Donnerstag, 10. Juli 2008
Gut geruht in Delmenhorst. Oder: 24-Stunden-Lauf mit viel Herz
zeitungsdieb, 10:47h
Delmenhorst? Ich muss zugeben, dass ich diese Stadt bis vor kurzem allenfalls aus dem Verkehrsfunk kannte. Na gut, eine meiner überaus beliebten Café-Reportagen führte mich vor wenigen Wochen in die Nähe von Delmenhorst. Dass ich nun jedoch fast zwei Tage in der 75.000-Einwohner-Stadt verbracht habe, ist allerdings weder dem Jugendstilrathaus noch dem weithin sichtbaren Wasserturm geschuldet und hat weder mit der hier geborenen Sängerin Sarah Connor zu tun, die 2003 zur Ehrenbotschafterin ernannt wurde, noch mit dem Skandal um das einstige Hotel am Stadtpark, das zur rechten Tagungsstätte umfunktioniert werden sollte und den Rechten durch eine Spendenaktion der Delmenhorster Bürgerschaft vor der Nase weggekauft wurde – nein, es liegt am hiesigen 24-Stunden-Lauf.
Der ist eigentlich eine Mogelpackung, denn er findet – obwohl er den Namen „Burginsellauf“ trägt – nicht auf der Burginsel statt. Statt dessen wird der Burginsellauf einige hundert Meter entfernt, im Umfeld des Freizeitbades Delfina, ausgetragen.
Auf einer Freifläche vor dem Bad befindet sich die gesamte Logistik für Einzel- und Staffelläufer, als da wären Rundenzählung, Verpflegungszone, Zeltplatz, Start-/Zielbereich, Bühne sowie allerlei Verkaufsstände. Diese Aufzählung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, macht aber eines deutlich: Hier ist immer etwas los.
Vom Start-/Zielbereich führt die Strecke gegen den Uhrzeigersinn auf einer 1400-Meter-Runde um das Freizeitbad. Etwa 300 Meter läuft man auf gepflasterten Wegen durch die Jubel-Trubel-Heiterkeitzone, ehe die Piste nach links in den Park abbiegt. Es gilt, einen ca. 10 Zentimeter hohen Bordstein zu erklimmen, dann führt der Weg an einer Kleingartenanlage entlang mit leichtem Gefälle in Richtung Delme, ehe es nach zwei weiteren Kurven wieder zurück in die „heiße Zone“ geht. Aus dem Park heraus muss ein kleiner Deich erklommen werden – die etwa eineinhalb Höhenmeter sind mit dem Hinweisschild „Bergwertung“ verziert und eine solche wurde Mitternacht auch tatsächlich vorgenommen.
Gegen Ende der Runde führt der Weg zurück in den Start-/Zielbereich, wo man nach einer Kehre von ca. acht Metern Durchmesser die Tore der Chipmessung passiert. Noch eine großzügige Kehre, dann geht’s zum Verpflegungspunkt und hinaus auf die nächste Runde.
Die Strecke läuft sich recht gut und ist trotz der „Bergwertung“ auch beim 100. Umlauf noch relativ schmerzfrei zu absolvieren.
Kleinere Minuspunkte verdienen allenfalls die beiden Bordkanten, die beim Betreten und Verlassen des Parks zu überwinden sind. An sich harmlos, so scheinen sie mit den Stunden doch dank geheimnisvoller tektonischer Kräfte zu wachsen (Genau wie der zunehmend alpine Deich). Eigentlich wurden die Bordsteine mittels Asphalt entschärft, nur leider hat die beauftragte Baufirma die schwarze Schmiere an der falschen Stelle angesetzt.
Wie die Strecke im kommenden Jahr, wenn in Delmenhorst die DM im 24-Stunden-Lauf stattfinden wird, aussehen wird, ist allerdings noch ungewiss. Nach Aussage von Organisator Karl-Ludwig Rittel wird das Freizeitbad (ebenso wie das eingangs erwähnte, nun doch nicht rechte Hotel) demnächst abgerissen, sodass sich der Streckenverlauf wohl noch einmal ändern wird. Erhalten bleiben wohl auf alle Fälle der zentrale Start-Ziel-Bereich und die sanitären Anlagen im angrenzenden Turnerheim.
Auf alle Fälle sollen die Parkwege vor der DM einem gründlichen Lifting unterzogen werden, verspricht Karl-Ludwig Rittel. Entschärft werden soll zudem die Streckenführung im Start-/Zielbereich. Hier ging es – vor allem während des nachmittäglichen Laufes der Kinderstaffeln – mitunter gefährlich zu, wenn sich die Laufwege der schon leicht weggetretenen Sololäufer mit denen der wie bei einem Katapultstart förmlich dahinfliegenden Kinder kreuzten. Und auch der normale Seitenwechsel der Solisten – Zähltore rechts, Verpflegung links – im Bereich der Wechselzone der Staffeln kann Kollisionen provozieren – vor allem dann, wenn im kommenden Jahr deutlich mehr als 80 Einzelläufer auf der Strecke sein werden. Dann richten die Delmenhorster nämlich die Deutschen Meisterschaften im 24-Stunden-Lauf aus.
