Montag, 8. Dezember 2008
Überraschung am Frühstückstisch. Oder: Applaus vom Deutschen Presserat
Meine Lokalpostille, die nach eigener Aussage dem Qualitätsjournalismus verpflichtete Leipziger Volkszeitung, hat’s wieder einmal geschafft, mich zu überraschen: Heute vermeldet das Blättchen auf seiner Seite „Aus aller Welt“ unter dem Anstrich „Volltreffer“, dass der Deutsche Lottoblock am Silvesterband parallel zum normalen Lottogedöns 20 Millionen Euro extra unters Volk werfen wird. Es folgt die genau Beschreibung von Einsätzen, Gewinnchancen und Spielklassen – wie in einem Werbeprospekt der Glücksspielveranstalter.
Unterzeichnet ist das ganze Traktat mit dem Kürzel dpa, kundige Leser wissen, dass es sich dabei um die Deutsche Presseagentur handelt.
Apropos handelt: Bei dieser Veröffentlichung handelt es sich um eine Kästchen, das wohl ziemlich deutlichen Anzeigencharakter trägt und auch als solche gekennzeichnet werden müsste. Aber es lief ja über dpa bzw. deren dem gemeinen Zeitungsleser etwas weniger bekannte PR-Tochter …
Weshalb mich die Entgleisung meiner Lokalpostille überrascht hat, mag sich nun der eine oder andere Leser meines kleinen Tagebuches fragen. Nun, dass in der LVZ Anzeigen und Redaktion kräftig durcheinandergeschaufelt werden, ist nicht neu. Aber dass man so plump agiert und die erst kürzlich eingeführte redaktionelle Kategorie „Volltreffer“ mit einer PR-Nachricht belegt – Respekt, liebe Kollegen! So schnell so tief zu sinken, das ist schon einen kleinen Sonderapplaus des Deutschen Presserates wert.

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Montag, 24. November 2008
Deutsche Medien schießen zurück. Oder: Wieviel Nazi-Vergleich darf's denn sein?
Wer in Deutschland für Empörung sorgen will, muss nur eines: den Vergleich mit Personen, Größen oder Ereignissen des „dritten Reiches“ bemühen. Das erfuhr sogar Bundeskanzler Helmut Kohl, als er Gorbatschow ob dessen PR-Talent mit Joseph Goebbels verglich. Guckst Du hier: http://zeitungsdieb.blogger.de/stories/1165848/
Aber es funktioniert auch umgekehrt: Wer jemanden in Misskredit bringen will, muss diesem nur unterstellen, etwa/jemandem mit einem solch bösen, bösen, bösen Vergleich geärgert zu haben. So tat es kürzlich Theo Zwanziger, der einem Journalisten grollte, weil dieser ihn als Demagogen bezeichnet hatte. Nun mag man geteilter Meinung sein, ob das stimmt, Zwanziger jedoch unterstellte meinem Berufskollegen, er habe das Wort Demagoge im Sinne eines Nazi-Vergleichs gebraucht. Worüber man nun nicht geteilter Meinung sein sollte: Eine sehr schöne Definition des Demagogen findet sich hier http://de.wikipedia.org/wiki/Demagoge, vielleicht hätte Zwanziger das mal lesen sollen, ehe er die Hunde von der Kette lässt. Dann wäre ihm eine tüchtige Blamage erspart geblieben.
Dass sprachliche Anleihen beim dritten Reich gar nicht so selten sind, weiß jeder, der „LTI“ von Victor Klemperer gelesen hat. Aber man muss unsere Sprache gar nicht durch die Brille eines Philologen betrachten, aufmerksame Zeitungslektüre genügt schon.
Die von mir wirklich sehr geschätzte Welt am Sonntag kündigte gestern auf ihrem Titel ein wenig Skandalberichterstattung über Boris Becker an, dem wohl wieder mal eine Gespielin abhanden gekommen ist. Wer, wem, warum und wie oft – das ist mir in diesem Zusammenhang sch...ätzungsweise sehr egal. Aber: Die WamS kündigt die erschröckliche Moritat über des Tennisrentners Liebesleben und die aktuellen PR-Bemühungen auf der Titelseite unter der Überschrift „Jetzt wird zurückgelitten“ an. Guckst Du hier: http://www.welt.de/vermischtes/article2766486/Boris-Beckers-perfekte-Trennungs-Seifenoper.html
Mag sein, dass ich ein krankes oder zumindest nicht ganz normales Hirn mein Eigen nenne, aber bei solcherart Formulierung (über deren Sinn ich jetzt nicht schwadronieren möchte) fällt mir ganz spontan der deutsche Überfall auf Polen am 1. September 1939 ein, mit dem (dies sei für alle Pisa-geschädigten Jungleser meines Tagebuches verraten) der II. Weltkrieg begann, den man damals aber noch nicht so nannte.
Nachdem der Fall Gleiwitz inszeniert worden war und die ersten Divisionen nach Polen einmarschierten, verkündete der Großdeutsche Rundfunk „Seit 5.45 Uhr wird zurückgeschossen“.
Guckst Du vielleicht hier: http://www.stern.de/politik/historie/:Zweiter-Weltkrieg-Seit-5.45-Uhr/529192.html
Nur ungern weise ich darauf hin, dass bei der Inszenierung dieser Farce und bei der propagandistischen, um nicht zu sagen: demagogische Umsetzung des deutschen Angriffes Altmeister Joseph Goebbels zur Hochform auflief. Hoffentlich legt mir das nun niemand als unzulässigen Nazi-Vergleich aus ... wo doch die Welt am Sonntag mit dem Zurückschießen angefangen hat.

