Montag, 21. Januar 2008
Noch mehr Müll aus Italien, noch mehr Zusatzmengen und ein märchenhafter Schluss
zeitungsdieb, 11:12h
Vor einigen Tagen habe ich mich in diesem kleinen Tagebuch mit einem anrüchigen Thema befasst. Unter http://zeitungsdieb.blogger.de/stories/1014958/ konnten die geneigten Leserinnen und Leser einige Informationen und Rechercheergebnisse zum Thema „Internationaler Mülltourismus“ finden. Die Resonanz auf diesen Bericht war beachtlich: Ein ganzer Schwarm E-Mails von mir bislang unbekannten Menschen erreichte mich, mit Joachim Jürgens, der meinen Bericht auf seiner sehr interessanten Seite www.pro-herten.de veröffentlichte, hatte ich ein sehr angenehmes Telefonat. Schon deshalb, weil es einen Schreiberling doch freut, auch mal ein Lob zu ernten und vor Übernahme eines Textes um Erlaubnis gefragt zu werden ...
Da die Entsorgung italienischen Mülls auf der Deponie Cröbern auch zum Gegenstand intensiver Forendiskussionen geriet, erlebte mein kleines Tagebüchlein zudem sehr interessante Zugriffszahlen. Und ich hatte schon gedacht, dass die seinerzeitigen Rekorde (Stichwort: Robby Clemens und sein worldrun) längere Zeit Bestand haben würden.
Dafür, dass das Thema Mülltourismus nicht in Vergessenheit gerät, sorgte in der vergangenen Woche meine geliebte Lokalpostille.
Satiremodus /on/
Die Leipziger Volkszeitung veröffentlichte am 17. Januar nämlich einen supertollen Bericht über das segensreiche Tun auf der Deponie Cröbern. Auf Seite 3. Für alle nur Gelegenheitszeitungskonsumenten und Nichtmedienschaffenden: Diese Seite ist nach landläufigem Verständnis eine ganz besondere, hier werden unter dem Dach „Meinung und Hintergrund“ besonders wichtige Themen ein wenig ausführlicher behandelt, hier erklären die Springermadsackschen Qualitätsjournalisten dem braven Bürger, wie er sich die Welt vorzustellen hat.
Satiremodus /off/
Unter dem Titel „Zusatzgeschäft Neapel“ (Unterzeile: Für die westsächsische Entsorgungsgesellschaft in Cröbern ist die Verwertung von italienischen Hausabfällen wichtige Einnahme) darf sich der geneigte LVZ-Leser einen relativ kritikfreien Text über das aktuelle Geschäft der westsächsischen Entsorger mit dem Italomüll zu Gemüte führen. Der eine oder andere mitdenkende Leser kommt bei der Lektüre vielleicht sogar zu dem Schluss, dass ihm hier eine verkappte PR-Veröffentlichung geboten wird, so aalglatt flutscht der fast halbseitige (nicht halbseidene!!!) Artikel durch die Spalten.
Zitat:
„Wir helfen gerne“, sagt Günther Lohmann. Doch der Geschäftsführer der Westsächsischen Entsorgungs- und Verwertungsgesellschaft (WEV) verhehlt nicht, dass der Abfallimport aus Neapel „kein störendes Geschäft“ ist. Seit Juni letzten Jahres kommt täglich ein Zug aus Italien an. 65 000 Tonnen Müll sind bereits geliefert und verwertet worden. 100 000 sollen es werden. Geht es nach Lohmann, gern noch mehr. In Zeiten, da die Abfallmengen auch im Großraum Leipzig zurückgehen, lastet Neapels Dreck die hochmoderne, knapp 80 Millionen teure Anlage mit einer Jahreskapazität von 300 000 Tonnen erst richtig aus. „Müll ist in Europa eine handelbare Ware. Wir aquirieren immer Zusatzmengen, um unsere Anlage auszulasten“, erklärt Lohmann.
Zitat Ende.