Dass diese Veranstaltung ein Erfolg werden wird, wage ich jetzt schon zu prophezeien. Bei der diesjährigen 5. Auflage des Delmenhorster Burginsellaufes sorgte eine beachtliche Schar schier unermüdlicher Helfer dafür, dass die Läufer bestmögliche Bedingungen vorfanden. Das begann bei „El Cheffe“ Dr. Hans Böhmann, der einer Handvoll Freitagsanreisern Bauernhaus samt Kücheninhalt zur Verfügung stellte und gar nicht fassen konnte, dass wir uns statt in die Betten auf die eigene Isomatte legten. Das ging weiter mit Karl-Ludwig Rittel, der offensichtlich das Kunststück beherrscht, 24 Stunden lang an mehreren Orten zugleich zu sein. Oder hat der Mann sich klonen lassen? Keine Ahnung – aber ein Organisator, der mich gegen Ende der Veranstaltung auf der Runde begleitet und nach erster Manöverkritik fragt, hat Seltenheitswert. Immer freundliche Helfer an der Verpflegung trugen zum Erfolg der Veranstaltung wohl ebenso bei wie unermüdliche Fotografin Ute Packmohr, die während des Laufes wohl auch etliche Kilometer machte und dabei stets ein freundliches Lächeln für matte Läufer auf den Lippen hatte.
Eine tolle Leistung vollbrachten auch die Rundenzählungszauberer, die den Ausfall ihrer Anlage kurz nach Beginn des Laufes verkraften mussten. Mit schnell improvisierter Handzählung meisterten sie diese Situation. Sehr sympathisch: Nachdem alles wieder lief, wurden die Läufer befragt, ob die nun im System vorhandene Rundenzahl x aus ihrer Sicht in Ordnung gehe. So etwas ist im besten Sinne „stark“! Schwäche zeigten im Zählbereich lediglich die zu durchlaufenden Tore. Statt der sonst anzutreffenden „Ohren“ gibt es in Delmenhorst schwarze Konstrukte aus Schichtenholzplatten (in vulgo: Schaltafeln), die ein wenig wie die Karosserie eines Stealth-Bombers anmuten. Unsichtbar waren die Dinger allerdings zum Glück nicht, dafür neigten sie mit zunehmender Laufzeit zur Wackligkeit und mussten zwischendurch nachgeschraubt werden. Dennoch schepperte es beim Darüberlaufen so heftig, dass ich an die Schleusendeckel im Alten Eltunnel denken musste. Allerdings haben die mir noch nie wehgetan, die Stealth-Ohren hingegen schon. Aber das lässt sich ändern, eine dicke Gummimatte kann da schon Wunder bewirken.
Hochachtung verdient außerdem die Delmenhorster Feuerwehr, die auf den etwa 1.000 Metern Parkweg mit stabsmäßiger Präzision für die nächtliche Beleuchtung sorgte. Dass einige Läufer wehklagten, ein ganz bestimmtes Flutlicht hätte sie nach Mottenart in eine Pfütze tappen lassen, lasse ich mal unkommentiert, denn ich kann's nicht nachvollziehen. Aus eigener Erfahrung weiß ich allerdings, dass langes Laufen sogar bei Tag zur Umnachtung führen kann ...
Falls es den einen oder anderen Leser interessiert, wie es mir beim Lauf ergangen ist, sei auch das nicht verschwiegen: Freitags angereist, den wahrscheinlich einzigen Mecklenburger getroffen, der an Logorrhoe leidet, bei Sorbas noch mit Pizza Italiana und Weißbier auf den Lauf eingestimmt, in der schilfgedeckten Chefarztdatscha eine angenehme Nacht verbracht und nach gutem Frühstück samt meiner Gerödelkiste an den Start gekommen.
Im 6er Schnitt ganz brav meine Runden gedreht, bei 85 Kilometern arg unter Magenproblemen gelitten, bei reichlich 100 Kilometern noch mal (Details erspare ich mir, Interessenten seien auf das Gebüsch links nach der Kleingartenanlage verwiesen), dann mit nicht mehr rund laufendem Kreislauf bibbernd unter den Schlafsack gekrochen, sechs Stunden später wieder herausgekrabbelt. Machte letzten Endes 156 Kilometer und 140 Meter, was nicht wirklich toll ist, aber auch keine schlimme Blamage. Und es hat mir zu der Erkenntnis verholfen, dass Obstsäfte bei einem 24-Stunden-Lauf wohl doch nicht mein Ding sind und dass ich mir um meine Wettkampfernährung ein wenig mehr Gedanken machen sollte, wenn ich wieder mal „vorn“ mitlaufen will.
