Dienstag, 17. März 2009
Schneckenpost. Oder: Es gibt ihn noch ...
Gestern habe ich einen Brief verschickt. Das ist sicher nichts Spektakuläres und ich tue solche Dinge durchaus hin und wieder und schaffe das sogar ohne fremde Hilfe. Aber der gestrige Brief war - vorsichtig formuliert - etwas Besonderes. Der Empfänger, der den von mir befüllten Umschlag heute in seinem Kasten vorfinden dürfte, ist ein mittelalter Mensch. Er rief in meinem Büro an und bestellte ein Abo für eine Fachzeitschrift, die ich produziere.
Nun bin ich kein Bürokrat, doch wir befinden uns in good old Germany, folglich muss für den Abschluss eines solchen Vertrages eine schriftliche Willenserklärung vorliegen. Nichts einfacher als das, pflegte früher Schweinchen Frederic (das vom West-Sandmännchen) seiner Schwester Pigeldy zu sagen. Nichts einfacher als das, sagte auch ich und bat den Anrufer um Nennung seiner E-Mail-Adresse. So etwas habe er nicht, erfuhrt ich. Gleichlautend war auch die Antwort auf meine Bitte um Nennung einer Faxnummer - und ich wusste: Es gibt ihn noch, den Kommunikationsverweigerer. Nicht nur in Hinterandalusien oder Nordostsibirien, sondern auch hier, mitten in Deutschland.

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Freitag, 13. März 2009
Pfeiffergeiferfreies Leipzig. Oder: Der Osten hatte noch mal Glück
Es liegt mir fern, über den Amoklauf in Winnenden irgendwelche dummen Sprüche abzulassen. Das haben die hinreichend bekannten Worthülsenwerfer aus der Politik schon reflexartig praktiziert: "Killerspiele verbieten", "Waffengesetz verschärfen", "Schulen sicherer machen" usw.
In zwei Punkten bin ich allerdings froh.
Zum einen: Die Bluttat ist im Musterländle geschehen und nicht im Osten der Republik. Wäre letzteres der Fall, hätte Kriminologe Pfeiffer wieder einmal auf die DDR-Kindergärten verwiesen, in denen die Ossies in Reih und Glied auf dem Töpfchen sitzen mussten und so für spätere Wahnsinnstaten geprägt wurden. Das ist keine Ironie, sondern bitterer Ernst, der Mann hat Dinge in der Art schon formuliert. Und auch Brubbelböhme aus der Staatskanzlei von Sachsen-Anhalt kann nun nicht herumnuscheln, dass die angeblich gehäuften Abtreibungen der DDR-Frauen dran schuld seien.
Zum anderen: Die unfassbare Tat des Tim K. hat den Medien Futter gegeben. Ohne auf Beweise zu achten oder gar Fakten zu prüfen wurde getwittert, gesendet und gedruckt auf Teufel komm raus - die Wahrheit geriet bei Focus und Co. so gründlich unter die Räder wie eigentlich nur in Kriegszeiten. Dieses Wetteifern der blutrünstigen Meute und das Rennen um die heißeste Information haben dazu geführt, dass die Festnahme des mutmaßlichen Mörders im Fall Michelle schnell aus den bundesweiten Schlagzeilen verschwunden ist. Danke!
Denn so ist Leipzig noch einmal davongekommen, bundesweit als vermeintliche Hochburg irgendwelchen Mordgesindels breitgeschmiert zu werden. So blieb es meiner Stadt erspart, vom Pfeiffergeifer bespuckt zu werden. Auch wenn der Preis dafür hoch ist.

