Freitag, 27. Januar 2012
Hochhauseinsturz in Rio. Oder: Wenn die Volksbanken den Weg frei machen.
Die Welt bietet in ihrer Online-Ausgabe ein nettes Video an. Gezeigt wird hier http://www.welt.de/videos/panorama/article13836548/Ueberwachungskamera-zeigt-Hochhauseinsturz-in-Rio.html#autoplay der Einsturz eines Hochhauses in Rio de Janeiro, bei dem es wohl kaum Überlebende gab, aus dem Blickwinkel einer Überwachungskamera. Die Bilder sind mäßig: Zu sehen sind weglaufende Menschen, dann eine große Staubwolke, dann Ruhe. Anschließend eine Luftaufnahme (die offensichtlich nicht aus einer Überwachungskamera stammt), die die Lücke zeigt, die nun klafft.
Jetzt fragen sich die LeserInnen meines kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuches sicher, warum ich sie mit so einem Schrumms behellige. Ganz einfach: Wie bei welt.de üblich, muss man vor so einem Video-Schnippelchen stets einen 15-Sekunden-Werbespot ertragen. In diesem Fall war es Werbung für die Volks- und Raiffeisenbanken mit dem Slogan: "Wir machen den Weg frei." *gröl*

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Montag, 23. Januar 2012
Nachdenken über Syrien. Oder: Wann schützt die Nato die Zivilbevölkerung?
Morgendliche Zeitungslektüre. Im Blatt wird eine Zahl genannt: 5.500. Die Zahl der Toten in Syrien laut Uno-Schätzung. Das Westerwellerchen regt sich auf und fordert irgendwas, die Arabische Liga hat auch irgendwas in Häkelschrift zu vermelden.
Meine Frau stellt beim Lesen die einzig logische Frage: "Warum greift die Nato dort eigentlich nicht ein, um die Zivilbevölkerung zu schützen?"
Die Antwort ist naheliegend: (Vorsicht, ab hier kann es zum Auftreten von Ironie kommen. Die weitere Lektüre wird nur gefestigten Charakteren empfohlen)
1. Die haben kein Öl. Die haben zwar welches, aber das syrische Öl lohnt nicht wirklich einen Krieg, die Lagerstätten sind nicht so groß, ab 2020 wird das Land netto sogar importieren müssen. Die sonstigen Bodenschätze sind auch nicht so üppig, dass die Zivilbevölkerung geschützt werden müsste.
2. Syrien liegt geographisch ziemlich beschissen. Im Norden die Türkei, im Süden der Irak und Jordanien, im Westen Israel und der Libanon - eine Gegend, wo man mal eben ungestraft "Eingriffe mit chirurgischer Präzision" vornehmen kann, sieht anders aus.
3. In Syrien leben die üblichen Verdächtigen nebeneinander her. Soll heißen: Drei Viertel der Bevölkerung sind Muslime verschiedener Richtungen, 15 Prozent der Syrer gehören zu einem recht bunten Christenmix, dazu gibt es einige tausend Juden. Und auch die ethnische Mischung ist vielversprechend: Kurden, Araber, Armenier, Turkmenen, Tscherkessen, Palästinenser, Iraker, Aramäer und Assyrer. Wenn man an diesem Kessel auch nur eine Schraube scharf anschaut, fliegt einem der ganze Laden um die Ohren.

Im Klartext: Wenn hier Nato-Truppen zum Schutz der Zivilbevölkerung neue Waffensysteme testen und die Einhaltung einer Flugverbotszone kontrollieren, kann das ganz schnell nach hinten losgehen. Da können plötzlich Gebiete wie die Golanhöhen und das Westjordanland zum Thema werden, da könnten sich die Türken auf den Weg machen, noch ein paar Rest-Armenier zu erwischen und da könnte ein kleiner, ungeliebter Staat von US-Gnaden ganz schnell von der Landkarte verschwinden oder zumindest arg ramponiert werden.
Was folgt daraus? Die Syrer sind arme Schweine, zu arm, als dass die Nato sie retten würde. Die müssen mit ihren Frühlingsgefühlen schon allein klarkommen. Es sei denn, die weltweit für ihre demokratische Ausrichtung bekannte arabische Liga kümmert sich und ersetzt in Syrien den einen Diktator durch einen anderen.