Fazit: Ein wirklich schöner, liebevoll organisierter Lauf zum halben Preis eines Citymarathons (und des eine Woche später stattfindenden Berliner 24ers).
Der ist eigentlich eine Mogelpackung, denn er findet – obwohl er den Namen „Burginsellauf“ trägt – nicht auf der Burginsel statt. Statt dessen wird der Burginsellauf einige hundert Meter entfernt, im Umfeld des Freizeitbades Delfina, ausgetragen.
Auf einer Freifläche vor dem Bad befindet sich die gesamte Logistik für Einzel- und Staffelläufer, als da wären Rundenzählung, Verpflegungszone, Zeltplatz, Start-/Zielbereich, Bühne sowie allerlei Verkaufsstände. Diese Aufzählung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, macht aber eines deutlich: Hier ist immer etwas los.
Vom Start-/Zielbereich führt die Strecke gegen den Uhrzeigersinn auf einer 1400-Meter-Runde um das Freizeitbad. Etwa 300 Meter läuft man auf gepflasterten Wegen durch die Jubel-Trubel-Heiterkeitzone, ehe die Piste nach links in den Park abbiegt. Es gilt, einen ca. 10 Zentimeter hohen Bordstein zu erklimmen, dann führt der Weg an einer Kleingartenanlage entlang mit leichtem Gefälle in Richtung Delme, ehe es nach zwei weiteren Kurven wieder zurück in die „heiße Zone“ geht. Aus dem Park heraus muss ein kleiner Deich erklommen werden – die etwa eineinhalb Höhenmeter sind mit dem Hinweisschild „Bergwertung“ verziert und eine solche wurde Mitternacht auch tatsächlich vorgenommen.
Gegen Ende der Runde führt der Weg zurück in den Start-/Zielbereich, wo man nach einer Kehre von ca. acht Metern Durchmesser die Tore der Chipmessung passiert. Noch eine großzügige Kehre, dann geht’s zum Verpflegungspunkt und hinaus auf die nächste Runde.
Die Strecke läuft sich recht gut und ist trotz der „Bergwertung“ auch beim 100. Umlauf noch relativ schmerzfrei zu absolvieren.
Kleinere Minuspunkte verdienen allenfalls die beiden Bordkanten, die beim Betreten und Verlassen des Parks zu überwinden sind. An sich harmlos, so scheinen sie mit den Stunden doch dank geheimnisvoller tektonischer Kräfte zu wachsen (Genau wie der zunehmend alpine Deich). Eigentlich wurden die Bordsteine mittels Asphalt entschärft, nur leider hat die beauftragte Baufirma die schwarze Schmiere an der falschen Stelle angesetzt.
Wie die Strecke im kommenden Jahr, wenn in Delmenhorst die DM im 24-Stunden-Lauf stattfinden wird, aussehen wird, ist allerdings noch ungewiss. Nach Aussage von Organisator Karl-Ludwig Rittel wird das Freizeitbad (ebenso wie das eingangs erwähnte, nun doch nicht rechte Hotel) demnächst abgerissen, sodass sich der Streckenverlauf wohl noch einmal ändern wird. Erhalten bleiben wohl auf alle Fälle der zentrale Start-Ziel-Bereich und die sanitären Anlagen im angrenzenden Turnerheim.
Auf alle Fälle sollen die Parkwege vor der DM einem gründlichen Lifting unterzogen werden, verspricht Karl-Ludwig Rittel. Entschärft werden soll zudem die Streckenführung im Start-/Zielbereich. Hier ging es – vor allem während des nachmittäglichen Laufes der Kinderstaffeln – mitunter gefährlich zu, wenn sich die Laufwege der schon leicht weggetretenen Sololäufer mit denen der wie bei einem Katapultstart förmlich dahinfliegenden Kinder kreuzten. Und auch der normale Seitenwechsel der Solisten – Zähltore rechts, Verpflegung links – im Bereich der Wechselzone der Staffeln kann Kollisionen provozieren – vor allem dann, wenn im kommenden Jahr deutlich mehr als 80 Einzelläufer auf der Strecke sein werden. Dann richten die Delmenhorster nämlich die Deutschen Meisterschaften im 24-Stunden-Lauf aus.
