Mittwoch, 16. Januar 2008
Horst Köhler auf ewig
Wer seine Brötchen als Journalist verdient, genießt vielfältige Privilegien. Das wissen zumindest diejenigen, die mit der Branche wenig zu tun haben. Oder sie glauben es zu wissen. Ein Privileg, dass ich für mich beanspruche, ist allerdings unbestritten: Für mich gehören die Lektüre von allerlei bedrucktem Papier und das Ausleben der mir reichlich innewohnenden Neugierde zur Berufsausübung.
Und so stolperte ich heute bei meinem beruflich veranlassten Medienkonsum über eine dpa-Meldung, in der von den derzeitigen Diskussionen um eine zweite Amtszeit des Bundespräsidenten die Rede ist. „Führende Politiker“ von CDU und CSU haben sich für eine zweite Amtszeit Horst Köhlers ausgesprochen. Die allerführensdste CDU-Politikerin, Kanzlerin Angela Merkel, ist laut dpa auf Distanz zu den namentlich nicht genannten Granden der Schwesterparteien gegangen. Und der umworbene Wiederholungsbundespräsident in spe will sich laut AFP erst ein Jahr vor der möglichen Wiederwahl äußern. Das wäre im Mai 2008 der Fall, denn Köhlers fünfjährige Amtszeit dauert noch bis zum Wonnemonat 2009.
Nun gehört Bundespräsident Horst Köhler meines Wissens nicht zu den regelmäßigen Lesern dieses kleinen Tagebuches. Sollte einer meiner Stammkonsumenten allerdings demnächst mit dem ersten Mann im deutschen Staate plaudern, wäre ich für eine Übermittlung der folgenden pro-Köhler-Argumente sehr dankbar.
Ja, ich bin für eine weitere Amtszeit Horst Köhlers und stimmte, sollte ich gelegentlich ein Stühlchen in der Bundesversammlung ergattern, für den lebenslangen Verbleib des weltwirtschaftserfahrenen Präsidenten im höchsten Staatsamt votieren.
Warum?
1. Horst Köhler ist kein Berufspolitiker. Er hat zwar im Dunstkreis der Macht gearbeitet, seine Meriten aber fern des Kabinettsgestühls erworben.
2. Horst Köhler besitzt einen scharfen Verstand und er leistet sich den in hohen Ämtern selten gewordenen Luxus, diesen auch zu nutzen. Führt ihn sein Verstand zu Erkenntnissen, die offiziellen Doktrinen oder parteipolitischen Vorgaben zuwider laufen, hat er den Mut, seine Auffassungen dennoch auszusprechen und vertreten.
3. Der Mann macht auf jeglichem Parkett eine gute Figur. Welch furchtbarer Gedanke, dass Deutschland international durch Figuren wie den verschimmelten Wolfgang T. oder gar Problembär Kurt Beck repräsentiert würde ... Brrrrrr.
4. Kann es sich Deutschland gar nicht leisten, schon wieder einen neuen Bundespräsidenten zu wählen. Schließlich haben wir zurzeit schon drei. Zumindest finanziell, denn Walter Scheel (1974-1979), Richard von Weizsäcker (1984-1994) und Roman Herzog (1994-1999) haben zwar das Amt, nicht jedoch ihr irdisches Dasein verlassen. Mit dem Ausscheiden aus ihrem Präsidentenamt haben die Alt-Präsidenten zwar ihre Dienstsitze (das Schloss Bellevue Berlin und die Villa Hammerschmidt in Bonn) aufgeben müssen, ihre Dienstbezüge laufen (abzüglich der Aufwandsgelder) jedoch lebenslang weiter. Das ganze nennt sich dann Ehrensold, wird nicht mit anderen Bezügen verrechnet und kostet die Steuerzahler laut Spiegel (Januar 2005) jährlich 213.000 Euro – je Bundespräsident. Macht fast 650.000 Euro bei aktuell drei Bundespräsidenten. Hinzu kommen für die EX-BP die ebenfalls vom Steuerzahler zu tragenden Kosten für ein Büro der benötigten Mitarbeiter – üblich sind ein oder zwei -, die ebenfalls im Haushalt des Bundespräsidialamtes geführt werden. Außerdem genießen auch gewesene Bundespräsidenten Personenschutz und haben Anspruch auf ein Staatsbegräbnis.
Der geneigte Leser meines Tagebuches möge selbst addieren. Wer sich dabei nicht grob verrechnet, teilt sicher meine Empfehlung für die lebenslange Amtszeit. Bruder Johannes Rau hätte das beinahe geschafft. 1999 schon schwerkrank ins höchste Amt gehievt, hielt er wacker bis 2005 durch, als die Ablösung durch Horst Köhler erfolgte. So fehlten ihm dann knapp sieben Monate ...

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