Dienstag, 17. Juli 2012
Meine Lokalpostille macht sich wieder zur Hure. Oder: weltbewegendes aus den Höfen am Brühl.
Meine Lokalpostille, die nach eigenem (Miss)Verständnis dem Qualitätsjournalismus verpflichtete Leipziger Volkszeitung LVZ, ist immer für eine Überraschung gut. Zumindest, wenn es keine gute sein muss.
So auch heute, als mir auf der Lokalen Seite 1 ein ganzseitiger "Bericht" über die Baufortschritte im neuen, für Leipzig ganz, ganz sicher unterzichtbaren Einkaufszentrum "Höfe am Brühl" (deren unwichtiger Internetauftritt ist hier http://www.hoefe-am-bruehl.de/ ) entgegensprang. Und auch der Webauftritt der LVZ präsentiert das Werk des preisgekrönten Autors Jens Rometsch unter dem Titel "Höfe am Brühl: Erste Mieter auf Leipzigs größter Baustelle legen los" hier http://www.lvz-online.de/leipzig/citynews/hoefe-am-bruehl-erste-mieter-auf-leipzigs-groesster-baustelle-legen-los/r-citynews-a-146078.html als epochale Nachricht.
Für alle Auswärtigen zur Erläuterung: Der einschlägig bekannte Investor MFI errichtet dort, wo noch vor kurzem u.a. ein historisch nicht unwichtiges Warenhaus geschreddert und der Denkmalschutz ein wenig ver... wurde, mit allerlei Pleiten, Pech und Pannen sein neues Shoppingcenter, das nun am 25. September 2012 loslegen wird. Die Leserschaft meiner Lokalpostille durfte heute im o.g. redaktionellen Rührstück u.a. erfahren, dass Mac Doof dort schon seine Brutzelbude einrichtet, und das justament an genau dem Ort, wo sich besagter Frittenladen vor dem Abriss eines DDR-Baus schon befunden hat. Blablabla.
Nun mögen sich die geneigten LeserInnen meines kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuches fragen, weshalb ich mich über eine solche Berichterstattung derart aufrege, dass mir der Morgenkaffee über die edle Enermax-Tastatur sprüht ... Ganz einfach - es gibt in Deutschland einen Presserat samt Pressekodex, nachzulesen hier: http://www.presserat.info/inhalt/der-pressekodex/pressekodex.html
Nun mag der eine oder andere Leser aufmerken und "Aha" rufen - richtig! Der Presserat, das sind die mit den gelegentlichen Rügen gegen Bild & Co.
Und was hat das mit einem Qualitätsmedium wie der LVZ zu tun? Unter Ziffer 7 steht im Pressekodex etwas über die Trennung von Anzeigen und Redaktion sowie über die wirtschaftlichen Eigeninteressen des Verlages ... Da heißt es u.a. "... Bei Veröffentlichungen, die ein Eigeninteresse des Verlages betreffen, muss dieses erkennbar sein. "
Schaunmermal, denkenmermal. Investor MFI beglückte die schwächelnde Leipziger Volkszeitung bisher regelmäßig mit ganzseitigen "Sonderveröffentlichungen", in denen über den Fortgang des Bauvorhabens und die Rolle der Bedeutung wovonauchimmer schwadroniert wurde. Für alle Langsammerker: Solche Sonderdinger sehen für den DAL* (und nicht nur für diesen) zwar nicht wie Anzeigen aus, sind aber bezahlte Fläche. Wie heißt es in Ziffer 7? "Eigeninteresse des Verlages ..."
Und dann gibt es da ja noch den Eröffnungstermin am 25. September.
Auf den Fluren des Verlagshauses an der Klagemauer (genau, da hinten, wo der Doc residiert) herrscht im Hinblick auf dieses Datum eine durchaus positive Stimmung: So ein Ereignis muss beworben werden. Und dann gibt es da ja noch die Sonderbeilage, die pünktlich zur Eröffnung nicht nur die Abonnenten der LVZ beglücken wird, sondern die dank "Resthaushaltabdeckung" auch die Briefkästen der nicht-LVZ-lesenden Mehrheit der Leipziger verstopfen wird ... und die zum Verlag gehörenden Anzeigenblätter ...
In diesem Sinne: Es lebe der Pressekodex - nur nicht bei meiner Lokalpostille.

