Montag, 26. November 2007
Partikelfilter, Bimsch, mein Kaminofen, Erzengel Gabriel und Lobbyismus
Am vergangenen Wochenende hatte ich überreichlich zu tun. Gleich zwei Kundenzeitschriften mussten im heimischen Büro produziert und druckfertig gemacht werden, sodass ich weder den Feiertag heiligen noch genussvoll meine ausgedehnten Laufrunden im gar nicht so grauen Novembergrau drehen konnte. Und auch der eigentlich geplante Vollmondlauf musste leider entfallen.
Dass auch andere Menschen viel zu tun hatten, zeigte mir die wochenendliche Nachrichtenlage. Bereits am Sonnabend deutete sich dank erster Agenturmeldungen ein neue journalistische Sau an, die nun intensiv durchs Dorf getrieben wird. Es geht um die durch Verbrennung von Holz in sogenannten „steinzeitlichen Dreckschleudern“ hervorgerufene Feinstaubbelastung. Nur zur Erinnerung: Feinstaub ist das Zeug, dass es schon länger gibt und dass durch die nun als Attrappe enttarnten Partikelfilter aus dem Dieselruß entfernt werden sollte. Nach anfänglicher Hysterie – das muss irgendwie so um die Zeit zwischen BSE und Gammelfleisch gewesen sein – ist es um den Feinstaub relativ ruhig geworden. Nur in schlimmen Notlagen (ich sage nur: nachrichtenarme Zeit) erlebte er eine Renaissance.
Aber nun hat man im Bundesumweltministerium die neue Gefahr erkannt, heißt es. Bundesweit gibt es nach Angaben von Experten 15 Millionen Öfen, Öfchen, Kamine und Heizungsanlagen, die mit Holz befeuert werden. Nun ist die Quellenangabe „von Experten“ immer mit Vorsicht zu genießen. Laut Expertenaussage (die stammten damals von IBM) sollte sich der weltweite Bedarf an Computern auch unterhalb von zehn bewegen ...
Aber weiter im Text, nehmen wir mal an, dass die Experten diesmal richtig liegen. Dann bullern und stänkern also 15 Millionen Öfen in Deutschland vor sich hin. Dazu zählt die moderne Pellet-Heizung (die durch den Bund wegen Umweltfreundlichkeit zurzeit übrigens sogar gefördert wird!) ebenso wie der Kanonenofen in der Werkstatt meines Tischlers oder mein verglaster Wohnzimmerkamin. Und weil Einigkeit bekanntlich stark macht, nehmen es die 15 Millionen Öfen sogar mit der Autoindustrie auf: Mit 24.000 Tonnen Rauchstaub (was auch immer das sein mag) belasten die Holzvernichter die Luft mehr als alle Dieselfahrzeuge dieser Republik zusammen. Heißt es bei den Experten, wobei ich stark vermute, dass hier irgendeine Pflaume die sprichwörtlichen Äpfel mit Birnen vergleicht. Aber dazu vielleicht demnächst mehr.
Und weil unseren Politikern nur das Wohl der Bürger am Herzen liegt, sehen sie hier Handlungsbedarf. Schließlich kommt in Form der Verbrennung von Holz eine völlig neue Bedrohung auf die Menschen zu, die es in dieser Form noch nie gab und die sicher verheerende Folgen für die Volksgesundheit haben wird. Also muss ein Gesetz her, dass dem Bösen Einhalt gebietet. Dieses Gesetz gibt es schon, es heißt Bundesimmissionsschutzverordnung, im Beamtendeutsch auch Bimsch genannt. Nur der Vollständigkeit halber: Es gibt auch Bumsch, das kommt von Umweltschutz.
Aber um den geht es hier nicht, sondern um Bimsch. Umwelterzengel Gabriel hält die dräuende Gefahr für so groß, dass er für 2008 eine Bimsch-Novelle anstrebt, in deren Ergebnis die 15 Millionen Öfen an die Leine gelegt werden sollen.
Ausgenommen bleiben – so der aktuelle Planungsstand – private Kochherde, Backöfen und Badeöfen sowie offene Kamine. Außerdem sind historische Öfen, die vor 1950 den ersten Schnaufer tun durften, nicht von der Bimsch-Novelle bedroht. Über die Konsequenzen wird derzeit trefflich spekuliert: Nachrüstung, Abgasmessung, Typgutachten – all das kostet Geld und wird längerfristig dafür sorgen, dass der Spaß an den 200-Euro-Öfen aus dem Baumarkt schwindet. Wäre ja auch noch schöner, wenn ein jeder heizen könnte, ohne dafür eine Wozuauchimmersteuer zu blechen.
Und wenn einmal novelliert wird, kommen sicher neue Begehrlichkeiten auf. Erinnert sei an Lagerfeuer, Grillöfen, Holzkohlengrills, Weihnachtskerzen, stinkende Duftkerzen, Feuerwerkskörper, flambierte Speisen, brennende Laubhaufen, Dachstuhlbrände – und was sich nicht per Filter beheben lässt, könnte man ja zumindest mit einer Abgabe belegen.

Die Stammleser dieses kleinen Tagebuches wissen natürlich, dass ich fürs Meckern allein keinen so langen Eintrag schreiben würde. Mir geht es ja auch immer darum, ein wenig zur Aufklärung beizutragen und den einen sowie auch den anderen zum Nachdenken anzuregen. Die Feinstaubdiskussion, die ja nach dem ersten großen Dieselfurz schon wieder fast zum Erliegen gekommen war, ist ein sehr schönes Beispiel für Lobbyismus.
Was sich hinter diesem Begriff verbirgt, beschreibt Wikipedia hier http://de.wikipedia.org/wiki/Lobbyismus
Was Lobbyismus in der Praxis bedeutet, beschreibt die Feinstaubdiskussion.
Da gibt es einen Verein, die Deutsche Umwelthilfe, www.duh.de . Der ist in jüngerer Zeit vor allem durch sein Engagement für die Dieselfilter aufgefallen. Böse Menschen behaupten, dass die DUH das Thema, das von den deutschen Autoherstellern schon seit Jahren erfolgreich verdrängt worden war, erst zum Thema gemacht hätten. Und zwar aus gutem Grund, aus sehr gutem: Einige Unternehmen, die ihr Geld mit der Herstellung von Partikelfiltern verdienen, haben die Deutsche Umwelthilfe mit namhaften Spenden unterstützt. Namhaft bedeutet in diesem Zusammenhang, dass es sich nicht um Beträge, die nur fünf Stellen vor dem Komma haben. Natürlich, so beteuern alle Beteiligten, hätten die Spenden nichts damit zu tun gehabt, dass die DUH wenig später das Thema Feinstaub – gelinde gesagt – offensiv thematisiert hat. Wirklich nicht.
Und schon seit Monaten geistern Postings durch einschlägige Foren, deren Verfasser sich darüber mokieren, dass hier wohl ein besonders gutes Beispiel gelungener Lobbyarbeit bestaunt werden darf.
Und auch bei den Holzöfen muss niemand befürchten, dass Erzengel Gabriel und seine Mitstreiter von ganz allein aufgewacht sind. Auch in diesem Fall gab es einen Weckruf, der ausnahmsweise nicht von der DUH kam. Aber das ist legitim, denn die Industrie muss ja nicht immer den selben Verein mit Spenden beglücken. Das wäre zum einen ungerecht, zum anderen fällt es mit der Zeit auch auf, und der Ruf der DUH hat unter den Großspenden in Sachen Dieselruß ohnehin schon mächtig gelitten.

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