Dienstag, 2. August 2011
Sparsame Lokalpostille. Oder: Daniela Kolbe erfindet Jobhopping im Tagsesrhythmus
Meine Lokalpostille, die nach eigener Auffassung dem Qualitätsjournalismus verpflichtete Leipziger Volkszeitung (Okay, dem Madsack-Verlag ist sie auch verpflichtet ...) ist sehr kostenbewusst. Nein, liebe LeserInnen meines kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuches, ich schreibe an dieser Stelle weder über den Ausstieg der LVZ aus dem Tarif noch über Leiharbeit.
Heute schreibe ich einige Zeilen über eine andere Möglichkeit zur Kostensenkung: Man hebt einfach Pressemitteilungen ins Blatt, die es wohlfeil (aka "für nass") gibt.
Da ich gelegentlich selbst einige Euronen damit verdiene, für andere Menschen Pressetexte zu schreiben, freut es mich immer, wenn ich diese praktisch unverändert in meiner Lokalpostille entdecke. Ganz gleich, ob Lebensmittelindustrie, Bank, IT-Unternehmen oder Behörde - die LVZ nimmt so ziemlich alles, was es "für lau" gibt. Und weil ich dem eitlen Jugendalter schon seit ein, zwei Jahren entronnen bin, kann ich auch damit leben, dass einige sehr, sehr kompetente LVZ-Mitarbeiter unter einen PR-Text sogar ihren Namen schreiben. Okay, ich habe dafür ja mein Geld schon bekommen, und sie haben ihn ja bearbeitet. Nicht sehr, aber immerhin haben sie die Zeile "Veröffentlichung honorarfrei, bitte senden Sie uns einen Beleg zu" entfernt. Das ist für einige der Jungs (und ein, zwei Mädels) durchaus schon eine respektable Schöpfungshöhe im Sinne des UrhRG ...

Ein besonders schönes Stück völlig hirnfreier Textübernahme entdeckte ich in der Wochenendausgabe der LVZ vom 30./31. Juli 2011, genauer auf der ersten Seite ihres Lokalteils. Dort durfte die geneigte Leserschaft eine feine Nachricht über Daniela Kolbe studieren.
Okay, immerhin war hier jemand so ehrlich, den PR-Text mit dem Kürzel "r." zu unterschreiben; das steht für "Richtig schlimm, dafür gebe ich meinen Namen nicht her".
Doch zurück zu Daniela Kolbe. Dabei http://de.wikipedia.org/wiki/Daniela_Kolbe handelt es sich um eine Bundestagsabgeordenete der SPD. Immerhin hat sie mal Physik studiert, sich aber schon während des Studiums vom richtigen Leben ab- und der Politik zugekehrt.
In der LVZ (ich lästere jetzt nicht über die SPD-nähe des Blattes und auch nicht darüber, dass die SPD Miteigentümer der LVZ ist) wurde die nette PR-Nachricht abgedruckt, dass Daniela Kolbe Praxiserfahrungen sammelt.
Eine Woche lang wird sie in verschiedenenen Tätigkeitsfeldern und Berufen arbeiten und "selbst mit ins Geschehen eingreifen."
Mal ehrlich, wie blöd muss man sein, solchen PR-Scheiß abzudrucken. Als ob es nicht schlimm genug wäre, das hier http://www.daniela-kolbe.de/leipzig/sommertour/daniela-kolbe-startet-sommer-praktika-tour-2011 auf der Homepage der MdBeuse zu lesen. "Ich möchte mir auf diese Weise einen umfassenderen und realistischen Einblick in den Arbeitsalltag der Menschen in Leipzig verschaffen.", verkündet Daniela Kolbe. Mit einem Tag bei der Polizei, mit einem Tag beim Jobcenter und einem Tag bei Manpower (und sicher auch einem Tag bei der SPD-nahen LVZ) erhält man einen "umfassenderen und realistischen Einblick"? Träum' weiter!
Oder besser: Sie nimmt sich einige ältere SPD-Mitglieder, wie z.B. Peter Struck, zum Vorbild: Die zog es auch in die sommerliche Praxis. Allerdings betrieben sie kein Kolbe-Jobhopping im Tagesrhythmus, sondern arbeiteten wirklich. Okay, das gibt nicht so viele, schöne, zu Herzen gehende Pressefotos "MdB besucht richtige Menschen", dafür aber tatsächliche Einblicke in Alltag und Realität. Aber nur, wenn man sowas will.