Dass diese Veranstaltung ein Erfolg werden wird, wage ich jetzt schon zu prophezeien. Bei der diesjährigen 5. Auflage des Delmenhorster Burginsellaufes sorgte eine beachtliche Schar schier unermüdlicher Helfer dafür, dass die Läufer bestmögliche Bedingungen vorfanden. Das begann bei „El Cheffe“ Dr. Hans Böhmann, der einer Handvoll Freitagsanreisern Bauernhaus samt Kücheninhalt zur Verfügung stellte und gar nicht fassen konnte, dass wir uns statt in die Betten auf die eigene Isomatte legten. Das ging weiter mit Karl-Ludwig Rittel, der offensichtlich das Kunststück beherrscht, 24 Stunden lang an mehreren Orten zugleich zu sein. Oder hat der Mann sich klonen lassen? Keine Ahnung – aber ein Organisator, der mich gegen Ende der Veranstaltung auf der Runde begleitet und nach erster Manöverkritik fragt, hat Seltenheitswert. Immer freundliche Helfer an der Verpflegung trugen zum Erfolg der Veranstaltung wohl ebenso bei wie unermüdliche Fotografin Ute Packmohr, die während des Laufes wohl auch etliche Kilometer machte und dabei stets ein freundliches Lächeln für matte Läufer auf den Lippen hatte.
Eine tolle Leistung vollbrachten auch die Rundenzählungszauberer, die den Ausfall ihrer Anlage kurz nach Beginn des Laufes verkraften mussten. Mit schnell improvisierter Handzählung meisterten sie diese Situation. Sehr sympathisch: Nachdem alles wieder lief, wurden die Läufer befragt, ob die nun im System vorhandene Rundenzahl x aus ihrer Sicht in Ordnung gehe. So etwas ist im besten Sinne „stark“! Schwäche zeigten im Zählbereich lediglich die zu durchlaufenden Tore. Statt der sonst anzutreffenden „Ohren“ gibt es in Delmenhorst schwarze Konstrukte aus Schichtenholzplatten (in vulgo: Schaltafeln), die ein wenig wie die Karosserie eines Stealth-Bombers anmuten. Unsichtbar waren die Dinger allerdings zum Glück nicht, dafür neigten sie mit zunehmender Laufzeit zur Wackligkeit und mussten zwischendurch nachgeschraubt werden. Dennoch schepperte es beim Darüberlaufen so heftig, dass ich an die Schleusendeckel im Alten Eltunnel denken musste. Allerdings haben die mir noch nie wehgetan, die Stealth-Ohren hingegen schon. Aber das lässt sich ändern, eine dicke Gummimatte kann da schon Wunder bewirken.
Hochachtung verdient außerdem die Delmenhorster Feuerwehr, die auf den etwa 1.000 Metern Parkweg mit stabsmäßiger Präzision für die nächtliche Beleuchtung sorgte. Dass einige Läufer wehklagten, ein ganz bestimmtes Flutlicht hätte sie nach Mottenart in eine Pfütze tappen lassen, lasse ich mal unkommentiert, denn ich kann's nicht nachvollziehen. Aus eigener Erfahrung weiß ich allerdings, dass langes Laufen sogar bei Tag zur Umnachtung führen kann ...
Falls es den einen oder anderen Leser interessiert, wie es mir beim Lauf ergangen ist, sei auch das nicht verschwiegen: Freitags angereist, den wahrscheinlich einzigen Mecklenburger getroffen, der an Logorrhoe leidet, bei Sorbas noch mit Pizza Italiana und Weißbier auf den Lauf eingestimmt, in der schilfgedeckten Chefarztdatscha eine angenehme Nacht verbracht und nach gutem Frühstück samt meiner Gerödelkiste an den Start gekommen.
Im 6er Schnitt ganz brav meine Runden gedreht, bei 85 Kilometern arg unter Magenproblemen gelitten, bei reichlich 100 Kilometern noch mal (Details erspare ich mir, Interessenten seien auf das Gebüsch links nach der Kleingartenanlage verwiesen), dann mit nicht mehr rund laufendem Kreislauf bibbernd unter den Schlafsack gekrochen, sechs Stunden später wieder herausgekrabbelt. Machte letzten Endes 156 Kilometer und 140 Meter, was nicht wirklich toll ist, aber auch keine schlimme Blamage. Und es hat mir zu der Erkenntnis verholfen, dass Obstsäfte bei einem 24-Stunden-Lauf wohl doch nicht mein Ding sind und dass ich mir um meine Wettkampfernährung ein wenig mehr Gedanken machen sollte, wenn ich wieder mal „vorn“ mitlaufen will.
Fazit: Ein wirklich schöner, liebevoll organisierter Lauf zum halben Preis eines Citymarathons (und des eine Woche später stattfindenden Berliner 24ers).
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