Dienstag, 27. November 2007
Äpfel und Birnen oder: Krieg den Reihenhäusern, Friede den Palästen
Selbst Großstadtkinder sind in der Lage, Äpfel und Birnen zu unterscheiden – sofern ihre Eltern ihnen solch profanregionales Obst angesichts globalisierter Frischdienstangebote überhaupt zukommen lassen. Aber nehmen wir mal an, der Filius sieht vor sich einen Boskop und eine Williams Christ. Dann wird er in der Lage sein, den einen von der anderen zu unterscheiden.
Wir merken uns also: Mit praktischer Anschauung und ein wenig Nachdenken sollte man nicht Apfel mit Birne verwechseln.

Später scheint sich diese Fähigkeit zu verlieren. Je älter Menschen werden – der Terminus „älter“ bezieht ausdrücklich das Jugend- bzw. Jungerwachsenenalter mit ein –, umso mehr scheint zumindest ein großer Teil der Menschen Äpfel und Birnen in einen Topf zu werfen.
Natürlich nicht buchstäblich, sondern im übertragenen Sinne. Da werden dann Ärzte mit Briefträgern vergleichen, aus Steuermitteln alimentierte Abgeordnete mit unbezahlten Nichtstuern, Gemälde von Tübke mit Klein-Lieschens Kleckerbildern aus der Krabbelgruppe.

Die vor wenigen Tagen aufgekommene Debatte um die Filterpflicht für Holzheizungen, Kaminöfen etc. bietet mir wieder vielfältige Gelegenheiten, um Studien in puncto Obstvergleich zu treiben.
Kaum waren die ersten Meldungen darüber erschienen, trudelten in Internetforen die Wortmeldungen der üblichen Verdächtigen ein. Auch meine Lokalpostille druckte heute die Kommentare einiger Anrufer ab, die die Filterpflicht begrüßten.
Interessanterweise war es allerdings nicht der Feinstaub, den die Lesertelefonnutzer im Munde führten – nicht mal im übertragenen Sinne. Sie forderten ein entsprechendes Gesetz, weil „so viele Leute nicht nur trockenes, sondern auch nasses Holz verbrennen und das so stinkt“, oder weil „meine Nachbarn auch Plasteabfälle verbrennen, das ist eine Sauerei“ (für alle Nicht-Ex-DDR-Bürger: Plaste ist das Zeug, das anderswo Plastik bzw. Kunststoff heißt).

Nochmal zurück an die eingangs angelegte Merkstelle: Mit praktischer Anschauung und ein wenig Nachdenken sollte man nicht Apfel mit Birne verwechseln. Kinder sind dazu in der Lage, grantelnde Oldies offensichtlich nicht. Wenn der Umwelterzengel Gabriel die Filterpflicht für Holzheizungen fordert, ist das ein Apfel. Kein schmackhafter, aber es bleibt ein Apfel. Wenn irgendein Depp für die Filterpflicht ist, weil sein Nachbar „Plaste“ verfeuert, ist das eine Birne, und zwar eine typisch deutsche. In diesem eigenartigen Land werden nämlich, statt vorhandene Gesetze durchzusetzen, neue erlassen – oder zumindest mit lautem populistischem Gedröhn gefordert.
Wer ausgelatschte Galoschen (für Nichtsachsen: gebrauchtes Schuhwerk) oder sonstigen Müll im heimischen Herd verbrennt, kommt schon jetzt mit Bimsch und Bumsch in Konflikt (Für Neuleser: Nein, das sind nicht Heidis Dinger, das sind Gesetze über den Immissions- und Umweltschutz.). Und ein Staubfilter hält auch den Gestand von nassem Holz, faulendem Laub etc. nicht zurück.

Dafür aber etwas ganz anderes: Wenn die Dinger einmal installiert sind, wird natürlich auch einmal jemand auf die Idee kommen, den dort eingefangenen Staub zu untersuchen. Vielleicht bekommt die Grüne Umwelthilfe ja wieder einmal eine Spende ... Sollte ein gar böser Zeitgenosse in seinem Öfchen nun neben Holz auch die alte PVC-Tischdecke, Badeschuhe und ähnliche Dinge zur Energiegewinnung genutzt haben, wird’s interessant. Dann lässt sich im Filterrückstand ein spannender Cocktail nachweisen. Stichwort: Dioxin. Spätestens in diesem Moment wird es nett, denn dann wird der Nachfolger des roten Umwelterzengels Gabriel sich Gedanken machen (lassen) müssen, wie mit diesem Giftmüll zu verfahren ist ...

Aber noch einmal zurück zu Äpfeln und Birnen: Dem heutigen Leserwehgeschrei(b) zum Thema konnte ich vor allem eines entnehmen: Das zornige Leservolk hat bisher nur die Überschrift, allenfalls den ersten Absatz gelesen oder besser: verstanden. Hätte die gesamte Veröffentlichung den Weg ins Gehirn gefunden, wäre neben dem allgemeinen Gejaule nämlich das deutschlandtypische Neidgeheul zu hören gewesen.
Warum? Nun – wie ich in meinem Tagebuch bereits gestern schrieb, sollen von der Filterpflicht private Herde und Backöfen sowie „Oldtimer“ (vor Baujahr 1950) ebenso ausgenommen werden wie „richtige“, d.h. offene Kamine. Nun pflegen letztere nicht eben in Mietwohnungen oder bausparverträglichen Reihenendhauswohnzimmern zu lodern. Der offene Kamin ist eher etwas für Wohnräume jenseits der 24-Quadratmeter. Oder, um es deutlicher zu machen: Die Nutzer von schloss- oder herrenhaustypischen Kaminen und die Bewohner prächtiger Villen müssen sich um einen Filter für ihren Wärmespender unabhängig vom Baujahr keine Gedanken machen. Wenn das erst die Leser der Großbuchstabenzeitung oder meiner Lokalpostille merken ...

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