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Dienstag, 26. Juli 2011
Lesender Lokführer mit 125 mph. Oder. Deutsche Medien packen's nicht
Denjenigen LeserInnen meines kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuches, die an dieser Stelle den üblichen kleinen Hinweis auf die Putzigkeit meiner Lokalpostille, der (nur) nach eigener Auffassung dem Qualitätsjournalismus verpflichteten Leipziger Volkszeitung, erwarten, bereite ich nur ungern eine Enttäuschung. Aber wir blicken heute über den Tellerrand hinaus und schauen auf ein deutsches Leitmedium, auf den Stern.
Selbiges Auchqualitätsmedium meldet in seinem Onlineaufttritt die erschröckliche Moritat von einem Lokführer, der mit seiner Lok zeitunglesend durch England bretterte. Was nicht wirklich ein Problem wäre, hätte ihn nicht ein Hobbyfotograf dabei abgelichtet und wäre dieses Foto nicht bekannt geworden. Nachzulesen hier http://www.stern.de/news2/aktuell/lokfuehrer-in-grossbritannien-liest-in-voller-fahrt-eine-zeitung-1709827.html
Okay, das bunte deutsche Leitmedium verrät seiner Leserschaft noch Namen und Alter des Fotografen, aber damit war's das auch schon. Achja, die Daily Mail hat's veröffentlich, darf der geneigte Silverager lesen. Doch so sehr er seinen gleitsichtbebrilltes Haupt auch pendeln lässt, einen Link wird er nicht finden. Gibt's nicht, hammer nicht, wir sind schließlich deutsch! Wo kämerdenndahin, einfach Links setzen, die auf andere Seiten führen!

Falls es übrigens doch jemanden interessiert: Hier http://www.dailymail.co.uk/news/article-2018465/Train-driver-caught-reading-newspaper-controls.html darf der geneigte Leser mehr erfahren, an der Quelle. Oder, wie mein oller ML-Professor im Grundlagenstudium sagte: "Lesen Sie Primarliteratur!"
Besagte englischsprachige Primärliteratur bietet ihren Lesern immerhin den Service zweier Fotos, die das Geschehen samt Newspaper zeigen, dazu Angaben zu Ort, Zeit und Geschwindigkeit des Vorfalls. Warum kriegen deutsche Käseblätter das nicht hin?

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Mittwoch, 20. Juli 2011
Lernfähigkeit im Amt. Oder: ein dreifaches Hurra der Landesdirektion Chemnitz
Zu den weit verbreiteten Vorurteilen zählt das von mangelnden Lern- und Erkenntnisfähigkeit deutscher Behörden. Dieses Vorurteil mag sich aus der leidvollen Erfahrung speisen, dass Mitarbeiter einer Behörde nur sehr schwer bis absolut nicht von einer einmal gefällten Entscheidung abzubringen sind. Selbst erfolgreiche Klagen gegen einen Verwaltungsakt sind kein Garant dafür, dass der Richterspruch auch in praxi umgesetzt wird. Mit einem fröhlich hingenuschtelten "Nahörnsemal, wogommerdenndahin" weiß der gewiefte Behördling sich in solchen Fällen einzubunkern und böse, böse Welt draußen zu vergessen.
Doch - und nun streue ich mir ein klitzekleines Aschekrümelchen auf mein ergrautes Haupt - mitunter geschehen Wunder. So zum Beispiel bei der Landesdirektion Chemnitz. Seit vielen Jahren - damals hieß die LDC noch weitaus schmissiger "Regierugspräsidium" - verschickten deren Pressemenschen ihre Mitteilungen per E-Mail mit weit offenem Verteiler. Was mich nicht wirklich ärgerte, denn das Highjacken eines Verteiler spart viel Arbeit. Guckst Du hier http://zeitungsdieb.blogger.de/stories/1361573/ Wobei der Wahrheit halber zu sagen ist, dass der LDC-Presseverteiler einem unberäumenten Schlachtfeld ähnelt; was da so an Leichen rumliegt.

