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Freitag, 26. September 2008
Entschuldigung oder: Neudeutsch reflexive Selbstgeißelung mit Erfolgsgarantie
zeitungsdieb, 17:37h
Gestern hatte ich das Vergnügen, im Auftrag eines großen Verbandes eine Versammlung zu fotografieren. Dabei hatte ich zwei Erlebnisse der besonderen Art.
Zum einen trat in der Diskussion ein nicht mehr ganz frischer Mensch auf, dessen geistiges Alter mit deutlich über dem recht stattlichen biologischen zu liegen schien. Er dröhnte allerlei Worthülsen durch den Saal, machte auf Populismus und wies seine Zuhörer darauf hin, dass wir uns im demokratischen Zentralismus befänden.
Für alle, die die DDR nur vom Hörensagen kennen: Deren totalitäres Regime verstand seine Staatsform nach höchstoffizieller Lesart als demokratischen Zentralismus. Ohne Wende und friedliche Revolution wäre er das wohl noch heute, nur ein wenig bankrotter als damals; und solch Grummelgreise wie besagter Diskussionär würden kalkig über ein ganzes Land herrschen.
Zum anderen: Den Anlass zur Versammlung hatte die Missetat eines Verbandsfunktionärs auf Landesebene gegeben, dem man auf die Schliche gekommen war, dass er Privates und Berufliches zum Schaden des Verbandes vermengt hatte. Dabei war ein Euro-Betrag ungerechtfertigt in der Tasche des Funktionärs gelandet; ungeklärt blieb, ob der Ertappte solches schon zuvor getan hatte.
Als man ihn an den Ohren zog, zahlte er das Geld zurück, erklärte vielen Leuten sein Bedauern und konnte – wie auch andere Funktionäre in seinem Umfeld und solche von einem Dachverband auf Bundesebene – nicht verstehen, dass die Basis ihm noch immer grollte.
„Aber er hat sich doch entschuldigt“, buhlte seine Getreuen um Nachsicht und forderten ein „Wir-haben-ihn-wieder-lieb“-Bekenntnis ein.
Das zeigte mir (wieder einmal), wie viel Dummheit in der Welt unterwegs ist. „Sich entschuldigen“ – das ist neudeutscher Unfug. Man bittet jemanden um Entschuldigung, bittet ihn also um Vergebung für eine Verfehlung. Ob er dieser Bitte nachkommt oder nicht, liegt in seinem Ermessen. Erlässt er mir die Schuld nicht, muss ich künftig mit ihr leben.
Das neudeutsch reflexiv gebrauchte „Ich entschuldige mich“ wäre treffender ein „Ich bedaure sehr, was ich getan habe.“ Schließlich bedeutet „Ich entschuldige mich“ letzten Endes, dass ich mir die Absolution selbst erteile. Es automatisiert die Bitte um Entschuldigung und macht sie zu einer Art Selbstgeißelung. Der Funktionär muss sich nur oft genug selbst auf den Pelz klatschen, dann müssen alle ihm verzeihen, ob sie wollen oder nicht.
Zum einen trat in der Diskussion ein nicht mehr ganz frischer Mensch auf, dessen geistiges Alter mit deutlich über dem recht stattlichen biologischen zu liegen schien. Er dröhnte allerlei Worthülsen durch den Saal, machte auf Populismus und wies seine Zuhörer darauf hin, dass wir uns im demokratischen Zentralismus befänden.
Für alle, die die DDR nur vom Hörensagen kennen: Deren totalitäres Regime verstand seine Staatsform nach höchstoffizieller Lesart als demokratischen Zentralismus. Ohne Wende und friedliche Revolution wäre er das wohl noch heute, nur ein wenig bankrotter als damals; und solch Grummelgreise wie besagter Diskussionär würden kalkig über ein ganzes Land herrschen.
Zum anderen: Den Anlass zur Versammlung hatte die Missetat eines Verbandsfunktionärs auf Landesebene gegeben, dem man auf die Schliche gekommen war, dass er Privates und Berufliches zum Schaden des Verbandes vermengt hatte. Dabei war ein Euro-Betrag ungerechtfertigt in der Tasche des Funktionärs gelandet; ungeklärt blieb, ob der Ertappte solches schon zuvor getan hatte.
Als man ihn an den Ohren zog, zahlte er das Geld zurück, erklärte vielen Leuten sein Bedauern und konnte – wie auch andere Funktionäre in seinem Umfeld und solche von einem Dachverband auf Bundesebene – nicht verstehen, dass die Basis ihm noch immer grollte.
„Aber er hat sich doch entschuldigt“, buhlte seine Getreuen um Nachsicht und forderten ein „Wir-haben-ihn-wieder-lieb“-Bekenntnis ein.
Das zeigte mir (wieder einmal), wie viel Dummheit in der Welt unterwegs ist. „Sich entschuldigen“ – das ist neudeutscher Unfug. Man bittet jemanden um Entschuldigung, bittet ihn also um Vergebung für eine Verfehlung. Ob er dieser Bitte nachkommt oder nicht, liegt in seinem Ermessen. Erlässt er mir die Schuld nicht, muss ich künftig mit ihr leben.
Das neudeutsch reflexiv gebrauchte „Ich entschuldige mich“ wäre treffender ein „Ich bedaure sehr, was ich getan habe.“ Schließlich bedeutet „Ich entschuldige mich“ letzten Endes, dass ich mir die Absolution selbst erteile. Es automatisiert die Bitte um Entschuldigung und macht sie zu einer Art Selbstgeißelung. Der Funktionär muss sich nur oft genug selbst auf den Pelz klatschen, dann müssen alle ihm verzeihen, ob sie wollen oder nicht.
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Laufbandgedanken bei Galeria Kaufhof. Oder: Mal Affe sein.
zeitungsdieb, 11:27h
Laufband? Langweilig! Hamsterrad! Stimmt – und auch wieder nicht. Meine bisher sehr bescheidenen Laufband-Erfahrungen stammen von einem Ski-Urlaub in Österreich. Nach des Tages Mühen auf den flotten Brettern wollte ich noch laufen gehen, verkniff mir das aber angesichts kräftiger Minusgrade und vereister Wege – und stellte mich im Hotel abends aufs Band. So lief ich in 1200 Metern Höhe mit Blick auf die beleuchteten Hänge, schaute den Pistenraupen zu – und wurde schon bald ausgebremst, da der Wirt seine Ruhe haben und nicht durch ein über dem Tresen rumpelndes Band genervt werden wollte.
