Mittwoch, 16. Juli 2014
Der Wochenspiegel Sachsen ruhe in Frieden. Oder: Wann ziehen die Abo-Zeitungen nach?
Ein paar Mal hatte ich den "Wochenspiegel Sachsen" in Händen. Ein regionales Anzeigenblatt, wie es viele gibt. Nicht preisverdächtig, aber für viele, vornehmlich ältere und weniger betuchte Leser ein Stück Lesestoff. Nun wird der im Regierungsbezirk Chemnitz erscheinende "Wochenspiegel Sachsen" eingestellt. Wie der Flurfunk Dresden hier http://www.flurfunk-dresden.de/2014/07/15/wochenspiegel-sachsen-wird-eingestellt/?utm_source=feedly&utm_reader=feedly&utm_medium=rss&utm_campaign=wochenspiegel-sachsen-wird-eingestellt schreibt, erfuhren's die Mitarbeiter mal eben so, begründet wird der Schritt mit dem kommenden Mindestlohn.
Der Wochenspiegel Sachen wird von der wvd-Mediengruppe herausgegeben. Auf der Homepage http://www.wvd-mediengruppe.de/produkte/anzeigenblaetter war die Welt per heute noch in Ordnung; kein Wort vom Ende des Titels.
Letzteres wurde von den Gesellschaftern beschlossen, zu denen neben Freier Presse und Weiss-Gruppe auch das Dresdner Druck- und Verlagshaus (25%) gehört. Insofern hat also um drei Ecken auch die SPD dafür gestimmt, unter Verweis auf den Mindestlohn die 60 Mitarbeiter des Wochenspiegels auf die Straße zu wippen.
Nun ist das Ende des Anzeigenblättchens kein Weltuntergang, in Leipzig sind mit Hallo! und Wochenkurier auch ohne das Mindestlohndamoklesschwert Anzeigenblätter in die ewigen Jagdgründe geschickt worden und es werden sicher hier und da weitere folgen.
Der Zeitpunkt der Einstellung ist optimal: Am Freitag beginnen in Sachsen die Sommerferien, da passt es, den Schlussstrich genau jetzt zu ziehen; die kommende bzw. nun doch nicht kommende Ausgabe der 30. KW wäre ohnehin defizitär gewesen. Und nach den Ferien ist eh alles Schnee von gestern.

Erwähnenswert finde ich das Ende des sächsischen Offertenblättchens aus einem anderen Grund: Das Wehgeschrei der Holzmedienverleger, deren in die Jahre gekommenes Geschäftsmodell irgendwie nicht mehr so richtig Geld in die Kasse bringt, kratzt ja längst an der Schmerzgrenze. Da ist es nur eine Frage der Zeit, bis auch die in Sachsen weitgehend konkurrenzfrei erscheinenden Regionalzeitungen Flurbereinigungen vornehmen und sich aus der Fläche zurückziehen.
Um's an einem Beispiel zu illustrieren: Meine Lokalpostille, die Leipziger Volkszeitung, gibt ja nicht nur eine Stadtausgabe heraus, deren Auflage unter galoppierender Schwindsucht leidet. Zum Imperium der LVZ gehören auch diverse Titel, die den Landeiern Lesestoff liefern.
In meinem Briefkasten (ich bin auch ein Landei) landet, wenn der Vertrieb denn funktioniert, werktäglich ein Exemplar der LVZ-Ausgabe "Muldentalzeitung". Im 1. Quartal 2014 wurden davon 18.318 Papierexemplare verkauft. Die Ausgabe Borna/Geithain wurde in Papierform 15.064 mal verkauft. Das macht in Summa 33.382 verkaufte Exemplare im Landkreis Leipzig. Dem stehen 259.207 Einwohner (31.12.2012, neuere Zahlen hält das StatLA nicht bereit) gegenüber. Das macht bei einer durchschnittlichen sächsischen Haushaltgröße von 1,9 in Sachsen (http://www.statistik.sachsen.de/html/370.htm), die ich jetzt mal großzügig auf 2 aufrunde, rund 129.600 Haushalte im Kreis.

Und nun wird es spannend: Daraus resultiert (wieder aufgerundet) eine Haushaltabdeckung von knapp 26%. Na, sagen wir mal 30 %, der eine oder andere Zugezogene liest ja vielleicht die Stadtausgabe ... Im Klartext (und wieder freundlich aufgerundet und den Freiverkauf gar nicht rausgerechnet): Die LVZ landet im Landkreis Leipzig bestenfalls in jedem dritten Briefkasten. Weiter draußen auf dem Land, in Torgau, Oschatz, ..., sieht es garantiert nicht besser aus ...
Und nun bitte ich um Prognosen, wie lange es dauert, bis die Anzugträger im Haus an der Leipziger Klagemauer daraus Konsequenzen ziehen ... Madsack 2018 lässt schön grüßen ... http://madsack2018.wordpress.com/page/4/

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