* DAL = Dümmstanzunehmender Leser

PS.: Um nicht missverstanden zu werden: Meinem im obigen Eintrag namentlich genannten Kollegen Jens Rometsch mache ich absolut keinen Vorwurf. Er ist dort angestellt, also im rechtlichen Sinne "abhängig beschäftigt". Und schon der Pate sagte "Man muss ja auch essen ...". Und dass die LVZ in puncto Anzeigenkundenverdingsbumselung eine klare Linie fährt, hat sie ja seinerzeit schon bei der jähen Wende in der Geschichte um das Ikea-Vorhaben im Saalepark unter Beweis gestellt. Ein Zentner mehr oder weniger ... Hach, was waren wir damals alle noch jung und blauäugig ,,,

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Freitag, 29. Juni 2012
Fahrt nach Hause, Ihr Scheißer. Oder: Keine Hymne, kein Finale
So, Deutschland ist raus. Und obwohl ich an ca. 364 Tagen des Jahres (im Schaltjahr: 365) stolz bin, ein Deutscher zu sein, sage ich: Fahrt nach Hause, Ihr überbezahlten Scheißer! Wenn die Startaufstellung einer deutschen (!) Nationalmannschaft zu sehen ist und es nicht mal die Hälfte (!) dieser Schießbudenfiguren mit der fetten Henne auf der Brust schafft, beim Vortrag der Nationalhymne nur im entferntesten so zu tun, als ob ... dann gehört dieses Pack ausgebürgert (auch Somalia hat schöne Ecken), repolonisiert oder einfach über der Türkei samt hässlicher Glubschaugen abgeworfen, aber auf keinen Fall in ein Finale. Lernt erst mal singen, ihr Fußkranken!

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Erinnerung an Onkel Bernd. Oder: Forget Hilder.
Beim schnellen Blick in die Referrer, d.h. in die Links, über die Menschen zu meinem kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuch gelangt sind, stieß ich heute auf mehrere Referrer via "Onkel Bernd". Okay, es handelt sich dabei um Tagebucheinträge über Bernd Hilder, den gottlob ehemaligen Chefredakteur der Leipziger Volkszeitung, den ich mit konstanter Boshaftigkeit als "Onkel Bernd" beschrieben habe, obwohl besagter Supercharismatiker nun wenig Onkelhaftes an sich hat.
Doch jedesmal, wenn ich "Onkel Bernd" lese, muss ich grinsen. Nein, nicht so wie das Angela Merkel bei einem Tor der deutschen Nationalelf tut: Mundwinkel knapp über Knienscheibe, viel zu enges grünes Jäckchen, dazu der Gesichtsausdruck einer frisch ausgeackerten Maus. Nein, wenn ich "Onkel Bernd"-Input erhalte, grinse ich wie ein Smiley, da sausen die Mundwinkel an den Ohrläppchen vorbei und begegnen einander am Hinterkopf.
Warum? Weil ich mit Onkel Bernd eine Erinnerung verbinde, die so drehbuchreif ist, dass Bernd Hilder dagegen nicht mal anstinken könnte, wenn er es doch auf den Intendantensessel des Mitteldeutschen Schunkelrundfunks geschafft hätte. Und die Erinnerung an Onkel Bernd geht so:
Einst (also in den 80ern) arbeitete ich als Assistent an der Karl-Marx-Universität Leipzig und machte mit überschaubarem Erfolg "in Halbleiter", ehe ich mich dann doch dem Journalismus (aka Lebenskünstlertum) zuwendete.
Unsere Forschungsgruppe war bunt gemischt, sie umfasste vom systemrelevanten Professor über der spitzelnden Doz. dr. sc. nat bis hin zum akademischen Bodensatz (in dem auch ich mich suhlte) allerlei putziges Volk.
Dazu zählte eine seinerzeit knapp 30-jährige Dottoressa aus gutem sozialistischem Hause, die auf Karriere aus und alleinerziehende Mutter einer noch nicht schulpflichtigen Tochter war (Die regelmäßigen Leser meines kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuches wissen: Das ist der Typ Frau, den ich gern damit beschreibe, dass "die mit dem Arsch Nüsse knacken kann". So sah sie auch aus). Außerdem gehörte in besagte Gruppe ein junger,dynamischer, verklemmt wirkender Forschungsstudiosus namens Bernd, der ganz emsig arbeitete und kein Wässerchen trüben konnte.
Eines lustigen Tages waren wir alle zur Nussknackersfrau eingeladen, um ihren Geburstags zu feiern. Bei Speis' und Trank verging die Zeit, irgendwann war es 21 Uhr, als das Töchterlein der alleinerziehenden Mutter auf der Bühne erschien und mit ihrer Frage, gestellt in kindlicher Naivität, den bis dahin eher langweiligen Abend rettet: "Mama, schläft der Onkel Bernd heute wieder bei uns?"
Vielleicht vermögen die LeserInnen meines kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuches nun nachvollziehen, weshalb ich Bernd Hilder (aka Onkel Bernd) nie ernst nehmen konnte.
Wobei: Manchmal frage ich mich, ob ich Onkel Bernd ohne dieses Erlebnis in der Leipziger Kuchengartenstraße ernster nähme ...

