Donnerstag, 29. Januar 2015
Frontbegradigung bei der LVZ. Oder: Die heillose Flucht aus der Fläche hat begonnen
Um bei den LeserInnen meines kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuches keine Angst aufkommen zu lassen, sei ihnen vorweg verraten, dass die militant-martialische Überschrift natürlich nicht wörtlich zu verstehen ist. Hier geht es nicht um Krieg, sehr wohl aber um eine Absetzbewegung, die beim außenstehenden Betrachter den Eindruck von Flucht erwecken könnte.

Worum geht's? Meine Lokalpostille, die zumindest preislich eindeutig als Qualitätsmedium daherstolzierende Leipziger Volkszeitung, leidet am galoppierenden Auflagenschwund. Das ist nicht neu, aber leider stets aktuell. Wer sich die von der ivw http://ivw.de/aw/print/qa/titel/2700 veröffentlichten Zahlen für die LVZ-Gesamtausgabe anschaut, wird beim Vergleich 2013/2014 (jeweils 4. Quartal) einen Rückgang der Abos um 3,71% feststellen. Der Freiverkauf ist gleich um 13,71% gesunken. Dass die Verbreitung nur um 2,32% auf nunmehr 203.253 Exemplare abgerutscht ist, ist vor allem den Zuwächsen im Bereich der Bordexemplare (+12,05%) und der sonstigen Verkäufe (36,07%) zu verdanken. Mehr dazu hier https://de.wikipedia.org/wiki/Auflage_%28Publikation%29#Verbreitete_Auflage
Besser schaut es auch in der Stadt Leipzig nicht aus: Trotz steigender Einwohnerzahl wurden mit allen Tricks und Kniffen Ende 2014 nur noch 128.223 Exemplare der Stadtausgabe verbreitet (-2,44%), die Abos sanken um die üblichen 3,7%, die Einzelverkäufe um 14,74%; im Gegenzug legten die marketinglastigen sonstigen Verkäufe um 44,74% auf 6085 Exemplare zu. Bordexemplare und Sonstige Verkäufe der Stadtausgabe summieren sich auf 8911; das entspricht 6,95% verschleuderter Exemplare.
Dass es bei meiner Dorfausgabe, der LVZ Muldental, ähnlich aussieht, sei nur der Vollständigkeit halber erwähnt: Abos -3,7, Sonstige Verkäufe +201,92% (628 von 18745 ges.).

Allerdings dürfte sich gerade bei den LVZ-Ausgaben, die auf dem mehr oder minder flachen Land erscheinen, in den nächsten Monaten einiges tun. Noch vor wenigen Monaten erhielten die "Landeier" im Muldental per Abo oder Kauf beim Bäcker neben dem abgespeckten Leipziger Lokalteil eine Lokalbeilage, in der den beiden Städten Grimma und Wurzen jeweils eine Seite und den "diversen Kleckerdörfern" immerhin weitere Seiten eingeräumt wurden, dazu gab's Historie und Vermischtes; acht Seiten waren da die Norm. Außerdem fand sich im Sportteil der "großen Ausgabe" eine extra Lokalsportseite.
Inzwischen wurde hier gespart (aka "optimiert"). Der Lokalteil, also genau der Bereich, in dem eine Titel wie die LVZ punkten und Kompetenz beweisen sollte, ist auf sechs Seiten geschrumpft, einschließlich der hierher verschobenen Sportseite. Das Muldental mit seinen 16.820 Abolesern findet noch auf zwei Seiten statt, dazu gibt es eine sehr luftig gespiegelte Seite drei mit einem Thema des Tages und eine Seite vier, auf der unter dem Dach "Landkreis" berichtet wird. War ein zweispaltiges Foto imm sechsspaltigen Layout noch vor kurzem den wichtigen Beiträgen vorbehalten und ein dreispaltiges Bild beinahe eine Sensation, ist ein vierspaltiges Aufmacherbild mit Minitext heute üblich, Fünfspalter kein Grund zum Staunen. Selbst vor A4-formatigen Leserfotos mit abgesoffenen Schatten wird nicht zurückgeschreckt; im Gegenteil: So lässt sich das Blatt wohlfeil füllen.

Kritik an dieser unübersehbaren Leserverlade ist übrigens nicht wirklich wohlgelitten. Es geht das Gerücht um, dass eine im Muldental nicht ganz unwichtige Volkspartei mit einer (aus meiner Sicht sachlich formulierten) Kritik in Briefform bei der Kreisredaktion vorstellig wurde und um Veröffentlichung bat. Doch statt des Abdruckes habe es einen bösen Anruf aus den heiligen Hallen der Verlagszentrale gegeben, wissen die Kritiker zu berichten.
Nunja, ich bin auf die nächsten Zahlen der ivw gespannt. Hat jemand Lust auf einen Tipp?

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