Dienstag, 5. Mai 2009
Straßenwahlkampf in LE. Oder: Freies Parken für deutsche Autos
Kommunalwahlkampf in Leipzig ist wie Ü-Ei. Spannung, was zum Spielen und Schokolade, die gar keine ist, sondern nur so aussieht. Im Unterschied zu den Ü-Eiern darf man die Wahl-Eier aber nicht schütteln, das wäre Körperverletzung. Also gibt es kaum eine Chance, den Inhalt vor der Wahl näher zu untersuchen.
Wie stets bedienen die „großen Parteien“ ihre Wählerschaft mit griffigen Slogans, die SPD holt irgendeinen Promi aus der Kiste und lässt ihn mit ihren aktuellen Kandidaten posieren. So wie jüngst in Leipzig, als Bundesspatenstichminister Wolfgang Tiefensee und ein Grüppchen sonstiger Sozis vom Starfotografen meiner SPD-nahen Lokalpostille abgelichtet und in den Lokalteil gehoben wurde. Wegen der Ausgeglichenheit werden die Auftritte der "anderen großen Partei" namens CDU auch dargestellt, allerdings weniger liebevoll in Szene gesetzt. Das ist der Verlag seiner Gesellschafterin, der alten tante SPD, eben schuldig. Solche Rituale geben Halt in einer Zeit, in der viele Dinge aus den Fugen zu geraten scheinen.
Verlass ist auch auf die Bauernfänger der kackbraunen und der dunkelroten Fraktion. Beide plakatieren im Stadtbild ihre Parolen, die so schwachsinnig wie unrealistisch sind, dafür aber sehr schön populistisch in die Ohren flutschen. Ob die Trommler nun Oskar oder Joseph-Paul heißen bzw. hießen – beide beherrsch(t)en ihr Seelenfängerhandwerk. Aber natürlich gibt es zwischen linken und rechten Populisten auch prinzipielle Unterschiede: Letztere hängen ihre Plakate deutlich höher.
Mein Überraschungssieger im aktuellen Straßenwahlkampf ist die Leipziger F.D.P. Bisher waren die Liberalen in Leipzig zwar keine Macht, aber doch im Stadtrat vertreten. Dort machten sie irgendwie „auf Wirtschaft“, wobei die eigentliche Wirtschaftspolitik – wie zum Beispiel die Ansiedlung der hochgradig zukunftssicheren Autohersteller – nun wieder Sache des SPD-Bürgermeisters war. Offensichtlich haben die Leipziger Liberalen das auch erkannt und setzen nun auf eine breitere Zielgruppe. Anders kann ich den Slogan nicht deuten, der mich gestern von einem FDP-Plakat ansprang. Dort hieß es „Parkplätze statt Knöllchen“ – das ist intellektuell etwa so hochfliegend wie „Rostbratwurst statt Lebensmittelkontrolle“ und hätte ebenso gut (besser: ebenso schlecht) auch von Rot oder Braun stammen können.
Wobei: Die hätten’s etwas anders formuliert. Also „Deutscher Parkraum für deutsche Autos, Knölchen für Importe“ bzw. „Freies Parken fürs Volk, Knöllchen für Bonzen (außer Oskar)“.

Wer nun die Grünen vermisst hat ... die sind irgendwie noch nicht im Leipziger Wahlkampf angekommen, was aber auch kein wirklicher Verlust ist.

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Montag, 4. Mai 2009
Demokratiebrems Bundestag. Oder: Mal eben schnell eine Petition unterzeichnen
Heute wollte ich mal eben schnell eine Petition unterzeichnen. Diese hier: http://www.netzeitung.de/politik/deutschland/1346239.html
Um nicht missverstanden zu werden: Selbstverständlich habe ich mit Kinderpornographie nichts am Hut, aber ich bin gegen die vorgesehene Verfahrensweise, dass mal eben schnell irgendwelche Schlapphüte auf geheimen Listen festlegen wollen, was ich alles nicht wissen darf. Das hatte ich schonmal, damals hieß der Staat DDR und die Leute, die sowas taten, waren bei der Stasi.
Deshalb wollte ich, wie gesagt, diese https://epetitionen.bundestag.de/index.php?action=petition;sa=details;%20petition=3860 Petition unterzeichnen. Wollte, aber es gelang mir nicht. Eigentlich bin ich in Sachen Internet durchaus fit, bin in der Lage, mich bei allem möglichen Scheiß anzumelden - nur beim Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages gelang es mir nicht. Um lästerlichen Bemerkungen meiner geneigten Stammleserschaft gleich mal so den Hahn abzudrehen: Ich bin mir sehr sicher, dass es nicht an meiner Dusseligkeit lag. Vielleicht an meiner IP, das mag sein. Wahrscheinlicher ist aus meiner Sicht jedoch, dass hier ganz bewusst Barrieren aufgebaut wurden. Schon die Reaktionszeiten des Bundestagsservers erinnerten an längst vergessene Modemzeiten. Von der Benutzerfreundlichkeit ganz zu schweigen. Jeder Onlinehändler ginge Pleite, würde er seine Kunden so verarschen.
Um zum Thema zurückzukehren: Wo kämen wir auch hier, wenn in Deutschland jeder mal eben so eine Petition unterzeichnen könnte ...

