Donnerstag, 8. November 2012
Telefonbuchgedanken. Oder: Wer braucht die Dinger eigentlich noch? Und wofür?
Früher war zwar nicht alles besser, aber anders. Zum Beispiel beimTelefonbuch. Das gab's in der Zelle (das war das Häuschen, indem sich die Münzfernsprechaparate befanden) und auf dem Postamt. Das Motto lautete: Nur gucken, nicht mitnehmen. Die Telefonbücher, die damals noch Amtliches Rufnummernverzeichnis hießen, wurden nämlich zugeteilt. Als Anschlussinhaber (so hieß der Kunde damals) erhielt man per Postkarte die Nachricht, dass die gelbe Schwarte zur Abholung bereitliegt. Also zu Post getrottet, Telefonbuch und Gelbe Seiten in Empfang genommen und von diesem Tag an augapfelgleich gehütet, denn das nächste gab es erst, wenn ein neues dran war. So war das Warten aufs Update vor einigen Jahren.
Heute liegen die Telefonbücher einfach so rum. Im Supermarkt, auf der Post, an der Tankstelle. Einfach so, immer schön paarweise einfoliert, zum Mitnehmen. Gestern fand ich sogar ein Kärtchen in meinem Briefkasten, dass mich darauf aufmerksam machte, dass hier und da Rufnummernverzeichnisse nur darauf warteten, von mir abgeschleppt zu werden.
Keine Angst, Telefonbuchverlag G. Braun, ich hab' mein neues Buch schon längst. Was sag' ich da, ich hab' eines für jeden Monat des kommenden Jahres, mindestens. Probleme würde mir allerdings die Beantwortung der Frage bereiten, wann ich in das dicke Ding zuletzt reingeschaut habe ... Das muss schon Jahre hersein. Die Schrift ist mir zu winzig, außerdem nervt die Blätterei. Wenn ich eine Rufnummer suche, schaue ich ins Netz. Außerdem: Haben Sie, liebe LeserInnen meines kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuches schon einmal versucht, per gedrucktem Telefonbuch eine Rückwärtssuche zu machen?
Sollte sich nun jemand fragen, wozu ich die Telefonbücher eigentlich einsacke, ist die Antwort ganz leicht. Die Dinger müssen weg, und sie bringen 7 Cent pro Kilogramm.
Das veranlasst mich natürlich zu einer Gegenfrage: Wie hoch ist eigentlich der Prozentsatz der Telefonbücher, die gleich ins Altpapier geworfen werden?

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Donnerstag, 11. Oktober 2012
Reisen bildet Teil 2. Oder: Griechenland ohne Merkelbrille
Im vergangenen Monat hatte ich Gelegenheit, mich ein wenig zwischen Athen und Korinth und auf dem Peloponnes umzusehen. Wirklich nur ein wenig, aber da ich vergleichbare Gelegenheiten bereits 2010 (damals wesentlich ausführlicher) und 2011 hatte und ich nicht mit Merkelforce One unterwegs war, haben meine Eindrücke schon ein wenig Realitätsbezug.

1. Die Griechen sind hart im Nehmen und stecken was ein. Das meine ich jetzt nicht ironisch. Im Gegenteil. Würde man die deutsche Bevölkerung mit Sparmaßnahmen von griechischem Ausmaß behelligen und Besitzstände im öffentlichen und privaten Sektor so gravierend beschneiden wie in Hellas geschehen, brauchten wir in Deutschland weder Licht noch Heizung, denn dann würde hier die Luft brennen.

2. Die EU kippt Fördermittel ohne Sinn und Verstand nach Griechenland. Die Nationalfarbe blau sieht man nicht nur auf den zahlreichen Flaggen, sondern mindestens ebenso oft auf Schildern mit dem EU-Logo. Da werden mitunter wundersame Dinge gebaut, verlegt oder saniert, für die die EU die Knete schickt. Mein drastischste Beispiel erlebte ich 2010 in einem gottverlassenen Gebirgsdorf auf dem Peloponnes, das über eine magere Freileitung fragwürdiger Stabilität mit Strom versorgt wird. Das Kaff ist von der nächsten Straße, die diesen Namen noch verdient, etwa zehn Kilometer entfernt und nur über ein mehr oder minder befestigtes Weglein zu erreichen, das sich zu den maximal 20 Häusern in abenteuerlichen Serpentinen emporwindet. Ausgebremst wurde ich von einem Fahrzeug, das diesen Weg vor mir emporkrabbelt. Mit einem riesigen Diamantrad wurde ein Schlitz ins Weglein gesägt. Hinein kam, man höre und staune, ein Glasfaserkabel, das den 20 Hütten zu einem Breitbandanschluss verhalf. Ein großes Schild kündete mit noch größeren Euro-Zahlen von der Förderung durch die EU. In Deutschland heißt es beim Thema Breitband im ländlichen Raum in der Regel "Wirtschaftlich nicht darstellbar.".

