Montag, 19. November 2007
Vom sonnigen Wolfgang und seiner wünschelnden Rute
Wolfgang wacht auf. Nein, nicht der bartfusselige Wolfgang, über den in letzter Zeit so viel Nettes zu lesen. Ich meine Terrakotta-Wolfgang, von dem man seit seinem eher überschaubaren Erfolg beim Kampf um die Lufthoheit im Reich von Gerhards Freund Wladimir eher wenig gehört hat. Wer die Geschichte nicht kennt, kann hier nachlesen: http://zeitungsdieb.blogger.de/stories/968017/

Besagter Wolfgang hatte und hat ein ganz besonderes Talent. Schon während seiner Zeit als Oberbürgermeister in Leipzig galt er als eine Art fleischgewordene Wünschelrute. Wenn ein Projekt plötzlich erfolgreich zu werden drohte und das noch nicht mal die mit dem Projekt eng verbundenen Mitarbeiter spürten, witterte Wolfgang das, sprang herzu, strahlte wie der Sonnenschein und meldete sich zu Wort.
Welch Jubel herrschte, wenn Wolfgang vors Volk trat, denn dann wusste auch der größte Pessimist: Nun wird’s, sonst wäre Wolfgang ja nicht hier. Unser Sonnenkönig, was hat der von der Leipziger Pleißenburg aus alles verkündet. BMW, Olympia, DHL. Den Ärger mit den Frachtfliegern, die Nachtangriffe auf schlafende (Rand-)Leipziger fliegen, hat jetzt sein Nachfolger am Hals.

Nun hat Wolfgang Wünschel wieder Witterung aufgenommen. Am Sonntag saß er vor seinem Fernseher und schaute Talk. Wahrscheinlich hat er rumgemüffelt, dass sich da ein ungleiches Paar wegen irgendwelcher Eisenbahnerei beharkte. „Mach das mal weg“, sagte der Wolfgang zu seiner Lebensabschnittsbewältigungshelferin. „So’n Mist. Interessiert mich doch nicht die Bohne, die Bahn. Ich fahre Dienstwagen. Soll'n die doch streiken. Solange die ihre Züge nicht auf einem Bahnübergang abstellen, an dem ich warten muss, lässt mich das kalt“
Die neue Frau an seiner Seite bremste Wolfgang. „Schau mal, das könnte wichtig sein“, säuselte sie. „Du bist doch noch Verkehrsminister.“ Wolfgang schaute zunächst skeptisch und wollte sicherheitshalber bei seinem großen Vordenker in Rheinland-Pfalz anrufen. Aber zum Glück brauchte er das nicht, wer weiß, was der wieder gebeckmeckert hätte ...
Nein, im Fernsehen wurde sein Name. Vom Verkehrsminister war die Rede, von ihm, von Wolfgang. Also biss der kleine Sonnenkönig die Backenzähne ganz fest zusammen, wie er das immer macht, wenn er cool dreinschauen möchte, und hörte zu.
Und plötzlich war die Eisenbahnstreiterei vorüber. Der alte Mann und die seltsame Bahnfrau hatten sich miteinander verabredet. Nicht für gleich, aber für bald. Und man werde schon eine Lösung finden, zweistellig kann man vermitteln, das ist den Gremien nahezubringen.
Während Wolfgang noch über all die schwierigen Sätze nachdachte und sich die Ohren rieb, weil der alte Mann und die seltsame Frau zwischendurch auch mal so laut geredet hatten, geschah es: Wolfgangs Rute wünschelte los. Er witterte einen Erfolg. Wie immer als Allerallererster.
Und als sich wenig später so ein Radiofuzzi meldete und den Verkehrsminister (Jawohl, das bin ich immer noch; ich, der Wolfgang) nach seiner Meinung zum Tarifkonflikt bei der Bahn fragte, da wünschelte des Wolfgangs Rute schon wieder.
Und er plapperte los. Er sei sich sicher, «dass damit eine neue Phase intensiver Gespräche anbricht». Er sei in Gesprächen mit dem Unternehmensvorstand «zu der Überzeugung gekommen, dass man auf Seiten der Bahn AG willens ist, jetzt den ersten Schritt wieder zu tun, obwohl das offensichtlich sehr schwer fällt. komme darauf an, neue Bewegung in die Sache zu bringen, «also im Prinzip, dass ein neues Angebot auf den Tisch gelegt wird, dann könnte es wieder vorwärtsgehen».
Was für ein Kerl, der Wolfgang. Wenn demnächst der Lokführertarif ausgehandelt sein wird und die Streiks der GDL Geschichte sind, dann wird es ein Zielfoto geben. Welche Vertreter von GDL und Deutscher Bahn einander dabei mit schmallippigen Gesichtern die Hände auszureißen versuchen werden, ist noch nicht sicher. Fest steht hingegen, dass Sonnenkönig Wolfgang mit auf dem Bild sein wird. Er wird strahlen wie der liebe Sonnenschein, er wird vergoldete Worthülsen abschießen von der Art, dass das Bundesverkehrsministerium unter Führung von Wolfgang dem Sonnigen den Prozess mit Fingerspitzengefühl und Augenmaß begleitet habe. Und er wird ein klein wenig das böse Aua vergessen, das ihm zugefügt wurde, als er gegen Wladimir, Gerhard und die anderen Genossen stänkerte.

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