Donnerstag, 15. Juli 2010
Auflagenzahlenspiele. Oder: 245861 sind keine Viertelmillion
Eigentlich bietet die Zeitungslektüre zurzeit ja kaum Überraschungen: In epischer Breite wird über die vermeintlich unerträgliche Hitze gejammert, dann werden Praktikanten ausgeschickt, um schwitzende Menschen über deren tolle Rezepte gegen die sommerlichen Temperaturen (Ja, es ist nun mal Sommer!) zu befragen, und am nächsten Tag widmet sich der geneigte Lokaljournalist wieder einmal denen, an deren Arbeitsplatz es derzeit besonders heiß zugeht oder –das ist der Gipfel der Kreativität – jenen, die vom Sommer gar nichts spüren, weil sie in gekühlten Technik- bzw. tiefgekühlten Lagerräumen arbeiten.
Dass ein Holzmedium auch mitten im Sommer ein schönes Blatt mit netten Überraschungen sein kann, beweist meine Lokalpostille, die nach eigener Aussage dem Qualitätsjournalismus verpflichtete Leipziger Volkszeitung. Eine kreative Idee sind die ganzseitigen Eigenanzeigen, mit denen die LVZ sich derzeit regelmäßig selbst auf die Schulter klopft. Diese erscheinen zusätzlich zur ohnehin veröffentlichten Werbung für eigene Produkte und Veranstaltungen, gewissermaßen als Mehrwert für den geneigten Leser.
Letzterer darf zum Beispiel erfahren, wie viele Zusteller allmorgendlich unterwegs sind, um das Blättchen in die Briefkästen zu befördern oder wie die Leute aussehen, die Tag für Tag den Raum zwischen den Anzeigen füllen. Heute erfreute mich meine Lokalpostille mit der ganzseitig verkündeten Botschaft „250 000 Stück“, soll heißen: Es geht um die LVZ-Druckerei, die – während die geneigte Leserschaft den Schlaf der Gerechten schläft – allnächtlich 250 000 Exemplare der LVZ in bester Qualität usw. druckt.
Das machte mich nachdenklich, denn eine durchschnittliche Auflage in (fast) dieser Höhe – exakt waren es 249.949 gedruckte Exemplare - hatte die LVZ zum letzten Mal im ersten Quartal 2009, nachzulesen bei der IVW, also hier http://daten.ivw.eu/index.php?menuid=12&u=&p=&t=Alphabetischer+Gesamtindex&b=a
Ein Jahr zuvor, im ersten Quartal wurden übrigens noch durchschnittliche 259 165 Exemplare gedruckt, im ersten Quartal 2010 lag die LVZ mit 245.861 reichlich um reichlich 4000 Stück unter der vollmundig verkündeten Viertelmillion.
Bei den Kennzahlen Verbreitung, Verkauf und Abo hat die LVZ im Quartalsdurchschnitt seit 2008 kräftig Federn gelassen, kräftiger als so manch andere Regionalzeitung im Osten. Zuwächse gab es nur bei den (bestenfalls) zum Nulltarif an die Airlines abgegebenen Bordexemplare bei den Rückläufern und beim „sonstigen Verkauf“, der im ersten Quartal 2010 immerhin 9999 Exemplare ausmachte. Darüber, ob und wie beinahe 10.000 Exemplare meiner Lokalpostille tatsächlich, an wen und zu welchen Konditionen „sonstig“ (d.h. nicht im Abo, Freiverkauf usw.) verklingelt werden, lohnt es sich wirklich nachzudenken ... Aber dieses Vergnügen möchte ich den geneigten LeserInnen meines kleinen, politisch immer korrekten Tagebuches nicht verderben – bildet Euch selbst eine Meinung.

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Dienstag, 22. Juni 2010
Augenkrebs. Oder: Was ist eine Fassette?
Als Schreibtischtäter und berufsmäßiger Sprachanwender musste ich mich notgedrungen (oder Not gedrungen?) mit der neuen deutschen Rechtschreibung einlassen. Dennoch: Hin und wieder begegnen mir Schreibweisen, die mir nicht nur psychische, sondern auch physische Pein bereiten und sicher irgendwann zum Augenkrebs führen werden.
So auch heute. Beim Bearbeiten eines Fremdtextes blieb ich an der "Fassette" hängen. Aus dem Zusammenhang erschloss sich mir, dass der Autor wohl das Wort Facette meinte, beinahe hätte ich den Fehler korrigiert. Doch ein Blick in den Duden belehrte mich zwar keines Besseren, zeigte mir aber, dass die "Fassette" orthographisch bzw. orthografisch, also rechtschreiblerisch, korrekt ist. Pfui Deibel aber auch ...