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Freitag, 6. März 2009
Vergebliches Werben. Oder: Neue Besen wollen's wissen
In meinem kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuch lästerte ich vor einer Woche über die Eigenart der Bayerischen Beamtenkrankenkasse, mich hin und wieder per Brief als Mitglied werben zu wollen – obwohl ich es schon bin. Schuld daran sind nach Aussage von Mitarbeitern falsch gesetzte Selektionskriterien im Datenbestand (guckst Du hier: http://zeitungsdieb.blogger.de/stories/1349122/ ).
Aber nicht nur bei Krankenkassen arbeiten – ähem – unfitte Mitarbeiter, sondern auch bei meiner Lokalpostille, der Leipziger Volkszeitung. Für die Stammleser meines Tagebuches ist diese Aussage nicht neu, im speziellen Fall ist es allerdings eine Premiere: Am heutigen Vormittag schellte mich eine rufnummernlose Dame spätmittleren Alters an und stellte sich als im Dienst der Leipziger Volkszeitung stehend vor. Mit leicht rauchiger Stimme bot sie mir ein zweiwöchiges Probeabo zum Kennenlernen eben jeder Zeitung an, die mir monatlich ein stattliches Abo-Entgelt vom Konto saugt. Auf meinen Hinweis, dass ich bereits ein Abo der LVZ habe, verabschiedete sie sich artig, die Verärgerung war der Stimme anzuhören, mit der Zusage, den Fehler im Datenbestand zu korrigieren.
Ich nehme an, dass sie einige Zeit zu tun haben wird, denn ich glaube nicht daran, dass zufällig nur meine Adresse in die Liste der vom Callcenter abzuklingelnden „potenziellen Kunden“ gerutscht ist. Meist liegt in solchen Fällen der Fehler im System, weitere Unbill ist für die Anruferin wahrscheinlich.
Was mir zu denken gibt, ist der Dialekt der erfolglosen Abowerberin, der sie als Vertreterin der Region Hannover ausweist. Zufällig (oder eher nicht) sitzt dort die Verlagsgesellschaft Madsack, die erst vor kurzem die Springeranteile an der LVZ aufgekauft und sich zur alleinigen Herrscherin über meine Lokalpostille aufgeschwungen hat (Guckst Du hier: http://zeitungsdieb.blogger.de/stories/1329813/ ).
Da scheinen doch wohl die neuen Besen der unter argem Auflagenschwund leidenden LVZ mal zeigen zu wollen, wie man Abos wirbt. Viel Erfolg! Aber ein wenig Skepsis ist angebracht: Wenn ein Produkt nichts taugt, hilft es auch nicht, es einem potenziellen Käufer 14 Tage zur Probe aufzuschwatzen. Dann landet es im Anschluss nämlich dort, wo es hingehört: in der Tonne.

PS.: Was mir noch durch den Kopf geht ist die Frage, ob "einfach mal so" anrufen überhaupt noch erlaubt ist ...

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Dienstag, 3. März 2009
Wer einmal lügt ... Oder: Klick für Klick Beschiss am Leser
Mit gut besuchten Internetseiten lässt sich Geld verdienen. Das wissen auf die Zeitungsverlage. Kein Wunder, denn die Holzmedien leben längst nicht mehr wirklich vom Verkauf ihrer täglich erscheinenden Blätter, sondern von den Erlösen, die die darin veröffentlichten Anzeigen einspielen. Die Höhe ebendieser Erlöse richtet sich danach, wie viele Leser erreicht werden, sprich nach Auflage und Mitleserzahl.
Um bei diesen Daten allzu großen Beschiss zu erschweren – ganz vermeiden lässt er sich nicht – gibt es die Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern e.V. (guckst Du hier: www.ivw.de ), die die von den Verlagen gemeldeten Auflagen ein wenig unter die Lupe nehmen.
Bei den Internetablegern der Holzmedien gibt es eine solche Kontrolle bislang nicht wirklich, und so lassen sich die Verlage allerhand einfallen, um Seitenabrufe und Klickzahlen in die Höhe zu treiben.
Zu den beliebten Rosstäuschertricks zählen unnötige Seitenverweise, d.h. ein Text wird in drei oder vier Portionen zerlegt, an deren Ende der geneigte Leser auf „Fortsetzung“ klicken und dem Verlag so eine extra „Page-Impression“ darf. Das mag man noch als sinnvoll durchgehen lassen, denn auf diese Weise wird ein langer Text zwar nicht besser, aber irgendwie strukturierter.
Eine Unverschämtheit sind jedoch die Tricks, die die von mir ansonsten sehr verehrte Zeitung „Die Welt“ (www.welt.de) nutzt. Wenn z.B. von Rückrufaktionen bei Autoherstellern die Rede ist, werden die Daten über vermurkste Montagsgurken nicht etwa als Tabelle aufbereitet, sondern mit einem extra Fensterchen, in dem sich der Leser von Marke zu Marke klicken muss – das nervt, aber es schönt die Statistik der Welt-Online-Redaktion (Guckst Du hier: http://www.welt.de/motor/article3200822/Autos-die-am-haeufigsten-zurueckgerufen-werden.html ). Mit 21 Klicks ist dieser Artikel noch harmlos, es gibt auch heftigere Klickmaschinen, die dem Leser Wissen über die knackigsten Promiärsche und anderen Unsinn vermitteln.
Apropos Arsch: Eine neue Qualität in der Leserverarschung hat die Sächsische Zeitung erreicht. Unter www.sz-online.de findet der Leser heute u.a. einen Bericht über die Probleme beim Bau des neuen Dynamo-Stadions. Wer auf „Artikel lesen“ klickt, landet hier http://www.sz-online.de/_tools/kurzinfo/info.asp?id=5751 und darf den Artikel Klick für Klick in alzheimergerechten Miniportiönchen lesen: Jeweils zwei, drei Sätze kommen auf den Schirm, dann ist der nächste Klick fällig. Oh heiliger Beschiss am Leser.
Unwillkürlich drängt sich mir die Frage auf, wie ernst eigentlich - trotz ivw - die Auflagenzahlen von Zeitungen sind, die ihre Leserschaft so frech für blöd verkaufen. Üblicherweise heißt es ja "Wer einmal lügt ..."