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Freitag, 20. Januar 2012
Nachdenken über IP-Adressen und Referrer. Oder: Untertietel, André und Bernd und die Costa Concordia
Wer einen Webauftritt betreibt, sieht sich häufig der Versuchung ausgesetzt, zum Datensammler zu werden. Da ich ersteres sowohl im eigenen Namen als auch im Auftrag netter Kunden tue (Meine Kunden sind alle nett, weil sie so nett sind, meine Rechnungen zu begleichen), ist mir zweitens auch besagte Versuchung nicht fremd.
Wobei ich zu meiner Ehrenrettung ergänzen muss, dass dieser Versuchung nur höchst selten erliege. Was nun wieder, so viel sei der Ehrlichkeit halber ergänzt, weniger an meiner Standhaftigkeit als vielmehr daran liegt, dass es mir schlicht an der notwendigen Zeit mangelt, meine Obsessionen auszuleben. Womit sich eine interessante Parallele zwischen virtuellem und realem Leben zeigt. Wobei wiederum zu ergänzen wäre, dass einerseits natürlich auch das virtuelle Leben irgendwie real ist und dass mich andererseits im realen realen Leben nicht allein der Zeitmangel daran hindert, jeglicher Obsession nachzugehen, sondern auch der Mangel an der benötigten Knete.
Ehe nun die letzten der geneigten LeserInnen meines kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuches entseelt aus ihrem Stühl rutschen, beende ich diesen Exkurs und wende mich dem Ausgangspunkt zu: Ein Webauftritt liefert eine Menge Daten.
Dazu zählen neben IP-Adressen (das sind die Dinger mit der Vorratsdatenspeicherung) auch die Referrer zählen. Ein Referrer ist die Adresse der Webseite, von der Nutzer per Link zu einer Seite gekommen sind. Natürlich läst sich der Referrer ebenso verschwurbeln wie z.B. die eigene IP-Adresse. Wer z.B. RefControl nutzt, kann sich eine andere scheinbare Herkunft geben, ich schicke neugierige Admins z.B. gern auf die Stellenausschreibungen der CIA.
Da die meisten User ihren Referrer aber unverändert lassen, schaue ich doch gelegentlich nach, wer wie auf meine Seiten gelangt ist.
Das ist in mehrfacher Hinsicht aufschlussreich, denn ich erfahre so, wer auf meine Seiten verlinkt hat bzw. welche Suchanfragen Leute so stellen. Zu den absoluten Hits gehörte ein Lügenbaron zu Guttendingens, aber auch die heimlichen Küsse eines gewissen Herrn Jurgan waren (und sind es noch immer) gefragt. Und längst nicht alle Anfragen kamen von der putzigen Anwaltsmaus, die im Auftrag des Küssers tätig war.
Logisch, zurzeit dominieren Anfragen zum Thema Grüßaugust Christian Wulff und zur Costa Concordia. Erstaunlich ist für mich, wie viele User beide Anfragen kombinieren, also wissen wollen, was der designierte Ex-Bundespräsident mit der Havarie des Kreuzfahrtschiffes zu schaffen hat. Da scheint meine nicht ganz ernst gemeinte Verschwörungstheorie von der Versenkung als Ablenkungsmanöver des Bundespräsidialamtes http://zeitungsdieb.blogger.de/stories/1982135/ doch interessierte Leser und Weitersager gefunden zu haben.
Apropos Weitersager: Eine ganze Menge Suchanfragen der letzten Wochen bezogen sich auf den Namen Dreilich, meinen also. Und das besonders häufig in Verbindung mit dem Namen Hilder, was mir schon ein wenig unangenehm sind. Okay, wir haben beide Probleme mit der Altersfehlsichtigkeit, aber ich wurde weder beim mdr abgewatscht noch vollführe ich öffentliche Karteikartenakrobatik; zudem bin ich ein viel, viel sympathischer Mensch. Sag’ ich mal so und ich muss es wissen.