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Freitag, 18. Juni 2010
Der Personalausweis ist sicher. Die Rente auch, und die Mauer wird noch ...
Meine Lokalpostille, die nach eigenem Verständnis dem Qualitätsjournalismus verpflichtete Leipziger Volkszeitung, veröffentlicht heute im Keller ihrer Seite 1 einen schönen PR-Text. Skrupelloser Umgang mit PR ist bei der LVZ nichts Ungewöhnliches, aber diesmal hat's ein besonderes Gschmäckle, denn hier handelt es sich um PR von Amts wegen. Unter dem Motto "Der neue Personalausweis ist sicher" wurde die aktuelle regierungsamtliche PR-Kampagne für den neuen, 28 Euro teuren Personalausweis ins Blatt gehoben.
Am Rand: Bei so schönen Phrasen in der Art " ... ist sicher" fällt mir immer zuerst Norbert Blüm mit seinem Dauerwerbespruch "Die Rentn sinn sischor" ein, danach muss ich an die Titanic denken, anschließend an den sicheren Erich Honecker, der der Mauer noch einen mehrhundertjährigen Bestand voraussagte. Soviel zu sicheren Sachen.
Wer statt der PR-Meldung aus dem Innenministerium eine etwas ausgewogener Berichterstattung zum Thema "schöne neue teure Personalausweiswelt" bevorzugt, dem sei dieser http://www.heise.de/security/meldung/Staat-und-Wirtschaft-werben-fuer-den-elektronischen-Personalausweis-1024615.html Beitrag auf Telepolis empfohlen. Sehr lesenswert sind übrigens auch die anhängenden Kommentare.

Achja, noch ein Schmankerl für die Leserinnen und Leser meines kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuches: Hier http://www.heise.de/security/meldung/Kartenleser-von-Kobil-gehackt-1013021.html gibt es - ebenfalls bei Telepolis - einen sehr interessanten Artikel über den Hack an einem Kartenlesegerät der Art, wie sie u.a. zum Auslesen des neuen Ausweises genutzt werden. Diese Lesegerät ist ebenfalls sicher, und das sagen nicht nur saudumme Politiker, sondern dafür gibt es auch ein Zertifikat des Bundesamtes für Sicherheit der Informationstechnik. Gehackt wurde es trotzdem.