Bis zu diesem Abbruch meines Bandlaufes hatte ich zweierlei gelernt:
1. Das Laufband ist kein Waldweg.
2. Man gerät anständig ins Schwitzen, weil der Fahrtwind fehlt.
Da ich mich als Läufer am 6-Tage-Rennen der Worldrun-Truppe beteilige (guckst Du hier: http://forum.d-u-v.org/forum/viewtopic.php?t=1342), kann ich derzeit meine Laufbanderfahrungen vertiefen. Was ich gestern (17km) festgestellt habe, war, dass Laufbandlauf alles andere als langweilig ist. Zumindest dann, wenn man ihn im gut frequentierten Erdgeschoss eines Kaufhauses in der Leipziger City praktiziert. Dort stehen besagte Bänder zwischen Postkartenregalen und Schmuckabteilung. Ich laufe mit Blick auf den Haupteingang zur Galeria-Filiale, habe die jungen Damen an den Schmuck- und Uhrenvitrinen im Blick und fühle mich – bis auf die Wärme – ziemlich wohl dabei.
Natürlich hat das Laufen in diesem Umfeld irgendetwas vom Affenkäfig im Zoo. Sagte mir heute meine Frau, und es stimmt. Aber da ich eine Jahreskarte für den Leipziger Zoo (guckst Du hier: http://www.zoo-leipzig.de) habe, weiß ich, dass die Primaten ganz gezielt mit den Besuchern kommunizieren, die vor der Scheibe stehen und Grimassen schneiden.
Und ich tue ich es ihnen gleich. Und habe den Vorteil, mich nicht nicht hinter einer Glasscheibe zu befinden und zudem über die Fähigkeit der Sprache zu verfügen. Also ein ganz kurzweiliges Spiel, man läuft, plaudert, bitte den einen oder anderen staunend dreinschauenden Kunden aufs Nachbarband ... Und erlebt allerlei.
Zum Beispiel den Fehlgriff eines Baggerfahrers, der am Donnerstagnachmittag ein Erdkabel anpickte und Teile der City stromlos machte. Dass auch Galeria betroffen war, nahm ich billigend in Kauf, denn nach der Umschaltung auf die spärliche Notbeleuchtung wurde es schnell kühler – nur schade, dass auch die Bänder zum Stehen kamen ... Mein persönliches Highlight war das entsetzte Gesicht einer früheren Mitarbeiterin eines guten Kunden meines Büros. Sie schaute mir zu, erkannte mich, schüttelte den Kopf und fragte, einen mitleidigen Ton in der Stimme: „Haben Sie das wirklich nötig.“ Meine Versicherung, hier just for fun und not for Knete zu laufen, schien sie nicht wirklich überzeugt zu haben ...
Am morgigen Samstag stehe ich übrigens wieder auf dem Band. Mal für etwas länger, es geht ja schließlich um einen guten Zweck und außerdem will ich meine masochistische Ader ausleben und das Gefühl des Käfigaffen auskosten. Wer Lust und Zeit hat, kann mich am 27. September ja mal bei Galeria besuchen. Aber bitte die Laufschuhe mitbringen ...
Bis zu diesem Abbruch meines Bandlaufes hatte ich zweierlei gelernt:
1. Das Laufband ist kein Waldweg.
2. Man gerät anständig ins Schwitzen, weil der Fahrtwind fehlt.
Da ich mich als Läufer am 6-Tage-Rennen der Worldrun-Truppe beteilige (guckst Du hier: http://forum.d-u-v.org/forum/viewtopic.php?t=1342), kann ich derzeit meine Laufbanderfahrungen vertiefen. Was ich gestern (17km) festgestellt habe, war, dass Laufbandlauf alles andere als langweilig ist. Zumindest dann, wenn man ihn im gut frequentierten Erdgeschoss eines Kaufhauses in der Leipziger City praktiziert. Dort stehen besagte Bänder zwischen Postkartenregalen und Schmuckabteilung. Ich laufe mit Blick auf den Haupteingang zur Galeria-Filiale, habe die jungen Damen an den Schmuck- und Uhrenvitrinen im Blick und fühle mich – bis auf die Wärme – ziemlich wohl dabei.
Natürlich hat das Laufen in diesem Umfeld irgendetwas vom Affenkäfig im Zoo. Sagte mir heute meine Frau, und es stimmt. Aber da ich eine Jahreskarte für den Leipziger Zoo (guckst Du hier: http://www.zoo-leipzig.de) habe, weiß ich, dass die Primaten ganz gezielt mit den Besuchern kommunizieren, die vor der Scheibe stehen und Grimassen schneiden.
Und ich tue ich es ihnen gleich. Und habe den Vorteil, mich nicht nicht hinter einer Glasscheibe zu befinden und zudem über die Fähigkeit der Sprache zu verfügen. Also ein ganz kurzweiliges Spiel, man läuft, plaudert, bitte den einen oder anderen staunend dreinschauenden Kunden aufs Nachbarband ... Und erlebt allerlei.
Zum Beispiel den Fehlgriff eines Baggerfahrers, der am Donnerstagnachmittag ein Erdkabel anpickte und Teile der City stromlos machte. Dass auch Galeria betroffen war, nahm ich billigend in Kauf, denn nach der Umschaltung auf die spärliche Notbeleuchtung wurde es schnell kühler – nur schade, dass auch die Bänder zum Stehen kamen ... Mein persönliches Highlight war das entsetzte Gesicht einer früheren Mitarbeiterin eines guten Kunden meines Büros. Sie schaute mir zu, erkannte mich, schüttelte den Kopf und fragte, einen mitleidigen Ton in der Stimme: „Haben Sie das wirklich nötig.“ Meine Versicherung, hier just for fun und not for Knete zu laufen, schien sie nicht wirklich überzeugt zu haben ...
Am morgigen Samstag stehe ich übrigens wieder auf dem Band. Mal für etwas länger, es geht ja schließlich um einen guten Zweck und außerdem will ich meine masochistische Ader ausleben und das Gefühl des Käfigaffen auskosten. Wer Lust und Zeit hat, kann mich am 27. September ja mal bei Galeria besuchen. Aber bitte die Laufschuhe mitbringen ...
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Donnerstag, 25. September 2008
Die Alitalia-Pleite und das Verzeichnis der italienischen Helden. Oder: Auch der Reisepapst hat's nicht richten können
zeitungsdieb, 12:35h
Die Agenturen melden wieder einmal den Todeskampf der Fluggesellschaft Alitalia. Anderen Gesellschaften geht es schlecht, weil ihre Vögel vom Himmel fallen, Alitalia liegt im Sterben, weil sie chronisch klamm, um nicht zu sagen: pleite ist.
Da hilft es auch nicht, dass die 1947 gegründete Gesellschaft Gina Lollobrigida, Sophia Loren und Anita Ekberg unter ihren Passagieren hatte und dass Papst Johanes Paul der II. 104-mal mit Alitalia flog.
Der Airline, die schon unter Insolvenzverwaltung steht, droht zum Monatsende das Aus. Dann ist das letzte Geld verflogen. Kommt kein weißer Ritter, bleibt Grünweißrot am Boden.