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Steinmeier im Wahlkampf. Oder: Where the fuck is Eisenach?
Woran merkt man, dass das tumbe deutsche Volk auf eine Bundestagswahl zusteuert? Richtig, Politiker aller Coleur buhlen um Wählerstimmen. So besuchte Außensozi Frank-Walter Steinmeier ("Call me Frank") heute das Opel-Werk in Eisenach. Mit hoher Wahrscheinlichkeit hätte der nebenberufliche SPD-Kanzlerkandidat gestern beim Stichwort Eisenach noch ausgerufen "Where the fuck is Eisenach", vielleicht aber auch "SWho ...", denn dass es eine Stadt dieses Namens gibt, hat er wahrscheinlich bis heute auch nicht gewusst.

Noch eine Frage gefällig?
Woran merkt man noch, dass das tumbe deutsche Volk auf eine Bundestagswahl zusteuert? Richtig, meine Lokalpostille, die Leipziger Volkszeitung, seit kurzem maßgeblich im SPD-Besitz befindlich, hat die Prioritäten neu sortiert und berichtet in umfangreicher Aufmachung über den Besuch des hoffentlich bald ehemaligen Spitzenkandidaten der SPD, Frank-Walter Steinmeier, und noch hoffentlicher "never Kanzlers", über dessen Besuch in Eisenach.

Wer nun glaubt, dass ich kein Freund der SPD bin, hat
1. richtig getippt und
2. die Gewissheit, dass die Wiederentdeckung des potenziellen Wählers wenige Wochen vor einer anstehenden Wahl kein typisches SPD-Phänomen ist.

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Mittwoch, 29. April 2009
Courage zeigen in Leipzig. Oder: Ist Gleichschritt immer braun?
Am Vorabend des 1. Mai findet in Leipzig unter dem Motto „Courage zeigen“ eine Freiluftveranstaltung gegen Rechts statt. Das ist gut so. Mit einem Konzert am Völkerschlachtdenkmal soll kackbraunen Kameraden der Marsch geblasen und zugleich verhindert werden, dass Rechte das Denkmal für eigene Demonstrationen missbrauchen. Das ist auch gut so.
Das Freiluft-Konzert trägt in diesem Jahr den Untertitel „Aufrecht gehen. Nicht im Gleichschritt marschieren.“ Und hier beginnen meine Probleme. Was hat Gleichschritt mit rechtem Gedankengut zu tun? Gleichschritt, das ist kein Alleinstellungsmerkmal der Nazis, sondern eine in militärischen Kreisen übliche Fortbewegungsart – bei UNO-Blauhelmen übrigens ebenso wie in der Bundeswehr.
„Nicht im Gleichschritt marschieren“ – dieser Slogan ist aus meiner Sicht gründlich daneben, denn er setzt die Bundeswehr sprachlich mit trommelnden braunen Horden gleich. Und irgendwie glaube ich nicht, dass den „Machern“ dieser Parole ein Lapsus unterlaufen ist. Ich möchte wetten, dass da linke Absicht im Spiel ist.
Schade, denn die Aktion „Courage zeigen“ hätte Besseres verdient. Aber soweit denken die weichgespülten Kerzenschwenker der Gutmenschenfraktion sicher nicht ... brauchen sie auch nicht, schließlich wähnen sie sich ja auf der Seite der "Guten".

PS.: An alle, die über den Link auf der Seite von Mike Nagler hierher gekommen sind - ich habe mit "links" nichts am Hut, sondern bin vor allem eines: nach allen Seiten politisch unkorrekt, das aber von ganzem Herzen.