3. Die Griechen machen nicht jeden Scheiß mit. E10? Umweltplakette? Fehlanzeige! Gut so!

4. Die Krise ist an allen Ecken und Enden zu sehen. Da ich z.B. 2010, 2011 und 2012 Ende September jeweils zum selben Wochentag und zur selben Uhrzeit vom Athener Zentrum in Richtung Korinth unterwegs war, ist mir nicht entgangen, wie sehr der Straßenverkehr nachgelassen hat. Das betrifft die privaten Pkw, noch deutlicher aber den Lkw-Verkehr. Deutlich sichtbar ist auch der Rückgang der Touristenzahlen, aber auch die Kundenfrequenz in den unzähligen Kneipen im Athener Zentrum sowie in all den Ramsch- und Souvenirläden rund um die Akropolis.
Aber es gibt nicht nur Rückgang, sondern auch Zuwächse: Die Zahl der "Zu verkaufen"-Schilder ist geradezu explodiert. Ganz gleich, ob Betriebsgrundstück an einer Ausfallstraße, halbfertiges Invest-Projekt oder Auto - die Schilder sind allgegenwärtig. So sieht Krise aus.

Und wie geht es weiter?
Ein paarhundert Milliarden später wird wahrscheinlich auch der letzte Politfanatiker in Berlin, Paris und Brüssel einsehen und zugeben (!), dass die Sache mit dem Euro gelaufen ist. Griechenland hat auf alle Fälle Zukunft und gute Chancen, aus der Misere wieder herauszukommen - aber nicht unter der Euro-Flagge.

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Mittwoch, 3. Oktober 2012
Rollback. Oder: Weg mit dem EU-Dikat - zumindest stellenweise
Heute habe ich wahre Größe bewiesen. Ich habe einen Fehler eingestanden und Konsequenzen gezogen. Als - zumindest numerisch - relativ erwachsener Vertreter des männlichen Geschlechtes tue ich mich schwer mit einem solchen Schritt und habe ihn lange hinausgezögert. Zwei Jahre lang habe ich gebockt, ausgesessen, gezetert, argumentiert und weggehört. Doch nun, zum Tag der deutschen Einheit, habe ich meinen Fehler korrigiert.
Da sich die geneigten LeserInnen meines kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuches sicher fragen werden, um welchen Fehler es sich wohl handeln mag, möchte ich ihnen des Rätsels Lösung nicht vorenthalten. Ich habe zwei Energiesparlampen, die den Zugang zu meinem Büro er"hellen", rausgeschmissen und durch zwei Glühlampen a' 40 Watt ersetzt. Nun kann ich die Treppe zu meinem Büro wieder bei Bedarf beleuchten und bei Nichtbedarf in Dunkelheit hüllen. So, wie es sinnvoll und bis 2010 auch gewesen ist. In den vergangenen beiden Jahren war es anders: Da ließ ich die gemächlich erstrahlenden Energiesparlampen meist brennen, da diese ihr energieökonomisches Leuchten meist erst dann begannen, wenn die dunkle Passage überwunden und keine Erhellung mehr nötig war. So leuchteten sie dann sparsam vor sich hin, leuchteten und leuchteten - und verbrauchten mehr Strom als besagte 40-Watt- Glühlampen. Und ich muss sagen, dass es ein gutes Gefühl ist, den EU-Schwachsinn zu korrigieren. Und es war ganz leicht ... wenn sich der restliche EU-Humbug doch ebenso leicht erledigen ließe ...
PS.: Nur falls jemand Interesse hat - ich hätte da einige Energiesparlampen (E14-Sockel, Reflektor) abzugeben. Wirklich schöne Dinger ...