Italienisch Medien beschwören Weltuntergangsszenarien herauf, denn der Stolz Italias zerbricht. Ähnliches Leiden wäre in Deutschland nicht einmal denkbar, wenn an ein und demselben Tag Siemens, Mercedes, Porsche, BMW, die Deutsche Bahn und die Telekom pleite gingen. Da müsste als Zugabe schon noch Dieter Bohlen sterben und Kurt Beck Kanzler werden. So schlimm sieht’s um den Stolz der Italiener aus.
Wobei: Die kluge Frau an meiner Seite hat mir vor einigen Jahren aus gegebenem Anlass gesagt, dass Stolz zwar eine gute Sache ist, man ihn sich aber auch leisten können muss. Soviel dazu.
Dass mich niemand missversteht: Ich mag Italien. Und vielleicht findet sich bis Ende September doch noch ein weißer Ritter als Alitalia-Retter. Jeder ist willkommen, wenn’s nur kein Moskiviter ist.
PS.:
Aber eines muss ich noch loswerden – hat nur am Rande mit Alitalia zu tun.
Frage: Wie heißt das kleinste Buch der Welt?
Antwort: Das Verzeichnis der italienischen Helden.
Bruuuaaaaaaah.
Passt nicht zum Thema, aber der olle Kalauer ist zu schön.
Da hilft es auch nicht, dass die 1947 gegründete Gesellschaft Gina Lollobrigida, Sophia Loren und Anita Ekberg unter ihren Passagieren hatte und dass Papst Johanes Paul der II. 104-mal mit Alitalia flog.
Der Airline, die schon unter Insolvenzverwaltung steht, droht zum Monatsende das Aus. Dann ist das letzte Geld verflogen. Kommt kein weißer Ritter, bleibt Grünweißrot am Boden.
Italienisch Medien beschwören Weltuntergangsszenarien herauf, denn der Stolz Italias zerbricht. Ähnliches Leiden wäre in Deutschland nicht einmal denkbar, wenn an ein und demselben Tag Siemens, Mercedes, Porsche, BMW, die Deutsche Bahn und die Telekom pleite gingen. Da müsste als Zugabe schon noch Dieter Bohlen sterben und Kurt Beck Kanzler werden. So schlimm sieht’s um den Stolz der Italiener aus.
Wobei: Die kluge Frau an meiner Seite hat mir vor einigen Jahren aus gegebenem Anlass gesagt, dass Stolz zwar eine gute Sache ist, man ihn sich aber auch leisten können muss. Soviel dazu.
Dass mich niemand missversteht: Ich mag Italien. Und vielleicht findet sich bis Ende September doch noch ein weißer Ritter als Alitalia-Retter. Jeder ist willkommen, wenn’s nur kein Moskiviter ist.
PS.:
Aber eines muss ich noch loswerden – hat nur am Rande mit Alitalia zu tun.
Frage: Wie heißt das kleinste Buch der Welt?
Antwort: Das Verzeichnis der italienischen Helden.
Bruuuaaaaaaah.
Passt nicht zum Thema, aber der olle Kalauer ist zu schön.
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Samstag, 20. September 2008
Hilfe, ich bin militant. Oder: Artikel 5 GG gehört abgeschafft.
zeitungsdieb, 00:17h
Bei einem Pressegespräch hatte ich heute ein Erlebnis der besonderen Art: Ein Berufskollege bezeichnete mich als „militant“. Nun ja, als Nichtraucher bin ich das beim Zusammentreffen mit rücksichtlosen „Kippenfressern“ tatsächlich. Und ich gestehe: In einem finsteren Winkel meines Herzens bin ich sogar ein wenig militaristisch. Aber es ging weder um das eine noch um das andere. Besagter Kollege bezog das Attribut „militant“ auf Einträge in meinem kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuch.
Nach kurzem Nachdenken geriet meine Welt wieder ins Lot, denn mein werter Berufskollege ist schließlich für seine Nähe zur boomenden Logistikbranche in der Region Leipzig bekannt. Das ist kein Makel, denn – so sprach Marlon Brando in seiner Paraderolle als Pate - „man muss ja essen“. Und Steuern zahlen. Und Raten überweisen. Und, und, und.
Und angesichts seiner Logistikverbandelung ist es da das gute Recht meines Kollegen, über ihm und/oder seinen Auftraggebern unangenehme Tagebuchgedanken zum Thema DHL, Flughafen Leipzig-Halle, Air Cargo und Nachtflugterror ein wenig sauer zu sein und sogar das Attribut „grenzwertig“ zu gebrauchen.
Aber „militant“ - nööö, der spinnt. Schließlich habe ich lediglich eine ausgeprägte Vorliebe für Artikel 5 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland. Nummer 5 – das ist der Artikel mit der Meinungsfreiheit. Stichwort „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten ...“ Ich bin kein militanter Flughafengegner, aber ich nehme für mich das Recht in Anspruch, meine Meinung frei zu äußern.
Zu sagen, dass es mich anstinkt, wenn aus einem Airport mit sinkenden Passagierzahlen ein Fracht- und Militärflughafen wird. Dass ich es übel finde, wenn Menschen, die sich mit ihrem Hausbau für Jahrzehnte verschuldet haben, durch Fluglärm quasi enteignet und von gewissenlosen Populisten verhöhnt werden. Dass ich Verständnis für die lärmgeplagten Brüsseler habe, die DHL den Stuhl vor die Tür gestellt haben. Dass ich hoffe, der Herrgott lässt irgendwann auch über Leipzig Hirn vom Himmel regnen ... Zumindest sage ich das, solange der Artikel 5 des Grundgesetzes noch nicht abgeschafft ist.
Aber „militant“ bin ich deshalb noch lange nicht. Nönö, Ma ...
Nach kurzem Nachdenken geriet meine Welt wieder ins Lot, denn mein werter Berufskollege ist schließlich für seine Nähe zur boomenden Logistikbranche in der Region Leipzig bekannt. Das ist kein Makel, denn – so sprach Marlon Brando in seiner Paraderolle als Pate - „man muss ja essen“. Und Steuern zahlen. Und Raten überweisen. Und, und, und.
Und angesichts seiner Logistikverbandelung ist es da das gute Recht meines Kollegen, über ihm und/oder seinen Auftraggebern unangenehme Tagebuchgedanken zum Thema DHL, Flughafen Leipzig-Halle, Air Cargo und Nachtflugterror ein wenig sauer zu sein und sogar das Attribut „grenzwertig“ zu gebrauchen.