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Montag, 18. Juni 2012
Kaugummi schwarzrotgold. Oder: Gebt den deutschen Helden andere Verträge!
Die geneigten StammleserInnen meines kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuches wissen, dass ich nicht eben ein Fußballfanatiker bin. Im Gegenteil: Ich halte diese Sportart für relativ verzichtbar. Aber wie es so ist, das Konzept "panem et circenses" hat schon bei den Römern funktioniert (guckst Du hier http://www.thelatinlibrary.com/juvenal/10.shtml auf Zeile 80) - und nicht nur dort, folglich wird der Fußball uns wohl erhalten bleiben.
Gestern gab ich mich der trügerischen Hoffnung hin, das EM-Ausscheiden der deutschen Helden vielleicht live (oder was man heute so live nennt) miterleben zu dürfen. Aber gut, ich muss nun wohl noch bis Freitag warten - Griechenland wäre ein würdiger Fels, um die deutschen Recken daran zerschellen zu sehen. Die Hoffnung stirbt zuletzt ...
Was ist mir beim gestrigen Sieg des deutschen Teams aufgefallen?
Erstens musste ich mich angesichts des komischen Gehampels an ein Plakat erinnern, das beim diesjährigen Rennsteiglauf entlang der gut 72 km langen Laufstrecke mehrmals zu sehen war. "Wäre es leicht, hieße es Fußball". Anstrengung und Kampfgeist? Fehlanzeige!
Zweitens empfand nicht das Spiel als peinlichste Nummer des Abends, sondern den Auftritt der deutschen Helden vor Spielbeginn. Da steht eine überbezahlte Nationalmannschaft im deutschen Trikot auf dem Rasen und glänzt beim Spiel der Nationalhymne durch kollektive Verweigerung. Okay, der Bundestrainer hat gesungen und zwei oder drei der Balltreter haben zumindest so getan, als ob. Mehr verlange ich ja schon nicht, ich lasse mich doch gern verarschen. Besser vorgetäuscht ... als gar nicht.
Aber die übergroße Mehrheit der Nationalelfen hielt schlicht und einfach die Schnauze, bei einigen war sogar die bewusste Maulklemme erkennbar.
Mal ehrlich, was haben diese Vögel eigentlich für Verträge? Für das Geld, was die abfahren, gehört da bitteschön ein Passus rein, dass während des Nationalgedudels zumindest ein ehrliches Bemühen erkennbar sein muss, ein Mitsingen zu simulieren. Anderenfalls gibt es Abzug. Vielleicht könnte man den Burschen ja auch schwarzrotgoldenen Kaugummi verpassen ...