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Mittwoch, 18. Februar 2009
Lebenslanges Lernen. Oder: Fisch und Fiche in der Stasi-Unterlagenbehörde
Das Thema „Lebenslanges Lernen“ geisterte vor gar nicht so langer Zeit durch die Medien. Angesichts der aktuell kriselnden Wirtschaft ist es ein wenig in den Hintergrund geschubst worden, aber lebenslang gelernt wird nach wie vor.
Beispiel gefällig? Die Außenstelle Leipzig der „Bundesbeauftragten für die Unterlagen
des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik“, also die die hiesige Dependance der Stasi-Unterlagenbehörde, schickt mir regelmäßig allerlei Pressemitteilungen, die mich sehr erfreuen.
Warum? Ganz einfach – weil die Stasibehördler mir jedes Mal ihren kompletten Presseverteiler mitschicken. Wer mich und mein Tun kennt, weiß, dass ich dafür Verwendung habe, denn eine gut gepflegte Adressensammlung ist ein Schatz oder zumindest ein Schätzchen.
Heute erhielt ich wieder eine Pressemitteilung von astleipzig@bstu.bund.de geriet ins Staunen: Statt des kompletten Adressverteilers wurde mir diesmal nur die Adresse der Absenderin bei der Stasiunterlagenbehörde übermittelt. Wenn das künftig so bleibt, ist das ein Indiz für die Lernfähigkeit von BehördenmitarbeiterInnen in Deutschland.
Apropos Lernfähigkeit: Diese Fähigkeit vorausgesetzt, wird die Absenderin der Pressemitteilung sicher auch in einigen Jahren darauf kommen (oder gekommen werden), dass „Mikrofishes“ nichts mit Fisch, sondern mit (französischen) Karteikarten zu tun haben und deshalb auch nicht wie die besagten Schuppentiere, sondern „Mikrofiche“ geschrieben werden. Aber das kann, wie gesagt, einige Jahre dauern, bis dahin gilt der Spruch meines leider viel zu früh verstorbenen Deutschlehrers, dass Fremdworte Glücksache sind.

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Mittwoch, 11. Februar 2009
Orthographische Solidargemeinschaft: Oder: Wer zum Teufel haftet für wessen Gören?
Beim Laufen findet man so allerlei. Zum Beispiel dieses Schild:



Entdeckt habe ich es auf dem klitzekleinen Holzspielgerät eines winzigen Alibispielplatzes am Rande des imposanten Golfplatzes der Gemeinde Machern.
Warum ich angesichts dieses Schildes mein Lauftraining unterbrochen und die Kamera hervorgefummelt habe?
Weil dieses Schild gleich doppelt bescheuert und somit doppelt schön ist.

Zum einen ist die typisch-deutsche Drohgebärde, dass Eltern die Haftung für die Missetaten ihres Nachwuchses übernehmen müsses, in ihrer Absolutheit juristischer Mumpitz. Mag sein, dass sich der deutsche Spießer die Welt so einfach vorstellt, aber die juristische Realität ist gottlob anders. Guckst Du hier: http://www.3sat.de/3sat.php?http://www.3sat.de/specials/81186/index.html
Wer an genannter Stelle nachschaut, wird feststellen, dass die Hauptzielgruppe eines solchen Kleinkinderbeglückungsgerätes, nämlich die Knirpse, von jeglicher Haftung ausgenommen sind ... Und auch bei der sonstigen Elternhaftung sieht's eher mau aus.

