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Dienstag, 12. Oktober 2010
Sächsische Arroganz der Macht. Oder: „Stuttgart 21“ ist überall
zeitungsdieb, 11:37h
Im Herzen bin ich tiefschwarz. Das wissen die LeserInnen meines kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuches, denn ich halte mit dieser Einstellung nicht hinter dem Berg. Dennoch leiste ich mir den Luxus häufigen Eigendenkens fern programmatischer Vorgaben. Das tue ich z.B. in puncto Stuttgart 21 und bin zu dem Schluss gelangt, dass die momentane Schwabenrevolte eine gute Sache ist. Gelegentlich brauchen die langjährigen Machtärsche einen Tritt in letzteren, um sich wieder daran zu erinnern, wer ihnen eigentlich die ach so schöne Macht verliehen hat. Das ist übrigens ein parteiübergreifendes Phänomen, das in allen politischen Farbtöpfen mehr oder weniger ausgeprägt auftritt.
Zurück zu Stuttgart 21: Dort wird derzeit kräftig in besagte Körperregion getreten, denn hinten sind die Politker breit, vorn frech und arrogant geworden. Gut so (die Sache mit dem Treten)! Denn schließlich wird im Ländle nicht erst seit der Bahnhofsgeschichte von diversen Cleverles am tumben Wahlvieh vorbei entschieden. Auch das berühmte Leichtathletikstadion ist „mal eben so“ verschwunden, um Platz für ein TV-taugliches Bundesligagrün zu machen – erst hat’s keiner gewusst, dann war’s keiner gewesen und dann hätten’s doch alle gewollt.
Diese Art Politikverständnis erinnert mich an die Regierungsweise der DDR-Betonköpfe; deren Altmännertun wurde dem regierten Volk regelmäßig mit dem Satz „Die Genossen in Berlin werden schon das Richtige tun!“ schöngeredet. Nur: Das war eine Diktatur. Heißt es.
Um so erschrockener bin ich über die Schützenhilfe, die die getretenen Schwabenärsche per Focus-Schrieb vom sächsischen Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich erhalten. Der MP begründete die Proteste gegen Stuttgart 21 damit, dass die Westdeutschen zu bequem für Veränderung seien. Das grenzt an Verleumdung: Demonstrierende Bürger sind zu faul zum Umdenken, darum gehen sie gleich als 60.000er Marschblock zur Demo.
Nachzulesen hier: http://www.focus.de/politik/deutschland/stanislaw-tillich-westen-zu-bequem-fuer-veraenderungen_aid_560703.html
Die Sachsen hingegen, so philosophiert Tillich weiter, seien motiviert und hätten den Willen, zu den Spitzenregionen Europas aufzuschließen. Deshalb gebe es im Freistaat kein Großprojekt, das erfolgreich durch Klagen gestoppt wurde. Tillich benennt in diesem Zusammenhang Kohlekraftwerke, Straßen, Autobahnen, Braunkohle-Tagebaue. Seinem MP-Kollegen Stefan Mappus empfahl er, einfach durchzuhalten. Die Wahl könne er dennoch gewinnen, schließlich sei das auch der Sachsen-CDU gelungen – trotz Waldschlösschenbrücke und Unesco-Welterbe-Verlust. Fazit Tillich: „Die Politik sollte ... auf dem einmal eingeschlagenen Weg nicht umkehren.“
Spätestens hier meldete sich mein Eigendenken. Zum einen kenne ich solche Arroganz der Macht vom längst entschlummerten Erich Honecker. Zur Erinnerung: „Den Sozialismus in seinem Lauf ...“ bzw. „Die Mauer wird noch in 100 Jahren ...“. War vergleichbar weltfremdelnd arrogant formuliert und ging in die Hose.
Zum anderen sind die Sachsen ein ähnlich braver und duldsamer Stamm wie die Schwaben. Bis es ihnen reicht. Und die zur Begründung von Tillich benannten Autobahnen, Kraftwerke und Tagebaue sind ja alles andere als mit freistaatweitem Jubel durchgegangen, gegen diverse Vorhaben (Stichwort B87, Stichwort Nachtflüge am Flughafen Leipzig, ...) wird noch immer gefochten. Und sogar die Waldschlösschenbrücke dürfte sich unter den Dresdner Residenzsachsen trotz aller Königsgläubigkeit auch im nächsten Wahlergebnis niederschlagen – obwohl ein Volksentscheid dem Projekt den Weg zumindest de jure geebnet hatte. Nur: Damals waren die Befürworter zur Wahl gegangen, die kulturvollen Gegner blieben in ihren Dresdner Türmen und Villen ...