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Mittwoch, 13. Juni 2012
Die spinnen, die Amis. Oder: Nachdenken über den Friedensnobelpreisträger Barack Obama
Vor ein paar Tagen habe ich in meinem kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuch etwas http://zeitungsdieb.blogger.de/stories/2055906/ über die mittels Drohen ausgeführten signature strikes der Amis geschrieben und mich über die rechtlich sehr fragwürdige Grundlage dieser Morde von Staats wegen ausgelassen.
Hier http://www.tagesspiegel.de/meinung/obamas-targeted-killing-drohnenangriffe-des-friedensnobelpreistraegers/6742590.html findet sich zu diesem Thema ein sehr interessanter Artikel im Berliner Tagesspiegel.
Was bei mir die Frage ans zentrale Erinnerungsorgan ausgelöst hat, wofür Barack Obama seinerzeit den Friedensnobelpreis (!) erhielt. Begründet wurde die Vergabe mit "... seine(n) außergewöhnlichen Bemühungen, die internationale Diplomatie und die Zusammenarbeit zwischen den Völkern zu stärken". Die olle Baracke wurde im Januar 2009 Präsident in Gottes eigenem Land, den Preis erhielt er am 10. Dezember des selben Jahres - Respekt!
Und jetzt sitzt der Typ jeden Dienstag mit seinen Schlapphüten und aktualisiert eine Liste mit Namen derer, die ohne Urteil und Anhörung über den Jordan gesprengt werden. Na, wenn das mal keine besondere Art internationaler Diplomatie und völkerverbindender Zusammenarbeit ist ...

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Dienstag, 12. Juni 2012
Afghanischer Teppichnachschlag. Oder: Warum Dirk Niebel den deutschen Fußballern die Daumen drückt
Im Tagesspiegel ist heute ein sehr lesenswertes Kleinkunststück zum Niebelschen Teppichhandel erschienen, nachzulesen hier http://www.tagesspiegel.de/politik/affaere-niebel-teppich-mit-hohem-anspruch/6737342.html Achtung, Bepinkelungsgefahr.
Ich habe diesen Hinweis dem heutigen Eintrag in mein kleines, politisch nicht immer korrektes Tagebuch sicherheitshalber vorangestellt, damit ich ihn nicht vergesse. Die geneigten StammleserInnen wissen, dass ich diesbezüglich schon irgendwie im gefählichen Alter bin.
Doch zurück zu Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel. Wie aus gut unterrichteten Kreisen zu erfahren war, ist Käppiträger Niebel derzeit der glühendste Fan der deutschen Fußballnationalmannschaft. Vor lauter Daumendrücken komme der Minister praktisch nicht mehr zur Wahrnehmung seiner Amtsgeschäfte. Heißt es aus der Pförtnerloge des Ministeriums. Wobei das die Frage aufwirft, wodurch die Nichtwahrnehmung der Amtsgeschäfte aufgefallen ist. Gibt es da einen Unterschied zur Vor-Teppich-Ära?
Zurück zur Fußball-EM, die ja den kuriosen Namen "Euro 2012" trägt. Euro ... bruuuhaaaa.
Dirk Niebel jedenfalls drückt die Daumen dafür, dass unser Heldenteam Spiel um Spiel siegen und den EM-Titel holen möge. Was nichts mit dem Fußball-Interesse des Ministers zu tun hat, sondern nur mit dessen Selbsterhaltungstrieb. Das aktuelle Teppichhändlermotto lautet "Kämpfen, siegen oder untergehen!" Wobei die ersten beiden Verben den teutonischen Stehfußballern gelten, das dritte hingegen klar auf den Minister gemünzt ist.
Hä? Ganz einfach: Solange die deutsche Fußballbegeisterung köchelt und irgendwas in Richtung Sommermärchen läuft, braucht's nicht das liberale Zollvergehen, um die Titelseiten zu füllen und der Teppichhändler kann weiter davon träumen, nicht zu fliegen.
Wobei: So einen seltsamen Traum hatte auch unser einstiger Bundespräsident, der ach so auskömmlich ehrenbesoldete Christian Wulff. Falls sich noch jemand an den Typen erinnert ... der hatte sich auch Hoffnungen gemacht, dass ihn der Jahreswechsel mit all den vielen, schönen zeitungsfreien Feiertagen von aller Pein erlösen möge - aber nichts war, im neuen Jahr gings weiter und der Präsi ging auch.
In diesem Sinne bleibt mir nur, dem ministeriellen Schmuggelteppich gute Langstreckenflugeigenschaften zu wünschen, damit er auch nach der EM noch seine Runden dreht.

