Montag, 28. Dezember 2009
Leipzig lässt die Hosen runter. Oder. No-go-Area in Connewitz
Eigentlich sind es ja nur zwei unscheinbare Pressemitteilungen, die die Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) GmbH www.lvb.de verschickt haben. In der einen wird die geneigte Leserschaft darüber informiert, dass in der Silvesternacht die Fahrkartenautomaten der LVB mal wieder abgeschaltet und verschlossen werden. In der anderen ist vermerkt, wie über Weihnachten und Silvester gefahren oder nicht gefahren wird.
Spannend wird es beim Blick in die heutige Leipziger Volkszeitung. Unter http://nachrichten.lvz-online.de/leipzig/citynews/silvester-einschraenkungen-bei-lvb-connewitzer-kreuz-wird-nicht-angefahren/r-citynews-a-7334.html berichtet meine Lokalpostille darüber, dass „auf Anweisung der Polizei“ in der Silvesternacht der Bereich rund ums Connewitzer Kreuz von Straßenbahnen nicht angefahren wird. Der eingesetzte Schienenersatzverkehr macht um die „heiße Meile“ am Connewitzer Kreuz ebenfalls einen großen, einen sehr großen Bogen.
Den auswärtigen Leserinnen und Lesern meines kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuches sei verraten, dass das Connewitzer Kreuz weder eine Talibanhochburg noch ein anderweitiges Gebiet mit kriegsähnlichen Zuständen ist, sondern lediglich zu einem Viertel gehört, in dem ein gewisser Anteil alternativ orientierter Mitmenschen lebt. Und während in Berlin-Kreuzberg die schon berühmten politfolkloristischen Ausschreitungen alljährlich am Vorabend des 1. Mai stattfinden, so wird die Connewitzer Alternativszene mit schöner Regelmäßigkeit in der Silvesternacht aktiv. Da wurden schon mal ein Supermarkt und eine Sparkassenfiliale "umgestaltet", und auch die Fahrzeuge der LVB bekamen ihre Steine und Feuerwerkskörper ab.
Die polizeilichen Versuche, der Lage Herr zu werden und das Gewaltmonopol des Staates – auch zum Schutz der Mehrheit der in Connewitz lebenden, „normalen“ Leipziger – durchzusetzen, waren – vorsichtig ausgedrückt – von wechselndem Erfolg gekrönt.
Sicher war Jahr für Jahr nur eines: Die „Bullizei“ geriet so oder so in Rechtfertigungszwang, da sie – je nach Position der Beobachter – zu hart oder zu lasch gegen die Straftäter vorging.

Aus Sicht der Leipziger Verkehrsbetriebe ist es mehr als nur verständlich, auf Schadensbegrenzung zu setzen und im Zweifel weder Mitarbeiter noch Straßenbahnen unnötigen Gefahren auszusetzen. Aus Sicht der Stadt Leipzig ist es jedoch eine Bankrotterklärung erster Klasse, wenn ein kommunales Unternehmen ein Stück Leipzig zum „No-go-Area“ erklärt. Für Oberbürgermeister Burkhard Jung, der sich aus Anlass seiner „Wahlperiodenhalbzeit“ in der LVZ hier http://nachrichten.lvz-online.de/leipzig/citynews/leipzigs-oberbuergermeister-jung-will-zur-wahl-2013-erneut-kandidieren/r-citynews-a-7488.html erst kürzlich selbst aufs Vortrefflichste applaudieren durfte, ist die Kapitulation des ÖPNV-Unternehmens vor den alljährlichen Randalefestspielen eine fette Klatsche. Wie lobhudelte Jung so schön im LVZ-Gespräch: „Leipzig ist die anziehendste, attraktivste europäische Metropole Ostdeutschlands, wirtschaftlich wachsend, kreativ, lebendig und jung, umweltbewusst und gesund, kulturell spannend, mit einer selbstbewussten offenen Bürgerschaft ...“

... comment