Doch nun überraschten mit die Chemnitzer Kollegen: In einer gestern verschickten E-Mail ließ mir Joachim Eckert, der Sprecher der LDC, eine Pressemitteilung über eine Fotoausstellung zukommen. Ganz ohne Adressenliste, Respekt!
Dafür mit einem nicht wirklich vorhandenen Anschreiben (irgendwas binär-igitt-nicht-anzeigbar Dingens), aber mit dem spannenden Betreff "a7(11)7-presse-PM-ausst." Na, das macht doch Lust aufs Lesen der angehängten Worddatei ... und zeigt, dass noch Spielraum für weiteren Kompetenzgewinn ist.
Nun hoffe ich nur, dass die Sache mit dem verdeckten E-Mail-Verteiler keine Eintagsfliege bleibt. Vielleicht ist ja auch nur der zuständige Mitarbeiter im Jahresurlaub ... und die Vertretung macht nicht den selben Murks wie der "normale" Amtsinhaber. Schaunmermal.

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Dienstag, 19. Juli 2011
Heinrich L. und der Montageschaum. Oder: Leipziger Qualitätsjournalismus reloaded
Gestern ließ meine Lokalpostille, die nach eigener Auffassung dem Qualitätsjournalismus verpflichtete Leipziger Volkszeitung, wieder einmal die Katze aus dem Sack. In einem kleinen Infokästchen im Lokalteil wurde unter der Überschrift "Liebe Leserinnen und Leser" darüber informiert, dass das Käseblatt mal wieder teurer werden wird. Welch Zufall, dass gerade Urlaubszeit ist, war mein erster Gedanke. Da wird sicher so mancher Abo-Leser die Ankündigung der Preiserhöhung nach der Rückkehr im aufgestapelten Papierberg übersehen. Wenn er denn nicht ohnehin das intensiv beworbene Angebot genutzt hat, seine LVZ für die Zeit der Abwesenheit einem Bedürftigen zu spenden. Wobei: Wie bedürftig muss jemand sein, damit er sich über eine solche Spende freut? Außer höchsten über die Information, dass Leser Müller-Schnöppeldüdel drei Wochen weg sein wird und deshalb seine LVZ spendet ... und man ja mal bei Müller-Schnöppeldüdel das Türschloss testen könnte.
Doch zurück zur Preiserhöhung: Meine Lokalpostille kostet ab 1. August 2011 stolze 23,90 Euro im Monat. Okay, die TAZ schlägt deutlich heftiger zu Buche, aber die liefert mir trotz ihres geringeren Umfanges wesentlich mehr Informationen als die Leipziger Holzhändler von der Klagemauer am Petersteinweg.
Begründet wird die Preiserhöhung übrigens mit sinkenden Werbeeinnahmen und gestiegenen Kosten. Ersteres stimmt, über den zweiten Punkt musste ich angesichts des Ausstiegs der LVZ aus dem Tarif kichern. Den dritten Grund habe ich lange gesucht, aber der war gar nicht genannt: sinkende Vertriebserlöse wegen chronisch schrumpelnder Auflage. Aber das war sicher nur ein Versehen.

Doch zurück zur Preiserhöhung der LVZ: In ihrem liebevoll getexteten Infokästchen (die Burschen vom Verlag haben da Routine, die machen das ja regelmäßig) wollen mir die Lokalpostilleros einreden, dass ich für die monatlich 23,90 Euro (eh, das wäre mal fast ein Fuffi gewesen) allmorgendlich "ein qualitätiv hochwertiges Produkt erhalte" und dass die schmerzliche Mehrbelastung dazu dient, das auch künftig sicherzustellen.

