Dienstag, 22. April 2014
Träumereien bei der Lokalpostille. Oder: Boulevard hilft auch bloß nicht.
Meiner Lokalpostille, der Leipziger Volkszeitung, geht’s nicht gut. Die durchschnittliche Verkaufsauflage der Stadtauflage lag im 4. Quartal 2013 bei 127.180 Exemplaren und sank damit binnen Jahresfrist um 2,39 Prozent. Bei den Abos, also dem Familiensilber, gab’s einen Rückgang um 2,63 Prozent. Wer nun glaubt, dass der hurtige Sinkflug dem Bevölkerungsrückgang geschuldet ist, dem sei verraten, dass die Einwohnerzahl der Stadt Leipzig zwischen November 2012 und 2013 auf 530.761 und damit um 10.684 gestiegen ist.
Bei der so genannten LVZ-Gesamtausgabe sehen die Zahlen mit 2,58/2,90 noch ein Stück schlimmer aus; nur gut, dass die Zahlen der Bordexemplare und des „sonstigen Verkaufs“ das Elend ein wenig puffern. Ohne diese branchenintern gern als „Auflagenkosmetik“ geschmähte Praxis dürfte die Druckauflage glatt um 10.675 Exemplare niedriger ausfallen. Für alle vertiefungswilligen LeserInnen meines kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuches: Guckst Du www.ivw.de und findest Du Zahlen.
Update: Es ist alles viel schlimmer; heute wurden die Zahlen fürs 1. Quartal 2014 veröffentlicht.
- Verkaufsauflage Stadtausgabe -3,34%
- Abos Stadtausgabe -3,03%
- Verkaufsauflage Gesamtausgabe -3,5%
- Abos Gesamtausgabe -3,12%


Aber es wird ja alles besser. Das Zauberwort lautet „Madsack 2018“ und wirft bereits seine Schatten voraus. Nachzulesen u.a. bei Daniel Große http://www.danielgrosse.com/blog/entlassungen-lvz-madsack-2018/ Ein sichtbares Indiz für die Konzentration redaktioneller Leistungen ist u.a. die Veränderung der LVZ-Fernsehprogrammseite. Zur Klarstellung: Den Begriff „Medienseite“ verweigere ich für dieses Produkt, denn Medienseiten sehen anders aus und haben andere Inhalte. Wer’s nicht glaubt, schaue gelegentlich mal in die TAZ und ergötze sich an der Donnerstags-Kolumne der (Medien-)Frontberichterstatterin Silke Burmester.
Besagte Programmseite sorgt seit einigen Monaten für Uraltlesergegrummel, denn ihr Layout wurde verändert. Wer ein wenig umherschaut, findet schnell Ähnlichkeiten zu anderen, zentralredaktionell erstellten Holzblättern aus dem Hause Madsack. So mit blauen Stehzeilen usw. Erst kürzlich grollte die Seniorenseele wieder, denn der im Fernsehprogramm nach ARD und ZDF an 3. Stelle stehende mdr war weg, dem NDR gewichen und „hinten“ gelandet, bei den Abstiegsplätzen. Natürlich war alles nur ein Versehen, hieß es nach allerlei Lesergeschrei aus dem Haus an der Leipziger Klagemauer; aber einen Versuch war’s schon wert, das Programm aus Hannover mal original zu übernehmen. Dat kriege mer später.
Sehr sehenswert ist zudem die seit einigen Monaten zu bestaunende Handschrift der Titelseitenmacher. Wer sich mal eine LVZ am Kiosk, in der Tanke oder beim Bäcker anschaut (Kaufen lohnt nicht!), findet eine bemüht in Richtung Soft-Boulevard getrimmte Optik. Im Klartext: Über dem Bruch, d.h. auf der oberen Hälfte des Blattes und damit zum Beispiel beim Bäcker zu sehen, knallt ein Aufmacherbild, darunter soll die Schlagzeile des Aufmacherartikels Appetit auf die untere Hälfte machen. Dabei haben Bild und Text meist nichts miteinander zu tun; oben kann z.B. ein Geburtstagsgruß für Charlie Chaplin stehen, die fette Headline verweist auf „Dicke Luft in Leipzig …“. Am heutigen Dienstag nach Ostern bestand die Optik aus einem Foto, das zwei allenfalls mittelnett anzuschauende Maiden beim vom Fotografen arrangierten Sonnenbad am Cospudener See zeigt, darunter wurde die Personalnot der sächsischen Finanzämter beklagt.
Irgendwer im großen Madsackimperium scheint tatsächlich zu glauben, dass auf diese Weise Kaufanreize gesetzt werden, dass solcherart Titelseiten die potenziellen Leser magisch anziehen und sie dazu bewegen, für ein redaktionell immer schmalbrüstiger und vor allem austauschbarer werdendes Blatt 1,30 Euro lockerzumachen. Träumt weiter …

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