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Donnerstag, 20. September 2012
800 Jahre Thomasschule. Oder: Warum ich da nicht mitmache.
In Leipzig wird gefeiert. Wenn in dieser Stadt unter ihrer aktuellen Führung schon vieles die Pleiße runter geht, so doch nicht die Feierlaune. Nein, es sind noch nicht die Höfe am Brühl, deren Eröffnung alle ganz dolle glücklich gucken lässt (Meine journalistisch auf höchsten Niveau tätige Lokalpostille, die Leipziger Volkszeitung, widmet diesem Nicht-Ereignis auf ihrer Homepage sogar einen Herunterzähler, in ihrer Holzausgabe darf die geneigte Leserschaft nun täglich neue tolle Dinge über das Einkaufszentrum erfahren, so dass nur die Frage bleibt, wie die Stadt Leipzig die vergangenen Jahrhunderte ohne besagten Shoppingbunker überdauern konnte), sondern das 800-jährige Bestehen der Thomasschule.
Diese Schule ist die älteste öffentliche Schule Deutschlands und in Bildungsangelegenheiten die Heimat des Thomanerchors.
Nun mögen sich die regelmäßigen LeserInnen meines kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuches fragen, weshalb ich als bekennender Nichtsänger (Okay, nach 13 Bier soll ich schonmal eine gewisse Sangesfreude entwickelt haben, aber das ist verjährt.) über das Jubiläum der Thomasschule schreibe.
Ganz einfach: Eines der vielen Wunder des DDR-Bildungswesens war die Lenkung junger Menschen gegen Ende der 8. Klasse auf diverse Erweiterte Oberschulen, also Gymnasien. Diese Lenkung verschlug mich an die Thomasschule. Um nicht missverstanden zu werden: Ich bin Naturwissenschaftler, mit der Singerei habe ich nichts am Hut. Zweimal durfte (besser: musste) ich während meiner vier Oberschuljahre im Musikunterricht nach vorn kommen um eine fröhliche Melodei vorzutragen. Beide Auftritte prägten meinen Ruf nachhaltig und bewogen unseren Musiklehrer, einen abgebrochenen Pianisten (ä Künschdlor), mir weitere Darbietungen zu erlassen. Ich sage nur "Ode an die Freude" und "Einheitsfrontlied".
Statt dessen durchlebte ich vier fröhliche Jahre in einer sogenannten naturwissenschaftlich orientierten Klasse und kannte die trällernden Thomaner nur vom Treppenhaus, wo sie mir als spillerige, ätherische Gestalten auffielen, die von den Nichtthomanern belächelt, aber wegen ihrer Westreisen auch beneidet wurden.
Die Nichtthomaner machten zu meiner Zeit (Mein Abi erhielt ich 1979) übrigens den Löwenanteil der Thomasschüler aus, da die größte DDR der Welt erkannt hatte, dass es sich nicht lohnte, für so ein paar Sängerlinge eine komplette Schule aufzuziehen. Heute sieht man das ja wohl anders ...
Doch zurück zum Jubiläum und meinem Boykott desselben. Im Vorfeld der Feierei erreichten mich mehrere Anfragen mit dem Inhalt, mich als Alumnus doch an der Aufarbeitung der Schulgeschichte zu beteiligen. Nun bin ich prinzipiell der netteste mir bekannte Mensch und mache auch bei solchem Zinnober mit, denn man wird ja 1. nicht dümmer, 2. machen die ja auch nur ihren Job und 3. gibt's dafür ja manchmal ein Freigetränk.
Doch die Thomasschulengeschichtsaufarbeitung ließ ich links liegen. Der mir zugeschickte Fragebogen war schuld. Nein, es lag nicht an der zu kleinen Schrift, sondern an den Fragen, die aus meiner Sicht arg suggestiv angelegt waren und meiner Meinung nach den Zweck erkennen ließen, die Einflussnahme der pöhsen, pöhsen DDR-Diktatur auf den Schulbetrieb herauszuarbeiten.
Um nicht missverstanden zu werden: Ich bin keiner der "Es war nicht alles schlecht"-Töner und sehe mich durchaus als Opfer, weil ich vom Links- zum Rechtshänder umgeschult wurde. Aber wenn mir Fragen gestellt werden, wie "Wie sehr haben Sie gespürt, dass ..." - dann reagiere ich genervt.
Gut, Schulzeit ist lange her und im Rückblick verklärt sich so manches. Und selbst das verordnete GST-Lager stellt sich mir aus heutiger Sicht als lustiger Sommerausflug nach Rügen samt Knutscherei mit irgendeiner Tochter besorgter Urlauber dar ...
Aber Diktatur, Stasi, Indoktrination ...? Hey, wir hatten einen vergrießgnaddelten Lehrer im Fach Staatsbürgerkunde, der so alt und so daneben war, dass dem niemand wirklich was glaubte. Und in der Wehrerziehung? Die Zeit musste man absitzen, das sahen Lehrer und Schüler so und machten daraus auch keinen Hehl. Und dass irgendein Uraltlehrer, der schon bei seinem Studium an der Arbeiter- und Bauernfakultät 30 Jahre zuvor alt gewesen sein muss, in der 12. Klasse eine gemischtgeschlechtliche jugendliche Rumalberei mit dem Aufschrei "keiiiin Gruuuuppensex" unterbinden wollte, war einfach nur ein Brüller und blieb ohne Konsequenzen, weil den alten Zausel weder Schüler noch Direktor ernst nahmen.
Zugegeben, ein paar Selbstzweifel hatte ich schon, als ich die Jubiläumsfragebögen als "Dämlicher Propagandascheiß von Spätgeborenen" abtat, schließlich weiß ich ja, dass richtige Historiker (also nicht Guido Knopp) auf Zeitzeugen schlecht zu sprechen sind, weil es diesen an Objektivität mangelt.
Aber meine Selbstzweifel (okay, die waren sehr, sehr klein) schwanden restlos, als ich einige andere Thomasschüler, zu denen ich mehr oder minder losen Kontakt habe, nach ihrer Meinung befragte und recht einhellig den Kommentar "Die spinnen doch" erhielt.
Nun denn, die Festwoche wird sicher ein Erfolg werden und der große Jubiläumsball am 22.9.2012 wird auch eine tolle Kiste, bei der vor allem die Unbeteiligten, wie Leipzigs OBM Burkhard Jung, große Reden schwingen werden. Damit, dass ich das verpasse, kann ich gut leben. Vor allem, weil ich mal wieder erleben durfte, wie objektive Geschichtsschreibung funktioniert.