Eigentlich schade. Da hat Stanislaw Tillich nun schon das Privileg, den schwäbischen PR-Gau aus sicherer Entfernung zu beobachten und Lehren daraus zu ziehen, und was macht er? Heizt die dämliche Ossie-Wessie-Debatte neu an, bringt sich ins Schussfeld und bastelt sein eigenes Desaster. Nur der Name fehlt noch, aber man könnte als Arbeitstitel ja schon mal „Sachsen 21“ nehmen ...
Zurück zu Stuttgart 21: Dort wird derzeit kräftig in besagte Körperregion getreten, denn hinten sind die Politker breit, vorn frech und arrogant geworden. Gut so (die Sache mit dem Treten)! Denn schließlich wird im Ländle nicht erst seit der Bahnhofsgeschichte von diversen Cleverles am tumben Wahlvieh vorbei entschieden. Auch das berühmte Leichtathletikstadion ist „mal eben so“ verschwunden, um Platz für ein TV-taugliches Bundesligagrün zu machen – erst hat’s keiner gewusst, dann war’s keiner gewesen und dann hätten’s doch alle gewollt.
Diese Art Politikverständnis erinnert mich an die Regierungsweise der DDR-Betonköpfe; deren Altmännertun wurde dem regierten Volk regelmäßig mit dem Satz „Die Genossen in Berlin werden schon das Richtige tun!“ schöngeredet. Nur: Das war eine Diktatur. Heißt es.
Um so erschrockener bin ich über die Schützenhilfe, die die getretenen Schwabenärsche per Focus-Schrieb vom sächsischen Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich erhalten. Der MP begründete die Proteste gegen Stuttgart 21 damit, dass die Westdeutschen zu bequem für Veränderung seien. Das grenzt an Verleumdung: Demonstrierende Bürger sind zu faul zum Umdenken, darum gehen sie gleich als 60.000er Marschblock zur Demo.
Nachzulesen hier: http://www.focus.de/politik/deutschland/stanislaw-tillich-westen-zu-bequem-fuer-veraenderungen_aid_560703.html
Die Sachsen hingegen, so philosophiert Tillich weiter, seien motiviert und hätten den Willen, zu den Spitzenregionen Europas aufzuschließen. Deshalb gebe es im Freistaat kein Großprojekt, das erfolgreich durch Klagen gestoppt wurde. Tillich benennt in diesem Zusammenhang Kohlekraftwerke, Straßen, Autobahnen, Braunkohle-Tagebaue. Seinem MP-Kollegen Stefan Mappus empfahl er, einfach durchzuhalten. Die Wahl könne er dennoch gewinnen, schließlich sei das auch der Sachsen-CDU gelungen – trotz Waldschlösschenbrücke und Unesco-Welterbe-Verlust. Fazit Tillich: „Die Politik sollte ... auf dem einmal eingeschlagenen Weg nicht umkehren.“
Spätestens hier meldete sich mein Eigendenken. Zum einen kenne ich solche Arroganz der Macht vom längst entschlummerten Erich Honecker. Zur Erinnerung: „Den Sozialismus in seinem Lauf ...“ bzw. „Die Mauer wird noch in 100 Jahren ...“. War vergleichbar weltfremdelnd arrogant formuliert und ging in die Hose.
Zum anderen sind die Sachsen ein ähnlich braver und duldsamer Stamm wie die Schwaben. Bis es ihnen reicht. Und die zur Begründung von Tillich benannten Autobahnen, Kraftwerke und Tagebaue sind ja alles andere als mit freistaatweitem Jubel durchgegangen, gegen diverse Vorhaben (Stichwort B87, Stichwort Nachtflüge am Flughafen Leipzig, ...) wird noch immer gefochten. Und sogar die Waldschlösschenbrücke dürfte sich unter den Dresdner Residenzsachsen trotz aller Königsgläubigkeit auch im nächsten Wahlergebnis niederschlagen – obwohl ein Volksentscheid dem Projekt den Weg zumindest de jure geebnet hatte. Nur: Damals waren die Befürworter zur Wahl gegangen, die kulturvollen Gegner blieben in ihren Dresdner Türmen und Villen ...
Eigentlich schade. Da hat Stanislaw Tillich nun schon das Privileg, den schwäbischen PR-Gau aus sicherer Entfernung zu beobachten und Lehren daraus zu ziehen, und was macht er? Heizt die dämliche Ossie-Wessie-Debatte neu an, bringt sich ins Schussfeld und bastelt sein eigenes Desaster. Nur der Name fehlt noch, aber man könnte als Arbeitstitel ja schon mal „Sachsen 21“ nehmen ...
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