Dienstag, 2. Februar 2010
Früher war alles besser. Oder: Ein Plädoyer für das Verpackungsaufmachpimpelchen
Früher war alles besser. Nagut, nicht alles, aber vieles. Zum Beispiel die Verpackungsaufmachpimpelchen. Die braucht man, um z.B. eine eingeschweißte CD-Hülle zu öffnen. Früher, als es noch keine CDs oder DVDs gab, gab es besagte Pimpelchen an mit Klarsichtfolie verschweißten Audio-Kassetten (Liebe Spätgeborene, eine solche Kassette gehört zu einem Abspielding, das so eine Art iPod ist, nur ohne Computer und USB, dafür viel größer). Nur am Rande sei erwähnt, dass in die Hülle einer solchen "Kompaktkassette" locker ein iPhone und fünf iPods passen würden.
Um nun diese Kompaktkassetten ohne Zuhilfenahme schwerer Technik aus ihrer Einschweißfolie zu bekommen, trug diese eine Art Reißleine. An deren Ende befand sich als Griff das Verpackungsaufmachpimpelchen. Zum besseren Auffinden waren Reißleine und Pimpelchen rot.
Und heute: Kniepelt und piepelt und polkt und flucht man, weil das Pimpelchen ebenso durchsichtig wie die Folie ist, wenn es denn überhaupt noch existiert. Wie gesagt: Früher war zwar nicht alles, aber manches besser ...

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Montag, 18. Januar 2010
Spanplattengrillwurstenttäuschung. Oder: Selbst schuld, wer "sowas" zu sich nimmt.
Mitte Dezember, also kurz vor Winterbeginn habe ich Bratwürste gekauft. Ein paar frische und solche, die sich einige Tage halten, falls etwas übrigbleibt. Die Übrigbleibwürste sind tatsächlich übriggeblieben und gerieten in Vergessenheit. In den Tiefen des heimischen Kühlschranks überdauerten sie den Jahreswechsel und wurden jetzt wiederentdeckt. Fast schon auf dem Weg zur „Tonne“, spähte ich nach dem Haltbarkeitsdatum und las staunend, dass die vor Winterbeginn gekauften Würste noch alle Zeit der Welt haben sollten: Ihre MHD war nicht etwa ablaufen, sondern reichte noch bis in den März, also kurz vor Frühlingsbeginn.
Und weil die Dinger „Brutzler“ heißen und laut Werbehinweis auf der wohlverschweißten Kunststoffverpackung auch noch „würzig“ sein sollen, habe ich sie gestern bei bestem Tauwetter auf den Grill gepackt und gebrutzelt. Naja, ich hätte gewarnt sein sollen ... geschmeckt hat's in etwa so furchtbar wie der Typ aussieht, der für die Dinger Werbung macht. Aber was soll man auch von einem Lebensmittel erwarten, das die Haltbarkeitsdauer einer Spanplatte hat.

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Donnerstag, 7. Januar 2010
Tipps von der DAK. Oder: Iss keinen gelben Schnee
Mitunter erfährt man per Pressemitteilung Dinge, über die man sich noch nie Gedanken gemacht hat. So informierte mich die DAK heute darüber, dass Eltern sich nicht sorgen müssen, wenn ihre Kinder Schnee essen. Guckst Du hier: http://www.presse.dak.de/ps.nsf/sbl/8B904E8558B53991C12576A30050207B
Ernährungswissenschaftlerin Silke Willms räumte zwar ein, dass Schnee dem Körper Mineralien entzieht - das ist der selbe Effekt wie beim Trinken der meisten inhaltlosen Mineralwässer. Allerdings gleich der Körper das Defizit durch die in der Nahrung enthaltenen Mineralien wieder aus.
Nur vor einem warnt Silke Willms: Vor dem Schnee, der an Straßenrändern und auf Gehwegen liegt, da dieser durch Salz, Kot und Urin verunreinigt sein kann. Wobei mir diese Warnung zumindest in punkto Salz übertrieben erscheint, schließlich könnte so der Mineralhaushalt wieder aufgebessert werden.
Und die Sache mit dem Urin ist ein alter Hut: Jeder kleine Eskimo lernt von seiner Mutter „Iss keinen gelben Schnee“.