Aber „militant“ - nööö, der spinnt. Schließlich habe ich lediglich eine ausgeprägte Vorliebe für Artikel 5 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland. Nummer 5 – das ist der Artikel mit der Meinungsfreiheit. Stichwort „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten ...“ Ich bin kein militanter Flughafengegner, aber ich nehme für mich das Recht in Anspruch, meine Meinung frei zu äußern.
Zu sagen, dass es mich anstinkt, wenn aus einem Airport mit sinkenden Passagierzahlen ein Fracht- und Militärflughafen wird. Dass ich es übel finde, wenn Menschen, die sich mit ihrem Hausbau für Jahrzehnte verschuldet haben, durch Fluglärm quasi enteignet und von gewissenlosen Populisten verhöhnt werden. Dass ich Verständnis für die lärmgeplagten Brüsseler habe, die DHL den Stuhl vor die Tür gestellt haben. Dass ich hoffe, der Herrgott lässt irgendwann auch über Leipzig Hirn vom Himmel regnen ... Zumindest sage ich das, solange der Artikel 5 des Grundgesetzes noch nicht abgeschafft ist.
Aber „militant“ bin ich deshalb noch lange nicht. Nönö, Ma ...
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Donnerstag, 18. September 2008
Daten-Gau in Norwegen. Oder: Zentrale Daten sind nicht sicher - auch in Deutschland
zeitungsdieb, 11:56h
Die Deutsche Presseagentur verschickte am gestrigen 17. September eine Meldung über eine peinliche Datenpanne in Norwegen. Veröffentlicht hat’s u.a. die Netzeitung, guckst Du hier: http://www.netzeitung.de/politik/ausland/1157058.html und staunst Du. Das norwegische Steueramt – in etwa vergleichbar mit dem Deutschen Bundeszentralamt für Steuern – hat CDs mit den Daten aller norwegischen Steuerzahler – in summa vier Millionen Seelen – an zehn Zeitungsredaktionen verschickt. Die Datenträger enthalten neben Namen und der Höhe der zu zahlenden Steuern auch die Personennummer, sodass eine eindeutige Zuordnung möglich ist.
Die aus dem Geburtsdatum und einer fünfziffrigen Zahl bestehende Personennummer wird in Norwegen von allen Behörden, Banken, Versicherungen, Krankenhäusern und auch Unternehmen zur Personenidentifizierung benutzt und gilt deshalb als viel wichtiger als Namen.
Die Steuerbehörde fügte diese Nummer irrtümlich an die elektronische Liste aller norwegischen Steuerzahler, die sie alljährlich an Medien schickt. Darin sind üblicherweise Namen, Einkommen und Einkommensteuer als öffentlich zugängliche Daten enthalten, nicht aber die streng vertrauliche Personennummer. Mit dieser zusätzlichen Information werde Kriminellen «der Diebstahl von Identitäten mit interessantem finanziellen Hintergrund mehr als leicht gemacht», sagte der Sprecher der Datenschutzbehörde.
Nun mag sich der eine oder andere Leser dieses kleinen Tagebuches fragen, warum ich diese Nachricht für so wichtig halte? Schließlich sind vier Millionen Norwegen, wenn es nicht gerade um Wintersport geht, doch eher sekundär fürs deutsche Wohl und Wehe.
Das mag stimmen, aber auch in Deutschland gibt es ja endlich wieder eine Personennummer, über die ich mich kürzlich (guckst Du hier: http://zeitungsdieb.blogger.de/stories/1205084/) ein wenig ausgelassen habe. Zugegeben, die neudeutsche Identifikationsnummer ist zwar ein direkter Nachkomme von Reichspersonalnummer und Personenkennzahl PKZ, aber sie kommt im Unterschied zu diesen (und zur norwegischen Variante) ohne Geburtsdatum im Klartext daher.
Aber die Datenpanne in der Heimat von Henrik Ibsen und dem Opera-Browser macht deutlich, dass es beim Umgang mit personenbezogenen Daten nicht möglich ist, Fehler per Gesetz auszuschließen. Murphy’s Law besagt, dass, wenn etwas schief gehen kann, dieses auch passiert. Ganz zu schweigen davon, dass Datensammlungen stets die Begehrlichkeiten von Politikern und anderen kriminell veranlagten Elementen wecken und dass zumindest erstere auch Mittel und Wege finden, ihr Verlangen durchzusetzen.
Und das – dessen dürfen sich die Leser meines kleinen Tagebuches sicher sein – gilt auch für Deutschland. Die Frage ist nur, ob die in der Zentraldatei des Bundesamtes für Steuern zuerst dank einer Datenpanne offengelegt oder zuerst per Gesetz „zum Zwecke der Terrorismusbekämpfung“ mit anderen Daten abgeglichen und abgerastert werden. Für das Eintreten des ersten Szenarios spricht Murphy’s Law, für das des zweitgenannten das rastlose Rotieren des innenministeriellen Rollteufels.
Die aus dem Geburtsdatum und einer fünfziffrigen Zahl bestehende Personennummer wird in Norwegen von allen Behörden, Banken, Versicherungen, Krankenhäusern und auch Unternehmen zur Personenidentifizierung benutzt und gilt deshalb als viel wichtiger als Namen.
Die Steuerbehörde fügte diese Nummer irrtümlich an die elektronische Liste aller norwegischen Steuerzahler, die sie alljährlich an Medien schickt. Darin sind üblicherweise Namen, Einkommen und Einkommensteuer als öffentlich zugängliche Daten enthalten, nicht aber die streng vertrauliche Personennummer. Mit dieser zusätzlichen Information werde Kriminellen «der Diebstahl von Identitäten mit interessantem finanziellen Hintergrund mehr als leicht gemacht», sagte der Sprecher der Datenschutzbehörde.
Nun mag sich der eine oder andere Leser dieses kleinen Tagebuches fragen, warum ich diese Nachricht für so wichtig halte? Schließlich sind vier Millionen Norwegen, wenn es nicht gerade um Wintersport geht, doch eher sekundär fürs deutsche Wohl und Wehe.
Das mag stimmen, aber auch in Deutschland gibt es ja endlich wieder eine Personennummer, über die ich mich kürzlich (guckst Du hier: http://zeitungsdieb.blogger.de/stories/1205084/) ein wenig ausgelassen habe. Zugegeben, die neudeutsche Identifikationsnummer ist zwar ein direkter Nachkomme von Reichspersonalnummer und Personenkennzahl PKZ, aber sie kommt im Unterschied zu diesen (und zur norwegischen Variante) ohne Geburtsdatum im Klartext daher.
Aber die Datenpanne in der Heimat von Henrik Ibsen und dem Opera-Browser macht deutlich, dass es beim Umgang mit personenbezogenen Daten nicht möglich ist, Fehler per Gesetz auszuschließen. Murphy’s Law besagt, dass, wenn etwas schief gehen kann, dieses auch passiert. Ganz zu schweigen davon, dass Datensammlungen stets die Begehrlichkeiten von Politikern und anderen kriminell veranlagten Elementen wecken und dass zumindest erstere auch Mittel und Wege finden, ihr Verlangen durchzusetzen.