Bei der kombinierten Hilder-Dreilich-Anfrage tauchen übrigens auffällig viele Referrer auf, in denen mein wirklich schöner und schützenswerter Familienname falsch geschrieben wurde, so mit y oder hinten t. Das spricht einerseits für die Fehlertoleranz der genutzten Suchmaschinen, andererseits aber auch dafür, dass hier von Schreibtisch zu Schreibtisch bzw. mal eben in der Schlange der Kantine der Hinweis gegeben wurde, mal nachzulesen, was der Dreilich wieder verzapft hat in Sachen Onkel Bernd.
Liebe KollegInnen von der Leipziger Volkszeitung, natürlich freue ich mich über das Interesse, das mir in den heiligen Hallen der LVZ entgegengebracht wird. Aber bittet, wenn schon nicht im Blatt, so achtet doch wenigsten beim Googeln auf Korrektheit. Ich bin doch auch nur ein Mensch und als solcher ein wenig eitel ...
Nun mag sich der eine oder andere Leser meines kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuches fragen, wie ich darauf komme dass die Namensfalschschreiber hinter der Klagemauer am Leipziger Petersteinweg sitzen. Ganz einfach – manchmal kann ich der Versuchung doch nicht widerstehen, mir die IP-Adressen meiner Besucher ein wenig näher anzuschauen ... aber nur manchmal.

PS.: Einen hab’ ich noch. Die Referrer zeigen mir auch deutlich, wie schlimm es um die einstige Bildungsrepublik Deutschland bestellt ist. Kaum zu glauben, wie fiehle Pfählor man in so eine Suchanfrage schreiben kann – und wie Google auch aus dem schlimmsten Deppendeutsch noch etwas macht. Selbst Worte wie Gallorie (gemeint war Galerie) und Gallorie (gemeint war Kalorie) werden da noch übersetzt. Und „Untertietel“ sowieso.

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Mittwoch, 18. Januar 2012
Die Gurke des Tages. Oder: Die Costa Concordia steht vorerst nicht für Reisen zur Verfügung
Kennt jemand „Die Gurke des Tages“? Dabei handelt es sich um eine nette Rubrik auf der stets sehr lesenswerten Satireseite „Wahrheit“ in der TAZ ( www.taz.de ). Als besagte „Gurke des Tages“ wird in der TAZ ein besonders schönes Stück Pressemitteilung oder Agenturmeldung (oft ist da ja kein Unterschied) verwurstet bzw. vergurkt.
Wäre ich für die TAZ tätig, hätte ich „meine“ Gurke des Tages soeben gefunden. Sie stammt von www.ab-in-den-urlaub.de , genauer gesagt, aus der Feder von Pressemännchen Dr. Konstantin Korosides. In der von ihm verantworteten Pressemitteilung stellt er fest, dass es trotz Kreuzfahrtunglücks keine Stornierungswelle gebe. Die geneigten LeserInnen meines kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuches erinnern sich: Die „Costa Crociere“ ist einem mutmaßlichen Ablenkungsmanöver des Bundespräsidialamtes zum Opfer gefallen, guckst Du hier: http://zeitungsdieb.blogger.de/stories/1982135/ , und wartet nun, auf der Seite liegend, aufs Zersägen.
Warum „Gurke des Tages“? Ganz einfach: Zum einen wirbt der korrodierte griechische Doktor recht lässig für neues Kreuzfahrtglück und nennt dazu die entsprechenden Buchungslinks seines Unternehmens. Zum anderen, und hier gurkte es besonders schön, verwies Dottore darauf, dass die „vom Unglück betroffene Reederei“ von „umfangreichen Stornierungen nicht betroffen“ sei. Das absolute Sahnehäubchen auf der Gurke ist allerdings die folgende Aussage: „Da die Reisen, mit Ausnahme auf der Costa Concordia, wie geplant stattfinden, ist von einer vorschnellen Stornierung abzuraten.“
Und ich dummer Dödel hatte geglaubt, die geschlitzt herumliegende „Costa Concordia“ würde sich spätestens morgen kurz schütteln, ein paar Eimer Schwerölruß aus ihrem Schornstein prusten und, nachdem die Kajüten kurz durchgewischt wurden, wieder auslaufen. Wobei: Durchgewischt ist ja schon ...