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Montag, 17. September 2012
Total buy out bei Coldplay und der LVZ. Oder: Überraschend ist anders.
Manche Dinge sind vorhersehbar, viele deutsche Filme z.B., denen das Überraschungsmoment fehlt, in denen immer die selben Larven zu sehen sind und deren Handlung man in irgendeinem Ami-Streifen auch schon mal gesehen hat.
Andere vorhersehbare Dinge hingegen bescheren mir einen erheblichen Lustgewinn, so z.B. die Berichterstattung meiner Lokalpostille, der nach eigenem Glauben irgendwie dem Qualitätsjournalismus verpflichteten Leipziger Volkszeitung.
Wie das geht? Ganz einfach: Am 14. September 2012 trat Coldplay in Leipzig auf. Zuvor hatte der Deutsche Journalistenverband DJV hier http://www.djv.de/startseite/profil/der-djv/pressebereich-info-download/pressemitteilungen/detail/article/boykott-gegen-coldplay.htm die Pressefotografen zum Bouykott der Veranstaltung aufgerufen.
Hintergrund: Das Coldplay-Management lässt Fotografen eine Erklärung unterschreiben, dass die angefertigten Aufnahmen nur in einem vorher zu benennenden Medium veröffentlicht werden dürfen. Außerdem müssen sie ihr Bildmaterial Coldplay zur kostenlosen weltweiten Verbreitung zur Verfügung stellen.
Was macht meine Lokalpostille? Berichtet am 14. September in epischer Breite vorab über das Ereignis, am 15. September landet ein Coldplay-Foto des LVZ-Fotografen Wolfang Zeyen vierspaltig auf dem Titel, im "Kulturteil" wird euphorisch nachgelegt (noch zwei Fotos) und heftigst lobgetextet.*
Boykott? Wozu? Wir haben doch einen Medienpartnerschaft, und außerdem: Was interessieren uns die Urheberrechte der Fotografen (und freien Autoren)? wir machen's doch nicht anders, wer von uns ein Honorar bezieht, verkauft sich bzw. sein Werk mit Sack und Seele an den Verlag. Wer's nicht glaubt, lese das Kleingedruckte in den Honorarbedingungen, dort finden sich sehr schöne Klauseln, die in der Branche als "total buy out" bezeichnet werden.

