinste gedeihen. Eine Mischung aus (breiten-)sportlichem Wettkampf, Härtest, Familienfest und Woodstock - leider mit der Einschränkung, dass das Gras in Thüringen tatsächlich nur Gras ist und zum Rauchen nicht wirklich taugt.
Wer nun glaubt, dass ich auch zu den sympathischen Irren zähle, die mit Schildchen wie „35x dabei“ oder „25x dabei“ auf dem Shirt durch den Thüringer Wald schnaufen, muss sich enttäuschen lassen. Sicher, ich bin durchaus sympathisch und auch irre, aber da ich Läufer noch vor zehn Jahren für behandlungsbedürftig gehalten habe, datiert mein erster Marathon aus dem Jahr 2002. Mein ältestes Finishershirt mit dem Aufdruck „Supermarathon“ trägt die Jahreszahl 2004. Nur der Vollständigkeit halber: Damals (und noch einige Jahre danach) gab es beim Rennsteiglauf tatsächlich noch echte Finishershirts, während die Veranstalter heute leider dazu übergegangen sind, so genannte „Ich-habe-die-Starnummer-abgeholt“-Shirts mit Finisheraufdruck unters laufende Volk zu werfen.
Aber das ist aus meiner Sicht so ziemlich die einzige Verwässerung des Rennsteiglaufgedankens. Wer am Lauftag, 6 Uhr, in Eisenach auf dem Marktplatz steht, erlebt stets die selbe, aufgeregt schnatternde Läufermeute, hört über sich den knatternden TV-Hubschrauber und hetzt wenig später aus der Stadt hinaus/f in Richtung Inselsberg. Wie in jedem Jahr begrüßt ein Plakat des (mitlaufenden) Steuerberaters Holger Sakuth am Ortsausgang die Läufer mit dem demotivierenden Hinweis „Nur noch 72 km bis Schmiedefeld“.
Der Rest ist Normalität. Es wird gelaufen, gescherzt, gestolpert, gefallen, gestöhnt, geschnauft, gepinkelt, geschi..., gefressen, getrunken und immer, immer wieder gelaufen. Über Berge hinweg, durch allerlei Täler, auf mehr oder minder holprigen Wegen, aber auch auf autobahnartig anmutenden Waldpisten, und irgendwann ist der letzte, gemeine Huckel (wer dabei war: der bei ca. km 68) überwunden, die letzte Verpflegungsstelle (die mit dem Bier) passiert, die letzte Straße gequert, unter dem Applaus von Anwohnern und Wanderern durch die Gartenanlage gelaufen – dann gelangt man zur stets freundlichen Polizistin, die charmant nach rechts zur Zielgeraden weist. Noch einige hundert Meter und der Rennsteigläufer erreicht das – einem Reim zufolge – „schönste Ziel der Welt in Schmiedefeld“. Jubel, Applaus, Medaille, Tee aus dem Schlauch, humpeln zur Gepäckwiese, Freibierflasche abholen, übervolles Umkleidezelt, Duschbaracke (in diesem Jahr tatsächlich mit viel Wasser!), dann Bratwurst, Bier und Laufauswertung mit anderen Irren im Festzelt. Das ist der Rennsteiglauf. Jedes Jahr aufs Neue, deshalb heißt es – Wolfgang, aufgepasst! - „Dem Rennsteig die Treue“. Deshalb schläft man im Zelt, in der Turnhalle oder im Auto, steht in aller Hergottsfrühe (Nö, so was muss „Teufelsfrühe“ heißen!) auf, um per Bus zum Start zu kommen, um dort die sympathischen Irren zu treffen, die man in jedem Jahr mehrmals trifft – natürlich bei Läufen.