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Montag, 4. Januar 2010
Laufen und springen. Oder: Als Läufer enttarnt und abgestraft
Am Wochenende hätte es mich beim Laufen beinahe erwischt. Nagut, einmal hat es mich sauber „ausgehoben“, als eine unter dem Pulverschnee verborgene Eisplatte mir den letzten Rest Bodenhaftung nahm und beide Füße zugleich ein erfrischendes Eigenleben entwickelten. Mir blieb nur, die Sache zu erdulden: Beide Füße hoch, (gefühlte) zwanzig Sekunden waagerecht in der Luft liegen, dann zu Boden gehen und noch (gefühlte) 200 Meter durch den lustig stiebenden Schnee kullern; danach Systemcheck, aufstehen und die letzten sechs Kilometer weiterlaufen.
Aber nein, diese Art von „beinahe erwischt“ meinte ich nicht. Vielmehr ereignete sich der „Beinaheerwischer“ kurz vor der heimischen Kate; gute zwei Kilometer vor ultimo. Ein Auto nahm mich um Haaresbreite auf die Motorhaube, nur ein beherzter Hopser in den Graben bewahrte mich vor der sehr wahrscheinlich schädlichen Begegnung. Was mich ärgert: Es lag nicht etwa daran, dass ich nach Sonnenuntergang mit Stirnlampe und rotem Blinkerdingens unterwegs war, denn der Fahrer des Vehikels hatte mich gesehen. Er stoppte sogar, da ich auf gleichberechtigter Straße „von rechts“ kam und er mich für ein ordnungsgemäß beleuchtetes Fahrrad hielt. Schon zum Stehen gekommen, entdeckte der wackere Fahrzeugführer jedoch, dass er nicht einem Radfahrer die Vorfahrt gewährt hatte, sondern einem Fußgänger (bzw. -läufer) und somit einer Lebensform, die aus Lenkradperspektive noch unterhalb der Nacktschnecken angesiedelt ist.
Folglich kam es, wie es kommen musste: Kaum war ich enttarnt und in die unterste Schublade aller nur denkbaren Verkehrsteilnehmer eingefädelt worden, wechselte der Fuß von der Bremse aufs Gas und ich in den Straßengraben.
Deutschland ist schön.