Mal langsam zum Verstehen: Die Deponie Gröbern verfügt über eine hochmoderne, knapp 80 Millionen Euro teure Anlage mit einer Jahreskapazität von 300 000 Tonnen. Gemeint ist hier die Anlage zur Müllbehandlung. Diese Sortierzaubermaschine durchläuft der Müll. Dabei wird ihm allerlei verwert-, verbrenn- und kompostierbares Material entnommen, lediglich der juristisch deponierbare Rest landet auf der riesigen Deponie. Apropos Mengen: Auf ihrer Homepage http://www.e-wev.de vermerkt die WEV, dass jährlich rund 135 000 Tonnen Material aus der Sortieranlage einer thermischen Verwertung zugeführt werden. Da die Blockheizkraftwerke am Deponiestandort lediglich der Verwertung von Deponiegas dienen, sorgt dieser Brennstoffberg für zusätzlichen Verkehr, denn er wird bei den Kreiswerken Delitzsch verbrannt – rund 40 Kilometer von Cröbern entfernt.
Dass GF Lohmann in der LVZ von Zusatzmengen spricht, die zur Auslastung der Anlage herangekarrt werden, ist eine sehr kreative Interpretation. Bei einer Jahreskapazität von 300 000 Tonnen sind 100 000 Tonnen Müll „Made in Italy“ keine Zusatzmenge, sondern ein mächtiger Brocken. Und sie beweisen, dass das gesamte Leipziger Müllimperium hoffnungslos überdimensioniert und auf Importe angewiesen ist.
Zitat LVZ:
170 bis 200 Euro kostet diesen (Anmerkung ad: den italienischen Staat) eine Tonne Müll – inklusive Transport. Ein Zug bringt täglich etwa 500 Tonnen Müll – verpackt in geruchsfeste Seecontainer.
Zitat Ende
Diese Zahlen sollte man sich auf der Zunge zergehen lassen (pfui Deibel!). Unsortierter Müll wird in Süditalien von den Straßen geborgen, verladen, umgeladen, in Container gekippt, per Güterzug nach Deutschland gefahren, entladen, sortiert, deponiert, die Container werden (hoffentlich) gereinigt, zurückgeführt – und das alles zu einem Preis, der sich in der selben Größenordnung bewegt wie der, den die Bewohner der Region für deutschgründlich vorsortierten Hausmüll berappen müssen. Hier stinkt etwas – und das ist nicht nur der Italomüll.
Zitat LVZ
Auf etwa ein Fünftel ist die Eingangsmenge Müll am Ende zusammengeschrumpft. Die wird nun auf der betriebseigenen Deponie eingelagert. Natürlich passiert alles unter Einhaltung der Schadstoffgrenzwerte und Abfallgesetze. Dafür garantiert das firmeneigene Testlabor.
Zitat Ende
Dass die Dinge nicht immer so sind, wie sie unkritischen Journalisten in den Block diktiert werden, ist keine neue Erkenntnis. Unfreiwillig lieferte meine Lokalpostille in ihrer heutigen Ausgabe (21.1.08) einen Beleg für die Richtigkeit dieser Behauptung.
Zitat LVZ:
Nach einer Reihe von Anwohnerbeschwerden muss seit voriger Woche das genehmigte Zwischenlager auf der Deponie Cröbern abgedeckt werden. Die Betreibergesellschaft hatte dort Abfälle „geparkt“, die außerhalb der Arbeitszeiten der Aufbereitungsanlage angeliefert worden waren. Laut Genehmigung dürfe die Anlage nur montags bis freitags von 6 bis 22 Uhr laufen, es kämen aber auch Müllzüge am Wochenende, so die Geschäftsführung. Das Regierungspräsidium war den Anwohnerbeschwerden nachgegangen und hatte die Abdeckung veranlasst. Der Warenfluss in Cröbern werde genauestens geprüft, so ein Sprecher.
Zitat Ende
War da nicht vollmundig verkündet worden, dass der „europaweit handelbare Müll“ in luft- und geruchsdichten Überseecontainern auf die Reise über den Brenner geschickt wird? Wie kann da ein am Wochenende ankommender Müllzug zum Himmel stinken? Oder handelt es sich dabei gar nicht um den Italomüll, sondern um Abfälle aus anderen Herkunftsgebieten, die laut GF Hohmann als „Zusatzmenge“ zur Verbesserung der Anlagenauslastung herangekarrt werden? Schon wieder eine Zusatzmenge?