Nach soviel Preiserhöhungsbegründungsgeschreibsel machte ich mich heute auf, zumindest das Qualitätsversprechen zu testen, warf einen Blick in die Muldentalausgabe der Leipziger Volkszeitung und entdeckte auf deren Titelseite einen guten, alten Bekannten, Heinrich Lillie; laut Impressum Regionalverlagsleiter und Regionalchefredakteur (Genau, das war der mit dem kastrierten Adenauer-Zitat ... http://zeitungsdieb.blogger.de/STORIES/1052270/ oder http://zeitungsdieb.blogger.de/STORIES/1059789/ ).
Wo, wenn nicht in einem Beitrag dieses Hochkaräters darf der geneigte Leser für seine bald schon 23,90 Euro monatlich Qualität erwarten, dachte ich und las die Regionalobermackerkolumne unter dem Titel "Knast für den Montageschaum".
In selbigem Textstreifen ließ sich der Autor über den verordneten Wegschluss von Montageschaum aus. Zur Erläuterung: Montageschaum (vulgo: Bauschaum) ist so ein klebriges Zeugs in Dosen, das man in allerlei Ritzen und Spalten sprühen und zum Abdichten bzw. Befestigen von irgendwelchen Türfüllungen usw. verwenden kann. Es reagiert mit der Luftfeuchtigkeit und hat nach einigen Stunden die Konsistenz von frischem Supermarktbrot, also irgendwie restelastisch und klebefrei.
Heinrich der Rechercheur wollte offensichtlich eine ebensolche Sprühdose kaufen und stellte fest, dass diese im Baumarkt unter Verschluss gehalten und dem Kunden nur nach Belehrung durch sachkundiges Personal ausgehändigt wird.
Der Regionaloberechercheur begründet das mit dem Wüten von EU-Bürokraten, die wohl befürchtet hätten, tumbe Toren könnten ihre inneren Hohlräume mit besagtem Schaum auffüllen und nach der Aushärtung desselben elendiglich dahinscheiden. Von dieser Gefahr schloss der Autor auf viel schlimmere Bedrohungen menschlicher Unversehrtheit; so zum Beispiel auf kraftstoffspeiende Zapfpistolen, die folglich auch EU-verordnet hinter Gitter müssten.

Soweit, so schlecht. Schade nur, dass der Regionalgeneralissimus mit seiner Deutung der Montageschaumsicherheitsverwahrung falsch lag. Diese temporäre Inhaftierungsanordnung gilt nämlich nicht pauschal, sondern nur für den bisher überwiegend gebräuchlichen Montageschaum, welcher Diphenylmethandiisocyanat enthält. Das Zeug gilt seit Jahren als Risikostoff, reizt Augen, Haut und Atemwege und steht im Verdacht, Krebs auszulösen. Deshalb kamen die Dosen gemäß deutscher (!, nicht EU) Chemikalienverbotsverordnung hinter Gitter.
Allerdings nicht alle: Inzwischen gibt es so genannten alpha-Schaum, der ohne die gefährliche Verbindung auskommt und deshalb auch nicht weggesperrt werden muss. Obwohl, dies sei dem staunenden Heinrich ausdrücklich gesagt, man auch dieses Stöffche dazu nutzen kann, Körperhohlräume irreversibel und mit finalem Erfolg zu befüllen.
In einigermaßen guten Baumärkten werden übrigens beide Sorten Montageschaum angeboten: Den Schwerenöter findet man hinter Gittern, seinen easy Halbbruder im Freigang. Vielleicht nicht in Hannover, aber in Leipzig schon.
Wer nun glaubt, dass solcherart Kenntnis der Besonderheit von Schäumen und Isocyanodingens ein Spezialwissen voraussetzt, das ein hart arbeitender Regionalwasauchimmer gar nicht haben kann, der irrt. Mitarbeiter eines Qualitätsmediums - sogar die leitenden - sollten in der Lage sein, über das Wort Montageschaum nicht nur angestaubte Wochentagswortspiele zu machen, sondern besagte Vokabel bei Wikipedia einzugeben. Da werden sie nämlich geholfen ...