Zum anderen ist das Haftungsandrohungsschild in seiner schlichten Schönheit ein orthographischer Leckerbissen. Die Schreibweise "Ihre Kinder" spricht den Leser direkt an, darum ist diese Anrede auch großgeschrieben. Folglich müsste sich jeder zufällige Leser dieses hölzernen Kleinods, ganz gleich, ob mit eigenem Nachwuchs gestraft oder nicht, die Frage stellen, welche Eltern dieser Welt denn nun für seine evtl. gar nicht vorhandenen Kinder haften sollen ...
Andererseits kann sich jeder Wissende, dessen hyperaktive Kinderschar sich anschickt, das hölzerne Golfplatzedelspielgerät zu zerspanen, nach der Lektüre der Botschaft an Loch 19 einen Schluck zur Entspannung gönnen: Schließlich steht geschrieben, dass irgendwelche Eltern schon für seine Kinder haften werden. Eine orthographische Solidargemeinschaft sozusagen.

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Donnerstag, 5. Februar 2009
Springer stößt Tageszeitungen ab. Oder: SPD gewinnt im Medienbereich an Einfluss
Die in Berlin erscheinende TAZ (www.TAZ.de) - „Die Tageszeitung“ – gehört ob ihrer unverbrämt ideologischen Ausrichtung nicht wirklich zu meinen Lieblingstiteln. Zudem glänzt die TAZ in aller Regel auch nicht durch übermäßige journalistische Exklusivität und hat nicht den Ruf, als Enthüllungsblatt spektakuläre Neuigkeiten auf den Markt zu werfen. Doch am gestrigen Dienstag schaffte die TAZ das Kunststück, die etablierte Konkurrenz mit einer Nachricht zu überholen: Während sich alle Protagonisten noch brav ins vereinbarte Schweigen hüllten, berichtete die TAZ über den anstehenden Verkauf von Beteiligungen der Axel Springer AG an allerlei Zeitungsverlagen an die in hannoversche Madsack-Gruppe. Waren zunächst weder Käufer noch Verkäufer zu Auskünften bereit, so berichtet heute meine (vom Verkauf ebenfalls betroffene) Lokalpostille, die Leipziger Volkszeitung www.lvz.de über den Deal, der am heutigen Donnerstag besiegelt werden soll. Dieser relativ schwammig gehaltene Text ist wohl in allen übernommenen Titeln erschienen, denn der Autor, Stefan Winter http://www.haz.de/newsroom/wirueberuns/dezentral/wirueberuns/wirtschaft/art3821,123941
, ist Ressortleiter der Wirtschaftsredaktion der Hannoverschen Allgemeinen und steht sozusagen in zweiter Reihe auf der Brücke des Madsack-Flaggschiffes.
Mich hat die Nachricht vom Verkauf der Springeranteile u.a. der Leipziger Volkszeitung, der Lübecker Nachrichten, der Ostseezeitung, der Kieler Nachrichten sowie von der Veräußerung einer Reihe von Anzeigenblättern und Rundfunkbeteiligungen amüsiert und neugierig gemacht. Laut Stefan Winter – und dessen Artikel hat wohl den Status einer offiziellen Erklärung der Madsack-Gruppe, kostet das gesamte Paket rund 300 Millionen Euro. Das ist einerseits viel Geld (schon für ein Prozent würde ich versprechen, nicht mehr über meine Lokalpostille zu lästern, aber weniger dürfte es nicht sein, sonst wäre das Angebot zeitlich begrenzt), andererseits aber auch ein Schnäppchen.
Schließlich hat jede Bank, die etwas auf sich hält, in den letzten Monaten wesentlich mehr Geld weggezaubert. Vor allem aber kauft Madsack für die 300 Millionen eine Menge Medienmacht. Allein der Auflagenzuwachs von derzeit 600.000 auf eine Millionen Exemplare Tageszeitungen – davon geschätzte mindestens 400.000 Aboleser – ist branchenüblich so um die 40 Millionen Euro wert. Mindestens, denn Abonnenten sind ein wertvolles Gut. Hinzu kommen Anzeigenblätter mit zwei Millionen Wochenauflage – auch das hat seinen Preis.