Da aber jedes Märchen ein ordentliches Ende haben muss („Und wenn sie nicht gestorben sind, dann müllen sie noch heute ...“), lasse ich noch einmal WEV-Chef Günter Lohmann zu Wort kommen. Er signalisierte in der LVZ vom 17. Januar 2008 freie Kapazitäten: „Wenn wieder ein Hilfeersuchen kommt, richten wir uns darauf ein.“
Zusatzmengen, kommt herbei!
Da die Entsorgung italienischen Mülls auf der Deponie Cröbern auch zum Gegenstand intensiver Forendiskussionen geriet, erlebte mein kleines Tagebüchlein zudem sehr interessante Zugriffszahlen. Und ich hatte schon gedacht, dass die seinerzeitigen Rekorde (Stichwort: Robby Clemens und sein worldrun) längere Zeit Bestand haben würden.
Dafür, dass das Thema Mülltourismus nicht in Vergessenheit gerät, sorgte in der vergangenen Woche meine geliebte Lokalpostille.
Satiremodus /on/
Die Leipziger Volkszeitung veröffentlichte am 17. Januar nämlich einen supertollen Bericht über das segensreiche Tun auf der Deponie Cröbern. Auf Seite 3. Für alle nur Gelegenheitszeitungskonsumenten und Nichtmedienschaffenden: Diese Seite ist nach landläufigem Verständnis eine ganz besondere, hier werden unter dem Dach „Meinung und Hintergrund“ besonders wichtige Themen ein wenig ausführlicher behandelt, hier erklären die Springermadsackschen Qualitätsjournalisten dem braven Bürger, wie er sich die Welt vorzustellen hat.
Satiremodus /off/
Unter dem Titel „Zusatzgeschäft Neapel“ (Unterzeile: Für die westsächsische Entsorgungsgesellschaft in Cröbern ist die Verwertung von italienischen Hausabfällen wichtige Einnahme) darf sich der geneigte LVZ-Leser einen relativ kritikfreien Text über das aktuelle Geschäft der westsächsischen Entsorger mit dem Italomüll zu Gemüte führen. Der eine oder andere mitdenkende Leser kommt bei der Lektüre vielleicht sogar zu dem Schluss, dass ihm hier eine verkappte PR-Veröffentlichung geboten wird, so aalglatt flutscht der fast halbseitige (nicht halbseidene!!!) Artikel durch die Spalten.
Zitat:
„Wir helfen gerne“, sagt Günther Lohmann. Doch der Geschäftsführer der Westsächsischen Entsorgungs- und Verwertungsgesellschaft (WEV) verhehlt nicht, dass der Abfallimport aus Neapel „kein störendes Geschäft“ ist. Seit Juni letzten Jahres kommt täglich ein Zug aus Italien an. 65 000 Tonnen Müll sind bereits geliefert und verwertet worden. 100 000 sollen es werden. Geht es nach Lohmann, gern noch mehr. In Zeiten, da die Abfallmengen auch im Großraum Leipzig zurückgehen, lastet Neapels Dreck die hochmoderne, knapp 80 Millionen teure Anlage mit einer Jahreskapazität von 300 000 Tonnen erst richtig aus. „Müll ist in Europa eine handelbare Ware. Wir aquirieren immer Zusatzmengen, um unsere Anlage auszulasten“, erklärt Lohmann.
Zitat Ende.
Mal langsam zum Verstehen: Die Deponie Gröbern verfügt über eine hochmoderne, knapp 80 Millionen Euro teure Anlage mit einer Jahreskapazität von 300 000 Tonnen. Gemeint ist hier die Anlage zur Müllbehandlung. Diese Sortierzaubermaschine durchläuft der Müll. Dabei wird ihm allerlei verwert-, verbrenn- und kompostierbares Material entnommen, lediglich der juristisch deponierbare Rest landet auf der riesigen Deponie. Apropos Mengen: Auf ihrer Homepage http://www.e-wev.de vermerkt die WEV, dass jährlich rund 135 000 Tonnen Material aus der Sortieranlage einer thermischen Verwertung zugeführt werden. Da die Blockheizkraftwerke am Deponiestandort lediglich der Verwertung von Deponiegas dienen, sorgt dieser Brennstoffberg für zusätzlichen Verkehr, denn er wird bei den Kreiswerken Delitzsch verbrannt – rund 40 Kilometer von Cröbern entfernt.