Und das – dessen dürfen sich die Leser meines kleinen Tagebuches sicher sein – gilt auch für Deutschland. Die Frage ist nur, ob die in der Zentraldatei des Bundesamtes für Steuern zuerst dank einer Datenpanne offengelegt oder zuerst per Gesetz „zum Zwecke der Terrorismusbekämpfung“ mit anderen Daten abgeglichen und abgerastert werden. Für das Eintreten des ersten Szenarios spricht Murphy’s Law, für das des zweitgenannten das rastlose Rotieren des innenministeriellen Rollteufels.
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Wolfgang Schäuble und Aids. Oder: Die Krankheit der anderen
zeitungsdieb, 11:11h
Was haben Aids und die Überwachungspläne von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble gemeinsam?
Antwort 1: Beide können einem ganz schön den Spaß am Leben verderben. Aber das meine ich nicht, deshalb folgt ...
Antwort 2: Beide Krankheiten wurden solange unterschätzt, bis sie nicht mehr aufzuhalten waren bzw. sind.
Hä? So oder ähnlich mag das Geräusch klingen, das nun der eine oder andere Leser meines kleinen, politisch nicht immer gänzlich korrekten und auch nicht dem bundesrepublikanischen Mainstream verpflichteten Tagebuches macht.
Ganz einfach: Als Aids (bzw. HIV) in der Neuzeit „erfunden“ wurde (gab’s nämlich in den 30er-Jahren auch schon mal, wurde damals nur nicht entsprechend gewürdigt und verschwand wieder, aber das ist eine andere Geschichte ...), war es über Jahre die Krankheit „der anderen“. Betroffen war ja nicht der stinkdurchschnittliche, brave Normalbürger, sondern andere: Neger, Schwule, Fixer, Nutten und Stricher, Fremdgeher ... und irgendwann die ganze Gesellschaft.
Ähnlich ist die Situation bei den Überwachungsplänen des Bundesinnungsministers und seiner ministeriellen Mittäter. Vorratsdatenspeicherung, Bundestrojaner, Fernmeldeüberwachung, BKA-Gesetz und all der andere Schlapphutmist richten sich ja gegen den internationalen Terrorismus, gegen rechte Extremisten, gegen linke Extremisten, gegen Kinderschänder, gegen Schwerkriminelle und deren Vereinigungen, gegen Zumwinkel und andere Steuerhinterzieher, gegen Reiche, gegen Telekom-Kunden, gegen Zu-Schnell-Fahrer, gegen Rotfahrer, gegen Falschparker ... gegen ganz normale Bundesbürger wie Du und ich, die nichts anderes wollen, als grundgesetzlich verbriefte Rechte in Anspruch zu nehmen. Wie weit das Tor zum Überwachungsstaat bereits offen steht, guckst Du hier www.telepolis.de, in der Suchfunktion einfach mal die Worte „Schäuble“ und „Vorratsdatenspeicherung“ eingeben.
Das ist übertrieben? Wer das glaubt, sollte sich hier http://www.heise.de/tp/r4/artikel/27/27734/1.html einmal einlesen. In Kürze: Eine in einem Internetforum oder Gästebuch hinterlassene E-Mail-Adresse ist in mehreren Fällen Grundlage von Durchsuchungsbefehlen gewesen – ohne vorherige Prüfung, ob der Inhaber der Adresse oder ein anderer Nutzer diese eingetippt hatte. Der aus meiner Sicht spektakulärste Fall betraf einen Berliner Geschäftsman, der vor einigen Monaten frühmorgendlichen Besuch von lautstark in seine Wohnung stürmenden SEKisten und Ermittlungsbeamten erhielt. Wegen kinderpornographischer Missetaten kam dieser Sturmtrupp durch die Tür, beschlagnahmte Papier und EDV-Anlage. Die Rückgabe nahm – gut Untersuchung will Zeit haben – Monate in Anspruch und erfolgte, als der Geschäftsmann bereits seiner wirtschaftlichen Existenz verlustig gegangen und privat erledigt war.
„Schlimmeres“ ist dem Berliner übrigens nicht widerfahren. Ein Schreiben der Ermittlungsbehörden informierte darüber, dass es bei der Zuordnung der IP-Adresse des Kinderpornographieliebhabers zur konkreten Person von Seiten des Providers einen Fehler gegeben habe ...
Wie war das? Aids ist die Krankheit der anderen. Überwachung auch ...
Wie schwer es ist, bei durchaus zum Denken neigenden Menschen eine gewisse Sensibilität für die Gefahren der neuen Schäuble-Seuche zu wecken, erlebte ich erst vor einigen Tagen beim Gespräch mit einem guten Bekannten. Dieser verschanzte sich hinter der Feststellung, dass er doch nichts zu befürchten habe: Schließlich meide er den Kontakt zu Terroristen, Rechten und Linken extremer Ausprägung, zahle seine Steuern, sei ein guter Mensch, lasse sich nichts zuschulden kommen ...
Ihm und allen anderen braven Staatsbürgern gebe ich den Rat, den kleinen Handkoffer mit den wichtigsten Sachen stets am Bett stehen zu haben. Denn: „Sie kommen immer in der Nacht.“
Antwort 1: Beide können einem ganz schön den Spaß am Leben verderben. Aber das meine ich nicht, deshalb folgt ...
Antwort 2: Beide Krankheiten wurden solange unterschätzt, bis sie nicht mehr aufzuhalten waren bzw. sind.
Hä? So oder ähnlich mag das Geräusch klingen, das nun der eine oder andere Leser meines kleinen, politisch nicht immer gänzlich korrekten und auch nicht dem bundesrepublikanischen Mainstream verpflichteten Tagebuches macht.
Ganz einfach: Als Aids (bzw. HIV) in der Neuzeit „erfunden“ wurde (gab’s nämlich in den 30er-Jahren auch schon mal, wurde damals nur nicht entsprechend gewürdigt und verschwand wieder, aber das ist eine andere Geschichte ...), war es über Jahre die Krankheit „der anderen“. Betroffen war ja nicht der stinkdurchschnittliche, brave Normalbürger, sondern andere: Neger, Schwule, Fixer, Nutten und Stricher, Fremdgeher ... und irgendwann die ganze Gesellschaft.