Zudem: Die Verlagshäuser, deren Anteile hier über den Tisch geschoben werden, haben in den vergangenen Jahren stets mit schwarzen Zahlen zur Bilanz des Springer-Imperiums beigetragen. Und wenn auch die Qualität der zumeist im Regionalmonopol erscheinenden Titel nur mäßig ist, so sind die Verlage doch modern ausgerichtet und dank laufender Investitionen im zweistelligen Millionenbereich „gut aufgestellt“.
Fazit: 300 Millionen Euro sind in etwa die Summe, die man benötigen würde, um gegen eine Monopolzeitung wie die „LVZ“ in Leipzig einen alternativen Abo-Titel aufzubauen und für den Verkauf eines ganzen Medienpaketes folglich ein Schnäppchen, zu dem man der Madsack-Gruppe nur gratulieren kann.
Apropos gratulieren: Eine Gratulation ist auch in Richtung SPD angebracht. Warum? Deren Medienholding, die öffentlich kaum wahrgenommene Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft mbH http://www.ddvg.de/ , ist mit 23,1 Prozent (http://www.ddvg.de/wirueberuns/unserebeteiligungen/ ) an der Madsack Gruppe beteiligt. Die bei Wikipedia (http://de.wikipedia.org/wiki/Deutsche_Druck-_und_Verlagsgesellschaft ) genannten 20,4 Prozent sind übrigens Schnee von gestern, denn die Genossen bauen ihren Einfluss kontinuierlich aus. Durch den heutigen Deal bekommt die rosarote Medienmacht einen kräftigen Schub und die alte Tante SPD kann sich über einen Zuwachs der jährlichen Einnahmen aus den Gewinnen dieses Imperiums freuen. Schade, dass dieser Aspekt des Anteilsverkaufs im Bericht meines werten Kollegen Stefan Winter nicht beleuchtet wurde.
Nun mag der eine oder andere Leser meines kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebüchleins beim Leser dieser Zeilen ins Grübeln geraten sein, welche Konsequenzen der 300-Millionen-Deal wohl für die Beschäftigten der Verlage hat. Kurzfristig sicher keine, mittel- und langfristig wird der Verkauf der Anteile bzw. die Übernahme kompletter Titel wohl zur Steigerung der Effizienz der Verlagshäuser führen – im Klartext: Synergien werden genutzt bzw. deren Nutzung verstärkt und Stellen abgebaut. Schon jetzt werden innerhalb des Madsack-Imperiums Verlagsprodukte zentral produziert bzw. eingekauft und von verschiedenen Titeln nach minimaler Anpassung genutzt, Beispiele sind Beilagen zur Fußball-WM, Gesundheits-Beilagen usw. Das wird zunehmen und den einen oder anderen Redakteur überflüssig machen.
Viel interessanter ist die Frage, ob mit dem Verkauf der Springer-Anteile an meiner Lokalpostille auch die aus dem Hause Springer nach Leipzig entsendeten Hilfstruppen zurückbeordert werden. Nach Aussage nicht ganz unbedeutender Verlagsmitarbeiter wurde die Leipziger Volkszeitung von mehreren Beraterwellen überflutet, die mitunter recht fragwürdige Entwicklungen lostraten.
Sicher, der eine oder andere „Experte“ wird wohl wieder ins Stammhaus zurückkehren. Auf einen Wechsel an der redaktionellen Spitze sollte indes kein LVZ-Mitarbeiter spekulieren. Bernd Hilder, der das Schiff als Chefredakteur führt, mag nicht gerade für sein Charisma berühmt sein, doch sein Stuhl steht sicher. Denn schließlich kam Hilder 2004 vom Göttinger Tageblatt (wo bei der Nachricht von seinem Weggang die Korken geknallt haben sollen – guckst Du hier http://www.rote-gruetze-magazin.de/100fragen_christmann.html , bitte nach „Hilder“ suchen, steht ziemlich weit unten) zur LVZ – und das Göttinger Tageblatt ist ebenfalls ein Madsack-Titel ...