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Sonntag, 23. November 2008
Leipziger Qualitätsjournalismus. Oder: Bei meiner Lokalpostille geht's nicht so schnell
Online-Journalismus ist eine feine Sache, aber definitiv nicht die Stärke meiner Lokalpostille „Leipziger Volkszeitung“. Deren Online-Auftritt ist ein Beispiel dafür, wie man’s nicht machen sollte: Wenig Aktuelles, keine Verlinkung auf Quellen, dafür auf Anzeigenkunden. Ein Holzmedium halt, das noch nicht kapiert hat, wie’s geht.
Während der Fußball-EM schalteten die LVZler meist ab, Verlauf und Ausgang der Spiele konnte man bei Sächsischer Zeitung (www.sz-online.de), Netzeitung (www.netzeitung.de) und Welt (www.welt.de) verfolgen, nicht aber unter www.lvz.de
Wer glaubt, dass sich seitdem Wesentliches getan hat, der irrt. Bis vor wenigen Minuten habe ich noch an der Zeitschrift für einen Kunden gebastelt, nun noch einen Rundblick durchs Netz riskiert. Bei der Sächsischen Zeitung erfuhr ich, dass in Leipzig zwei Jugendliche einen Straßenbahnfahrer angegriffen und einen Fahrgast verletzt haben. Okay, die Dresdner Kollegen haben eine dpa-Meldung verwendet, ein Foto dazugestellt – keine große Kunst, aber es steht auf der Seite.
Als ich 21.20 Uhr bei der LVZ nachschaute, fand ich ... nichts. Eine Info über ein Rockertreffen vom Vortag, eine Bilderserie über den Studentenfasching und einen Videoclip über einen verletzten Radfahrer. Das Wackelvideo zeigt ein kaputtes Fahrrad bei Nacht sowie den Arsch eines Polizeibeamten, der sich selbiges anschaut. Qualitätsjournalismus vom Feinsten aus dem Hause Springer und Madsack.