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Montag, 12. Oktober 2009
Herz statt HiTech. Oder: undankbare Gedanken nach einem realsatirischen Festmahl
Wenn man zu einem „Feschtle“ – vulgo: kleines Fest – eingeladen wird, ist das schön. Schließlich gibt es Speis’ und Trank und nette Unterhaltung; oder zumindest sollte es das. Dieses Vergnügen erwartete mich am vergangenen Wochenende. Die Voraussetzungen für einen genüsslichen Abend waren eigentlich gut: Die Einlader bewohnen ein Haus der gehobenen Preisklasse in besserer Lage, ausgestattet mit einer Küche der noch gehobeneren Preisklasse samt allerlei oberfeiner Technik und setzen – soviel weiß ich von früheren Anlässen – für ihre „Feschtles“ ausschließlich Zutaten ein, welche einer ebenfalls deutlich gehobenen Kategorie zuzuordnen sind.
Um es kurz zu machen: Wäre ich nicht durch frühere Veranstaltungen im selben Rahmen vorgewarnt gewesen, hätte ich sicher eine heftige Enttäuschung verspürt. So war ich im Bilde und hielt mich an die eine oder andere nicht zu verderbende Vorspeise, statt knurrenden Magens aufs Hauptgericht zu warten. Und auch die Kürbissuppe war, obgleich nicht inspiriert zubereitet, so doch zumindest erträglich. Trotz der Jakobsmuschel. Wenn die Dinger halt weg mussten ...
Am Hefeweizen nippend, schaute ich dem Braten zu, der im exklusiven Ofen vor sich hin garte, natürlich per fest installiertem Bratenthermometer permanent kerntemperaturüberwacht. Als dieses Messinstrument die gewünschte 64 Grad meldete, wurden feine Brokkoliröschen dem schonenden Dampfgarer anvertraut und irgendwann gab es den Hauptgang auf die vorgewärmten Teller.
Das kulinarische Erlebnis lässt sich in gute und schlechte Nachrichten fassen. Die gute Nachricht: Das sauber geschnittene Fleisch war perfekt gegart, der edle Brocken zeigte im Anschnitt genau den Hauch von Röte, der Gourmets verzückt grunzen lässt.
Die schlechten Nachrichten waren leider in der Überzahl und ergossen sich auf mich beim ersten Probieren: Trotz des elektronischen Overkills und der noblen Küchenausstattung war der Hauptgang allenfalls lauwarm und weitestgehend geschmackfrei.
Unfreiwilliger Höhepunkt des aufwändig inszenierten Kulinarmassakers war für mich der vermeintlich schonend dampfgegarte Brokkoli, der die Konsistenz von Brühreis aufwies und auch so ähnlich schmeckte – nämlich nach nichts, auf alle Fälle nicht nach Brokkoli.
Da ich im Vorfeld derartiger „Feschtles“ zumeist auf Friedenswahrung gebrieft werde, verzichtete ich auf Kommentare zum Ausmaß der Genussexplosion ebenso wie auf den feilgebotenen Nachschlag und das Dessert. Weil: Schlimmer geht bekanntlich immer. Und auch an Muffins kann man viel verderben. Schließlich muss ich ja in dieser Woche wieder arbeiten.
Die essensbegleitende Konversation hätte durchaus das Zeug zur Realsatire. Die Gastgeberin lobte ihren Göttergatten für das Mahl und versuchte, eine verbale Lobeslaola dafür zu inszenieren, dass dieser den Tag in der Küche zugebracht hatte. Meinen Gedanken, dass er diese Zeit sinnvoller hätte nutzen können, behielt ich für mich.
So wie viele andere Gedanken an diesem Abend. Das war nicht etwa einer Redehemmung geschuldet, sondern der psychischen Verfassung der Gastgeberin: Den Namen der Krankheit kenne ich nicht, sie äußert sich aber darin, dass Fragen nur zu dem Zweck gestellt werden, sie auch gleich selbst zu beantworten und über vermeintliche, eigene Bonmots auch noch selbst zu lachen. Da ich nicht wusste, ob es sich dabei um einen neuen Therapieansatz oder nur eine Art von Verbalmasturbation handelte, schwieg ich und genoss das bizarre Schauspiel. Für solcherart Unterhaltung muss man ansonsten Fernsehgebühren zahlen.

Auf der Heimfahrt bewegten mich vor allem zwei Gedanken.
Zum einen grübelte ich über Vorratsausreden nach, um mich von künftigen „Feschtles“ befreien zu können.
Zum anderen lobte ich die unerfindlichen Wege des Schicksals, die mich mit einer Ehefrau gesegnet haben, mit der man sich angenehm unterhalten kann und die zu allem Glück eine exzellente Köchin ist. Auch ohne Nobelküche samt Bratenonlineüberwachung, dafür aber mit der notwendigen Portion „Herz“ ...