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Donnerstag, 17. Juni 2010
Freie Fahrt für die ÖR. Oder: WM auf Arabisch ist auch ganz nett
So, wieder da, back in good (???, nööö!) old germany. "Draußen" war's schön, weit weg von Sparpaketsgejaule, Fähnchenwahn und dem parteipolitischen Geschacher um die Besetzung eines sinnfreien Grußonkelpostens in Berlin. Aus der Ferne erfuhr ich, dass mein Medienkonsum künftig teurer werden wird - schließlich soll die GEZ ja eingespart und die gerätebezogene Zwangsabgabe an die öffentlichrechtlichen Hirnver-nebeler (der Bindestrich ist eine Art Erklärbär für Langsammerker) durch eine Pauschale ersetzt werden.
Wenn ich künftig schon dafür zahlen muss, kann ich auch mal reinschauen, dachte ich und entlockte dem Fernseher im Hotelzimmer ein grieselndes ZDF-Bild. Was nicht schlimm ist, denn erstens kommt's beim ZDF ohnehin nicht so darauf an und zweitens ist der Sinai nunmal ein Stück von der Heimat (?) entfernt. Wobei: Schlimm isses schon, was der Rentnersender der Minderheit der noch nicht hirntoten Zuschauer zumutet. Da entgeht mir ja sonst direkt was, würde der geneigte Masochist sagen.
Nagut, lange währte das Elend nicht, denn das ZDF verabschiedete sich pünktlich zum Beginn der FIFA WM 2010 aus Lizenzgründen vom Sat-Kanal und beglückte seine Auswärtsgucker mit ZDF-Neo. Das ist der Beweis dafür, dass Reisen bildet, denn von diesem Käfer-Kanal hatte ich noch nie etwas gehört. Aber sollte ich dereinst als Wüstenspinne reinkarniert werden, weiß ich nun zumindest, worauf es ankommt, wenn Spinne der bösen Schlupfwespe entgehen will. Natürlich enthalte ich den Leserinnen und Lesern meines kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuches dieses womöglich überlebenswichtige Wissen nicht vor, schließlich reicht es, wenn ich den Schrumms geguckt habe: Eine clevere Wüstenspinne baut ihr Domizil auf dem Kamm einer Düne, die zudem über einen Hang mit fester, glatter OBerfläche verfügen muss. Im Gefahrenfall Beine einziehen und als Kugel wegrollen, während die Wespe bedeppert aus ihren Komplexaugen äugt.
Zurück zum ZDF oder nicht ZDF oder so: Die Abknipsung vom heimatlichen Sender ließ mich zappen und das eine oder andere WM-Spiel auf arabischen Sendern genießen. Fazit: Das werde ich wohl künftig immer so machen, in der Leipziger Eisenbahnstraße gibt es ja genug Sportbars mit leicht nachgedunkelter Kundschaft.
Warum ich für arabische Kanäle plädiere? Zum einen muss ich mich darüber ärgern, dass ich mit der künftigen Haushaltpauschale einen 550 Personen umfassenden öffentlich-rechlichen Betriebsausflug nach Südafrika finanziere. Zum anderen, weil der Wegfall dusseliger deutschtümelnder TV-Kommentatoren sowie nachgelagerter Spielanalysen durch debile Altfußballer und Möchtegernexperten durchaus zur Steigerung der Lebensqualität beiträgt.
Außerdem übertönt ein dauerkrächzender Häkelschriftmoderator sogar das Trötengetöse recht wirkungsvoll. Und, damit soll's das gewesen sein, als in irgendeinem arabischen TV-Studio plötzlich "Loddar Maddäus" expertelnd auftrat, war sogar das zu ertragen - schließlich war sein deutsches Gelaber ausgeblendet und durch die Stimme eines arabischen Dolmetschers ersetzt.

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Dienstag, 27. April 2010
Zens-Ursula von der Leyen schägt wieder zu. Oder: Wenn schon Propaganda, dann im Original
Heute erhielt ich die Einladung zu einer CDU-Regionalkonferenz. Gedruckt! Per Post! Nicht per E-Mail! Sowas nennt man wohl konservative Primärtugenden ... Der Termin in meiner Nähe hätte mir eine Begegnung mit Bundesministerin Zens-Ursula von der Leyen beschert. Seit sie nicht mehr für sinnlose Gesetze zur Internetsperrung eintritt, die nach Rechtskraft "ausgesetzt" werden, versucht sie sich mit vergleichbarer Kompetenz als Bundesarbeitsministerin. Na gut, auch die gut vernetzte Tochter eines ehemaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten muss ja irgendeine Tätigkeit vorschützen, um ihr Auskommen zu haben. Dass sie aber nach der schon preiswürdigen Nummer mit dem Kipo-Filter und dem Stoppschild nun anregt. all die überzähligen Dachdecker und andere Malocher, die bis 67 arbeiten sollen, ins Büro ihrer Krauterfirma zu stecken, beweist, dass außer dem Weltall nur die menschliche Dummheit unendlich ist.
Aber zurück zum Thema: Die brav vierfarbig gedruckte Einladung zur Regionalkonferenz der sächsischen CDU habe ich gelesen und dann in meine Altpapierkiste gepackt. Dort ist sie immerhin noch in der Kategorie "5 cent pro Kilo" gelandet.
Zur Regionalkonferenz werde ich allerdings nicht erscheinen. Von Zensursula hab' seit ihrem Auftritt in Sulzbach genug, als sie irgendwelchen Altenheimbewohnern versuchte, die Sache mit den Internetsperren zu erklären.
Guckst Du hier:



Wenn ich schon üble Propagandanummern erleben will, dann bitte im Original:



Oder, für die ein wenig furchtsamen Leserinnen und Leser meines kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuches, dann eben diese aus der DDR:

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Freitag, 16. April 2010
Argumente gegen ein deutsches Burkaverbot. Oder: fette Männer unters Zelt
Wo das Wissen aufhört, fängt der Glaube an. Das gilt für den Glauben an das segensreiche Wirken eines höheren Wesens (welchen Namens auch immer) übrigens ebenso wie für den Glauben an die Richtigkeit einer Sache. An die Fähigkeit zu glauben appellierte z.B. in den 70er Jahren mein Staatsbürgerkundelehrer (so was gab’s in der DDR tatsächlich), in den 80ern die Dozenten im Fach Wunderkunde (steht verballhornend für die Abkürzung WK = Wissenschaftlicher Kommunismus), das ich als Student einer naturwissenschaftlichen Fachrichtung obligatorisch zu absolvieren hatte und ganz allgemein die DDR-Führung, die von ihren Bürgern den Glauben verlangte, dass die Wandlitzer Altherrenriege schon das Richtige tun würde. Soweit zum Glauben, mit dem ich mich verständlicherweise schwertue.
Aus diesem Grund habe ich auch keinen Hang zu Religionen. Weder zu der mit dem Kreuz noch der mit dem Stern und auch nicht zu der mit dem Abbildungsverbot. Wenn überhaupt, dann zu einer ganz anderen. Aber darum geht es jetzt nicht.
Statt dessen will ich die Leser meines kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuches zum Nachdenken über eine das Kopftuchverbot anregen. Um dabei nicht in den Verdacht zu geraten, ein heimlicher Islamist oder so was zu sein, habe ich meinem Tagebucheintrag die obigen Glaubengedanken vorangestellt.
Doch nun zum Kopftuchverbot. Ganz klar ist, dass – wer in Deutschland leben will – auch wirklich in Deutschland leben muss und nicht in einer türkischen, persischen oder russischen Parallelwelt, die sich zufällig auf deutschem Hoheitsgebiet befindet. Das Scheitern der bisherigen deutschen Einwanderungs- und Integrationspolitik nun aber durch das Verbot von Kopftuch, Schleier oder Burka in einen Erfolg zu verwandeln, kann nur kranken Hirnen von sesselgeilen Politikern oder politischen Extremisten aller Farbschattierungen entspringen.
Die Leser meines Tagebuches dürfen beruhigt sein: Ich werde an dieser Stelle nicht all die pro- und contra-Argumente wiederholen, die in dieser Sache seit Monaten durch die Medien wabern. Statt dessen beschränke ich mich auf drei Punkte, die meines Wissens bisher nicht bedacht wurden:
1. Wodurch unterscheidet man ein „religiöses“ Kopftuch von einem, das zum Beispiel in der Generation der vor dem 2. Weltkrieg geborenen Frauen noch gang und gäbe war und von älteren Menschinnen noch heute getragen wird? Und: Wo verläuft die Grenze zwischen Kopftuch und Piratentuch? Und was ist mit kopftuchtragenden Männern? Könnte ja sein, dass es sich dabei um eine Frau handelt, die sich nur „im falschen Körper“ befindet, so etwas scheint derzeit ja recht beliebt zu sein ...
2. Wer soll das Kopftuchverbot überwachen und durchsetzen? Außer Ampelrot- und Geschwindigkeitsüberwachung passiert doch in punkto Überwachung auch im Straßenverkehr nicht mehr viel, wenn man von gelegentlichen Großkontrollen z.B. am Rosenmontag absieht. Schon jetzt beschränken sich die Mitarbeiter städtischer Ordnungsämter aufs (konfliktarme) Blitzen und Parksünderabzocken, während das Entleeren eines Aschenbechers bei Ampelrot genauso geflissentlich übersehen wird wie das Wegwerfen von Zigarettenkippen usw. Und nun sollen besagte Ordnungsamtseumel plötzlich zu Helden werden und migrationshintergündigen Frauen in Neukölln oder entlang der Leipziger Eisenbahnstraße unter den Augen testosteronlastiger Jungmänner die Kopftücher herunterreißen? Positiv ausgedrückt erscheint mir dieses Szenario ebenso unwahrscheinlich wie das Auftreten robust ummantelter Bundespolizisten in gleicher Angelegenheit.
3. Man sollte das Tragen von Kopftuch, Galabya und Burka nicht generell verteufeln. Bei einem erschreckend hohen Teil der deutschen Bevölkerung wäre die Verhüllung des Gesichtes bzw. des ganzen Körpers durchaus vorteilhaft und trüge zur Verschönerung des Straßenbildes bei. Wobei ich diese Feststellung ausdrücklich auf beide Geschlechter beziehe: Die geneigten Leser meines Tagebuches mögen sich an dieser Stelle ihrer Lektüre einen fettglänzenden deutschen Feinrippmann mit „Goldketterl“ vorstellen – einmal in seiner ganzen Leibesherrlichkeit samt Doppelkinn, Wohlstandswampe und dümmlichem Gesichtsausdruck; und dann verborgen unter einem burkaartigen Zelt. Ich bin für die zweite Variante.