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Freitag, 8. Juni 2012
Parallelgesellschaft ohne Migrationshintergrund. Oder: Dirk Niebel als Teppichhändler
Seit den 90er Jahren gibt es in Deutschland das schöne Wort Parallelgesellschaft. Wikipedia beschreibt es hier http://de.wikipedia.org/wiki/Parallelgesellschaft als „politischen Kampfbegriff“, der insbesondere in der Debatte um Migration und Integration eingesetzt wird. Im Klartext: Es gibt in Deutschland Gruppen, deren Mitglieder praktisch keinen erkennbaren Bezug zur deutschen Mehrheitsgesellschaft haben, keine Integrationsbereitschaft oder gar -anstrengungen erkennen lassen, die Mehrheitsgesellschaft ggf. nach Kräften unterminieren, gleichwohl aber von dieser auskömmlich alimentiert werden.
Beim Stichwort Parallelgesellschaft wird sehr gern auf die Berlin lebende russische Community verwiesen, in der es mittlerweile Clans gibt, deren Angehörige ausschließlich die russische Sprache beherrschen und gebrauchen, in russischen Läden einkaufen und in russischen Clubs verkehren. Ähnliche ethnische Beispiele werden in Medien und Politik gern auch an anderen ethnischen Gruppen festgemacht, so z.B. die im Leipziger Osten lebenden Iraker, Perser und Araber, an Türken in Berlin und Köln usw.
Allerdings tue ich mich mit der Betonung der „ethnischen Komponente“ im Hinblick auf die Parallelgesellschaftsdiskussion zunehmend schwer, denn inzwischen haben sich in Deutschland auch rein bzw. überwiegend deutsch geprägte Parallelgesellschaften etabliert, um deren Integration es dennoch schlecht bestellt ist bzw. die nach Kräften ihre Abtrennung vom deutschen Wohl und Wehe betreiben. Sollten die geneigten LeserInnen meines kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuches nun erwarten, dass ich jetzt die Harz-IV-Keule raushole und auf die faulen ALG-II-Empfänger eindresche, haben sie sich geirrt.
Die Parallelgesellschaft, die mich mindestens genauso anstinkt, hat sich nicht in prekären Verhältnissen eingerichtet, sondern sieht und präsentiert sich als selbsternannte Elite. Beispiel gefällig? Da gibt es einen gewissen Dirk Niebel http://de.wikipedia.org/wiki/Dirk_Niebel , der mit einer gewissen Chuzpe den Sprung vom Kibbuznik zum Deutschen Entwicklungshilfeminister geschafft hat und heute als eine der weniger hellen Birnen im aktuellen Energiespar-Kabinett gilt.
Dass er dennoch gut in der Parallelgesellschaft der gehobenen Bundespolitik angekommen ist, bewies z.B. die Causa Gabriela Büssemaker http://www.spiegel.de/politik/deutschland/vorwurf-der-untreue-spd-abgeordneter-zeigt-niebel-an-a-811562.html .
So richtig erwachsen geworden ist Parallelgesellschaftler Niebel allerdings mit seinem aktuellen Teppich-Deal. Da ist der Entwicklungshilfeminister in Afghanistan unterwegs, tut dort rein dienstliche Dinge und kauft für die Daheimgebliebenen einen Teppich für 1400 Dollar. Okay, auch das ist Entwicklungshilfe. Dass besagter Teppich dann den Heimflug im Jet des BND-Chefs antritt, hat zwar ein Geschmäckle, aber glauben wir mal der Aussage, dass der Transport der 30-Kilo-Rolle so oder so keine Kosten verursacht hat, sondern einfach nur bequemer war. http://www.welt.de/politik/deutschland/article106437110/Niebel-liess-Teppich-in-BND-Jet-transportieren.html Was allenfalls die Frage aufwirft, in was für einem Düngerstreuer Teppichhändler Niebel am Hindukusch aufgekreuzt ist.
So richtig parallelgesellschaftig wird die Teppichnummer aber erst mit dem Finale: Per BND-Chauffeur wurde das entwicklungshelfende Knüpfwerk dem zuständigen Minister zollfrei frei Haus geliefert. Was tatsächlich 1. bequem und 2. ein Zollvergehen ist. Aber 3. hat Kai Niebel, nachdem seine Selbstbedienungsmissetat „Uuups“ gesagt und die Nachverzollung beantragt. Wer ein paar schöne, verschrubelte Sprüche aus der Niebelschen Alles-war-ein-Missverständnis-Worthülsenmaschine lesen möchte, sollte hier http://www.tagesspiegel.de/politik/am-zoll-vorbei-minister-niebel-kauft-teppich-in-afghanistan-und-vergisst-zu-verzollen/6724118.html reingucken.
Fazit: So geht Parallelgesellschaft und alles ist gut.