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Donnerstag, 6. November 2008
Ich bin eine Minderheit. Oder: freudloser Farbwechsel
Irgendwie gehöre ich mal wieder einer Minderheit an. Warum? Ich freue mich nicht über die Wahl eines gewissen Barack Hussein Obama zum US-Präsidenten und sehe diese auch nicht als Chance für die USA und den Rest der Welt an. Aber das ist natürlich, wie alles was ich in diesem kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuch schreibe, meine ganz persönliche Meinung. Eine Mein-ung eben.
Wobei: In den vergangenen Jahren habe ich mit meinem Gefühl der Un-Freude schon mehrfach die Erfahrung gemacht, nur am Anfang einer Minderheit angehört zu haben. Etwas später waren dann wieder viel mehr Leute meiner Auffassung ... Aber alles wird gut. Meine ich.

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Montag, 13. Oktober 2008
Reich-Ranicki und das Kulturprekariat. Oder: Ein geifernder Untoter auf verlorenem Posten
Zugegeben. Ich halte Marcel Reich-Ranicki seit vielen Jahren für eine Plage. Optisch wie akustisch, vor allem aber inhaltlich. Um Missverständnisse zu vermeiden: Das ist nicht seiner jüdischen Herkunft geschuldet, sondern der unsäglichen Arroganz, die RR kultiviert und wie ein Banner vor sich herträgt. Wer sich hin und wieder mit Literatur beschäftigt, weiß, wovon ich rede.
Dass RR nun mit dem Deutschen Fernsehpreis geehrt wurde oder werden sollte oder doch wurde (guckst Du hier: http://www.netzeitung.de/kultur/1184757.html), war bzw. ist mir ziemlich einerlei. Schließlich werden solcherart Preise seit Jahren an alle möglichen und vor allem unmöglichen Figuren verliehen – warum sollte da nicht mal ein geifernder Untoter bedacht werden?
Nett fand ich hingegen, dass RR den Preis irgendwie abgelehnt hat. Irgendwie aber auch nicht wirklich, denn er war zwar böse, aber so böse nun auch wieder nicht. Eher so wie die Nutte, die auf den Anbahnungsversuch eines Freiers pro Forma mit dem Satz „Mein Herr, ich bin nicht so eine ...“ reagiert, ehe sie wenig später doch aufs Laken sinkt.
Aber Fakt ist, RR hat den Preis erst einmal abgelehnt. Irgendwie, aber mit deutlichen Worten und ausdrücklichem Bezug auf den Blödsinn, den er während des Preisverleihungsabends erleben und erdulden musste. Wegen eines Atze Schröder, einer Richterin Salesch und anderer Unsäglichkeiten, die ich zum Glück nicht miterleben musste, die RR aber mit regelmäßigem Blick auf die Uhr erduldet hat – bis zu jenem Ausbruch, der Moderator Gottschalk zu heldenhafter Größe wachsen und die schlappe Intendantenriege alt aussehen ließ.
Entsetzt hat mich allerdings etwas anderes. Da ich dank einiger Internetveröffentlichungen vorgewarnt gewesen war, lauschte ich während RRs emotionalem Ausbruch ganz bewusst auf die Reaktionen des Publikums und schaute mir gezielt die Bilder der im Saal nach Gesichtern suchenden Kameras an.
Letzteren gelang es mit offensichtlicher Mühe, einige betroffen oder zumindest nicht amüsiert dreinschauende Zeitgenossen einzufangen. Doch der Ton bewies, dass ein großer Teil der Zuschauer im Saal bis zuletzt nicht begriffen hatte, dass RR ihnen keinen Standup-Comedy, sondern eine bitterböse Abrechnung mit der im Niedergang befindlichen Medienwelt bot. Da mochte der geifernde Greis noch so böse von „Blödsinn“ und „verlorenere Zeit“ grummeln, noch so sehr an 3Sat und Arte erinnern, die früher mal anspruchsvolles Programm geboten hatten – im Saal wurde gelacht und applaudiert, als greife ein Atze Schröder mal wieder unter die Gürtellinie. Und dass, obwohl nicht das deutsche Kulturprekariat, sondern ein handverlesenes, sich als elitär verstehendes Publikum geladen war. Peinlich.