*Dass es auch anders geht, bewies die "Junge Welt" in den Achtzigern, als nach dem Debakel der DDR-Fußballclubs im Europacup einfach mal eine Sportseite (fast) leer blieb. Köstlich nachzulesen hier http://www.freag.net/de/t/j1q/zeitung_mit_lee

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Mittwoch, 12. September 2012
Erneuerung und Kontinuität bei der Leipziger Volkszeitung. Oder: Der Pressekodex ist weiterhin ein Jux.
Meine Lokalpostille, die nach eigenem Anspruch dem Qualitätsjournalismus verpflichtete Leipziger Volkszeitung hat einen neuen Chef. Also eigentlich hat die LVZ noch mehr, denn der geschasste Chefredakteur, Bernd Hilder aka „Onkel Bernd“, steht ja laut Arbeitsgerichtsurteil weiter in den Diensten der LVZ. Genauer gesagt liegt er wohl, und zwar in seiner vom Verlag gesponserten Dienstwohnung, wo er sich vor lauter Lachen über die gut honorierte Weiterbeschäftigung auf dem Boden wälzt. Na immerhin, dazu braucht er keine Moderationskärtchen.
Doch zurück zum neuen Chefredakteur der Leipziger Volkszeitung. Der ist ein Nordlicht namens Jan Emendörfer und nun auch schon einige Zeit im Amt. Die Stimmung im Haus an der Klagemauer ist ein wenig besser als unter Onkel Bernd (schlechter wäre auch nicht wirklich gegangen), der Zeitung sieht man den Personalwechsel an. Die gute Nachricht zuerst: Den neuen Chef drängt es offensichtlich nicht so massiv ins Blatt wie seinen Vorgänger. Die Zahl der Der-Chef-war-auch-hier-Bilder ist gesunken und die Menge der sinnfreien Chef-Kommentare hat abgenommen. Das tut dem Blatt optisch und inhaltlich gut.
Die schlechte Nachricht: Mit „Big E“ hat im Verlagshaus an der Klagemauer die Freistelleritis Einzug gehalten. Um von den regelmäßigen Lesern meines kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuches nicht missverstanden zu werden: Ich finde Freisteller gut und setze sie bei meinen Produktionen selbst ein; allerdings nicht endemisch und nur dort, wo ein freigestelltes Motiv ein Gewinn ist. In der heutigen LVZ-Ausgabe bietet der Anreißer unter dem Titel drei Freisteller: Einen Kabarettistenkopf, ein Tempo-20-Schild und einen Riesenwels. Alle drei sind unnötig, das Verkehrsschild ist handwerklicher Müll, weil es die Webadresse der LVZ verdeckt (okay, nicht wirklich ein Verlust, aber das tut man nicht), der Wels ist einfach Sch…rott, weil er oben (also mit dem Buckel) freigestellt wurde, die (freistellwürdigen) Barteln dagegen bleiben brav im Rahmen. Den diesen Murks verzapft habenden Hilfskräften sei als kollegialer Rat die intensive Betrachtung einiger WamS-Ausgaben empfohlen, da werden sie geholfen und man lernt sie, wie’s aussehen sollte. *g*
Weiter im Text: Insgesamt gibt sich meine Lokalpostille unter „Big E“ deutlich frischer, lockerer und boulvardesker, das soll wohl eine junge Zielgruppe ansprechen, die es nicht so mit dem Holz hat. Da aber die Qualität dem Preis aber nicht wirklich angemessen ist, dürfte die Wirkung dieser Anbiederungsversuche eher gering sein.
Und was noch? Es gibt mindestens eine beeindruckende Kontinuität zwischen Onkel Bernd und Big E. Der Pressekodex geht beiden offensichtlich meterweit woch auch immer vorbei. Wer’s genau wissen will, schaue sich den so genannten „Wirtschaftsteil“ meiner Lokalpostille auf Seite 6 des heutigen ersten Buches an (Gern verlinkte ich diesen, allerdings steht dem das neue Leistungsschutzrecht im Wege, weitere Infos auf Anfrage). Dort wird in epischer Breite Propaganda für die bevorstehende Eröffnung der „Höfe am Brühl“ gemacht. Wie auf einer halben nordischen Seite kritikfrei für das in Leipzig durchaus umstrittene 200-Mio-Projekt der MFI geworben wird, das ist schon Gefälligkeitsjournalismus vom Allerfeinsten. Der Pressekodex (guckst Du http://www.presserat.info/inhalt/der-pressekodex/pressekodex.html ), hier sei besonders die Ziffer 7 (*s.u.) zur Lektüre empfohlen, sieht da eine andere Verfahrensweise vor.
Ein G’schmäckle bekommt das Ganze, wenn man an das Vertragswerk denkt, das wohl über den Tisch eines gewissen Dottore (aka Gorbi) gegangen ist und das u.a. eine Anzeigenkampagne und Beilagen zum Inhalt hat. Über die begleitende Berichterstattung rede ich jetzt gar nicht.
Was lehrt uns das? Das es auch in diesen bewegten Zeiten Dinge gibt, die Bestand haben; und wenn es nur die schlechten Praktiken gewisser Verlagshäuser sind … so ist es doch gut so.