Oder doch nicht? Wer ein wenig spielen will, kann hier https://www.gdsk.de/zoll/zoll.php mal die Eckwerte eingeben: 1400 Dollar, (niedrig) geschätzte 100 Dollar Frachtkosten … macht 226 Euro Zoll, dazu das Bußgeld für die Nachverzollung … uups … das ist ja viel mehr als die Einkaufswagenchips, wegen der seinerzeit ein gewisser Herr Möllemann seinen Hut genommen hat. Aber damals war die Sache mit den Parallelgesellschaften ja auch noch ganz anders …

PS.: Bei normalen Menschen, also solchen, die nicht der parallelen Politkaste angehören, könnte aus so einer versehentlichen Nummer ganz schnell ein Anfangsverdacht entstehen. Dann könnte ein eifriger Staatsdiener (Betonung auf Diener!) auf die Idee kommen, sich mal in der Niebelschen Hütte umschauen zu wollen. Bei normalen Menschen würde er dann mit einigen Kollegen ohne vorherige Anmeldung exakt 4.30 Uhr klingeln und Einlass begehren und sich nach möglichen anderen Souvenirs umschauen. Bei normalen Menschen ... aber nicht bei gleicheren.

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Mittwoch, 6. Juni 2012
Nachtrag zum Nachtflugterror. Oder: Vulkanasche und Globalisierung
Vor ein paar Tagen hatte ich hier http://zeitungsdieb.blogger.de/stories/2069449/ unter dem Titel "Rosinenbomber und Nachtflugterror" ein wenig über den Wandel meiner Heimatstadt Leipzig zur deutschen Fluglärmdeponie nachgedacht. Meine notierten Gedanken brachten mir ein beachtliches Maß an Resonanz ein; nicht zuletzt, da Heldenstadt.de einen Link auf meine laufenden Nachtfluggedanken gesetzt hatte (Dankefein.)
Die an mich in Sachen Nachtflugterror und "Billighure Leipzig" gerichteten E-Mails bzw. Anrufe waren freundlicher Natur, ein paar Meckerer gibt's immer. Allerdings scheint mir eine Ergänzung angebracht. Eine kleine nur, aber eine notwendige: Ich bin nicht generell gegen die Fliegerei. Aber ich bin dagegen, dass so ziemlich alles und jedes "just in time" rund um die Welt gekarrt bzw. geflogen wird.
Vor allem bin ich aber dagegen, dass die Organisatoren des Nachtflugterrors ihr Tun damit begründen, dass die Weltwirtschaft nur durch Flugbetrieb rund um die Uhr am Laufen gehalten werden kann und dass jegliche Einschränkungen den Untergang der abendländischen Kultur nach sich ziehen. Oder so ähnlich.
Erinnert sich noch jemand an die Sache mit dem isländischen Vulkan? Okay, der Name dieses Dreckspuckers war marketingmäßig ein völliger Flop, kein normaler Mensch kann sich Eyjafjallajökull merken. Ich musste auch nachgucken, wie das Dingens hieß http://de.wikipedia.org/wiki/Ausbruch_des_Eyjafjallaj%C3%B6kull_2010
Erstaunlich, das ist nun auch schon wieder gut zwei Jahre her, dass am Himmel himmlische Ruhe herrschte und dass im Himmelbett himmlisch gepoppt werden konnte, ohne dabei von turboproppenden Cargolinern gestört zu werden.
Noch erstaunlicher ist, dass die deutsche Wirtschaft in den zwei Jahren seit diesem flächendeckenden Flugverbot noch immer nicht den Bach runter gegangen ist; und das, wo Nachtflüge doch angeblich von existenzieller Bedeutung sind. Oder ist das alles nur Geschwafel?

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