Dienstag, 12. Februar 2013
Rücktritt eines Sektenführers. Oder: Wo leben wir eigentlich?
Breaking News, Sondersendungen, Brennpunkte - am gestrigen Rosenmontag verkam das ganze Karnevalsgenerve gottlob zur Nebensache. Parteibonzen äußern sich, geben Einschätzungen zur Lage ab. Sogar die Kanzlerin spricht. Am heutigen Fastnachtsdienstag gibt's in den Zeitungen* Sonderseiten en masse, Hintergrundberichte und lauter so Zeugs.
Was ist passiert? Krieg? Terror? Revolution?
Alles falsch: Der Führer einer skandalumwitterten, in unzählige Gewaltakte und Gesetzesverstöße verwickelten religiösen Sekte von schwindendem Einfluss ist aus Altersgründen zurückgetreten.

Hä? Stimmt.
Papst Benedikt XVI. gibt sein Amt zum 28. Februar 2013 auf. Geht's noch? Ich wähnte mich trotz diverser Wunderlichkeiten bisher in einem leidlich säkularen Staat, nun bringt der Schwanengesang des Kinderschändersektenhäuptlings alles durcheinander (und sicher steigen an den Tankstellen gleich die Preise).
Um von den LeserInnen meines kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuches nicht missverstanden zu werden: Natürlich herrscht in Deutschland Religionsfreiheit; lt. Grundgesetz http://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_4.html darf hierzulande jeder glauben, was er soll bzw. will. Und er darf seine Religion ausüben, wie sein Gott oder Fetisch es von ihm verlangt, er darf dazu lebende Tiere tierschutzwidrig ausbluten lassen, an lebenden Kleinkindern männlichen Geschlechts rumschnibbeln und Kleinstkinder, die noch nicht wirklich zu einem religiösen Bekenntnis fähig sind, schonmal "auf Vorrat" einem Gott weihen. Aber er darf auch ans Fliegende Spaghettimonster http://de.wikipedia.org/wiki/Spaghettimonster glauben; und das versöhnt mich mit der ganzen deutschen Religionsfreiheitsheuchelei ein wenig ...

Aber dass die bevorstehende Verrentung eines Sektenführers zur Nachricht Nummer 1 hochgekocht wird, ist für meine Begriffe wirklich ... pervers.

Apropos pervers: Dass dem ollen Ratzinger die deutsche Kerntugend der Pflichterfüllung am päpstlichen Gesäß vorbeigeht und er einfach aus Altersgründen hinschmeißt, glaube ich nicht wirklich. Wer weiß, wer da vor 50 Jahren wem in die Hose oder sonstwohin ...

* Eine sehr löbliche Ausnahme stellt die heutige TAZ dar. Sie präsentiert eine leere Titelseite, versehen mit dem Schriftzug "Gott sei Dank".

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