*Ziffer 7 – Trennung von Werbung und Redaktion
Die Verantwortung der Presse gegenüber der Öffentlichkeit gebietet, dass redaktionelle Veröffentlichungen nicht durch private oder geschäftliche Interessen Dritter oder durch persönliche wirtschaftliche Interessen der Journalistinnen und Journalisten beeinflusst werden. Verleger und Redakteure wehren derartige Versuche ab und achten auf eine klare Trennung zwischen redaktionellem Text und Veröffentlichungen zu werblichen Zwecken. Bei Veröffentlichungen, die ein Eigeninteresse des Verlages betreffen, muss dieses erkennbar sein.

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Dienstag, 11. September 2012
9/11-Gedanken. Oder: Nachdenkbefehl
Endlich, es wieder mal 9/11 (vulgo: 11. September). Denjenigen LeserInnen meines kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuches, die mich etwas näher kennen, sei gesagt, dass ich an dieser Stelle nicht über die Bedeutung dieses Datums für mich fabulieren möchte, sondern über 9/11 schlechthin.
Die Frage, die ich mir seit 2002 immer wieder stelle, ist folgende: Wie lange wollen die Yankees (vulgo: Amis) eigentlich noch diese Opfernummer abziehen, wie lange wollen sie noch so tun, als wären sie kalt von einem „feigen, terroristischen Anschlag“ (warum eigentlich feige?) erwischt worden? Okay, gleich wird jemand das Stichwort „Godwin’s Law“ anbringen (ich würde es in diesem Fall sofort tun), aber … auch Gleiwitz ist ja weniger für seine Jugendstilarchitektur als vielmehr für einen alten hölzernen Sendemast bzw. den vorgetäuschten Anschlag auf selbigen http://de.wikipedia.org/wiki/%C3%9Cberfall_auf_den_Sender_Gleiwitz bekannt.
Allen, die bei 9/11 noch immer an die Anschlagsversion „von außen“ glauben, sei die intensive Lektüre der in Gottes eigenem Land erschienenen offiziellen Berichte zur Causa empfohlen. Zahlreiche Quellenverweise, eine gute Zusammenfassung und einige interessante Denkanstöße liefert hier http://www.heise.de/tp/artikel/35/35438/1.html Telepolis in gewohnter Qualität.
Wer nach dem Studium besagten Berichtes noch immer davon ausgeht, dass finanziell gut ausgestattete Terroristen ohne Zugang zum „inneren Kreis“ mal eben so das fliegerische Handwerk (bis aufs Landen) erlernt, vier Flugzeuge entführt und damit ihre gut koordinierten Anschläge ausgeführt haben, sollte intensiv über seine Geistesverfassung nachdenken und diese ggf. prüfen lassen.
Doch eines steht fest: Er bzw. sie wird glücklich bis ans Ende seiner/ihrer Tage leben. Warum? „Selig sind die, die arm sind im Geiste, denn ihrer ist das Himmelreich bereits auf Erden.“ Amen oder so.
Allen anderen sei empfohlen, sich nun eine klassische Frage zu stellen: Wem nützt es?
Allerdings sollten die geneigten LeserInnen das nicht zu laut und nicht zu öffentlich tun, zumindest dann nicht, wenn sie sich mit dem Gedanken tragen, am NY-Marathon teilzunehmen oder den Grand Canyon zu besichtigen. Nur zu schnell landet man für allzu gefährliches Gedankengut nämlich hier http://de.wikipedia.org/wiki/No_Fly_List#Watch_List_zur_Einreise_in_die_USA