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Dienstag, 17. Januar 2012
Costa Concordia vom Bundespräsidialamt versenkt. Oder: Italienische Klippe soll Christian Wulff retten.
Die „Costa Concordia“ http://de.wikipedia.org/wiki/Costa_Concordia liegt waidwund auf der Seite, nachdem sie am 13. Januar 2012 (Freitag!) das vor der Insel Giglio gelegene Riff „Le Scole“ gerammt hat. Dank seiner mehr als 57.000 PS riss das weltgrößte schwimmende Wellnescenter nicht nur einen dicken Brocken aus dem Riff heraus, sondern schlitzte sich den eigenen Bauch auf einer Länge von 70 Metern auf. Der Rest ist hinlänglich bekannt: Maschine abgesoffen, Schlagseite, Evakuierung, Tote, Chaos. Beim Essen! Na, das gibt jede Menge Forderungen nach Minderung des Reisepreises!
Nicht wirklich überraschend ist die Rolle des Kapitäns Francesco Schettino, der wegen der ganzen Geschichte wohl für einige Zeit auf Seeluft verzichten muss; bestenfalls gesiebt sollte er sie noch konsumieren können.
Dass er seinen sinkenden Dampfer ein wenig zu schnell und auf alle Fälle vor zahlreichen Passagieren verlassen hat, wird ihm wohl nicht zum Ruhm gereichen. Aber das sollte man nicht überbewerten, sondern sich statt dessen an die Frage nach den kleinsten Büchern der Welt erinnern ... eines davon ist die Enzyklopädie der italienischen Helden. Das andere das Verzeichnis der ehrlichen Politiker.
Womit es an der Zeit wäre, mir selbst zu meiner gelungenen Überleitung zum Thema Christian Wulff zu gratulieren. Für alle, diesen Eintrag in meinem kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuch erst in ein paar Wochen lesen: Christian Wilhelm Walter Wulff ist, während ich diese Zeilen schreibe, der designierte Ex-Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland. Eigentlich müsste er heute zurücktreten. Nach all den Querelen um sein Tun und Lassen http://www.welt.de/themen/kreditaff%C3%A4re/ ist Wulff längst überreif und in etwa so amtsfit wie die „Costa Concordia“ – positiv formuliert. Erschwerend kommt hinzu, dass er ein geradezu notorischer Nichtmerker ist: Wann auch immer ihm in der Vergangenheit ein Freund einen geldwerten Vorteil zukommen ließ (Oktoberfest, Hotel, Upgrade ...), Wulff hat’s nicht bemerkt.
Als die Causa Wulf im Dezember 2011 langsam ins Köcheln geriet, stand für mich fest, dass es der oberste deutsche Grüßaugust nicht mehr lange machen wird. Auf einen Termin für seinen Rücktritt angesprochen, nannte ich den heutigen 17. Januar 2012. Warum?
Ganz einfach: Im Dezember 2011 war erkennbar, wie sehr Wulff & Co. auf Zeit spielten, um den rettenden 24. Dezember und die Zeit „zwischen den Jahren“ zu erreichen. Dass die Hoffnung auf ein Einschlafen der Affäre trügerisch sein würde, war mir klar. Also kleine Flamme, nach Neujahr nochmal aufkochen, schaumig schlagen und in der 3. Kalenderwoche servieren. Nicht gleich montags, aber der Dienstag, ja, da sollte der Festschmaus stattfinden.
Und nun? Nischt is! Dieser blöde italienische Kapitän setzt seinen Dampfer auf die Klippen und versaut die ganze Nachrichtenlage. Im Januar! Wo in aller Regel nichts los ist und die Medien dankbar für jeden Tsunami sind, den sie vom 2. Weihnachtsfeiertag rüberretten konnten ...
Christian Wulff hat allen Grund, sich bei Kapitän Francesco Schettino zu bedanken, denn der dürfte zwar einige seiner Passagiere und einen dicken Pott auf dem Gewissen haben, dafür hat er jedoch Christian Wulff (vorerst) gerettet. Oder vielleicht ist ja alles ganz anders: Irgendein Wulfffreund hat gemeinsam mit dem Bundespräsidialamt die Fäden gezogen, das GPS verstellt und dem Kapitän ein dickes Paket übergeben, damit dieser eben jenen Crash baut. Drum war der auch so schnell von Bord, ehe was wegkommt.