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Donnerstag, 20. August 2009
Selbstmordanschlag in Borsdorf. Oder: Fiktiver Polizeibericht zum Ableben einer Gartenschere
Am gestrigen Abend stürzte sich in Borsdorf bei Leipzig eine Gartenschere (5) in offensichtlich suizidaler Absicht in den Schacht eines in Betrieb befindlichen Häckslers (12). Der Besitzer (48) der beiden Tatbeteiligten bemerkte diesen Vorfall zunächst nicht. Er wurde darauf erst wegen der schlagartig einsetzenden anormalen Geräuschentwicklung aufmerksam. Dass die deutlich wahrnehmbaren Geräusche nicht von einem Stein, sondern dem besagten Gartenhilfsmittel stammten, unterstrichen die farbigen Kunststoffsplitter sowie einzelne Metallteile im Auswurfbereich des Häckslers.
Nach dem daraufhin veranlassten zeitnahen Abschalten des so genannten Shredders konnte dieser unter Nutzung der herstellerseitig angebrachten Bedienelemente geöffnet und die Bergung der Gartenschere ohne Einsatz von Spezialtechnik vorgenommen werden.
Dem Besitzer bot sich nach eigener Aussage ein erschreckendes Bild. Während der Häcksler den Anschlag praktisch unbeschadet überstanden hatte, erlitt die lebensmüde Schere schwere Beschädigungen an Schneidelementen und Arretierungsmechanismus. Ein vorsichtiger Weitergebrauch ist zwar möglich, aber wegen der eingeschränkten Bedienbarkeit unwahrscheinlich.
Da es sich bei beiden Tatbeteiligten um Geräte deutscher Markenhersteller handelt, wird nicht von einem fremdenfeindlichen Hintergrund ausgegangen. Der Besitzer gab vielmehr eigene Dummheit als mutmaßlichen Auslöser des Geschehens an. Ihm wurde eine psychologische Betreuung angeboten, die er jedoch zugunsten eines sedierenden Getränkes („Schreckbier“) ablehnte.

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Freitag, 14. August 2009
Post vor der GEZ. Oder: Vor Trickbetrügern wird gewarnt
Die Gebühreneinzugstentrale GEZ hat mir geschrieben. Gestern steckte die einmal im Quartal fällige Aufforderung im Briefkasten, die obligatorischen Rundfunkgebühren zu begleichen. Die regelmäßigen Leser meines kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuches mögen nun vermuten, dass ich auf den folgenden Zeilen über die kreativen Methoden der mitunter kriminellen Verhältnissen entsprungen zu sein scheinenden GEZ-Agenten vom Leder ziehe und das ganze öffentlich-rechtliche Gebührenfresserpack als so überflüssig wie einen Kropf bezeichne.
Doch weit gefehlt: Solch’ Verunglimpfung der staatstragenden Einrichtung des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk liegt mir fern, freudvoll zahle ich für die zum Empfang bereitgehaltenen Apparaturen und ich jubiliere stets, wenn ich Neues über den hehren Auftrag der GEZ erfahre. Nie würde ich von Stasi-Methoden sprechen! Der geneigte Leser möge nun in sich gehen, seine Meinung zu diesem Thema prüfen und dann entscheiden, ob ich jetzt womöglich den Satire-Modus eingeschaltet hatte.
Aber nun zurück zur Post von der GEZ. Gestern, also am 13. August, erhielt ich die Aufforderung zur Zahlung der Rundfunkgebühren bis zum 15. August. Das mag dem missmutigen Zeitgenossen als unzumutbar kurze Frist erscheinen, denn sogar Kredit-Chai Wladimir Ivanowitsch Scheidabdenfingerwitsch gewährt mehr als zwei Tage bis zur Zahlung fällig gestellter Verbindlichkeiten. Doch wieder ist man geneigt, Schild und Schwert des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks Unrecht zu tun. Sicher lag es an der Post, der immer noch deutschen, dass mich das Schreiben so spät ereilte. Denn auf dem gedruckten Formular prangt als Erstellungsdatum der 7. August. Na gut, das war ein Freitag, und womöglich hatte irgendein Geldeintreiber den Mausklick zum Drucken zwar gesetzt, aber den Auftrag noch nicht ausgelöst; oder die vielen Drucke mussten übers Wochenende erst abkühlen ehe sie am Montag per DHL erst zur Kuvertierung nach Indien geflogen und von dort wieder heim ins Reich geholt werden konnten. Ja, mein GEZ-Gebühren-Bezahlungsaufforderungsaberschnellbrief hat was von der Welt gesehen und ich habe Verständnis dafür, dass er mich erst spät erreichte. Oder ist alles gar nicht höherer Gewalt, den Mühen der Ebene und den Unwägbarkeiten der Globalisierung geschuldet, sondern eiskaltes Kalkül der GEZisten? Will man vielleicht ganz bewusst eine Überschreitung der minimalen Zahlungsfrist provozieren, um eilends Mahngebühren erheben und so den Reichtum der Körperschaft mehren zu können? Oder will man durch die knapp bemessene Frist eine Drohkulisse aufbauen, die mich erschaudern lässt und willfährig macht, neue und ganz besondere Kommunikationsgeräte nachzumelden? Abgründe tun sich auf.