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Freitag, 15. Juli 2011
Morgendliche Kaffeenebel. Oder: Vor Nebenwirkungen beim Lesen der TAZ wird gewarnt
Mein heutiges Frühstück war nicht frei von Gefahren. Okay, das ist mein Frühstück nie, denn das Leben an sich steht ja in dem Ruf, gefährlich zu sein, da es unweigerlich mit dem Tode endet. Aber heute ging es ordentlich zur Sache, da wäre schon ein geplatztes Aneurysma drin gewesen. Aber selbst wenn - es hätte sich gelohnt, denn die Entsorger hätten mich mit einem ausgeprägt süffisanten Grinsen aufgefunden.
Nun mögen sich die LeserInnen meines kleinen, poltisch nicht immer korrekten Tagebuches fragen, was mich trotz Eurokrise kichern ließ. Es war - nein, nicht meine Lokalpostille, die nach eigener Fehleinschätzung dem Qualitätsjournalismus verpflichtete Leipziger Volkszeitung. Wieso auch? Die bot heute nur die übliche Instant-Suppe, unter dem kostensparenden Motto "Agenturspäne iund PR-Latten ns Redaktionssystem schütten, Holzkaltleim dran, kurz aufrührenund ab damit zum DAL*."
Mein persönliches ymmd-Erlebnis lieferte mir, wen wundert's, die TAZ. Die riss auf ihrer Titelseite das Dahinscheiden des stockkatholischen Medienmoguls Leo Kirch an und übertitelte es mit der schon ein wenig genialen Überschrift "Endlich wieder oben". Darunter ein Konterfei des Verblichenen, das ihn mit emporgerichtem Blick und einem besonnten Gesicht zeigt. Nur am Rande sei erwähnt, dass mich dieser feingeistige Aufmacher ein Maulvoll Kaffee kostete, das ich - sehr zum Leidwesen meines Frühstücksgegenübers - über den Tisch verschäumte.
Kaum hatte sich morgendliche Kaffeenebel gelichtet, gab's Nachschub. Ein zweispaltiger Bericht über die Waffenverkaufsreise unserer Kanzlerin in Afrika ließ den Kaffeeverbauch erneut steigen. Die Überschrift "Angola Merkel" war aber auch zu ... putzig.
Dass sie ihr Pulver auf der Titelseite nicht verschossen hatten, bewiesen die TAZlerInnen übrigens auch auf den Innenseiten. Nur gut, dass die Tasse schon außer Reichweite war, als ich mich bis zum WM-Special vorgelesen hatte. Dort durfte ich dank Photoshop die japanischen Fußballfrauen in Kletterposen sehen, dazu hatte ein/e mir leider unbekannte/r WortkünstlerIn "Der Zauber der Zwerge" überschriftet.
Wer sowas nicht versteht oder ("Angola Merkel") gar abartig findet, der/die muss sich nicht schämen. Einfach die 01801 / 21 81 30 anrufen. Dort meldet sich - nein, nicht der Gesprächstherapiedienst für anonyme Hirntote- der Abo-Service meiner Lokalpostille. Da werden sie geholfen, die überfordert keinen.

*DAL = Dümmstanzunehmender Leser

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Donnerstag, 7. Juli 2011
Die LVZ verabschiedet sich vom Tarif. Oder: Auch SPD-Verlage spielen Gewinnmaximierung
Meine Lokalpostille, die nach eigenem Verständnis dem Qualitätsjournalismus verpflichtete Leipziger Volkszeitung, entwickelte in den vergangenen Jahren einen recht ausgeprägten Spareifer. Nein, nicht wenn es um die Bezüge von Führungskräften ging; und auch nicht, wenn es um die Abführung von Gewinnen an die Besitzer ging, schließlich wollen Madsacks und damit auch die SPD ja irgendwie leben.
Nein - der Einfallsreichtum setzte an anderer Stelle an. So wurden z.B. die freien Mitarbeiter bereits in den 90ern dazu verdonnert, für ihre - positiv formuliert - sehr übersichtlichen Honorare alle nur denkbaren Rechte an Text und Bild an den Verlag abzutreten. Soll heißen: War ein Werk in irgendeiner Hinterposemuckler Kreisausgabe erschienen und dessen Abdruck mit einem eher symbolischen Salär vergütet worden, "gehörte" es der LVZ. Wurde es dann in anderen Ausgaben nachgedruckt oder via Netz vermarktet - dumm gelaufen ... (Bei den Kollegen, die mir dennoch ein Honorar anstrichen, bedanke ich mich ausdrücklich.).
Insbesondere unter der Ägide des charismatischen Chefredakteurs Bernd Hilder (nein, das war keine Ironie, aber irgendwann muss ich mal nachschauen, was charismatisch eigentlich bedeutet) wurden weitere Einsparpotenziale erschlossen. Jede Menge Jungspunde brachten zwar keinen Zuwachs an journalistischer Kompetenz ins Blatt, dafür waren die Schnellbesohlten wohlfeiler zu haben als gestandene Profis. Ausgründungen, Leiharbeit - die Instrumentarien des modernen Kapitalismus' sind gar vielfältig und erlauben mannigfaltige Wege zur Gewinnmaximierung.
Auf einer kleinen Insel der Glückseeligen lebten bisher lediglich die festangestellten Redakteure. Okay, das Betriebsklima ist schon seit einiger Zeit eher für die Tonne, aber die tariflich abgesicherte schwarze Zahl, die freien Tage und die Vergügung der Dienste linderten das Leid doch erheblich. Bei mehr als einem Gespräch "off the record" verrieten mir gestandene LVZ-Kollegen, die auf rostige Nebengleise abgeschoben worden waren, ihr Mantra: "Die paar Jahre halte ich das bei dem Geld schon noch aus ..."