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Donnerstag, 15. April 2010
Wenn Holzmedien zitieren. Oder: "Ein Berliner Journalist" hat geschrieben ...
Berufsmäßige Schreiberlinge freuen sich, wenn sie gelesen werden. Noch mehr freut es unsereinen, wenn er zitiert wird. Schließlich ist das neben der Auflage eines Printmediums die einzig wahre Währung. Wenn andere Blätter, TV- oder Radiosender aus einer Zeitung zitieren, adelt das die eigene Holzpostille ungemein – und natürlich auch den Verfasser der wiedergegebenen Zeilen.
Meine Lokalpostille, die Leipziger Volkzeitung, verkündet mit schöner Regelmäßigkeit und unüberlesbarem Stolz, dass sie zu den wichtigen und vielzitierten Holzmedien Deutschlands gehört (http://nachrichten.lvz-online.de/leipzig/wirtschaft/leipziger-volkszeitung-gehoert-zu-den-am-haeufigsten-zitierten-zeitungen/r-wirtschaft-a-16623.html ). Wenn der Media Tenor entsprechende Zahlen veröffentlicht (z.B. hier http://www.medientenor.de/newsletters.php?id_news=660 ), wird im Hauptquartier am Leipziger Peterssteinweg gejubelt. Und auf der Medienseite, die sonst eher eine Fernsehprogrammseite ist, darf der geneigte Leser die Botschaft auch erfahren.
Umgekehrt ist es mit den Zitaten mitunter so eine Sache. Zum Beispiel am 13. April, als der Verlagsleiter der zur LVZ gehörenden Muldentalzeitung hier http://epaper.lvz-online.de/cgi-bin/eZeitung/ezeitung/index.html?a-e_global-sz_Portal=CIT&a-e_global-sz_Arg=wd1094cbcbf1bf62905268ecbee12bcd43a8624a32c (hoffentlich hält der Link einige Zeit ...) in seiner Lokalspitze darüber nachdachte, dass die Unternehmen ihren potenziellen Lehrlingen (Heinrich Lillie sprach von den Auszubildenden, ich mag diese Wort wegen der implementierten Passivität allerdings nicht) keine motivationsfördernden Berufe anbieten. Supermodel und Popstar sind doch attraktivere Lehrberufe als Kanalputzer oder Darmreiniger (die beiden letzteren stammen aus meinem Wortschatz.
Immerhin: Der Autor gibt die Sache mit den zielgruppengerechten Berufsbildern nicht als eigene Idee aus, sondern verweist auf den Urheber – das ist bei der Leipziger Volkszeitung leider keine Selbstverständlichkeit. Der Ideenklau geht um ...
Aber zurück zu Heinrich Lillie: Er lässt die schwindende LVZ-Leserschaft wissen, dass die Urheberschaft für die Sache mit den coolen Berufen nicht bei ihm, sondern bei einem „Berliner Journalisten“ liegt. Hallo, geht’s noch? Mir fallen auf Anhieb etwa zehn Berliner Berufskollegen ein, die für eine so feinsinnige Betrachtung in Frage kämen ... Wer hat’s also erfunden?
Der geneigte LVZ-Leser wird es nicht erfahren, weil ein Verlagsleiter schwammig zitiert hat. Da hätte er auch gleich „gewöhnlich gutinformierte Kreise“ oder „wie aus Berlin zu erfahren war“ schreiben können. Einige Grundlegende Hinweise, wie’s richtig geht, findet man hier http://repositorium.uni-osnabrueck.de/bitstream/urn:nbn:de:gbv:700-2006112213/2/E-Diss610_thesis.pdf .
Um nicht missverstanden zu werden: Ich gehe nicht davon aus, dass des Autor fachliches Unvermögen hinter der eigenartigen Scheinzitierung steckte. Aber die Leipziger Volkszeitung tut sich – wie die meisten Holzmedien (Hallo Burks, herzlichen Dank für das schöne Wort) – mit Links schwer. Vor allem dann, wenn diese nach draußen, ins böse, böse Internet führen ... Und Verweise auf Verlage, die nicht zum Madsack-Imperium gehören, sind ja schon beinahe Teufelszeug ...