Ähnlich ist die Situation bei den Überwachungsplänen des Bundesinnungsministers und seiner ministeriellen Mittäter. Vorratsdatenspeicherung, Bundestrojaner, Fernmeldeüberwachung, BKA-Gesetz und all der andere Schlapphutmist richten sich ja gegen den internationalen Terrorismus, gegen rechte Extremisten, gegen linke Extremisten, gegen Kinderschänder, gegen Schwerkriminelle und deren Vereinigungen, gegen Zumwinkel und andere Steuerhinterzieher, gegen Reiche, gegen Telekom-Kunden, gegen Zu-Schnell-Fahrer, gegen Rotfahrer, gegen Falschparker ... gegen ganz normale Bundesbürger wie Du und ich, die nichts anderes wollen, als grundgesetzlich verbriefte Rechte in Anspruch zu nehmen. Wie weit das Tor zum Überwachungsstaat bereits offen steht, guckst Du hier www.telepolis.de, in der Suchfunktion einfach mal die Worte „Schäuble“ und „Vorratsdatenspeicherung“ eingeben.
Das ist übertrieben? Wer das glaubt, sollte sich hier http://www.heise.de/tp/r4/artikel/27/27734/1.html einmal einlesen. In Kürze: Eine in einem Internetforum oder Gästebuch hinterlassene E-Mail-Adresse ist in mehreren Fällen Grundlage von Durchsuchungsbefehlen gewesen – ohne vorherige Prüfung, ob der Inhaber der Adresse oder ein anderer Nutzer diese eingetippt hatte. Der aus meiner Sicht spektakulärste Fall betraf einen Berliner Geschäftsman, der vor einigen Monaten frühmorgendlichen Besuch von lautstark in seine Wohnung stürmenden SEKisten und Ermittlungsbeamten erhielt. Wegen kinderpornographischer Missetaten kam dieser Sturmtrupp durch die Tür, beschlagnahmte Papier und EDV-Anlage. Die Rückgabe nahm – gut Untersuchung will Zeit haben – Monate in Anspruch und erfolgte, als der Geschäftsmann bereits seiner wirtschaftlichen Existenz verlustig gegangen und privat erledigt war.
„Schlimmeres“ ist dem Berliner übrigens nicht widerfahren. Ein Schreiben der Ermittlungsbehörden informierte darüber, dass es bei der Zuordnung der IP-Adresse des Kinderpornographieliebhabers zur konkreten Person von Seiten des Providers einen Fehler gegeben habe ...
Wie war das? Aids ist die Krankheit der anderen. Überwachung auch ...
Wie schwer es ist, bei durchaus zum Denken neigenden Menschen eine gewisse Sensibilität für die Gefahren der neuen Schäuble-Seuche zu wecken, erlebte ich erst vor einigen Tagen beim Gespräch mit einem guten Bekannten. Dieser verschanzte sich hinter der Feststellung, dass er doch nichts zu befürchten habe: Schließlich meide er den Kontakt zu Terroristen, Rechten und Linken extremer Ausprägung, zahle seine Steuern, sei ein guter Mensch, lasse sich nichts zuschulden kommen ...
Ihm und allen anderen braven Staatsbürgern gebe ich den Rat, den kleinen Handkoffer mit den wichtigsten Sachen stets am Bett stehen zu haben. Denn: „Sie kommen immer in der Nacht.“
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Mittwoch, 17. September 2008
Jenny und die Zootiere. Oder: Niedergang der deutschen Leitkultur
zeitungsdieb, 10:10h
Meine Lokalpostille, die nach eigener Aussage dem Qualitätsjournalismus verpflichtete Leipziger Volkszeitung, hat eine Online-Ausgabe. Auch wenn diese noch Lichtjahre von netzeitung.de, welt.de oder gar telepolis.de entfernt ist, tut sich doch etwas. Dümpelte die Online-Ausgabe lange Zeit scheintot vor sich hin und wurde selbst während internationaler Großereignisse wie der Fußball-EM nächtens nicht aktualisiert, kann der geneigte Leser nun beobachten, dass nimmermüde Redakteure die eine oder andere Agenturmeldung ins Content-Management-System hieven und gelegentlich sogar eigene Berichte veröffentlichen.
Besonders stark sind solcherlei kleinkünstlerische Werke im Hinblick auf eigene wirtschaftliche Interessen des Verlages anzutreffen. Aber auch die Rubrik „Wissen, das die Welt nicht braucht“ ist gut besetzt.
Beispiel gefällig? Heute hat die LVZ-Online-Ausgabe (guckst Du hier: http://www.lvz.de/aktuell/content/73220.htm) eine dpa-Meldung übernommen und berichtet über einen bösen Unfall, den Jenny Elvers-Ebertzhagen (das ist wohl die Miss Heidschnucke, die mit Big-Brother-Alex irgendwie rumgemacht hatte) bei Dreharbeiten für die dritte „Dr. Mertens“-Staffel erlitt. Nun kenne ich weder die erste noch die zweite Staffel und werde auch die dritte nie kennenlernen (wahrscheinlich), es geht aber irgendwie um den Leipziger Zoo. Miss Heidschnucke spielt Nicole Sommer, die neue Assistentin der filmischen Zootierärztin Dr. Mertens, und hat sich dabei von einem Marabu in die Hand beißen lassen.
Blablabla, der Rest ist PR. Kurzer Abriss des Wer mit Wem (Handlung kann man diese öffentlich-rechtliche Sülze ja wohl nicht nennen), des weiteren Drehverlaufes und des zu erwartenden Sendetermins. Außerdem darf Heidschnucke Jenny noch verkünden, dass sie Angst vor dem großen Braunbären hat und daheim schnuckelige kleine Hasenbabies betreut.
Gähn. Wenn es die mit Kompetenz gesegneten Lokalpostilleros der LVZ-Onlineredaktion wenigstens geschafft hätten, den einen oder anderen Link einzubauen ... Wer freiwillig solchen Brösel wie die erschröckliche Moritat von der gebissenenen Miss Heidschnucke liest, der hätte doch sicher gern auch auf die einschlägigen Seiten von Zoo, mdr etc. geklickt und sich bei Wikipedia darüber informiert, was ein Marabu eigentlich ist und wie er aussieht. Aber das darf man wohl derzeit nur bei telepolis.de und burks.de erwarten ...
Armes Deutschland.
Besonders stark sind solcherlei kleinkünstlerische Werke im Hinblick auf eigene wirtschaftliche Interessen des Verlages anzutreffen. Aber auch die Rubrik „Wissen, das die Welt nicht braucht“ ist gut besetzt.
Beispiel gefällig? Heute hat die LVZ-Online-Ausgabe (guckst Du hier: http://www.lvz.de/aktuell/content/73220.htm) eine dpa-Meldung übernommen und berichtet über einen bösen Unfall, den Jenny Elvers-Ebertzhagen (das ist wohl die Miss Heidschnucke, die mit Big-Brother-Alex irgendwie rumgemacht hatte) bei Dreharbeiten für die dritte „Dr. Mertens“-Staffel erlitt. Nun kenne ich weder die erste noch die zweite Staffel und werde auch die dritte nie kennenlernen (wahrscheinlich), es geht aber irgendwie um den Leipziger Zoo. Miss Heidschnucke spielt Nicole Sommer, die neue Assistentin der filmischen Zootierärztin Dr. Mertens, und hat sich dabei von einem Marabu in die Hand beißen lassen.