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Mittwoch, 29. August 2012
Sag nie nie. Oder: Manchmal zwitschert's nun doch
Okay, man soll nie nie sagen. Irgendwann habe ich mal gesagt, dass Twitter und Facebook auch ohne mich klarkommen. Zumindest in punkto Twitter hat sich das heute geändert. Da ich einen beruflichen Zwitscherauftrag habe, musste ich den passenden Account zulegen. Und weil ich einmal dabei war, habe ich auch gleich noch @Zeitungsdieb aktiviert. Unter diesem Account gibt es künftig allerlei kurze Gedanken von mir; also genau das, was ich in meinem kleinen, politisch mitunter nicht korrekten Tagebuch ansonsten tunlichst vermeide. Wer sich dafür interessiert, möge mir die Gefolgschaft erklären.
Achja, was es unter @Zeitungsdieb ganz sicher nicht geben wird, sind Zwitscherdinger in der Art "Guten Morgen, es geht mir heute schlecht" oder "Es ist zehn Uhr, wer ist später?". Und auch meinen Speisen- und Getränkekonsum werde ich nicht posten.
PS.: Was Facebook angeht, so gedenke ich, meine Abstinenz weiter zu pflegen.

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Mittwoch, 25. Juli 2012
Autohandelsgedanken. Oder: Geplatzter Deal mit einem jungen Fahrfreudeverkäufer
Vor ein paar Tagen las ich in meiner Lokalpostille, dass die meisten Autohersteller unter sinkenden Verkaufszahlen leiden. Wenig später saß ich in einem schnieken Autohaus im Süden Dresdens einem jungdynamischen Verkäufer gegenüber. Es ging im ein eher kleines Gefährt, das seine wenigen Insassen - bei zwei Menschen ist das Gerät voll - mit viel Frischluft und Fahrfreude beglücken soll. Und es ging um ein anderes kleines Gefährt, das seine wenigen Insassen - auch hier passen nur zwei Menschen hinein - schon elf Jahre lang mit viel Frischluft und einer sehr puristischen Form der Fahrfreude verwöhnen darf, nun aber ein wenig in die Jahre gekommen ist und zudem seine Mami, sprich: seinen Hersteller, dank Pleite verloren hat (Geile Denkaufgabe, gelle?).
Doch zurück zum ersten kleinen Auto. Das ist ein Vorführdingens (vulgo: Hure), auf dem schon diverse Ausprobierer unterwegs warenund den Tacho auf mittlerweile 5.000 km gerollt hatten. Ein paar klitzekleine Spuren hat diese Behandlung auch hinterlassen, deren ärgste ist eine gut sichtbare Schramme im edlen Ledergestühl.
Ein im Kofferraum des Vorführspaßmachers liegendes Pappschild rief für besagtes Gefährt einen Preis von 24.000 Euro (ja, den Euro gibt es noch; aber nicht mehr lange ...) beim km-Stand 000060 auf. Die Frage nach dem aktuellen Preis angesichts des nun doch deutlich gestiegenen Vorführkilometerstandes beantwortete die smarte (nein, es geht hier nicht um so einen Elefantenpantoffel) Verkäuferpersönlichkeit lächeln mit den Worten "Da ändert sich nichts, wir haben den Preis so kalkuliert, dass er bis 14.000 km passt."
Nun bin ich zwar schon ein klein wenig älter, aber noch nicht senil. Aus jahrelanger Erfahrung weiß ich, dass im Fall der Fälle, z.B. bei einer Leasingrückgabe, jeder Kilometer zählt - zumindest dann, wenn es ein mehr-km ist. Aber ich schwieg stille und genoss das Gespräch.
Selbiges drehte sich daraufhin um das zweite kleinere Auto, das elf Jahre alte mit seinen 140.000 km auf der Uhr. Dieses sollte in Zahlung gegeben werden und war "laut Schwacke" noch gute 2.000 Euro wert. Angesichts des guten Wartungszustandes und einer sehr oppulenten Zusatzausstattung - gemeint sind damit keine Duftbäumchen usw., sondern eher unverschleißliche Dinge wie Hardtop, Windschott, edelstählerne Überrollbügel etc.) ging die Peilung in Richtung 2.500 Euro (ja, auch jetzt gibt's den Euro noch, aber wie das am Ende des Eintrags aussieht ...).
Der jungdynamische Spaßverkäufer sah das anders. Ein kaum sichtbares Kratzerchen hier, eine matte Stelle da ... "und sehen Sie, hier könnte mal eine Katze langgelaufen sein ..." - in den Augen des jungen Genies rollten die Eurozeichen; allerdings in Richtung 1.500 Euro.
Wie bereits erwähnt, bin ich noch nicht ins Stadium der Senilität eingetreten und habe auch schon mal davon gehört, dass "laut Schwacke" mit den Jahren auch leichte Mängel normal sind. Das ist wie bei einem Menschen - wenn der mit 97 Jahren ein wenig verschrumpelt aussieht, ist das auch normal; niemand würde dass als Symptom einer schweren Dehydrierung deuten.
Nach einer Nacht Bedenkzeit kam das Geschäft dann doch nicht zu Stande. Schlimm genüg, wenn all die Merkels, Gabriels, Steinbrücks, Schäubles ... (schriebe ich hier alle in Frage kommenden Namen auf, wäre der Euro längst Geschichte) dieser Welt mich nach Strich und Faden verarschen. Aber so ein halbes Hemd von jugendlichem Fahrfreudeverkäufer? Nö, nun spendet der heckgetriebene Kleinstbolide aus der Produktion der nicht mehr existierenden englischen Firma noch ein paar Jahre Spaß. Ist auch besser so, von wegen Nachhaltigkeit ...