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Samstag, 18. April 2009
Vorschlag für einen SPD-Slogan. Oder: Was so alles Programm heißen darf ...
Die SPD-Führung hat einstimmig den Enwurf für das Wahlprogramm der Sozis zur Bundestagswahl 2009 auf den Weg gebracht. Nun mag man über leere Versprechungen, Wählerverarsche und ähnliche politische Kerntugenden geteilter Meinung sein, aber Fakt ist: Das Vorstandsprogramm ist schwach und unausgegoren. Guckst Du hier: http://www.welt.de/politik/article3579185/SPD-will-mit-Programm-starke-Schultern-belasten.html
Unter dem Motto "Sozial und demokratisch. Anpacken für den Deutschland" klopfen sich die SPDler nun selbst auf die wenigen Schultern.
Vielleicht wird beim Parteitag am 14. Juni ja auch ein anderer Slogan beschlossen. Einen Vorschlag hätte ich:
"Sozialneid schüren.
Leistung bestrafen.
SPD"

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Donnerstag, 16. April 2009
Oberbürgermeisterlicher Realitätsverlust. Oder: Sportstadt Leipzig im Sinkflug?
Kennt jemand den ersten deutschen Fußballmeister? Das war der VfB Leipzig. Und den Deutschen Fußballbund? Der wurde 1900 in Leipzig gegründet. Deutsche Hochschule für Körperkultur DHfK (Das darf man heute nicht mehr sagen, dann kündigen die Sportwissenschaftler der Universität Leipzig einem den z.B. für eine Veranstaltung gebuchten Saal), FKS, IAT, das Stadion der 100.000, Turnhallen, Volksschwimmhallen, jede Menge Sportvereine (auch wenn die damals noch Abteilung oder Sektionen hießen), viele Olympiasieger und Weltmeister, allen voran die legendären Ruderer – Leipzig und Sport, das hatte mal was. Soviel, dass die Bezeichnung „Sportstadt Leipzig“ in aller Munde war. Soviel, dass Erich Honecker am 21. Juni 1989, also bereits in der Phase der Götterdämmerung und wohl auch als Zeichen seiner persönlichen Umnachtung, per ADN verkünden ließ, dass Leipzig doch die Olympischen Spiele ausrichten könne. Auch wenn’s eigentlich nur ein Propaganda-Schachzug gegen die Bewerbung Berlins (West-Berlins!) war – trotz aller Skepsis flammte in Sachsen Begeisterung auf.
Als ein von allen guten Geistern verlassener Leipziger Oberbürgermeister namens Wolfgang Tiefensee (heute Bundesspatenstichminister) ein paar Jahre in Erichs Fußstapfen trat und seine Pläne für das „Projekt Olympia“ in die staunende Welt fiedelte, war Leipzig trotz des seit den 80-ern eingetretenen sportlichen Niedergangs noch so sehr Sportstadt, dass die Begeisterung erneut aufflammte und die Enttäuschung über das Olympia-Aus am 18. Juni 2004 gewaltig war.
Apropos gewaltig: Gewaltig geschrumpft ist auch die Leipziger Sportlichkeit. Gut, in der Stadt gibt es ein defizitäres WM-Stadion, in dem manchmal sogar Fußball gespielt wird. Allerdings weniger von hiesigen Vereinen, die sind nämlich, wenn sie einander nicht gerade bekriegen, abwechselnd pleite. Dann gibt es noch eine Trabrennbahn, die trotz der Stadt Leipzig irgendwie überlebt, sowie eine marode Radrennbahn, die bisher irgendwie überlebt hat (trotz der Stadt Leipzig) und nun irgendwie mit Mitteln aus dem Konjunkturpakete heile gemacht werden soll. Wenn noch was übrigbleibt von dem Geld, nachdem die Stadt der Sanierung einer zwar schönen, aber eigentlich nicht wirklich benötigten Kongresshalle höhere Finanzpriorität eingeräumt hat. Außerdem existiert dank fleißiger Ehrenamtler sportliches Leben in zahlreichen Vereinen – trotz der Stadt Leipzig.
Nun mag sich der eine oder andere regelmäßige Leser dieses kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuches fragen, weshalb ich über den Niedergang einer einstigen Sportstadt so viele Worte mache.
Ganz einfach: Gestern beklagte sich der Leipziger Oberbürgermeister Burkhard Jung vor der einbestellten Presse über die notorische Mediennörgelei in punkto Sportstadt. Unter Verweis auf die 150 Jahre währende Tradition sagte er: „Ich kann nicht verstehen, warum man uns den Status Sportstadt wegreden will.“
Hmmm. Sollte mal irgendwer ein schönes Beispiel für Realitätsverlust benötigen, kann ihm Burkhard Jung sicher weiterhelfen. Beim Stichwort Realitätsverlust fällt mir außerdem ein, dass der eingangs genannte Erich Honecker knapp vier Monate nach seiner prophetischen Äußerung über die Olympischen Spiele an der Pleiße von seinen Ämtern zurücktrat, ähm: getreten wurde. Der blasse Leipziger Oberbürgermeister wird der einstigen Sportstadt aller Wahrscheinlichkeit nach länger erhalten bleiben. Schließlich isser ja erst 2006 von einem kleinen Teil der Leipziger ins Amt gewählt worden und wird sich, weil er kein Lehrer mehr ist, wohl auch nocht vorfristig pensionieren lassen. In diesem Sinne: Sport frei!

