Montag, 14. Juli 2008
Jason Lee, die Argonauten und Alvin. Oder: Kind mit beschissenem Namen on tour
Auf dem Weg zu einem Kunden erspähte ich am heutigen Morgen einen Renault Clio, an dem neben allerlei anderen aufgeklebten Bekenntnissen auch der Hinweis „Jason Lee on Tour“ angepappt war. Solcherlei Aufkleber finde ich ziemlich schwachsinnig (mit Ausnahme der ultimativen Negativvariante „Kein beschissenes Kind mit irgendeinem bescheuerten Namen on Tour“), zugleich lechze ich aber danach. Schließlich sind die Vornamen ein Kulturgut. Und Dank der von keinerlei Datenschutzbedenken gebremsten Preisgabe der Insassenbenennung mache ich mir so meine Gedanken, on die „Celine“ oder der „Cederic“ nun eine Mandy, eine Sandy oder eine Kerstin zur Mutter hat. Liegt letzterer Fall vor, handelt es sich wahrscheinlich um eine Spätgebärende (besser: Spät geboren Habende, denn sonst stünde der Kindchenname ja noch nicht dran ...), denn die Kerstins sind zumeist in meinem Alter.
Bei Jason Lee musste ich für solcherart Spekulationen erst überholen. Es wird wohl eher eine Mandy gewesen sein. Und sie machte nicht den Eindruck, jemals etwas von Jason und der Fahrt der Argonauten gehört zu haben. Auch ihr kräftig rauchender Beifahrer wird beim Goldenen Vlies wohl eher an eine Fleece-Jacke denken. Wenn er den Unterschied denn überhaupt kennt, so wie er aussah - aber das sind schon wieder Vorurteile, würde meine Frau sagen.
Wenn ich denn eine Prognose zur Herkunft des an der Heckseite verkündeten Namens aufstellen sollte, würde ich auf den Schauspieler Jason Lee („Die Unglaublichen“, „Alvin und die Chipmunks“) tippen. Passt zu dem putzigen Pärchen irgendwie besser als die griechische Sagenwelt.

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Zwei Tote beim Zugspitzlauf oder: Alles Vollkasko, oder was?
Endlich hat es mal wieder eine Laufveranstaltung in die Medien geschafft. Nein, es war nicht die Deutsche Meisterschaft im 24-Stunden-Lauf, die am Wochenende in Berlin ausgetragen wurde und mit Jan Prochaska einen strahlenden sowie mit Marika Heinlein eine arg zerschrammte Siegerin hatte. Und auch die anderen Leistungen können sich sehen lassen (Guckst Du hier: http://statistik.d-u-v.org/getresultevent.php?event=1478). Aber das reicht nicht, um in meiner Lokalpostille LVZ und den vielen anderen deutschen Lokaldingensbummensblättern wahrgenommen zu werden.
Nö. In die Medien hat es der Zugspitzextremlauf geschafft. Nicht wegen irgendwelcher spektakulärer Leistungen, sondern wegen der Tragödie auf der 16 Kilometer langen Strecke zum Gipel des höchsten deutschen Berges: Zwei Läufer kamen bei widrigen Witterungsbedingungen ums Leben, zahlreiche andere liefen nach einem Wetterumsturz um selbiges, mussten reanimiert werden, erlitten schwere Unterkühlungen. Guckst Du hier: http://www.welt.de/vermischtes/article2210164/Der_lange_Lauf_auf_die_Zugspitze__zwei_Tote.html
Es zeigt sich wieder mal: Geht ein Lauf glatt durch, findet er in den Medien nicht oder nur als Minimalbericht statt. Passiert etwas – siehe auch Marathontote usw. – wird’s ohne Sinn und Verstand breitgetreten. Damit die Volksseele etwas zum Kochen hat, damit sich chipsfressende Couchbuletten ereifern können, dass sie ja schon immer gewusst haben, dass Sport schädlich ist und dass es sich nun gehört, dass die Läufer die Kosten für den Rettungseinsatz selbst tragen. Genau wie die verfetteten Bis-zum-Herzkaspar-Raucher übrigens auch, gelle?
Dazu trägt natürlich auch die nicht eben von Sachverstand geprägte Berichterstattung der Medien bei. Die Deutsche Presseagentur dpa schickte folgendes Foto in die Welt und untertitelte es mit dem güldenen Satz: „Helfer der Bergwacht retten einen völlig erschöpften Extremsportler. Zwei Menschen starben am Sonntag bei einem Rennen auf die Zugspitze“.


Foto: dpa

Dass die Deutschpresseagenten dabei übersehen haben, dass es sich bei den angeblichen Helfern ebenfalls um Läufer handelt, ist bedauerlich. Dass sie – gemeinsam mit den blinden Redakteuren, die einen solchen Fehler ungeprüft übernehmen – die Bergwachthelfer zu Deppen abstempeln, die im kurzen Höschen in den Schnee steigen, ist eine Peinlichkeit.
Kein Wunder, dass die Leserkommentare z.B. in der Welt entsprechend ausfallen. In anderen Medien wird es ähnlich aussehen, von den selbst erklärten Fachleute an einschlägigen Stammtischen ganz zu schweigen.

Für alle, die es besser wissen wollen: Ja, es gibt bei allen Verrichtungen des Lebens ein Risiko. Das Leben als solches ist riskant und endet zwingend mit dem Tode. Mit Verstand und Glück kann man die reichlich vorhandenen Risiken erkennen, ihnen aus dem Weg gehen, sie vielleicht entschärfen und irgendwann eines mehr oder minder natürlichen Todes sterben. Oder auch nicht, denn es gibt Meteoriteneinschläge, den vom Himmel herabfallenden gefrorenen Inhalt von Flugzeugtoiletten, besoffene oder anderweitig ausgetickte Autofahrer, abstürzende Dachziegel und allerlei sonstige Gefahren.
Wer sich auf den Weg ins Hochgebirge macht, ist im Sinne der Risikominimierung gut beraten, auf Hinweise zum Wetter zu achten und entsprechende Vorkehrungen zu treffen. Ein Restrisiko bleibt. Nicht ohne Grund weiß der Volksmund, dass, wer sich in Gefahr begibt, darin auch umkommen kann. Das gilt für Zugspitzläufer genau so wie für die vollgefressenen Infarktkandidaten, die sich nun über die „spinnerten Sportler“ ein Urteil anmaßen. Der eine frisst und säuft, obwohl er weiß, dass es ihm schadet, der andere läuft einen Berg hinauf, obwohl dort – auch ohne Wetterwechsel – Absturz und Steinschlag drohen. So sind die Menschen nun einmal. Aber nur die, die ein Risiko eingegangen sind, haben die Entwicklung vorangebracht.

Nachdem die deutschen Vollkaskodenker seit längerer Zeit einen Läufer-TÜV für Marathonstarter fordern und auch den kleinsten Volkslauf argwöhnisch beäugen, werden nun wohl die üblichen Bedenkenträger aus ihren Ablagefächern gekrabbelt kommen und wieder einmal auf das Verbot riskanter Verrichtungen drängen: Berglauf, Marathonlauf, Ultralauf, Radfahren, Ironman, Kampftrinken, Büroschlaf, Autofahren, Fallschirmspringen, Leben, Lieben, Essen, Trinken, Schlafen ...

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