PS.: Einige haben’s doch bemerkt. Aber nur einige.

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Freitag, 26. September 2008
Entschuldigung oder: Neudeutsch reflexive Selbstgeißelung mit Erfolgsgarantie
Gestern hatte ich das Vergnügen, im Auftrag eines großen Verbandes eine Versammlung zu fotografieren. Dabei hatte ich zwei Erlebnisse der besonderen Art.
Zum einen trat in der Diskussion ein nicht mehr ganz frischer Mensch auf, dessen geistiges Alter mit deutlich über dem recht stattlichen biologischen zu liegen schien. Er dröhnte allerlei Worthülsen durch den Saal, machte auf Populismus und wies seine Zuhörer darauf hin, dass wir uns im demokratischen Zentralismus befänden.
Für alle, die die DDR nur vom Hörensagen kennen: Deren totalitäres Regime verstand seine Staatsform nach höchstoffizieller Lesart als demokratischen Zentralismus. Ohne Wende und friedliche Revolution wäre er das wohl noch heute, nur ein wenig bankrotter als damals; und solch Grummelgreise wie besagter Diskussionär würden kalkig über ein ganzes Land herrschen.
Zum anderen: Den Anlass zur Versammlung hatte die Missetat eines Verbandsfunktionärs auf Landesebene gegeben, dem man auf die Schliche gekommen war, dass er Privates und Berufliches zum Schaden des Verbandes vermengt hatte. Dabei war ein Euro-Betrag ungerechtfertigt in der Tasche des Funktionärs gelandet; ungeklärt blieb, ob der Ertappte solches schon zuvor getan hatte.
Als man ihn an den Ohren zog, zahlte er das Geld zurück, erklärte vielen Leuten sein Bedauern und konnte – wie auch andere Funktionäre in seinem Umfeld und solche von einem Dachverband auf Bundesebene – nicht verstehen, dass die Basis ihm noch immer grollte.
„Aber er hat sich doch entschuldigt“, buhlte seine Getreuen um Nachsicht und forderten ein „Wir-haben-ihn-wieder-lieb“-Bekenntnis ein.
Das zeigte mir (wieder einmal), wie viel Dummheit in der Welt unterwegs ist. „Sich entschuldigen“ – das ist neudeutscher Unfug. Man bittet jemanden um Entschuldigung, bittet ihn also um Vergebung für eine Verfehlung. Ob er dieser Bitte nachkommt oder nicht, liegt in seinem Ermessen. Erlässt er mir die Schuld nicht, muss ich künftig mit ihr leben.
Das neudeutsch reflexiv gebrauchte „Ich entschuldige mich“ wäre treffender ein „Ich bedaure sehr, was ich getan habe.“ Schließlich bedeutet „Ich entschuldige mich“ letzten Endes, dass ich mir die Absolution selbst erteile. Es automatisiert die Bitte um Entschuldigung und macht sie zu einer Art Selbstgeißelung. Der Funktionär muss sich nur oft genug selbst auf den Pelz klatschen, dann müssen alle ihm verzeihen, ob sie wollen oder nicht.