Blablabla, der Rest ist PR. Kurzer Abriss des Wer mit Wem (Handlung kann man diese öffentlich-rechtliche Sülze ja wohl nicht nennen), des weiteren Drehverlaufes und des zu erwartenden Sendetermins. Außerdem darf Heidschnucke Jenny noch verkünden, dass sie Angst vor dem großen Braunbären hat und daheim schnuckelige kleine Hasenbabies betreut.
Gähn. Wenn es die mit Kompetenz gesegneten Lokalpostilleros der LVZ-Onlineredaktion wenigstens geschafft hätten, den einen oder anderen Link einzubauen ... Wer freiwillig solchen Brösel wie die erschröckliche Moritat von der gebissenenen Miss Heidschnucke liest, der hätte doch sicher gern auch auf die einschlägigen Seiten von Zoo, mdr etc. geklickt und sich bei Wikipedia darüber informiert, was ein Marabu eigentlich ist und wie er aussieht. Aber das darf man wohl derzeit nur bei telepolis.de und burks.de erwarten ...
Armes Deutschland.
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Montag, 15. September 2008
Krebsregister und Risiko. Oder: Gedanken über eine Statistik
zeitungsdieb, 10:41h
Meine Lokalpostille, die Leipziger Volkszeitung, macht ihre Titelseite heute mit der Schlagzeile „Sachsen: Krebsrate in Aue und Zwickau am höchsten“ auf. Unter Bezug auf das gemeinsame Krebsregister der östlichen Bundesländer (guckst Du hier: www.krebsregister-berlin.de) wird dargelegt, dass die Krebsrate in den einstigen Uran-Abbaugebieten der Wismut AG noch immer höher als im Rest Sachsens ist. Im Klartext: Mit 441,6 Krebsfällen je 100.000 Einwohner liegt Sachsen unter dem Bundesdurchschnitt von 452,7. Allerdings liegen die Kreise mit einstigen Wismutstandorten – Aue-Schwarzenberg (504,6), Zwickau (505,1) und Zwickauer Land (486,8) um knapp bzw. deutlich mehr als zehn Prozent über dem Durchschnitt.
Deutlich über dem Mittelwert liegt auch Leipzig – liegt’s an der chemischen Industrie von Buna, Leuna und Bitterfeld, in der viele Leipziger einst tätig waren bzw. deren Dreck sie bei geeignetem Wind auch daheim atmen durften?
Deutlich drunter liegen die Bergbauregion Freiberg (301,0) und die Sächsische Schweiz (330,9), wobei auch in letzterem Gebiet Wismutaktivitäten zu verzeichnen gewesen sind. Die Autoren des Krebsregister-Internetauftrittes betonen jedoch, dass es falsch sei, aus den Zahlen für das eigene Gebiet ein erhöhtes persönliches Krebsrisiko abzuleiten. Dieses sei, wie so vieles im Leben, von den ganz konkreten, persönlichen Veranlagungen und Umständen abhängig. Wer seine Wohnung mit Asbest tapeziert, hat auch in der heilen Welt rund um Freiberg gute Chancen auf ein Krebsleiden.
Was sagt mir dieses Zahlenwerk ansonsten?
Zum einen, dass mein Schwiegervater ein weiser Mann ist. Er verkündet gelegentlich den aus eingehender Geschichtsbetrachtung gezogenen Schluss, dass es für die Sachsen noch nie von Vorteil war, sich mit Franzosen und/oder Russen einzulassen. Während man den Franzmännern in punkto Krebs keine Vorwürfe machen kann, sieht das bei den Russen, die ja einst „unsere sowjetischen Freunde“ waren, ganz anders aus. Die wühlten in Sachsen und Thüringen ganz heftig im Boden, um ihre Atomwaffen mit nuklearem Sprengstoff befüllen zu können. Vielen Dank auch noch!
Zum anderen sagt mir das Zahlenwerk des Krebsregisters aber auch, dass Statistiken in Laienhand (und das sind Zeitungsmenschen nun mal – zumindest die meisten) mit Vorsicht zu genießen sind. Sinnvoll wäre z.B. eine Gegenüberstellung der Krebsrate mit Angaben zur durchschnittlichen Lebenserwartung: Wer früher stirbt, ist nämlich nicht nur länger tot, sondern hat auch eine deutliche geringere Wahrscheinlichkeit, „später“ an Krebs zu erkranken. Zum anderen hätte der Artikel meiner Lokalpostille durchaus gewonnen, wären die Zahlen des Krebsregisters zusätzlich mit Angaben zur Binnenwanderung unterfüttert worden. Im Klartext: Wer sich „in der Wismut“ die Lunge mit strahlendem Dreck gefüllt hat, dann aber nach Hinterrumpelshausen in Meckpomm gezogen ist, taucht im dortigen Register auf – ebenso wie der niederbayerische Leihbeamte, der zur Aufbauhilfe Ost in die sächsische Landeshauptstadt Dresden gekommen ist und die Früchte seiner Buschzulage nun in der Sächsischen Schweiz genießt.
Aber solcherart Hintergrundberichterstattung ist ja schon Luxus ...
Deutlich über dem Mittelwert liegt auch Leipzig – liegt’s an der chemischen Industrie von Buna, Leuna und Bitterfeld, in der viele Leipziger einst tätig waren bzw. deren Dreck sie bei geeignetem Wind auch daheim atmen durften?
Deutlich drunter liegen die Bergbauregion Freiberg (301,0) und die Sächsische Schweiz (330,9), wobei auch in letzterem Gebiet Wismutaktivitäten zu verzeichnen gewesen sind. Die Autoren des Krebsregister-Internetauftrittes betonen jedoch, dass es falsch sei, aus den Zahlen für das eigene Gebiet ein erhöhtes persönliches Krebsrisiko abzuleiten. Dieses sei, wie so vieles im Leben, von den ganz konkreten, persönlichen Veranlagungen und Umständen abhängig. Wer seine Wohnung mit Asbest tapeziert, hat auch in der heilen Welt rund um Freiberg gute Chancen auf ein Krebsleiden.
Was sagt mir dieses Zahlenwerk ansonsten?
Zum einen, dass mein Schwiegervater ein weiser Mann ist. Er verkündet gelegentlich den aus eingehender Geschichtsbetrachtung gezogenen Schluss, dass es für die Sachsen noch nie von Vorteil war, sich mit Franzosen und/oder Russen einzulassen. Während man den Franzmännern in punkto Krebs keine Vorwürfe machen kann, sieht das bei den Russen, die ja einst „unsere sowjetischen Freunde“ waren, ganz anders aus. Die wühlten in Sachsen und Thüringen ganz heftig im Boden, um ihre Atomwaffen mit nuklearem Sprengstoff befüllen zu können. Vielen Dank auch noch!