Nun mag der eine oder andere Leser meines kleinen Tagebuches (weitere Attribute s.o.) meinen, dass ich mich doch nicht so zieren und der GEZ einfach eine Einzugsermächtigung erteilen möge, auf dass deren wackere Mitarbeiter ihre Forderungen von meinem Konto saugen können. Das wäre sicher sehr bequem, aber ich trau’ mich nicht. Es wird ja in jüngerer Zeit so viel davor gewarnt, das allerlei kriminelles Gesocks im Internet sein Unwesen treibt, dass Kinder geschändet, Terrorakte vorbereitet und Konten abgeräumt werden. Und da soll ich einer Vereinigung, deren Mitarbeiter (sorry, es sind „Gebührenbeauftragte“ auf Provisionsbasis) in fremder Leute Papiertonne nach TV-Zeitschriften wühlen, die Grundschüler nach den Fernsehgewohnheiten im elterlichen Quartier fragen, die nächtens mit dem Feldstecher in Wohnungen nach Fernsehgeflacker suchen und die alten Leuten einreden, dass sie mit Polizeibefugnissen ausgestattet seien, einer solchen Vereinigung soll ich Zugriff auf mein Konto gewähren?
So, und nun überweise ich zähneknirschend meinen Obolus an die Sch... GEZ. Aber ich wage zu bezweifeln, dass am morgigen 15. August einer nachschaut, ob die Zahlung eingegangen ist. Sonnabends arbeitet die Körperschaft nämlich nicht.