PS.: Weil ich ja gern bei Wikipedia schmökere, sei meinen geneigten Lesern hier ein Auszug aus dem dortigen Eintrag über Burkhard Jung zur Lektüre dargeboten:

„Für die Bewerbung Leipzigs für die Olympischen Spiele 2012 war er zwei Jahre städtischer Olympiabeauftragter, bis er im November 2003 von diesem Posten aufgrund einer Provisionszahlung an die Marketingagentur SCI zurücktrat und als Beigeordneter von seinen Dienstgeschäften entbunden wurde. Die Affäre skandalisierte der Redakteur Jens Weinreich der Berliner Zeitung. Nach einem Monat Beurlaubung und Einstellung der staatsanwaltlichen Vorermittlungen trat Jung im Dezember 2003 seinen Dienst als Beigeordneter wieder an.“

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Dienstag, 14. April 2009
Münte im Wahlkampf. Oder: Artikel 146 und die DDR als Teil des russischen Großreiches
Die Deutsche Presseagentur dpa sendete während der Osterfeiertage eine Meldung zur wiederaufgeflammten Debatte um die Deutsche Einheit bzw. das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland. Wer’s nachlesen will, schlage die heutigen Tageszeitungen auf, meine Lokalpostille, die Leipziger Volkszeitung LVZ, druckt die dpa-Nachricht auf Seite drei unter dem Titel „Beitritt statt Vereinigung“ ab.
Worum geht’s? Am 3. Oktober 1990 verschwand die DDR von der politischen Weltkarte, die kurz zuvor gebildeten fünf Bundesländer Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Sachsen, Thüringen und Brandenburg gingen per Beitritt in der bestehenden Bundesrepublik Deutschland auf, sodass die Wiedervereinigung juristisch keine Vereinigung, sondern ein Beitritt war – deshalb heißen die fünf neuen bzw. östlichen Bundesländer korrekt auch „Beitrittsgebiet“.
Über das „Wie“ von Wiedervereinigung bzw. Beitritt gab es damals wie heute viele Diskussionen; Tatsache ist, dass seinerzeit ein winziges „historisches Zeitfenster“ genutzt werden musste (und wurde), um DDR und BRD zusammenzubringen – eine tatsächliche Vereinigung mit automatischem Außerkrafttreten des Grundgesetzes gemäß Artikel 146 währe wohl nicht über die Weltbühne gegangen, solange der russische Bär schwach und mit sich selbst beschäftigt war.
Dass die Debatte um Beitritt oder Vereinigung sich heute wieder in den deutschen Zeitungen findet, ist vor allem Franz Müntefering zu verdanken. Der SPD-Wahlkampfstratege regte kürzlich die Ausarbeitung einer gesamtdeutschen Verfassung an, so wie ursprünglich im mittlerweile geänderten Artikel 146 GG gefordert.
Na, wenn da die Nachtigall mal nicht trapst. „Münte“ weiß um die Schwäche seiner Schrumpfpartei im Osten Deutschlands und hofft, mit der Debatte um die nun endlich, endlich, endlich zu schaffende Einheitsverfassung von der Einheit enttäuschte Neubundesländler und notorisch grummelnde Altkader für seinen Gemischtwarenladen zu gewinnen.
Wenn’s denn schon historisch sein muss, so sei denjenigen, die sich dem rötelnden Rattenfänger anschließen wollen, gründliches Kramen in ihrem Gedächtnis oder ein Blick in den Blätterwald des Jahres 1990 empfohlen. Dort findet sich nämlich jede Menge „Contra“ im Hinblick auf den Beitritt: Wäre es nach der SPD gegangen, hätte es statt einer Wiedervereinigung bzw. des Beitrittes per 3.10. 1990 eine auf Jahrzehnte angelegte Assoziierungsphase gegeben. Oskar Lafontaine – das ist der populistische Rattenfänger der Linkspartei mit dem seinerzeit leider fehlgeschlagenen Messerattentat – schlug schon am 25.11.1989 (!) vor, die „Bürgerinnen und Bürger der DDR künftig nicht mehr als Deutsche im Sinne des Grundgesetzes zu behandeln. Nach Öffnung der Mauer könne ihnen der Zugriff auf die sozialen Sicherungssysteme der Bundesrepublik nicht mehr offengehalten werden.“ Diese schöne Formulierung sollte man mehrmals lesen.
Ausdrücklich sprachen sich auch Günter Grass und Gerhard Schröder gegen die Wiedervereinigung aus, daran konnte auch Altmeister Willy Brandt nichts ändern, der als einziger prominenter Sozi für die Herstellung der staatlichen Einheit war. Ein gewisser Joseph Paul Fischer, bekannter als Joschka Fischer, schrieb in der TAZ kurz nach dem Mauerfall am 9.11.1989 von einer „drohenden Wiedervereinigung“ und sprach von „mindestens weiteren 45 Jahren“ bis zur Wiederherstellung der staatlichen Einheit Deutschlands.
Ohne einen Politiker vom Schlage Helmut Kohls wäre das winzige Zeitfenster, das für die Wiedervereinigung offen stand, höchstwahrscheinlich ungenutzt geblieben.
Die Konsequenzen? Oskar Lafontaine wäre trotz aller Skandale und Verfilzungen noch immer Ministerpräsident im Saarland, Gerhard Schröder würde als MP derzeit wahrscheinlich die Rettung des Volkswagenkonzerns fordern, Joschka Fischer hätte nicht all die schönen Flüge als Außenminister machen dürfen und wäre immer noch „dagegen“ und würde im Parlament „mit Verlaub“ immer mal wieder Arschloch sagen.
Und die DDR? Wäre wahrscheinlich eine autonomes Gebiet um russischen Reich, in punkto Demokratie irgendwo zwischen Weißrussland und Südossetien angesiedelt ...
Und Münte? Würde mit seinem roten Schal wedeln und ein anderes Wahlkampfthema kultivieren.

