Montag, 3. November 2014
Trickbetrugsversuch. Oder: Bin ich schon so alt?
Ok, die geneigten LeserInnen meines kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuches wissen, dass ich nicht ganz taufrisch bin. Da mein Geburtsjahrgang aber mit einer "6" beginnt, bin ich auch noch nicht uralt; zumindest dachte ich das bisher. Aber immerhin scheine ich schon so alt zu sein, dass Trickbetrüger meinen, mich über den Tisch ziehen zu können.
Um keine unnötige Neugierde zu schüren: Mein alter Herr (vulgo: Vater) wird in ein paar Tagen die 87 vollmachen. Das ist sogar aus meinem Blickwinkel "ziemlich alt", aber er ist eigentlich noch ganz gut unterwegs. Kürzlich rief old man mich an, weil eine "nette Dame von der Energieversorgung" bei ihm saß, die mich sprechen wollte. Da ich gerade auf einer Laufrunde war, bat ich um späteren Rückruf.
Bis dieser mich erreichte, plauderte ich mit meinem alten Herren über den Anlass des Energiegespräches. Es ging um einen besseren Tarif, die Dame habe Vattenfall empfohlen.
Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass ich nachfragte, wie denn das Gespräch zustande gekommen sei und wo die Beratertante hingehöre. "Die hat sich einfach bei mir gemeldet und ist eine unabhängige Beraterin", ließ mein alter Herr mich wissen.
Um's kurz zu machen: Wenn "unabhängige Beratung" nichts kostet, kann sie nicht unabhängig sein, denn "man muss ja essen", sagte schon Vito Corleone, der Pate (Wobei: Wenn Beratung etwas kostet, muss sie deshalb auch nicht unabhängig sein!). Generell gilt: Man sollte in allen wirtschaftlichen Dingen fragen, wem etwas gehört und von wo nach wo das Geld fließt, dann ist man schon schlauer.
Im konkreten Fall, so ergab eine ganz kurze Recherche, sind derzeit wohl Drücker unterwegs, die ganz gezielt dubiose Verträge für Vattenfall verticken, von denen Vattenfall natürlich nichts weiß, weil das ja ein schwedischer Staatskonzern ist und Staatskonzerne machen nur gute Dinge oder so oder anders.
Eigentlich wäre die Geschichte an dieser Stelle zu Ende, denn ich habe meinen Vater gewarnt, dass man ihn abzocken will und dass er nichts, aber auch gar nichts sagen oder gar unterschreiben und die nette Dame trotz altersgemäßer Knieprobleme in ihren Drückerarsch treten soll.
Aber die Geschichte geht weiter: Die nette Dame turtelte mich auch noch an und ließ mich wissen, dass sie für meinen "betagten Herrn Vater" natürlich den ultimativen, superduper Vattenfalltarif mit gigantischem Einsparpotenzial habe. Da wäre nur ein Pferdefuß: Da mein Erzeuger bereits die 80 überschritten hat, dürfe er keine solchen Energieverträge mehr abschließen.
Nun bin ich von Berufs wegen misstrauisch und neugierig und überhaupt und stellte mich dumm (eine meiner Kernkompetenzen) und fragte nach der rechtlichen Grundlage einer solchen Beschränkung.
"Das steht in der Grundversorgungsverordnung", vattenfallte es mir entgegen. "Ihr Vater ist ja über 80, in diesem Alter sind die Menschen in der Regel ja geistig schon etwas weniger beweglich, deshalb wurde dieser Schutz eingebaut, um Abzocke zu vermeiden." Ich mimte Verständnis, worauf die Dame mir eine ganz einfache Lösung präsentierte: "Aber das ist kein Problem, denn Sie sind ja jünger und schließen einfach den Versorgungsvertrag ab. Die Abbuchung läuft über Ihren Vater, und bei einem 2-Jahres-Vertrag kann er eine Menge Geld sparen."
Ach so, und natürlich hielt sich die Tante ans Drückerhandbuch: "Morgen, 11 Uhr, bin ich wieder da und dann können wir das Schriftliche regeln."
Nun sind zwei Jahre im Leben eines 87-Jährigen eine Menge Holz und obwohl ich meinem Vater noch ein langes irdisches Dasein wünsche, ist die Wahrscheinlichkeit, dass ich plötzlich einen unnötigen Stromvertrag an der Backe habe, nicht ganz gering.
Wirke ich wirklich schon so alt, dass eine Drückerschlampe mich so plump über den Tisch ziehen will?
PS.: Die Grundversorgungsverordnung umfasst nur vier Seiten A4; und auf denen findet sich nichts von einem Alterslimit. Wozu auch?

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