Also, je länger ich über ein solches Szenario nachdenke, desto wahrscheinlicher erscheint es mir. Und Christian Wulff? Der weiß natürlich von allem nichts. Wie immer ...

PS.: Für alle, die nun empört sind ... einfach häufiger in meinem kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuch lesen. Dann versteht Ihr's ...

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Montag, 16. Januar 2012
Wo steckt Bernd Hilder? Oder: Onkel Bernd und der geistige Phantomschmerz.
Es gibt so Dinge, die einen nerven. Man ärgert sich drüber, man schuppert dran rum, und dann sind sie weg. Und plötzlich fehlen sie einem. Nicht, dass man sie gern wieder hätte, aber man hatte sich doch an sie gewöhnt. Irgendwie, ungern, gezwungen, aber irgendwie schon. Solche Dinge gibt es viele. Pickel zum Beispiel. Da spannt erst die Haut, irgendein indifferenter Druck im Gewebe, ein Schmerzchen eigentlich, dann eine Rötung, später eine wirklich unerfreuliche Beule, hitzigleuchtend gar, und dann? Ein Knack, ein wenig üble Brühe, und weg ist das Dingens. Die Aufzählung anderer Beispiele aus dieser Kategorie überlasse ich den geneigten LeserInnen meine kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuches; ich möchte mir den Tag nicht mit eingewachsenen Nägeln, Pilzerkrankungen etc. verderben.
Statt brennt mir ein anderes Thema unter den unbepilzten Nägeln. Onkel Bernd ist weg. Nein, so heißt kein Pickel. Onkel Bernd war meine respektlose Bezeichnung für einen der hellsten Köpfe unserer Zeit, für den früheren Chefredakteur der Leipziger Volkszeitung, für Bernd Hilder, den Vordenker der modernen Medienwelt. Nur etwas mehr Charisma und ein paar Karteikarten weniger beim Vortrag und gelegentlich „some else“ – und er hätte Steve Jobs hinter sich lassen können. Hat er aber nicht, doch immerhin war er einige Jahre lang Chefredakteur meiner Lokalpostille, der Leipziger Volkszeitung. Und genau wie Steve Jobs ist er weg; also (wahrscheinlich) nicht wirklich, sondern nur von der LVZ.
Onkel Bernds Bilanz kann sich sehen lassen. Als er 2003 seinen Dienst bei der LVZ antrat, umfasste deren verteilte Gesamtauflage lt. ivw (www.ivw.de , für diese Daten s. Downloadbereich 2003) noch 286.954 Exemplare. Im dritten Quartal 2011 waren’s noch 212.935. Macht ziemlich genau 74.000 Exemplare weniger, das ist eine Menge Papier. Mein Gott, was hat der Mann für den Umweltschutz getan! Und wer dankt es ihm? Genau! Keiner! Und nun ist er weg.
Wobei – eigentlich dürfte er ja gar nicht weg sein. Hätte es mit seiner Wahl zum mdr-Intendanten geklappt, wäre Onkel Bernd nun dort big boss und könnte kreativcharismatisch rumhildern. Und sicher hätte er inzwischen seine eigene Sendung, so in der Art "Bernds Welt" oder "Hilders Trimediales Panoptikum".
Da es aber nicht geklappt hat (https://zeitungsdieb.blogger.de/stories/1836805/#1895201 ), wurde die mdr-Personalie anderes gelöst und Onkel Bernd verschwand.
Sicher, nachdem die LVZ den Bericht seines Wahldebakels veröffentlicht hatte http://www.lvz-online.de/nachrichten/mitteldeutschland/keine-mehrheit-fuer-bernd-hilder-als-mdr-intendant/r-mitteldeutschland-a-107318.html, tauchte Onkel Bernd plötzlich wieder als Leitartikler auf. Doch diese Phase währte nur kurz, schon bald folgte er dem Beispiel anderer Monarchen und zog sich zurück. Allerdings nicht zum Holzhacken aufs flache Land, sondern auf zu neuen Höhen. Gar von Wegloben war die Rede.