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Donnerstag, 12. März 2009
Wolfgang Schäuble grollt dem Bundesverfassungsgericht. Oder: Karrieretipps für Richter vom Bundesüberwachungsminister
Wolfgang Schäuble, seines Zeichens überwachungswütiger Bundesinnenminister, hat gegen das Bundesverfassungsgericht gewettert. Wieder mal, denn steter Tropfen höhlt ja den Stein. In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (Guckst Du hier: http://www.faz.net/s/Rub594835B672714A1DB1A121534F010EE1/Doc~EE813AF7099EE49628DFDFA4326C8B8DB~ATpl~Ecommon~Scontent.html ) kann man nachlesen, wie Schäuble über das Tun der Verfassungsrichter denkt. Angesichts der einstweiligen Anordnung des BuVFG gegen die Vorratsdatenspeicherung machte Schäuble u.a. deutlich, dass sich die Richter nicht ins Handwerk der Politiker mischen sollten. Sein Fazit: „Wer Gesetze gestalten will, sollte sich bemühen, Mitglied des Deutschen Bundestages zu werden.“ Ausführlich unter o.g. Link nachzulesen.
Wäre ich ein bösartiger Mensch, könnte mir der Vergleich mit einem einst eingebürgerten Österreicher einfallen, der sich bei einem Tischgespräch darüber ausließ, dass es eine Schande ist, Jurist zu sein. Zuvor hatte er sich darüber geärgert, dass mit Verstand, Rückgrat und Ehre gesegnete Juristen ihm den unbedingten Gehorsam verweigert hatten. Da ich aber kein bösartiger Mensch bin, enthalte ich meiner geneigten Leserschaft den Namen dieses österreichischen Gefr... uuups ... lieber vor.
Dennoch: Unserem allseits beliebten Bundesüberwachungsminister sei der der Tipp gegeben, das o.g. Fazit ein wenig umzuformulieren. Wie wäre es mit „Wer ein Problem mit dem Grundgesetz hat, sollte weder Mitglied des Deutschen Bundestages bleiben noch ein Regierungsamt ausüben.“