PS.: Der äußerst lesenswerte Artikel, auf den Heinrich Lillie sich in seiner Guten-Morgen-Kolumne bezogen hat, stammt von meinem werten Kollegen André Mielke und ist in der „Welt am Sonntag“ vom 10. April 2010 auf Seite 1 erschienen. Nachzulesen übrigens hier http://www.welt.de/satire/article7147227/Wirtschaft-muss-sich-an-Heidi-Klum-orientieren.html . Nur am Rande sei erwähnt, dass die WamS über eine Suchfunktion verfügt, die diesem Namen wirklich gerecht wird.

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Mittwoch, 14. April 2010
Kaltmischgut im Anflug. Oder: Zeichen wirtschaftlichen Niedergangs
Hin und wieder lasse ich die Leser meines kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuches an dem einen oder anderen Déjà-vu teilhaben, das ich habe oder besser: zu haben glaube. In den vergangenen Tagen war es wieder einmal soweit. Ich erlebte Szenen, die ich in beinahe gleicher Form bereits vor Jahren gesehen hatte. Und diesmal stimmte es wirklich.
Besagte Szenen spielten sich vor 1990 allfrühjährlich auf maroden, vom Frost arg mitgenommenen DDR-Straßen ab. Um die Löcherpisten irgendwie zu retten bzw. deren totalen Kollaps ein wenig hinauszuzögern, rückten nach Ende des Winters Bautrupps an und füllten in die Schlaglöcher eine Mischung aus Bitumen und Splitt. Das Zeugs hieß Kaltmischgut und wurde zumeist gleich vom Lkw per Schaufel in die Löcher geschmissen. Ein zweiter Werktätiger klopfte das Gestreusel mit der Schippe fest; so leicht kann eine Reparatur sein. Und ebenso schnell war das Gebrösel wieder draußen, nämlich dann, wenn die ersten Autos über die geflickschusterte Kraterlandschaft gerollt waren.
Für mich (und viele andere Bewohner der dahingeschiedenen DDR) war das allfrühjährliche Kaltmischgutgekrümel eines von zahlreichen Indizien für den unaufhaltsamen Niedergang der DDR-Wirtschaft. Wer solcherlei Kosmetik betreibt, so die damals gängige Meinung, der muss auf dem letzten Loch pfeifen.
Umso verblüffter war ich, als mir das Kaltmischgut in den vergangenen Tagen gleich mehrfach wieder begegnete. Zuerst regnete es den klebrigen Splitt in Taucha von einem Lkw, gestern sah ich des Wunder der nahezu technikfreien Schlaglochspontanheilung in Leipzig. Und ich gebraucht wieder einmal das schwierige Wort Déjà-vu – wohl wissend, dass es keine Macke meines Frontallappens ist, sondern eine offensichtliche Wiederkehr von Ereignissen: Der Niedergang ist nicht zu übersehen.

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Kokain in Holzbriketts. Oder: ein paar Gedanken nach dem Lesen einer dpa-Nachricht
Eine kurze dpa-Meldung nebst Foto rauschte gestern und heute durch die deutschen Medien. Im Hamburger Hafen wurde mit 1,3 Tonnen der größte Kokainfund Deutschlands gemacht. Die Drogen haben einen Wert von ca. 40 Millionen Euro und stammen aus Paraguay. Nachzulesen so ziemlich überall, u.a. hier http://www.zeit.de/newsticker/2010/4/13/iptc-hfk-20100413-87-24500962xml und (etwas ausführlicher) hier http://www.n-tv.de/panorama/Kokain-in-Holzbriketts-article822859.html
Was mich an der Sache aufhorchen ließ, war nicht Nachricht über den geplatzte Mega-Deal, sondern die Information über die für die Drogen genutzte Tarnung: Das Kokain – vulgo: der Koks – war in billigen Holzbriketts, so genannten Pellets, versteckt, die zu diesem Zweck aufgeschnitten, ausgehöhlt und nach „Füllung“ wieder zusammengeklebt wurden.
Offensichtlich ist es nicht ungewöhnlich, dass Holzbriketts aus Südamerika per Container nach Deutschland verschifft und hier verheizt werden. Das nennt man dann „nachwachsende Rohstoffe“ – so schön kann man das Wort „Riesensauerei“ umschreiben.
Warum? Paraguay ist zu 21 Prozent von Wald bedeckt, dem Wald geht es nicht wirklich gut. Jährlich werden 400.000 Hektar zumeist wild abgeholzt, in den vergangenen 50 Jahren ist die Waldfläche um 65 Prozent gesunken. Nachzulesen z.B. hier http://de.wikipedia.org/wiki/Paraguay , Stichwort Land- und Forstwirtschaft.
Noch größer wird der Betrug unter dem lustig flatternden Banner der vermeintlichen CO2-Neutralität, wenn man ein wenig über den Transport der Holzbriketts nachdenkt. Paraguay ist ein Binnenstaat, Containertransporte werden über Straßen des so genannten „biozeanischen Verkehrsweges“ abgewickelt. Und mal ehrlich: Was sind schon 1.000 Kilometer bis zum nächsten Hafen? Dazu noch die paar tausend Seemeilen von Südamerika bis nach Hamburg – da kann man als umweltbewusster Deutscher doch guten Gewissens seine CO2-neutralen Holzbriketts verfeuern ...