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Mittwoch, 10. Juni 2009
National bereinigte Pannenstatistik. Oder: Über Autotests, subtilen Druck und beinahe-Folter
Autotests haben ihren Reiz. Mal abgesehen von hartgesottenen PS-Junkies, Motorträumern und alternden Männern mit der Hoffnung auf die letzte Chance lesen Normalos solcherart Schrifttum zumeist nur, wenn die Anschaffung eines neuen Boliden in greifbare Nähe rückt. Also fast immer, wenn man von den zweieinhalb Wochen nach Inbesitznahme eines Neuwagens mal absieht.
Dass Autotests nicht wirklich objektiv sind, haben viele Nutzer dieser Art von Nutzwertjournalismus schon bemerkt. Ganz gleich, ob Auto-BLÖD, Auto-Dings oder Auto-Bums, natürlich spielen bei Vergleichstests neben objektiven Daten („hard facts“) auch weiche Faktoren eine Rolle. Und natürlich fließt auch in den Vergleich ein, wie hoch der Anzeigenumsatz eines konkreten Hersteller im jeweiligen Blatt ist. Merke: Beiß’ nie die Hand, die Dich füttert. Dabei muss es ja nicht gleich zum Schlimmsten kommen, dem Entzug von Anzeigen. Vor einer solchen Strafe gibt es subtilere Möglichkeiten der (Ver-)Warnung. Mir ist ein Fall in Erinnerung, der Anfang der 90er-Jahre Berliner Kollegen getroffen hatte, die trotz wahrgenommener Einladung der Motorredaktion zur Vorstellung des neuen Modells unter südlicher Sonne (wegen des besseren Wetters) nicht die gewünschte Jubelarie über das jüngste Kind eines deutschen Edelherstellers anstimmten, sondern tatsächlich einige Haare in der automobilen Sternchensuppe fanden.
Kurz nach der Veröffentlichung rollte beim Verlag ein Kleinbus vor, dem mehrere Männer entsprangen, die sämtliche Dauertestfahrzeuge besagten Herstellers aus der Verlagstiefgarage entfernten. Das schmerzte, denn so schlecht waren diese Karossen denn doch nicht, dass man freiwillig auf Lada Samara, VW Golf und Opel Astra umsteigen mochte. Fortan äußerten sich die gebeutelten Redakteure des Verlages nie wieder negativ über Fahrzeuge guter Kunden und lästerten nur noch im kleinen Kreis darüber, dass die pneumatisch betätigten Peilstäbe am Fahrzeugheck „irgendwie eine Art Schwellkörper“ seien.
Und selbst der allgegenwärtige ADAC tut sich immer schwerer, in Vergleichstests deutsche Fahrzeuge nicht aufs Siegertreppchen zu hieven. Selbst wenn einheimisches Blech bei einem solchen Vergleich in den meisten Einzeldisziplinen schlechter als importiertes abschnitt, kam unterm Strich stets ein Sieg der nationalen Automobile heraus. Zu verdanken war dies dem Zauberwort „Wichtung“, das besagt, mit welchem Anteil ein Merkmal in die Wertung eingeht. Da mochte ein deutsches Modell in punkto Motor, Kosten, Umwelt und Sicherheit schlechter als die Konkurrenz sein, da es aber in der Kategorie „schönster Aschenbecher im Kofferraum“ punkten konnte, lag es letzten Endes doch vorn.
Lange Zeit bildeten zumindest die Tabellen der ADAC-Pannenstatistik eine Insel der glücklichen Objektivität. Denn schließlich lässt sich daran wenig deuteln: Wenn die Gelben Engel des ADAC einem schlappen Boliden wieder auf die Reifen helfen müssen, ist das ein Einsatz, dafür wird bei der entsprechenden Marke in Häkchen gemacht, am Jahresende zusammengerechnet und fertig ist die Zuverlässigkeitslaube.
Weit gefehlt. Eben weil deutsche Nobelhersteller sich darüber geärgert hatten, dass allerlei Reisgeschüssel ihnen in punkto Pannenstatistik den Schneid abgekauft haben, sannen sie auf Abhilfe. Und erfanden: die Service-Hotline.
Fortan landeten die Notrufe empörter Benzchauffeure, BMW-Fahrer und Audimobilisten nicht mehr beim ADAC, sondern beim Hersteller-Call-Center. Und folglich wurden die Pannenstatistiken auf wundersame Weise deutschfreundlicher, die betreffenden Marken scheinbar zuverlässiger.
In der aktuellen ADAC-Statistik herrscht wieder political correctness. In der miesen Ecke stehen zumeist Autos aus dem Land des gallischen Erbfeindes sowie Billigschüsseln aus Fernost, bei den Guten finden sich verstärkt die national korrekten Produkte aus Wolfsburg, Ingolstadt, München, Stuttgart und Zuffenhausen wieder.
Schade nur, dass der ADAC es nur früher einmal wagte, auf die Gründe für die Verzerrung des hauseigenen Zahlenwerkes hinzuweisen. Aktuell erfährt der geneigte Leser nicht mehr, dass ein wachsender Teil deutschen Bleches via Herstellerhotline revitalisiert wird. Da wird doch wohl niemand mit Gunstentzug gedroht haben ...

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Montag, 18. Mai 2009
www.laufende-gedanken.de oder: Dieter Baumann und ich.
Was haben Dieter Baumann (guckst Du hier: http://www.dieterbaumann.de/ ) und ich gemeinsam? Wir laufen und denken dabei über so manches nach.
Wegen des Laufens und des Nachdenkens habe ich vor mehr als zwei Jahren (exakt sind es heute 833 Tage) mit meinem kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuch „Laufende Gedanken“ begonnen. Und weil Dieter Baumann seine Gedanken ebenfalls nicht für sich behalten will, hat er sie in allerlei Kolumnen in TAZ und Spiridon veröffentlicht. Am 16. März sind diese Kolumnen nun als Buch erschienen, der Titel: „Laufende Gedanken”. Uups.

Nun liegt es mir fern, dem einstigen Olympiasieger vorzuschreiben, wie er sein Buch zu nennen hat oder gar auf meine „älteren Rechte“ zu verweisen. Dazu mangelt es mir an Zeit und Lust, ich bin weder Anwalt noch Prozesshansel – ich nutze die mir zur Verfügung stehenden Stunden lieber zum Laufen und Nachdenken, manchmal arbeite ich auch ein wenig oder stänkere gegen innenministerielle Wunderlichkeiten. Und mal ganz ehrlich: Meine „Laufenden Gedanken“ gefallen mir eindeutig besser als die von Dieter Baumann.