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Samstag, 20. September 2008
Hilfe, ich bin militant. Oder: Artikel 5 GG gehört abgeschafft.
Bei einem Pressegespräch hatte ich heute ein Erlebnis der besonderen Art: Ein Berufskollege bezeichnete mich als „militant“. Nun ja, als Nichtraucher bin ich das beim Zusammentreffen mit rücksichtlosen „Kippenfressern“ tatsächlich. Und ich gestehe: In einem finsteren Winkel meines Herzens bin ich sogar ein wenig militaristisch. Aber es ging weder um das eine noch um das andere. Besagter Kollege bezog das Attribut „militant“ auf Einträge in meinem kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuch.
Nach kurzem Nachdenken geriet meine Welt wieder ins Lot, denn mein werter Berufskollege ist schließlich für seine Nähe zur boomenden Logistikbranche in der Region Leipzig bekannt. Das ist kein Makel, denn – so sprach Marlon Brando in seiner Paraderolle als Pate - „man muss ja essen“. Und Steuern zahlen. Und Raten überweisen. Und, und, und.
Und angesichts seiner Logistikverbandelung ist es da das gute Recht meines Kollegen, über ihm und/oder seinen Auftraggebern unangenehme Tagebuchgedanken zum Thema DHL, Flughafen Leipzig-Halle, Air Cargo und Nachtflugterror ein wenig sauer zu sein und sogar das Attribut „grenzwertig“ zu gebrauchen.
Aber „militant“ - nööö, der spinnt. Schließlich habe ich lediglich eine ausgeprägte Vorliebe für Artikel 5 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland. Nummer 5 – das ist der Artikel mit der Meinungsfreiheit. Stichwort „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten ...“ Ich bin kein militanter Flughafengegner, aber ich nehme für mich das Recht in Anspruch, meine Meinung frei zu äußern.
Zu sagen, dass es mich anstinkt, wenn aus einem Airport mit sinkenden Passagierzahlen ein Fracht- und Militärflughafen wird. Dass ich es übel finde, wenn Menschen, die sich mit ihrem Hausbau für Jahrzehnte verschuldet haben, durch Fluglärm quasi enteignet und von gewissenlosen Populisten verhöhnt werden. Dass ich Verständnis für die lärmgeplagten Brüsseler habe, die DHL den Stuhl vor die Tür gestellt haben. Dass ich hoffe, der Herrgott lässt irgendwann auch über Leipzig Hirn vom Himmel regnen ... Zumindest sage ich das, solange der Artikel 5 des Grundgesetzes noch nicht abgeschafft ist.
Aber „militant“ bin ich deshalb noch lange nicht. Nönö, Ma ...

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Mittwoch, 17. September 2008
Jenny und die Zootiere. Oder: Niedergang der deutschen Leitkultur
Meine Lokalpostille, die nach eigener Aussage dem Qualitätsjournalismus verpflichtete Leipziger Volkszeitung, hat eine Online-Ausgabe. Auch wenn diese noch Lichtjahre von netzeitung.de, welt.de oder gar telepolis.de entfernt ist, tut sich doch etwas. Dümpelte die Online-Ausgabe lange Zeit scheintot vor sich hin und wurde selbst während internationaler Großereignisse wie der Fußball-EM nächtens nicht aktualisiert, kann der geneigte Leser nun beobachten, dass nimmermüde Redakteure die eine oder andere Agenturmeldung ins Content-Management-System hieven und gelegentlich sogar eigene Berichte veröffentlichen.
Besonders stark sind solcherlei kleinkünstlerische Werke im Hinblick auf eigene wirtschaftliche Interessen des Verlages anzutreffen. Aber auch die Rubrik „Wissen, das die Welt nicht braucht“ ist gut besetzt.
Beispiel gefällig? Heute hat die LVZ-Online-Ausgabe (guckst Du hier: http://www.lvz.de/aktuell/content/73220.htm) eine dpa-Meldung übernommen und berichtet über einen bösen Unfall, den Jenny Elvers-Ebertzhagen (das ist wohl die Miss Heidschnucke, die mit Big-Brother-Alex irgendwie rumgemacht hatte) bei Dreharbeiten für die dritte „Dr. Mertens“-Staffel erlitt. Nun kenne ich weder die erste noch die zweite Staffel und werde auch die dritte nie kennenlernen (wahrscheinlich), es geht aber irgendwie um den Leipziger Zoo. Miss Heidschnucke spielt Nicole Sommer, die neue Assistentin der filmischen Zootierärztin Dr. Mertens, und hat sich dabei von einem Marabu in die Hand beißen lassen.
Blablabla, der Rest ist PR. Kurzer Abriss des Wer mit Wem (Handlung kann man diese öffentlich-rechtliche Sülze ja wohl nicht nennen), des weiteren Drehverlaufes und des zu erwartenden Sendetermins. Außerdem darf Heidschnucke Jenny noch verkünden, dass sie Angst vor dem großen Braunbären hat und daheim schnuckelige kleine Hasenbabies betreut.
Gähn. Wenn es die mit Kompetenz gesegneten Lokalpostilleros der LVZ-Onlineredaktion wenigstens geschafft hätten, den einen oder anderen Link einzubauen ... Wer freiwillig solchen Brösel wie die erschröckliche Moritat von der gebissenenen Miss Heidschnucke liest, der hätte doch sicher gern auch auf die einschlägigen Seiten von Zoo, mdr etc. geklickt und sich bei Wikipedia darüber informiert, was ein Marabu eigentlich ist und wie er aussieht. Aber das darf man wohl derzeit nur bei telepolis.de und burks.de erwarten ...