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Donnerstag, 28. Juni 2012
Erinnerung an Onkel Bernd. Oder: Forget Hilder.
Beim schnellen Blick in die Referrer, d.h. in die Links, über die Menschen zu meinem kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuch gelangt sind, stieß ich heute auf mehrere Referrer via "Onkel Bernd". Okay, es handelt sich dabei um Tagebucheinträge über Bernd Hilder, den gottlob ehemaligen Chefredakteur der Leipziger Volkszeitung, den ich mit konstanter Boshaftigkeit als "Onkel Bernd" beschrieben habe, obwohl besagter Supercharismatiker nun wenig Onkelhaftes an sich hat.
Doch jedesmal, wenn ich "Onkel Bernd" lese, muss ich grinsen. Nein, nicht so wie das Angela Merkel bei einem Tor der deutschen Nationalelf tut: Mundwinkel knapp über Knienscheibe, viel zu enges grünes Jäckchen, dazu der Gesichtsausdruck einer frisch ausgeackerten Maus. Nein, wenn ich "Onkel Bernd"-Input erhalte, grinse ich wie ein Smiley, da sausen die Mundwinkel an den Ohrläppchen vorbei und begegnen einander am Hinterkopf.
Warum? Weil ich mit Onkel Bernd eine Erinnerung verbinde, die so drehbuchreif ist, dass Bernd Hilder dagegen nicht mal anstinken könnte, wenn er es doch auf den Intendantensessel des Mitteldeutschen Schunkelrundfunks geschafft hätte. Und die Erinnerung an Onkel Bernd geht so:
Einst (also in den 80ern) arbeitete ich als Assistent an der Karl-Marx-Universität Leipzig und machte mit überschaubarem Erfolg "in Halbleiter", ehe ich mich dann doch dem Journalismus (aka Lebenskünstlertum) zuwendete.
Unsere Forschungsgruppe war bunt gemischt, sie umfasste vom systemrelevanten Professor über der spitzelnden Doz. dr. sc. nat bis hin zum akademischen Bodensatz (in dem auch ich mich suhlte) allerlei putziges Volk.
Dazu zählte eine seinerzeit knapp 30-jährige Dottoressa aus gutem sozialistischem Hause, die auf Karriere aus und alleinerziehende Mutter einer noch nicht schulpflichtigen Tochter war (Die regelmäßigen Leser meines kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuches wissen: Das ist der Typ Frau, den ich gern damit beschreibe, dass "die mit dem Arsch Nüsse knacken kann". So sah sie auch aus). Außerdem gehörte in besagte Gruppe ein junger,dynamischer, verklemmt wirkender Forschungsstudiosus namens Bernd, der ganz emsig arbeitete und kein Wässerchen trüben konnte.
Eines lustigen Tages waren wir alle zur Nussknackersfrau eingeladen, um ihren Geburstags zu feiern. Bei Speis' und Trank verging die Zeit, irgendwann war es 21 Uhr, als das Töchterlein der alleinerziehenden Mutter auf der Bühne erschien und mit ihrer Frage, gestellt in kindlicher Naivität, den bis dahin eher langweiligen Abend rettet: "Mama, schläft der Onkel Bernd heute wieder bei uns?"
Vielleicht vermögen die LeserInnen meines kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuches nun nachvollziehen, weshalb ich Bernd Hilder (aka Onkel Bernd) nie ernst nehmen konnte.
Wobei: Manchmal frage ich mich, ob ich Onkel Bernd ohne dieses Erlebnis in der Leipziger Kuchengartenstraße ernster nähme ...

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