Genug geschrieben? Nein – zwei Fragen bleiben noch: Warum verkauft Springer das Medienpaket gerade jetzt? Und: Was hat Springer mit den 300 Millionen Euro vor?

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Dienstag, 3. Februar 2009
Positive Aspekte der Finanzkrise. Oder: Meine Lokalpostille dreht die Zeit zurück
„Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern … (… wo ich doch jeden Tag etwas dazulerne)?“ – heute ist einer dieser Tage, an denen sich dieses (fälschlich, guckst Du hier: http://zeitungsdieb.blogger.de/stories/1059789/ ) Konrad Adenauer zugeschriebene Zitat in mein Denken drängt. Warum? Meine Lokalpostille, die Leipziger Volkszeitung (www.lvz.de), hat sich am 13. Januar 2007 unter dem Motto „Evolution statt Revolution“ einen so genannten Relaunch gegönnt. Guckst Du hier: http://www.danielgrosse.com/blog/2007/01/10/relaunch-auf-raten-lvz-chefredakteur-im-interview/
Im Zuge dieser Pseudomodernisierung eines Holzmediums (mehr war’s nicht wirklich) kam 4c-Druck auf alle Seiten. Außerdem wurde auf eine so genannte Vier-Buch-Produktion umgestellt. Soll heißen: Wer die LVZ in die Hand nimmt, schüttelt zuerst all den Werbemist heraus (darum im Verlagsjargon „Schüttelbeilagen“ genannt) und behält dann vier separate Heftchen übrig. Das sind die so genannten „Bücher“, die bei der LVZ den Nachrichtenteil (Politik, Wirtschaft), den Lokalteil, die Kultur und den Sport umfassen. Diese vier Bücher lassen sich dank einer neuen Rotationsanlage in der Druckerei sozusagen auf einen Rutsch produzieren. Werden mehr gebraucht, weil es am Wochenende zusätzliche Bücher mit Stellenanzeigen, Autokram und Immobilienschrumms gibt, müssen diese Bücher als Vorprodukte hergestellt werden. Das gilt auch für alle möglichen Verlagsprodukte, wie z.B. Center-Zeitungen, Messe-Beilagen und was es sonst noch so an kommerziell motiviertem Propagandamaterial gibt.
Die neue Rotationsanlage war notwendig geworden, weil die alte Anlage aus dem Jahr 1993 zwar nicht alt, aber veraltet war. Soll heißen: Die Colorman 35 ist in Schlachtschiff, dessen Stärke in der schnellen Herstellung einer riesigen Auflage identischer Exemplare besteht. Ersetzt wurde sie durch einen wenigen Kreuzer namens KBA Commander, der mehr Flexibilität in die Produktion bringt. So können zum einen auch Teilbelegungen (Stadtteilzeitungen, Lokalausgaben) wirtschaftlich gedruckt werden, zum anderen trägt die LVZ damit auch ihrer gravierend schwindenden Auflage Rechnung. Guckst Du hier: http://zeitungsdieb.blogger.de/stories/1322301/

Für Irritationen bei der Stammleserschaft sorgten die mit dem Relaunch einhergehenden Veränderungen im Blatt. Nein, die Qualität wurde nicht wirklich verbessert. Bunt ist nicht besser, Praktikanten können keine Redakteure ersetzen; vor allem nicht solche, die sich in der Stadt auskennen und hier Kontakte haben. Für Irritationen sorgte zum Beispiel, dass der geneigte Stammleser sein Fernsehprogramm (bei der LVZ nennt man das kurioserweise Medienseite ... *lol*) nicht mehr – wie in den Jahren zuvor – auf der Rückseite des ersten Buches fand, sondern im Kulturteil versteckt. Nachdem sich einige verärgerte Lokalpostillenleser bei der Redaktion darüber beschwert hatten, sah der Verlag sich genötigt, die Neuerung zu begründen. Das sei, so hieß es, der neuen Technik geschuldet, die eine Umstellung der Blattstruktur erforderlich gemacht habe.
Nun nehme ich für mich in Anspruch, vom Zeitungsmachen ein wenig zu verstehen, wahrscheinlich sogar ein wenig mehr als viele der Schreibtischtäter, die im Verlagshaus der Leipziger Volkszeitung ihre Tage absitzen. Und eben deshalb hatte ich mit dem Verweis auf „technische Gründe“ und „alles wird schöner, dafür müssen Sie auch Opfer in Kauf nehmen“ so meine Probleme. Ich fühlte mich – das folgende Wort sollten empfindsame Leser überspringen – verarscht. Und musste mich unwillkürlich an die TASS- bzw. ADN-Meldungen vom „Abschuss“ irgendwelcher Parteifunktionäre erinnern, die meist die Formulierungen „aus gesundheitlichen Gründen“ sowie „wurde mit einer anderen, verantwortungsvollen Funktion betraut“ enthielten.
Dass eine flexiblere Herstellungstechnik den Umzug des TV-Programms von einem Buch ins andere erfordert, geht bestenfalls als nettes Propagandastück durch, als Versuch, das Ausmaß der Leserdummheit auszuloten.
Nun mag der eine oder andere Leser das für die Spekulation eines notorischen Nörglers und Querulanten halten, der nichts besseres zu tun hat. Diese Vermutung ist im doppelten Sinne falsch: Zum einen habe ich jede Menge besseres zu tun und werde mich auch in wenigen Minuten wieder an meine eigentliche Brotarbeit machen, zum anderen tritt die Leipziger Volkszeitung seit einigen Tagen den Beweis für die Richtigkeit meiner Behauptung an.
In dem Maße, wie nämlich dank der allseits gern zitierten Wirtschafts- und Finanzkrise die Anzeigenbelegung zurückging, sinkt auch der Umfang der LVZ. Logisch, denn nur der DAL (dümmst-anzunehmender Leser) glaubt, dass die Texte und Fotos in der Zeitung zu seiner Erbauung gemacht werden. Die Redaktion dient lediglich dazu, die Lücken zwischen den Anzeigen zu füllen und meiner Lokalpostille das Privileg der 7-prozentigen Umsatzsteuer zu sichern. Folglich: Vier Seiten Sportteil, vier Seiten Kultur …
Und – Wunder über Wunder – das TV-Programm landet wieder im ersten Buch, genauer gesagt, auf dessen letzter Seite, also dort, wo es vor dem Relaunch seinen angestammten Platz hatte. Ob der DAL nun allen Ernstes glaubt, dass sein Leserbrief geholfen und der Verlag die alte Druckerei wieder in Betrieb genommen hat?