Sein Exil, so ward verkündet, sei Brüssel, wo er das Büro der Mediengruppe Madsack leiten werde. Sagte der Spiegel http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,796556,00.html und bestätigte auch Madsack.
Doch schon die Pressemitteilung der Verlagsgruppe http://www.madsack.de/service/newsdetailansicht/article/1/neue-chefredakteure-in-leipzig-und-rostock.html , getreulich nachgedruckt von meiner Lokalpostille, ließ mich aufhorchen. Da war nur noch die Rede von den neuen Chefredakteuren, ein Dankeswort an den teuren dahingeschiedenen, an den weitblickenden Visionär, ach, ein solches Dankeschön fehlte.
Doch ganz ist Onkel Bernd noch nicht verschwunden. Hier http://www.madsack.de/das-medienunternehmen/print/leipziger-volkszeitung.html haben ihn die Madsäcke heute noch als LVZ-Chefredakteur aufgelistet und beim Presserat http://www.presserat.info/inhalt/der-presserat/mitglieder.html ist er auch noch als Sprecher (und LVZ-ler) aufgeführt. Das erinnert mich irgendwie an MeckPomm, da passiert ja auch alles ein paar Jahre später ...
Doch ganz gleich, ob er hier und da noch ein Stühlchen, einen ollen Link oder einen gesperrten E-Mail-Account hat oder nicht, angekommen ist er in Brüssel wohl noch nicht. Zweifel schürte zuerst die W&V http://www.wuv.de/nachrichten/medien/madsack_wechselt_hilder_doch_nicht_nach_bruessel , die ihren Lesern mitteilte, dass es Onkel Bernd nun doch nicht gen Belgien zieht.
Doch wahrscheinlich steckt dahinter viel, viel mehr: Wer mal nach besagtem Brüsseler Büro der Madsack-Gruppe Ausschau hält, wird es schwer haben, ein solches zu entdecken. Weder im Impressum der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung haz.de noch in dem der LVZ findet sich der Hinweis auf eine solche Einrichtung. Berlin, Erfurt, Dresden, aber nicht Brüssel. Area 51? Bielefeld-Verschwörung reloaded?

Um von den LeserInnen meines kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuches nicht missverstanden zu werden: Ich weine dem ehemaligen Chefredakteur der Leipziger Volkszeitung keine Träne nach. Und das tun zumindest diejenigen seiner früheren Untergebenen auch nicht, die ich im Rahmen meiner heutigen, nicht repräsentativen Telefonbefragung am Ohr hatte. Aber irgendwie fehlt er mir doch. Schließlich durfte ich Onkel Bernd einige Male als Moderator erleben. Und das hatte schon was. Sicher, man durfte nicht die feine, gekonnt geführte Klinge und die Echtzeitanalyse erwarten. Aber einen noch relativ jungen Menschen dabei zu beobachten, wie er mit Karteikarten hantiert, auf denen die Moderationsstichworte stehen, der dabei aber seine irgendwie zu eitel ist, seine Fehlsichtigkeit zuzugeben und atemberaubende Brillenakrobatik und gesundheitsgefährdende Augengymnastik betreibt und bei all dem sogar noch Gelegenheit findet, in die ansonsten eher bei Kulturredakteuren und aufstrebenden Kommunalpolitikern übliche Pose des „Sinnenden Geistesriesen“ zu verfallen (für alle Unwissenden: Kopf auf Halbmast, Mund halb geöffnet, zwei Finger irgendwo ins Gesicht gestochen und dabei in die Ferne schauen, als hätte man sich soeben auf etwas Penetrierendes gesetzt) – das erlebt man nicht alle Tage.
Nicht, dass ich auf so was stehe – aber irgendwie fehlt es mir schon. Aber vielleicht isser ja nicht auf Dauer weg und nimmt nur seinen Jahresurlaub. Apropos nehmen: Zweckdienlich Hinweise, auf Wunsch auch vertraulich, nehme ich gern entgegen.

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Donnerstag, 12. Januar 2012
Anruf von den Telemobilisten. Oder: Mal wieder eine versuchte Verlade ...