Zum anderen sagt mir das Zahlenwerk des Krebsregisters aber auch, dass Statistiken in Laienhand (und das sind Zeitungsmenschen nun mal – zumindest die meisten) mit Vorsicht zu genießen sind. Sinnvoll wäre z.B. eine Gegenüberstellung der Krebsrate mit Angaben zur durchschnittlichen Lebenserwartung: Wer früher stirbt, ist nämlich nicht nur länger tot, sondern hat auch eine deutliche geringere Wahrscheinlichkeit, „später“ an Krebs zu erkranken. Zum anderen hätte der Artikel meiner Lokalpostille durchaus gewonnen, wären die Zahlen des Krebsregisters zusätzlich mit Angaben zur Binnenwanderung unterfüttert worden. Im Klartext: Wer sich „in der Wismut“ die Lunge mit strahlendem Dreck gefüllt hat, dann aber nach Hinterrumpelshausen in Meckpomm gezogen ist, taucht im dortigen Register auf – ebenso wie der niederbayerische Leihbeamte, der zur Aufbauhilfe Ost in die sächsische Landeshauptstadt Dresden gekommen ist und die Früchte seiner Buschzulage nun in der Sächsischen Schweiz genießt.
Aber solcherart Hintergrundberichterstattung ist ja schon Luxus ...
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Freitag, 12. September 2008
Der Bedienzuschlag ist tot. Oder: Wann kommt der Nachlass für Internetkunden?
zeitungsdieb, 11:51h
So, die Deutsche Bahn hat ihren Bedienzuschlag gekippt, bevor sie ihn überhaupt eingeführt hat. Die angekündigten 2,50 Euro je Fahrt sind passé.
Die Freude ist groß: Bei allen Automatenmuffeln, Internetverweigerern, Verbraucherschützern, Fahrgastverbänden - und natürlich bei den beiden deutschen Bundesministern für Populismus, Bauchkraulen und Taschenvollhauerei, Wolfgang Tiefensee (SPD) und Horst Seehofer (CSU), womit auch der Parteienproporz innerhalb der großen Koalition gewährleistet wäre.
Wobei: Der Bedienzuschlag ist nicht wirklich tot, der kommt zurück, obwohl er ja nicht weg war, weil er ja noch nie da war - oder so. Kommen wird er, denn anderenfalls würden "die modernen Kunden" ja "die altmodischen" mit ihren Fahrpreisen subventionieren. Und wer will das schon ... Ein Blick in den Dschungel der Bankgebühren macht das deutlich: Wer ein Internet-Konto führt, kommt preiswerter weg als der brave Nutzer altmodischer Überweisungsträger.
Früher oder später wird dieses Gewinnmaximierungs-Prinzip auch bei der Bahn greifen - und wenn's über den Umweg eines "Internetnachlasses" ist.
Die Freude ist groß: Bei allen Automatenmuffeln, Internetverweigerern, Verbraucherschützern, Fahrgastverbänden - und natürlich bei den beiden deutschen Bundesministern für Populismus, Bauchkraulen und Taschenvollhauerei, Wolfgang Tiefensee (SPD) und Horst Seehofer (CSU), womit auch der Parteienproporz innerhalb der großen Koalition gewährleistet wäre.
Wobei: Der Bedienzuschlag ist nicht wirklich tot, der kommt zurück, obwohl er ja nicht weg war, weil er ja noch nie da war - oder so. Kommen wird er, denn anderenfalls würden "die modernen Kunden" ja "die altmodischen" mit ihren Fahrpreisen subventionieren. Und wer will das schon ... Ein Blick in den Dschungel der Bankgebühren macht das deutlich: Wer ein Internet-Konto führt, kommt preiswerter weg als der brave Nutzer altmodischer Überweisungsträger.
Früher oder später wird dieses Gewinnmaximierungs-Prinzip auch bei der Bahn greifen - und wenn's über den Umweg eines "Internetnachlasses" ist.
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Geburtstagsgönnerei oder: Morgens, halb zehn in Deutschland.
zeitungsdieb, 10:11h
Gestern habe ich mir mal etwas gegönnt. Zu seinem Geburtstag darf man das, auch wenn’s (gottlob noch) kein runder ist. Nönö, nix mit neuem Auto oder modischen Klamotten. Ich habe mir – nach Blick in den Terminkalender – einen vormittäglichen Lauf geleistet. Unter dem Motto „Morgens, halb zehn in Deutschland“ bin ich los und gönnte mir gemütliche 15 Kilometer. Was (im Hinblick auf die Strecke) an sich nichts Besonderes ist, für mich aber ein wirkliches Geburtstagsgeschenk war: Bei perfektem Spätsommerwetter lief ich über Feld- und Waldwege, sah allerlei Getier, freute mich über drei betagte K700-Traktoren, die auf einem großen Schlag um die Wette zu pflügen schienen, grüßte einige andere Läufer (Haben die nichts zu tun, dass sie vormittags auf die Piste gehen?) und nahm auf meiner Geburtstagsrunde mehrere Glückwünsche netter Menschen per Handy entgegen. Fazit: Ein Genusslauf der allerfeinsten Sorte, der damit einhergehende Lustgewinn hätte sich allenfalls durch zwei oder drei Verpflegungsstände mit Bier und Pellkartoffeln steigern lassen. Aber das wäre dann fast schon paradiesisch gewesen ...
Das solchermaßen erlaufene Wohlgefühl versöhnte mich sogar mit dem Umstand, dass ich meine obligatorischen Donnerstagnachmittagslaufrunden am Leipziger Auensee (genau, auf der Strecke des 100ers) wegen eines dienstlichen Termins in Dresden ausfallen lassen musste.
Und heute? Habe ich (natürlich) keinen Geburtstag mehr. Aber vielleicht gönne ich mir am Vormittag noch einen kleinen Geburtstagsnachlauf zur Vermeidung von Entzugserscheinungen – und weil’s so schön war.
Das solchermaßen erlaufene Wohlgefühl versöhnte mich sogar mit dem Umstand, dass ich meine obligatorischen Donnerstagnachmittagslaufrunden am Leipziger Auensee (genau, auf der Strecke des 100ers) wegen eines dienstlichen Termins in Dresden ausfallen lassen musste.
Und heute? Habe ich (natürlich) keinen Geburtstag mehr. Aber vielleicht gönne ich mir am Vormittag noch einen kleinen Geburtstagsnachlauf zur Vermeidung von Entzugserscheinungen – und weil’s so schön war.
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