Armes Deutschland.

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Montag, 15. September 2008
Krebsregister und Risiko. Oder: Gedanken über eine Statistik
Meine Lokalpostille, die Leipziger Volkszeitung, macht ihre Titelseite heute mit der Schlagzeile „Sachsen: Krebsrate in Aue und Zwickau am höchsten“ auf. Unter Bezug auf das gemeinsame Krebsregister der östlichen Bundesländer (guckst Du hier: www.krebsregister-berlin.de) wird dargelegt, dass die Krebsrate in den einstigen Uran-Abbaugebieten der Wismut AG noch immer höher als im Rest Sachsens ist. Im Klartext: Mit 441,6 Krebsfällen je 100.000 Einwohner liegt Sachsen unter dem Bundesdurchschnitt von 452,7. Allerdings liegen die Kreise mit einstigen Wismutstandorten – Aue-Schwarzenberg (504,6), Zwickau (505,1) und Zwickauer Land (486,8) um knapp bzw. deutlich mehr als zehn Prozent über dem Durchschnitt.
Deutlich über dem Mittelwert liegt auch Leipzig – liegt’s an der chemischen Industrie von Buna, Leuna und Bitterfeld, in der viele Leipziger einst tätig waren bzw. deren Dreck sie bei geeignetem Wind auch daheim atmen durften?
Deutlich drunter liegen die Bergbauregion Freiberg (301,0) und die Sächsische Schweiz (330,9), wobei auch in letzterem Gebiet Wismutaktivitäten zu verzeichnen gewesen sind. Die Autoren des Krebsregister-Internetauftrittes betonen jedoch, dass es falsch sei, aus den Zahlen für das eigene Gebiet ein erhöhtes persönliches Krebsrisiko abzuleiten. Dieses sei, wie so vieles im Leben, von den ganz konkreten, persönlichen Veranlagungen und Umständen abhängig. Wer seine Wohnung mit Asbest tapeziert, hat auch in der heilen Welt rund um Freiberg gute Chancen auf ein Krebsleiden.
Was sagt mir dieses Zahlenwerk ansonsten?
Zum einen, dass mein Schwiegervater ein weiser Mann ist. Er verkündet gelegentlich den aus eingehender Geschichtsbetrachtung gezogenen Schluss, dass es für die Sachsen noch nie von Vorteil war, sich mit Franzosen und/oder Russen einzulassen. Während man den Franzmännern in punkto Krebs keine Vorwürfe machen kann, sieht das bei den Russen, die ja einst „unsere sowjetischen Freunde“ waren, ganz anders aus. Die wühlten in Sachsen und Thüringen ganz heftig im Boden, um ihre Atomwaffen mit nuklearem Sprengstoff befüllen zu können. Vielen Dank auch noch!