Dass GF Lohmann in der LVZ von Zusatzmengen spricht, die zur Auslastung der Anlage herangekarrt werden, ist eine sehr kreative Interpretation. Bei einer Jahreskapazität von 300 000 Tonnen sind 100 000 Tonnen Müll „Made in Italy“ keine Zusatzmenge, sondern ein mächtiger Brocken. Und sie beweisen, dass das gesamte Leipziger Müllimperium hoffnungslos überdimensioniert und auf Importe angewiesen ist.
Zitat LVZ:
170 bis 200 Euro kostet diesen (Anmerkung ad: den italienischen Staat) eine Tonne Müll – inklusive Transport. Ein Zug bringt täglich etwa 500 Tonnen Müll – verpackt in geruchsfeste Seecontainer.
Zitat Ende
Diese Zahlen sollte man sich auf der Zunge zergehen lassen (pfui Deibel!). Unsortierter Müll wird in Süditalien von den Straßen geborgen, verladen, umgeladen, in Container gekippt, per Güterzug nach Deutschland gefahren, entladen, sortiert, deponiert, die Container werden (hoffentlich) gereinigt, zurückgeführt – und das alles zu einem Preis, der sich in der selben Größenordnung bewegt wie der, den die Bewohner der Region für deutschgründlich vorsortierten Hausmüll berappen müssen. Hier stinkt etwas – und das ist nicht nur der Italomüll.
Zitat LVZ
Auf etwa ein Fünftel ist die Eingangsmenge Müll am Ende zusammengeschrumpft. Die wird nun auf der betriebseigenen Deponie eingelagert. Natürlich passiert alles unter Einhaltung der Schadstoffgrenzwerte und Abfallgesetze. Dafür garantiert das firmeneigene Testlabor.
Zitat Ende
Dass die Dinge nicht immer so sind, wie sie unkritischen Journalisten in den Block diktiert werden, ist keine neue Erkenntnis. Unfreiwillig lieferte meine Lokalpostille in ihrer heutigen Ausgabe (21.1.08) einen Beleg für die Richtigkeit dieser Behauptung.
Zitat LVZ:
Nach einer Reihe von Anwohnerbeschwerden muss seit voriger Woche das genehmigte Zwischenlager auf der Deponie Cröbern abgedeckt werden. Die Betreibergesellschaft hatte dort Abfälle „geparkt“, die außerhalb der Arbeitszeiten der Aufbereitungsanlage angeliefert worden waren. Laut Genehmigung dürfe die Anlage nur montags bis freitags von 6 bis 22 Uhr laufen, es kämen aber auch Müllzüge am Wochenende, so die Geschäftsführung. Das Regierungspräsidium war den Anwohnerbeschwerden nachgegangen und hatte die Abdeckung veranlasst. Der Warenfluss in Cröbern werde genauestens geprüft, so ein Sprecher.
Zitat Ende
War da nicht vollmundig verkündet worden, dass der „europaweit handelbare Müll“ in luft- und geruchsdichten Überseecontainern auf die Reise über den Brenner geschickt wird? Wie kann da ein am Wochenende ankommender Müllzug zum Himmel stinken? Oder handelt es sich dabei gar nicht um den Italomüll, sondern um Abfälle aus anderen Herkunftsgebieten, die laut GF Hohmann als „Zusatzmenge“ zur Verbesserung der Anlagenauslastung herangekarrt werden? Schon wieder eine Zusatzmenge?
Da aber jedes Märchen ein ordentliches Ende haben muss („Und wenn sie nicht gestorben sind, dann müllen sie noch heute ...“), lasse ich noch einmal WEV-Chef Günter Lohmann zu Wort kommen. Er signalisierte in der LVZ vom 17. Januar 2008 freie Kapazitäten: „Wenn wieder ein Hilfeersuchen kommt, richten wir uns darauf ein.“
Zusatzmengen, kommt herbei!
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