Dennoch: Sicherheitshalber habe ich gestern einige Minuten meiner Zeit geopfert, um mir zwei Domain-Namen zu reservieren. Der geneigte Leser kann dieses kleine Tagebuch nun auch durch Eingabe der Adresse www.laufende-gedanken.de erreichen. Und sollte er dabei den Bindestrich vergessen und nur www.laufendegedanken.de eingeben, landet er auch hier. Viele Wege führen zum Zeitungsdieb.

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Mittwoch, 6. Mai 2009
Wenn die Staatsmacht anruft. Oder: Behördenweckdienst beim Landratsamt
Wenn sich die Staatsmacht beim Bürger meldet, will sie meist etwas: Sein Geld, seine Freiheit, seinen Computer. Forderungen dieser Art werden in aller Regel zu unchristlicher Zeit unter Einsatz von speziell geschultem Personal durchgesetzt, das Türen eintritt, Befehle vorzeigt und renitente Staatsbürger fixiert. Anrufe sind eher selten. Anrufe mit dem alleinigen Zweck der Mitteilung, dass einem rechtmäßigen Anspruch des Bürgers wegen offenkundiger Verbumfidelei nicht nachgekommen wurde und in deren Verlauf mehrfach um Entschuldigung nachgesucht wird, sind – vorsichtig formuliert – in unserem Land sehr unwahrscheinlich. Nicht nur Weihnachten, sondern auch Nessie und Lotteriegewinne sind öfter.
Einen solch raren Anruf erhielt ich heute zu früher Morgenstunde und – ich gebe es zu – hätte ihn beinahe für einen Joke gehalten. Der Anrufer meldete sich (mit ordnungsgemäßer Rufnummer) aus dem Landratsamt Leipzig und bat um meine Nachsicht dafür, dass ein Antrag, in dem es um einige hundert Euro ging, über Monate hinweg auf Eis gelegen hat. So lange, dass inzwischen der Folgeantrag auch im behördlichen Kühllager gelandet ist.
Der Anrufer ließ mich wissen, dass eine Änderung der Zuständigkeit eingetreten sei. Das war mir nicht neu, denn die bislang ans zuständige Staatsministerium gesendeten Formulare mussten seit Inkrafttreten der Verwaltungsreform im Freistaat Sachsen nun ans Landratsamt übermittelt werden. Dessen nun in die Pflicht genommenen Mitarbeiter taten, was ein guter Angestellter tut, wenn er nicht weiß, was er tun soll: nichts. Oder fast nichts: Sie erfassten die Anträge, und lagerten sie sorgfältig. Stabskultur heißt so was wohl.
Inzwischen habe man sich schlau gemacht und beim Ministerium über die notwendige Verfahrensweise informiert, erfuhr ich weiter. Nun wisse man auch, dass bei den Antragstellern in einigen Fällen zusätzliche Nachweise abgefordert worden waren, die gar nicht hätten erbracht werden müssen, verriet mir der junge Mann vom Amt, den offensichtlich die undankbare Aufgabe ereilt hatte, frustrierte Antragsteller im Dutzend anzuschellen.
Das morgendliche Telefonat endete mit dem positiven Ausblick, dass die abgelagerten Anträge nun zügig bearbeitet werden und schon bald Geldscheine vom Himmel regnen sollen.
Dennoch ließ mich die behördliche Botschaft grübelnd in den Tag gehen. Ich bin alt genug, um weder an das Wunder der jungfräulichen Geburt noch an die Auferstehung untätiger Behördenmitarbeiter zu glauben.
Nur zu gern wüsste ich, ob den zuständigen Landratsämtlern der unerfreuliche Schriftsatz einer Untätigkeitsklage in den Posteingang geworfen wurde oder ob ein weniger träger Staatsbürger als ich sich auf den Weg nach Borna gemacht und dort einem behördlichen Schnarchsack die Tür eingetreten hat.

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