Zum anderen sagt mir das Zahlenwerk des Krebsregisters aber auch, dass Statistiken in Laienhand (und das sind Zeitungsmenschen nun mal – zumindest die meisten) mit Vorsicht zu genießen sind. Sinnvoll wäre z.B. eine Gegenüberstellung der Krebsrate mit Angaben zur durchschnittlichen Lebenserwartung: Wer früher stirbt, ist nämlich nicht nur länger tot, sondern hat auch eine deutliche geringere Wahrscheinlichkeit, „später“ an Krebs zu erkranken. Zum anderen hätte der Artikel meiner Lokalpostille durchaus gewonnen, wären die Zahlen des Krebsregisters zusätzlich mit Angaben zur Binnenwanderung unterfüttert worden. Im Klartext: Wer sich „in der Wismut“ die Lunge mit strahlendem Dreck gefüllt hat, dann aber nach Hinterrumpelshausen in Meckpomm gezogen ist, taucht im dortigen Register auf – ebenso wie der niederbayerische Leihbeamte, der zur Aufbauhilfe Ost in die sächsische Landeshauptstadt Dresden gekommen ist und die Früchte seiner Buschzulage nun in der Sächsischen Schweiz genießt.
Aber solcherart Hintergrundberichterstattung ist ja schon Luxus ...

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Dienstag, 9. September 2008
Meine Lokalpostille und die Schleichwerbung. Oder: Verstöße gegen den Pressekodex reloadet
Heute, am 9. September, habe ich meinen guten Vorsatz für das neue Jahr gefasst. „Häää? Neues Jahr?“, mag sich nun der eine oder andere Leser meines kleinen Tagebuches fragen und zu dem Schluss gelangen, dass der Verfasser dieser Zeilen nun wohl doch dem Schwachsinn anheim gefallen sein muss.
Doch keine Angst – alles ist im Lot. Den guten Vorsatz für 2009 habe ich allerdings tatsächlich bereits gefasst. Vor wenigen Minuten, genauer gesagt: Beim Frühstück und der damit einher gehenden Lektüre meiner Lokalpostille, der Leipziger Volkszeitung. Regelmäßige Leser meiner – politisch nicht immer korrekten – Notizen wissen, dass ich hin und wieder Anstoß an Veröffentlichungen der nach eigener Aussage dem Qualitätsjournalismus verpflichteten LVZ nehme. Die Gründe hierfür sind zumeist die himmelschreiende Dummheit oder die unendliche Faulheit bestimmter Autoren, häufig auch eine Kopplung aus beiden Eigenarten. Regelmäßig ärgere ich mich zudem über Verstöße gegen den Pressekodex. So auch heute.
Wieder einmal – oder heute sogar zweimal auf einer Seite – wurde gegen dieses Regelwerk der Medienbranche verstoßen. In Ziffer 7 (guckst Du hier: http://www.presserat.de/Pressekodex.8.0.html) verweist der Pressekodex auf die Trennung von Werbung und Redaktion. Zum Nachlesen:

ZI F F E R 7 TRENNUNG VON WERBUNG UND REDAKTION
Die Verantwortung der Presse gegenüber der Öffentlichkeit gebietet, dass redaktionelle Veröffentlichungen nicht durch private oder geschäftliche Interessen Dritter oder durch persönliche wirtschaftliche Interessen der Journalistinnen und Journalisten beeinflusst werden. Verleger und Redakteure wehren derartige Versuche ab und achten auf eine klare Trennung zwischen redaktionellem Text und Veröffentlichungen zu werblichen Zwecken. Bei Veröffentlichungen, die ein Eigeninteresse des Verlages betreffen, muss dieses erkennbar sein.