Mein Handy trötet sein schweizerisches Postkutschensignal. Okay, dazu trage ich die Schachtel ja mit mir herum ... unter einer 0800er Rufnummer meldet sich eine sehr, sehr nett klingende Dame, um sich bei mir zu bedanken. Das stimmt mich stets misstrauisch, denn mein Lebenswandel ist nicht (mehr) darauf ausgelegt, dass sich Weibspersonen, an die ich mich nicht erinnern kann, bei mir für was auch immer bedanken.
Doch flugs (auch so ein bedrohtes Wort) erreicht die Entwarnung mein Ohr. Der Dank gilt gänzlich unverfänglichen Qualitäten, nämlich meinem Dasein als langjähriger Kunde von T-Mobile.
Nun bin ich dank Flachratte (vulgo: Flatrate) zwar ein nicht ganz kleines Umsatzlicht, aber auch kein Großkunde. Dennoch, und weil ich so nett und überhaupt ein toller Kerl bin, möchte besagte Nettigkeitssäuslerin mich beglücken. Natürlich moralisch vollkommen einwandfrei und überhaupt und mit einer weiteren Flatrate.
Diese würde es mir ermöglichen, künftig für nichtmal fünf Euro SMS zu versenden, bis meine Fingerchen bluten. Und dieses superschweinegeileduperdingensmäßige Angebot gelte natürlich - Trrrrommelwirrrrbel - nur für mich und nur bis Monatsende.
Nun bin ich, wie die geneigten LeserInnen meines kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuches wissen, nicht mehr der allerfrischste Erdenbürger. Dennoch weiß ich ganz gut über meine SMS-Nutzung Bescheid und wende vorsichtig ein, dass mein SMS-Verhalten wahrlich keine Faltrate rechtfertige, ganz gleich ob die knapp fünf Öcken nun brutto oder netto, tara oder humtata sein mögen.
Die t-mobile Zwitscherdame lässt mich noch eine Spur freundlicher wissen, dass ich da wohl einer Täuschung unterliege, denn eine eingehende Analyse meine Rechnungen habe gezeigt, dass meine SMS-Kosten während der vergangenen sechs Monate stets klar über besagter Flachratte gelegen hätten.
Da ich erstens skeptisch und zweitens geizig und drittens nicht ganz senil bin, bat ich die Dame um Gesprächsbeendigung, um den Casus eigenäugig prüfen zu können. Unverändert freundlich wurde mir ein neuerlicher Anruf zugesichert und ein beglückend schöner Tag gewünscht.
Inzwischen mag ich das nette Frollein vom telemobilen Amt nicht gar so nett leiden. Warum? Ich habe mir die T-Mobile-Rechnungen der vergangenen zwölf (!) Monate angeschaut. Zwar habe ich sie nicht eingehend analysiert, aber immerhin herausgefunden, dass mich das nette Klingelmäuschen verarschen wollte. SMS findet bei mir praktisch nicht statt; lediglich in einem Monat waren davon mal vier (!) Stück auf der Rechnung, ansonsten mal eine oder zwei. Wozu auch, ich rufe die Leute lieber an oder schicke Mails. Schließlich bin ich ja nicht das Merkel, dass sein Gesicht im Plenarsaal hinterm Handydisplay versteckt und seitliche Einblicke mit den Händen abwehrt.
Anders gesagt: Hätte ich mir eine Fünf-Euro-Pauschale für den unbegrenzten SMS-Versand aufschwatzen lassen, wäre das in etwa so sinnvoll gewesen wie eine Puff-Flatrate für den 92-jährigen Eunuchen des Sultans von Absurdistan. Wobei, man weiß ja nie ... aber eine versuchte Verarsche war's dennoch.

PS.: Inzwischen bin ich schon recht hibbelig und warte darauf, dass die magische Ziffernfolge 0800 645535 bald wieder im Handydisplay erscheinen möge. Schließlich war die Stimme der Flachrattenpropagandistin wirklich nett. Und schließlich möchte ich nur zu gern erleben, wie sie sich anhört, wenn ich ihr sage, was ich über ihr verlogenes Scheißgeschwafel denke und was sie mich kann.

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