Donnerstag, 15. Juli 2010
Auflagenzahlenspiele. Oder: 245861 sind keine Viertelmillion
Eigentlich bietet die Zeitungslektüre zurzeit ja kaum Überraschungen: In epischer Breite wird über die vermeintlich unerträgliche Hitze gejammert, dann werden Praktikanten ausgeschickt, um schwitzende Menschen über deren tolle Rezepte gegen die sommerlichen Temperaturen (Ja, es ist nun mal Sommer!) zu befragen, und am nächsten Tag widmet sich der geneigte Lokaljournalist wieder einmal denen, an deren Arbeitsplatz es derzeit besonders heiß zugeht oder –das ist der Gipfel der Kreativität – jenen, die vom Sommer gar nichts spüren, weil sie in gekühlten Technik- bzw. tiefgekühlten Lagerräumen arbeiten.
Dass ein Holzmedium auch mitten im Sommer ein schönes Blatt mit netten Überraschungen sein kann, beweist meine Lokalpostille, die nach eigener Aussage dem Qualitätsjournalismus verpflichtete Leipziger Volkszeitung. Eine kreative Idee sind die ganzseitigen Eigenanzeigen, mit denen die LVZ sich derzeit regelmäßig selbst auf die Schulter klopft. Diese erscheinen zusätzlich zur ohnehin veröffentlichten Werbung für eigene Produkte und Veranstaltungen, gewissermaßen als Mehrwert für den geneigten Leser.
Letzterer darf zum Beispiel erfahren, wie viele Zusteller allmorgendlich unterwegs sind, um das Blättchen in die Briefkästen zu befördern oder wie die Leute aussehen, die Tag für Tag den Raum zwischen den Anzeigen füllen. Heute erfreute mich meine Lokalpostille mit der ganzseitig verkündeten Botschaft „250 000 Stück“, soll heißen: Es geht um die LVZ-Druckerei, die – während die geneigte Leserschaft den Schlaf der Gerechten schläft – allnächtlich 250 000 Exemplare der LVZ in bester Qualität usw. druckt.
Das machte mich nachdenklich, denn eine durchschnittliche Auflage in (fast) dieser Höhe – exakt waren es 249.949 gedruckte Exemplare - hatte die LVZ zum letzten Mal im ersten Quartal 2009, nachzulesen bei der IVW, also hier http://daten.ivw.eu/index.php?menuid=12&u=&p=&t=Alphabetischer+Gesamtindex&b=a
Ein Jahr zuvor, im ersten Quartal wurden übrigens noch durchschnittliche 259 165 Exemplare gedruckt, im ersten Quartal 2010 lag die LVZ mit 245.861 reichlich um reichlich 4000 Stück unter der vollmundig verkündeten Viertelmillion.
Bei den Kennzahlen Verbreitung, Verkauf und Abo hat die LVZ im Quartalsdurchschnitt seit 2008 kräftig Federn gelassen, kräftiger als so manch andere Regionalzeitung im Osten. Zuwächse gab es nur bei den (bestenfalls) zum Nulltarif an die Airlines abgegebenen Bordexemplare bei den Rückläufern und beim „sonstigen Verkauf“, der im ersten Quartal 2010 immerhin 9999 Exemplare ausmachte. Darüber, ob und wie beinahe 10.000 Exemplare meiner Lokalpostille tatsächlich, an wen und zu welchen Konditionen „sonstig“ (d.h. nicht im Abo, Freiverkauf usw.) verklingelt werden, lohnt es sich wirklich nachzudenken ... Aber dieses Vergnügen möchte ich den geneigten LeserInnen meines kleinen, politisch immer korrekten Tagebuches nicht verderben – bildet Euch selbst eine Meinung.

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Der MDR hat sich letztlich auch kräftig auf die Schulter geklopft. Der sitzt ja auch in Leipzig.

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