Ist das alles? Sicher nicht. Jeder hat am Rennsteig seine persönlichen Erlebnisse, findet seine ganz individuellen Erinnerungen. Für mich war es in diesem Jahr eine regnerische Vor-Start-Nacht im Auto, die mich beim Aufstehen gegen 2:45 Uhr fast in eine Sinnkrise stürzte. Es war aber auch das beinahe alljährliche Wunder der Wetterbesserung beim Start. Und es waren die vielen Erlebnisse auf und an der Strecke, der aufopferungsvolle Einsatz der Helfer an den Verpflegungsständen, die Begeisterung all der Fans entlang der 72,7 km, die (ganz und gar nicht alltägliche) Freundlichkeit der Polizisten an den Absperrungen. Wie in jedem Jahr erlebte ich so manchen übermotivierten bzw. untertrainierten Dynamiker, der mich auf den ersten 20, 25km gnadenlos versägte, um bei km 30 oder 50 furchtbar ins Graß zu beißen. Neu war für mich ein Läufer, der in der elften Stunde am Rand der Strecke niedersank und vornüberkippte – doch nicht körperliche Schwäche, sondern religiöse Stärke dokumentierte sich hier. Der erstaunliche Bodenkontakt galt dem Gebet gen Mekka ...
Von Herzen gefreut habe ich mich für die Debütanten aus meinem Verein, dem LC Auensee Leipzig, die die „Königsstrecke“ erstmalig in Angriff genommen und gemeistert haben. Wirklich gezweifelt hatte ich an ihrem Erfolg nicht: Lothar Feicke, ein ultralaufendes M65-Urgestein und zugleich einer der dienstältesten Rennsteigläufer auf der Marathondistanz, musste von mir und anderen Vereinsmitgliedern (ich nenne mich bewusst zuerst, da ich wohl der Rädelsführer war ...) viel Spott dafür ertragen, dass er sich nun erstmals von der „Bambini-„ auf die vermeintliche Männer-Strecke wagte.
Bärbel Köhler, deren Ultra-Karriere noch deutlich jünger ist, meisterte nach einigen Marathons, dem Leipziger 50-km-Lauf und dem Nürnberger 6-Stunden-Lauf nun die Supermarathonstrecke. Sie kam klar unter 9 Stunden ins Ziel, war mit sich und der Welt hochzufrieden und wird dem Rennsteig nun wohl auch die Treue halten (Klar, Du hast Dich im Ziel anders geäußert, aber das zählt nicht!).
Natürlich gab es auch so manchen, den der Rennsteiglauf auf den Boden der Tatsachen zurückbrachte. 72,7 km samt sind eine Menge Holz, dazu kommen knapp 1.500 Höhenmeter, die es zu erklimmen und knapp 1.000, die es hinabzulaufen gilt – da zählen körperliche und mentale Fitness, nicht Wunschdenken und Hochrechnungen, wie sie eine Leipziger Läuferin in grandioser Selbstüberschätzung angestellt hatte. Statt in vollmundig verkündeten „sub 7 Stunden“ reichte es zumindest für immer noch respektable „sub 10“. Mach’ was draus, Ääänschie! Dem Rennsteig die Treue! Im nächsten Jahr wieder.

Nun mag sich der eine oder andere Leser fragen, wie der klugschwätzende Autor dieses Textes den Lauf überstanden hat. Also: Vier Bier und zwei Bratwürste am Vorabend, gut geruht in Schmiedefeld, bis zum Inselsberg ruhig angegangen, dann ohne großes Schnaufen durch den Thüringer Wald getrabt, den Bergen meinen Respekt gezollt, in dem ich den Kopf neigt, den Buckel krumm machte und hinauf wanderte. Irgendwo bei km 50 auf die Uhr geschaut und festgestellt, dass es trotz aller Gemütlichkeit für eine Zeit unter sieben Stunden reichen dürfte. Was es dann mit 6:57:39 h auch getan hat. Ansonsten: Spaß gehabt, die Landschaft und des herrliche Wetter genossen, durch allerlei Schlammlöcher getrampelt und gut gegessen und getrunken. Schon wegen der Schnittlauchbrote, der Heidelbeersuppe, der Wiener und der Knacker ist der Rennsteiglauf ein Muss. Dem Rennsteig die Treue.

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