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Montag, 26. Januar 2009
Holzmedien im Sinkflug. Oder: Meine Lokalpostille schafft die Leser ab. Bald.
In meiner Lokalpostille, der Leipziger Volkszeitung, erschien am Wochenende eine schlichte Meldung der Deutschen Presseagentur dpa. Nun mag der eine oder andere Leser meines kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuches sagen, dass das ja nichts Ungewöhnliches sei. Stimmt, denn zum einen sendet die dpa ihre Meldungen an zahlende Empfänger zum Zwecke der Veröffentlichung in deren Medien. Zum anderen bedient sich meine Lokalpostille nur zu gern des Agenturmaterials, weil’s einfach billiger ist, die Spalten auf diese Weise zu füllen, als in eine bessere Redaktion zu investieren.
Besagte dpa-Meldung erschien am 24./25. Januar 2009 auf einer der so genannten Medienseiten der LVZ. Wer andere Tageszeitungen kennt, sollte sich durch diese hochtrabende Bezeichnung nicht täuschen lassen. Medienseite – damit meint meine Lokalpostille das Fernsehprogramm nebst einiger Begleittexte. Am Wochenende gibt’s zwei davon, weil das TV-Programm für Sonnabend und Sonntag ins Blatt muss. Manchmal wird als Begleittext zum Programm auch eine Information aus dem Verlagswesen veröffentlicht, so z.B., dass der Springerverlag („der auch an dieser Zeitung beteiligt ist“), gute Geschäfte gemacht hat usw.
Die knappe dpa-Meldung hingegen vermeldete Erschröckliches: Die Zeitungsverlage haben im letzten Quartal des vergangenen Jahres pro Tag 2,31 Prozent weniger Exemplare verkauft als im vierten Quartal 2007. Die Tageszeitungen verkauften im Schnitt 2,58 Prozent weniger, die lokale und regionale Abo-Zeitungen – also Titel wie LVZ, Freie Presse und Sächsische Zeitung, die Platzhirsche in Sachsen – büßten 2,0 Prozent ein.
Was der Leser meiner Lokalpostille nicht erfuhr, kann er im Internet nachschauen. Die ihm vorenthaltene Quelle der genannten Zahlen (und vieler anderer) ist nämlich nicht dpa, sondern die IVW, die Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern e.V., so eine Art Prüfstelle für die Auflagen von allerlei Printmedien. Die findet man übrigens hier: http://www.ivw.de/ Wer nachschauen will, wie sich seine Lokalpostille im Abo und am Kiosk so verkauft, kann das hier tun: http://daten.ivw.eu/index.php?menuid=1112&u=&p=&b=a&t=Tageszeitungen+nach+Ort
Ich habe mir die Mühe gemacht und festgestellt, dass sächsischen Zeitungen überdurchschnittlich stark vom Auflagenschwund betroffen sind. Das erscheint logisch, denn Sachsen liegt im Osten Deutschlands, der vom Rückgang der Bevölkerungszahl und mieser Kaufkraft stärker gebeutelt wird als andere Regionen unseres Landes.
Immerhin: Die in Dresden ansässige Sächsische Zeitung (www.sz-online.de) büßte IV/08 im Vergleich zum Vorjahr 2,6 Prozent ihrer Verkaufsauflage ein. Das ist beinahe noch im Bundesdurchschnitt. Nicht viel schlimmer sieht’s bei der Freien Presse (www.freie-presse.de) aus, die drei Prozent verlor und nun pro Tag noch 300.592 Exemplare „gegen Geld“ an den Leser bzw. die Leserin bringt.
Meine Lokalpostille hingegen ließ im vergangenen Jahr deutlich mehr Federn: Die Verkaufsauflage der LVZ sank binnen Jahresfrist um 4,1 Prozent und damit doppelt so stark wie im Bundesdurchschnitt derRegionaltitel. Dieser Verlust entspricht 9.801 Exemplaren, insgesamt gehen am Tag noch 228.628 Zeitungen gegen Geld über den Ladentisch bzw. landen beim Abo-Kunden. Wohlgemerkt: Diese Zahl beinhaltet alle LVZ-Titel, die Stadtausgabe, also das „Kernprodukt“, ist inzwischen bei kläglichen 143.103 Verkaufsexemplaren angelangt.
Irgendwie hat mich diese Entwicklung nicht wirklich überrascht. Sie spricht für den Verstand der Leserschaft, die irgendwann nicht mehr bereit sind, für ein schlechter werdendes Produkt einen regelmäßig steigenden Preis zu zahlen. Kann man mit verstärktem Einsatz von Billigkräften und Leiharbeitern ein Qualitätsprodukt herstellen? Lässt sich die Leserschaft auf Dauer für dumm verkaufen und mit PR-Beiträgen beglücken? Kann man ungestraft das Niveau einer Tageszeitung ins Bodenlose drücken?
Diese Fragen haben sich offensichtlich viele Leser gestellt und ihre ganz persönliche Antwort gefunden. 4,1 Prozent sind nun mal deutlich mehr als 2,6.
Nun mag der eine oder andere Leser meines Tagebuches meinen, dass ich übertreibe. Aber mitunter kann man Missstände (drei s, die Rechtschreibreform ist ein Akt der Barbarei!) durch Beispiele verdeutlichen: Am 23. Januar 2009 gönnte meine Lokalpostille eine runde Viertelseite ihres nordischen Formates einer Erotikdarstellerin namens Vivian Schmitt, die sich in einer Leipziger Ästhetik-Klinik ihre Oberweite um zweimal 350 Gramm reduzieren ließ. Ein Foto zeigt die Pornodarstellerin „oben ohne“ im Gespräch mit dem behandelnden Arzt, ein weiteres eines der alten Implantate, für den Doc eigenhändig signiert.
Lokaljournalismus sieht anders aus – und wer solcherart Oberweitenberichterstattung auf dem Frühstückstisch vorfinden möchte, bringt sich vom Bäcker wahrscheinlich eher die BLÖD-Zeitung mit ... die es dazu noch preiswerter gibt und die sich nebenbei sogar einen ganz passablen Lokalteil leistet.
Das schöne am Tageszeitungsgeschäft ist, dass man die Leser eigentlich nicht braucht. Die machen nur Ärger und bringen nicht viel ein. Der Vertrieb einer Zeitung, d.h. der Aufwand, die Zeitung an den Mann oder die Frau zu bringen, kostet viel Knete. So viel, dass der Vertrieb heute nicht viel mehr als seine eigenen Kosten einspielt. Ein Verlag lebt vom Geschäft mit Anzeigen, PR, Veranstaltungen, Sonderprodukten usw. Die Leser stören eigentlich nur – meine Lokalpostille hat (unfreiwillig) die Lösung dieses Problems in Angriff genommen.