Soweit die Theorie. Oder, wie Jack Sparrow im „Fluch der Karibik“ feststellte: „Der Kodex ist doch nur eine Empfehlung.“ Nicht nur für die Piraten zur See, sondern auch für die der Medienbranche.
Und so berichtet meine Lokalpostille auf Seite 17 ihrer heutigen Ausgabe über die nunmehr in zweiter Auflage erscheinende Broschüre „Zoogeflüster“, zu deren Herstellung sich die LVZ wegen der großen Nachfrage nun entschlossen hat. Auf gut 30 Druckzeilen erfahren die geneigten Liebhaber des Qualitätsjournalismus’ viel Wissenswertes über Inhalt, Aufmachung, Kaufpreis und Bezugsmöglichkeiten des Druckwerkes. Sogar ein Bild spendierten die Gutmenschen aus dem Leipziger Medienhaus der Leserschaft – ein Repro des Covers. Dass hier wirtschaftliche Interessen des Verlages mit redaktioneller Berichterstattung vermengt wurden, sollte auch dem dümmstanzunehmenden Leser auffallen. Tut es aber nicht, weil solcherart Mauscheleien bei der LVZ System haben und die Verleger „derartige Versuche“ ganz offensichtlich nicht nur nicht abwehren, sondern vorschreiben.
Anders lässt es sich nicht erklären, dass der Beitrag in die Spalten des Lokalteils rutschen konnte. Autor ist nämlich keiner der dort mehr oder weniger tätigen Redakteure und auch keiner der wohlfeilen Praktikanten, sondern laut Kürzel „sei“ Thomas Seidler.
Diese war von 1993 bis 2005 Lokalchef der LVZ und hat seither das Amt des Chef-Management-Redakteurs bei der Leipziger Medien Service GmbH (LMS) inne. Dieses Unternehmen gibt allerlei Bücher heraus, die dann bei der LVZ intensivst beworben und verklingelt werden. Wer sich über die Gesellschafterstruktur der LMS informieren will, kann das Handelsregister einsehen und wird keine Überraschungen erleben. Wer sich die Mühe sparen will, gibt mir ein Bier aus, dann erfährt er’s auch.

Solcherart Verquickungen meint der Deutsche Presserat, wenn im Pressekodex von der Kennzeichnungspflicht bei „Veröffentlichungen, die ein Eigeninteresse des Verlages betreffen“, die Rede ist.

Unter Ziffer 7 des Pressekodex’ fällt aber auch eine Veröffentlichung, die in der heutigen Ausgabe meiner Lokalpostille gleich neben der Eigenwerbung für das „Zoogeflüster“ steht. Unter dem Titel „Der Hund von Welt trägt Regencape“ ist dort in Wort und Bild eine nette kleine PR-Geschichte über Birgit Winkler und ihren Minizoo abgedruckt. Im Focus war die von dpa verbreitete PR-Schmonzette übrigens bereits am 14. August 2008 „Bild des Tages“. Aber zurück zur LVZ: Der geneigte Leser dieses qualitätsjournalistischen Werkes erfährt, das die Chihuahuas Quincy und Lilli bei herbstlichen Niederschlägen Regenmäntel tragen, die aus den USA stammen und in Birgits Minizoo verkauft werden.
Womit wir bei der unzulässigen Vermauschelung von Redaktion und Anzeige wären, denn dieser Minizoo ist kein Zoo, sondern ein – ziemlich dürftig aufgemachter – Onlineshop. Guckst Du hier: https://ssl.kundenserver.de/www.birgits-minizoo.de/sess/utn;jsessionid=1548c6141ad10c9/shopdata/index.shopscript
Nun ist es jedem selbst überlassen, sich mit solcherart Angeboten zu bereichern und/oder zu blamieren. Im Lokalteil hat diese Veröffentlichung allerdings nur als Anzeige etwas verloren. Zumindest bei einer Zeitung, die für sich den Anspruch des Qualitätsjournalismus erhebt.

Und was hat das alles mit dem zu Anfang dieser Zeilen erwähnten „guten Vorsatz“ fürs neue Jahr zu tun? Nun, da ich bereits überreichlich Sport treibe, macht das übliche „mehr Sport“ oder „gesund leben“ ja keinen Sinn. Also werde ich im kommenden Jahr die Verstöße meiner Lokalpostille gegen den Pressekodex dokumentieren und einmal pro Quartal an den Presserat schicken. Einer muss es ja tun ...

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