Einigen von ihnen dürfte das nun schwerer fallen, denn ihr allmonatliches Schmerzensgeld wird schrumpfen. Per 5. Juli 2011 ist die LVZ (und ihr Dresdner Ableger DNN) aus der Tarifbindung des Verlegerverbandes ausgestiegen, http://djvs.wordpress.com/2011/07/06/tarifflucht-tageszeitungen-lvz-und-dnn/ Damit folgt die LVZ einer anderen sächsischen Tageszeitung im anteiligen SPD-Besitz: Die Sächsische Zeitung lagerte bereits 2007 ihre Außenredaktionen in selbstständige Gesellschaften aus und machte sich so aus dem Tarif davon.

Nun also auch die Leipziger Volkszeitung. Okay, da die LVZ allein durch den angekündigten Wegfall der Aldi-Anzeigen einen jährlichen Millionenverlust hinnehmen muss, könnte man die Tarifflucht als vorgezogene Sanierung verstehen. Und bei den Redakteursgehältern lässt es sich ja besser kürzen als bei der Gewinnabführung ...

Dass die LVZ damit mittelfristig weiter an Qualität verlieren wird, ist nicht wirklich schlimm. Denn wer die LVZ derzeit freiwillig liest und für das Papierbündel von der Qualität eines durch Fermentation entstandenen Milchproduktes über 20 Euro im Monat abdrückt, der wird das auch weiterhin tun, weil er's nicht mehr merkt. Diese Art der Leser-Blatt-Bildung hat etwas mit Verstand (oder besser Nicht-) zu tun. Die gute Nachricht. Sie endet biologisch.

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Dienstag, 21. Juni 2011
Krombacher sperrt das CO2 ein. Oder: Saufen fürs Klima
Über den Geschmack des Krombacher Bieres kann man geteilter Meinung sein. Mir schmeckt zumindest das alkoholfreie nicht ... als ich kürzlich im Ziel des Leipziger Firmenlaufes einen Becher dieses "Getränkes" erwischte, kam ich mir vor wie ein perverser Tapezierer, der seinen eigenen Kleister säuft. Aber wie gesagt: Das ist Geschmacksache.
Absolut keine Geschmacksache ist hingegen des absolut hochwohllöbliche, weil weltenrettende Engagement der Krombacher Bierfabrik in Sachen Umwelt- und Naturschutz. Wie ging das doch zu Herzen, als Günther Jauch versprach, das sein Geldgeber Krombacher für jeden verkauften Kasten irgendeine Regenwaldquadratmersplitterfläche retten werde. http://de.wikipedia.org/wiki/Krombacher#Krombacher_Regenwaldprojekt
Mal ehrlich, geglaubt hat das doch nicht wirklich einer ... Und wenn statt des jauchzenden Jauches die Schöfferhofer-Französin

http://www.youtube.com/watch?v=pyJIcZDPbfs&NR=1

für die "Rögenwaldröttungk" gesprochen hätte, wär's sicher ein größeres Waldgebiet geworden, schließlich sind Quadratmeter nicht halb so sexy ...