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Freitag, 16. Januar 2009
220 minus Lebensalter. Oder: Schreibende Deppen am Werk.
Meine Lokalpostille hat heute unter dem Titel "Top in Form" wieder einmal einen Frachter voller Anzeigen auf die Reise zur geneigten, täglich abnehmenden Leserschaft geschicht. Im Klartext: Ein sogenanntes Sonderprodukt, wohlgefüllt mit Anzeigen und PR-Texten, informiert auf 12 Seiten darüber, was zahlende Kunden den geneigten Lesern der Leipziger Volkszeitung empfehlen, damit letztere Fit und Schlank und erstere wirtschaftlich gesund werden. Macht man so, ist gängige Praxis.
Damit besagtes Anzeigenträgerschiff voll wird, haben pfiffige Dienstleister die Lücken zwischen den geldwerten getarnten und ungetarnten Anzeigen noch mit redaktionellem Füllstoff zugeschrieben. Dort findet sich zum Beispiel ein wirklich lesenswerter Text, der unter dem Titel "Überlastung beim Sport vermeiden" über das Pulstraining informiert oder zumindest so tut.
Fazit: 220 minus Alter, max. 80%, min. 65%, so wird trainiert.
Kaum zu glauben, dass es immer noch Idioten gibt, die den Mist mit de 220 minus Alter so unkommentiert verkünden. Aber vielleicht liegt's ja auch nur daran, dass sich kein zahlender Kunde gefunden hat, der einen Ergometertest samt Laktatmessung anbietet.
Aber, da ich ja nicht nur meckern soll: Immerhin wird in besagtem Stück Qualitätsjournalismus auch beschrieben, wie man den Puls misst: 15 Sekunden zählen, dann mal vier nehmen. Applaus!

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