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Dienstag, 10. März 2009
Hoher Besuch in Leipzig. Oder: Bundeswunderminister auf Wahlkampftour
Irgendwie muss in diesem Jahr Wahl sein. Bundestagswahl. Wie ich darauf komme (bzw. käme, wenn ich's nicht schon wüsste)? Bundeswunderminister und Ostgebietswohltäter Wolfgang Tiefensee lässt sich wieder verstärkt in seinem Wahlkreis sehen ... Kürzlich beglückte er eine Leipziger Schule mit seiner Anwesenheit, am Freitag (13.!) wird der Minister am bundesweiten Erfahrungsaustausch über das Förderprogramm Kommunal-Kombi teilnehmen. Der Genosse aus der Reichshauptstadt reist in die Provinz, um sich für die Zeit nach dem Verlust des Ministerpostens ein Bundestagsmandat zu sichern.
Erstaunlich ist nur, dass die Wahlkampfbesuche nicht von der Leipziger SPD, sondern durch das Referat Presse beim Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung bekanntgemacht werden. Aber das ist sicher alles legal, vermute ich.

Noch eine Vermutung gefällig?
Wenn der letzte Frost aus dem Erdreich gewichen und der Schlamm etwas abgetrocknet ist, wird Wolfgang wohl auch wieder den Spatenstichonkel der Nation geben. Im Anfangen war er schon immer gut.

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Freitag, 6. März 2009
Sex, Kinderpornographie und F-Secure. Oder: Wehe, wenn Wolfgang Schäuble sich selbst von der Kette lässt.
Über eine missliche Sache berichtete Rechtsanwalt Udo Vetter kürzlich unter www.Lawblog.de (Ich lese dort regelmäßig mit, da man dabei erstens etwas dazulernen, zweitens mitunter schmunzeln bzw. sich entrüsten, meist beides zugleich kann und drittens, weil Udo Vetter ein Jurist ist, der vor der Datenkrake namens Wolfgang Schäuble nicht einknickt, sondern der Aufweichung der Grundrechte entgegentritt.
Besagter Udo Vetter staunte hier http://www.lawblog.de/index.php/archives/2009/02/26/nichts-fur-kinder/ darüber, dass sein Internettagebuch die Kindersicherung von F-Secure zum Klingeln bringt. In einer sehr ergötzlichen und lesenswerten Diskussion trugen die Tagebuchleser zusammen, weshalb der Lawblag wohl auf diesen Index geraten sein könnte: Da gab es Beiträge zum Nachweis von Sperma-Spuren (pfui, pfui, pfui), zur Strafverfolgung von Pädophilen (pfui, pfui, pfui), zu KiPO-Delikten und Anal-Phabetismus (nicht pfui, nicht pfui, nicht pfui), die von den Crawlern, die das Netz im Dienste der Sicherheitsfirmen durchsuchen, wohl als verwerflich gewertet wurden.
Apropos Crawler und deren Suchalgorithmen: Anfang der 90er-Jahre war ich Redakteur bei der leider verschiedenen Tageszeitung „Wir in Leipzig“. Ein Kollege (Hallo Blümchen, wie geht’s so in DD?) nutzte regelmäßig die Volltextsuche im Agentur-Eingang, um in den eingelaufenen Ticker-Nachrichten nach dem String „Sex“ zu forschen – und staunte nicht schlecht, als das System ihm Meldungen über Rechtsexperten, Linksextremisten und Rechtsextremisten auswarf. Wesentlich schlauer sind übrigens auch die Algorithmen nicht, die Wolfgang Schäuble und Ursula von der Leyen zum Schutze unser freiheitlich-demokratischen Gartenlaube vor welchen Gefahren auch immer zur Anwendung bringen lassen wollen oder bereits bringen lassen.
Höchstwahrscheinlich ist die Indizierung „unschuldiger“ Seiten nur der Anfang; wenn Wolfgang erst die Verfassung zurechtgebogen und sich selbst von der Kette gelassen hat, ziehen im „deutschen Netz“ chinesische Verhältnisse ein. Apropos unschuldig: In Anlehnung an den Medizinerspruch, dass es keine gesunden Patienten gibt, wenn man nur gründlich genug untersucht, wissen emsige Schlapphüte, irre Rollteufel und all die anderen regierungsamtlichen Gutmenschen längst, dass es keine unschuldigen Bürger gibt. Zumindest nicht in Deutschland. Man muss nur gründlich genug überwachen.

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