Aber nun wird alles gut: Krombacher rettet wieder die Welt, diesmal ohne Günni. Dafür sagen die Blubberblasenbrauer dem BIerschaumgas Kohlendioxid, vulgo: CO2, den Kampf an. Und diesmal muss man nicht mal zweifeln, denn die sperren ja den Klimakiller einfach ein. Nicht in Salzstöcke, dafür in Bierflaschen. Tolle Idee. Mit jedem Kasten Krombacher, den die geneigte Kundeschaft in ihren Kellern endlagert, verschwinden 12 Quadrillionen Gramm Killergas von der Erdoberfläche, dafür kann ich bis 2096 dreimal jährlich nach Ägypten fliegen.
Wobei: Wenn irgendein Depp da was falsch versteht und so eine Flasche öffnet, um die Plörre zu trinken, war alles für die Katz'.

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Wer hat's wo erfunden? Oder: BMW macht Edison zum Garagenbastler.
Ein namhafter bayerischer Autobauer wirbt derzeit in einem TV-Spot mit ... Garagen. Der Plot: Eine Kamerafahrt zeigt Garagentore, eine Stimme aus dem Off berichtet, dass viele Innovationen in Garagen erfunden worden seien, so z.B. Glühbirne und PC. Und dass in zahlreiche Garagen allmorgendlich Innovationen gestartet würden. Und prompt rollt ein BMW aus einer Garage.
Nun ist den geneigten LeserInnen meines kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuches bekannt, dass ich zur weißblauen Fahrfreudemarke ein ... spezielles Verhältnis habe. Die Ergebnisse meiner empirischen Untersuchungen zur speziellen Geistesverfassung der Probanden, die privat bzw. geschäftlich trotz vorhandener Alternative einen BMW fahren, habe ich bereits vor Jahren in einem knappen Satz zusammengefasst: „Der größte Teil der Menschen, die freiwillig BMW fahren, ist nicht ganz richtig im Kopf.“
Trotz allen Ärgers, den mir diese wissenschaftliche These bereits eingebracht hat, halte ich daran fest. Wer die Probe aufs Exempel machen möchte, schaue sich z.B. die durchschnittliche (Fehl-)Belegung deutscher Behindertenparkplätze an …
Aber das nur am Rande, denn es geht mir ja um den Garagenwerbespot der bajuwarischen Autoinnovatoren. Ein paar Stichworte zu Garagenfirmen und ihren Produkten finden sich hier http://de.wikipedia.org/wiki/Garagenfirma Zugegeben, das Barbie (und Ken) aus einer Garage stammen, hat schon was. Dass die Ford Motor Company eine Garagenfirma gewesen sein soll, eher nicht – hier liegt sicher eine Verwechslung der beiden Bedeutungen des Wortes „Garage“ vor. Während im Deutschen praktisch nur noch die Abstellmöglichkeit für ein Auto gebräuchlich ist, kann eine englische bzw. amerikanische Garage auch eine Werkstatt sein (Man denke z.B. an die Automarke MG, das Kürzel steht für „Morris Garages“). Das ist naheliegend, weil da, wo ein Auto rumsteht, einst auch emsig geschraubt und gewerkelt werden musste ...
Zurück zu den Garagen im BMW-Werbespot: Wer die Tiefgründigkeit dieses Kunstwerkleins hinterfragen will, denke über die Herkunft der Glühbirne nach. Wer hat’s erfunden? Nicht die Schweizer, sondern eine ganze Reihe heller Köpfe, als deren bekanntester wohl Thomas Alva Edison durchgehen dürfte. Sein entscheidendes Glühlampenpatent stammt von 1879, als der Großmeister der Erfinderei bereits in seinen Laboratorien in Menlo Park (heute heißt das Städtchen Edison) forschte. Warum olle Alva da in einer Garage bastelns sollte, bleibt wohl auf ewig des Geheimnis der BMW-Werber.
Auch die anderen hellen Köpfe aus der Frühzeit der Glühlampenpatente – genannt seien Swan, Grove, Lindsay – sind eher keine Garagentypen. Und der Russe Lodygin auch nicht ... Aber zumindest starten ja allmorgendlich in vielen Garagen innovative Autos namens BMW. Wenigstens das stimmt ja hoffentlich im Werbespot ...

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