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Freitag, 9. April 2010
Delitzscher Müllbrandgedanken. Oder : Schöne heile Marketingwelt ohne Gesundheitsgefährung
In Delitzsch hat’s gebrannt. Konkreter: In einer Lagerhalle der Kreiswerke Delitzsch ist die so genannte „Heizwertreiche Fraktion“ abgefackelt. Auf gut Deutsch handelt es sich dabei um den brennbaren Teil des Hausmülls, der u.a. in der Sortieranlage der Deponie Cröbern herausgefischt, zu Ballen gepresst und nach Delitzsch geliefert wurde. Darüber habe ich hier http://zeitungsdieb.blogger.de/stories/1027714/ schon einiges geschrieben, meine Lokalpostille, die Leipziger Volkszeitung, berichtete über den Brand dieser unappetitlichen Ballen u.a. hier http://nachrichten.lvz-online.de/region/delitzsch/kreiswerke-lagerhalle-nach-brand-voellig-zerstoert/r-delitzsch-a-25171.html , hier http://nachrichten.lvz-online.de/nachrichten/mitteldeutschland/grossbrand-in-delitzsch-auch-am-donnerstag-noch-nicht-geloescht/r-mitteldeutschland-a-25174.html und hier http://nachrichten.lvz-online.de/nachrichten/mitteldeutschland/grossbrand-in-delitzsch-auch-am-donnerstag-noch-nicht-geloescht/r-mitteldeutschland-a-25174.html .
Und ich muss zugeben, dass ich mich über die Berichte gefreut habe. Nein, nicht über den Brand von ca. acht Tonnen „heizwertreicher Fraktion“. Ich habe mich statt dessen über zwei andere Dinge gefreut:
Zum einen darüber, dass natürlich (wie immer, wenn’s irgendwo brennt) mein absoluter Lieblingssatz im Text der LVZ auftauchte: „Eine Gefahr für Anwohner wegen der starken Rauchentwicklung bestand laut Polizei nicht.“ Wie so oft frage ich mich bei solchen Sprüchen, warum Verbrennungsanlagen Filter haben – schließlich kann man den Mist doch auch einfach so abfackeln lassen, denn „gesundheitliche Gefährdungen“ bestehen nicht. Dass die Feuerwehrleute bei solcherart Atemschutzgeräte tragen, muss folglich daran liegen, dass es sich bei den Brandbekämpfern um notorisch hüstelnde Weicheier handelt.
Zum anderen freut mich an den Berichten meiner Lokalpostille aber auch die kritiklose Übernahme des Marketing-Neusprechs der Müllverswurster. Das, was aus dem Hausmüll gesammelt und zwecks Verbrennung zu Ballen gepresst wird, ist ein Hausmüllbestandteil. Und so sieht das Zeug aus, und so riecht es auch. Selbst die Formulierung „heizwertreiche Fraktion“ macht daraus keine appetitliche Geschichte.
Doch wie anders klingt „Carbo light“ – so die verschwurbelte Marketingworthülse für das Müffelzeugs. Light ist ja schon erstmal toll, light ist in, light ist gesund. Und Carbo – hey, das klingt nach Carbonfaser, nach Rennsport, nach Hightech. Wer denkt da schon an die Verbrennung von stinkendem Müll, der aus Italien durch halb Europa ins sächsische Land gekarrt wurde ... Schöne heile Welt ...

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