Montag, 22. Oktober 2007
Eine Anmerkung zu Glücksachen
Meine Lieblingslokalpostille beschert mir tagtäglich ein hohes Maß an Freude. Sollte sie auch, denn schließlich hat sie ja einen - gemessen an Quantität und Qualität - exorbitanten Preis. Mitunter veranlasst mich das Blättchen auch dazu, einen Leserbrief abzusondern. Das hat seine Ursache mit schöner Regelmäßigkeit darin, dass auf den Zeilen meiner Lokalpostille - mit Verlaub - gar zu schlimme Fehler veröffentlicht wurden. Jüngst wurde im Zusammenhang mit den Bahnstreiks auf die Gewerkschaft der Lokführer bezogen die Frage gestellt, ob denn in Deutschland ein jeder daherkommen und eine Gewerkschaft gründen dürfe. Da die GDL bereits 1867 geründet wurde und zudem die erste, 1990 in der DDR wiedergegründete freie Gewerkschaft war (damals glaubten die anderen Gewerkschafter noch den Chefs von Tante SPD, die die Wiederherstellung der staatlichen Einheit Deutschlands für illusorisch hielten), erlaubte ich mir, eine Korrekturmail zu verschicken, die heute sogar relativ unentstellt in meiner Lokalpostille erschienen ist. Erfreulich.
Weniger erfreulich ist, dass mir - noch vor dem Entdecken dieser Korrektur - ein böser journalistischer Lapsus ins Auge stach. Im Zusammenhang mit der kurzzeitigen Wiedereröffnung eines bekannten Leipziger Kaufhauses ("Die Blechbüchse") als Ausstellungsgebäude, ehe dieses dann umgebaut (treffender: fast abgerissen) werden wird, formulierte einer meiner Lokalpostillenkollegueros, dass die Besucher der Ausstellung dort "mit etwas Chuzpe sogar auf Harry Müller" treffen können. Besagter Mann hat die Aluminiumfassade gestaltet, die dem alten Kaufhaus 1968 vorgehängt wurde und diesem seinen Spitznamen bescherte.
Nun ist es mit unbekannten Worten so eine Sache, man kennt sie, beherrscht sie, schlägt sie im Zweifelsfall nach - oder lässt die Finger davon.
Gerade das Wörtchen "Chuzpe" ist eines der vielen schönen Worte, die sich die deutsche Sprache aus dem Jiddischen angeeignet hat- neben Mischpoke, Bammel, Hechtsuppe, Maloche, Pleitegeier, Schlamassel oder Reibach.
Mein werter junger Kollege meinte in seinem Text höchstwahrscheinlich, dass man den Aluminiumfassadengestalter in der Blechbüchse mit etwas Glück treffen könne. Wobei er hoffentlich auch gemeint hat, ihm zu begegnen und nicht, ihn irgendwie zwischen den Augen, in der Magengrube oder anderswo zu treffen.
Was mein werter Kollege sicher nicht sagen wollte, ist, dass man vesagtem Herrn Müller mit einer Mischung aus zielgerichteter, intelligenter Unverschämtheit, charmanter Penetranz und unwiderstehlicher Dreistigkeit begegnen kann. So nämlich die Bedeutung des Wörtchens "Chuzpe". Nachzulesen in www.wikipedia.de, von woher ich auch mein Pseudowissen über die GDL bezogen habe.

Ob ich nun schon wieder einen Leserbrief verschicke? Eher nicht, denn zum einen habe ich jede Menge Erfreulicheres zu tun, zum anderen gehe ich davon aus, dass sich einige andere "Oberlehrer" finden werden, die meinem übrigens sehr geschätzten Kollegen mitteilen, dass er mit seiner Verwendung des Wortes Chuzpe eindeutig Schmonzes geschrieben hat. Für die künftige Verwendung nicht geläufiger Vokabeln sei ihm Hals- und Beinbruch gewünscht.
Das soll übrigens nicht zu körperlichen Schäden führen, sondern (ebenfalls aus der Sprache des erwählten Volkes stammend) ihm bei der Wortfindung Erfolg und Segen bescheren: Hals- und Beinbruch ist lt. Wikipedia eine Verballhornung des jiddischen "hazloche und broche", das beim Abschluss von Geschäften ausgesprochen und von unverständigen Zuhörern missverstanden wurde.

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Mittwoch, 17. Oktober 2007
Der Gerhard, der Wladimir und die Altkanzlergattin, was die Doris ist
Doris. Doris? Da war doch was ... Richtig, Doris Schröder-Kopf. Die leicht überbissige Frau an der Seite des Basta-Kanzlers. Oder – wie die „Welt“ so herzerfrischend schrieb – die Altkanzlergattin. Und was ist nun mit Doris? Man hat längere Zeit nichts von der zweifachen Adoptivmutter gehört, die ihr Recht auf Privatsphäre so vehement verteidigte. Nur gelegentlich vergaß sie ihren heiligen Anspruch aufs Private und ging in die Öffentlichkeit. Vornehmlich dann, wenn es galt, dem Gerhard den von der Last des Regierens arg gebeugten Rücken zu stärken.
Heute habe ich wieder etwas von Doris gehört. Ein Schelm, wer (wie ich) gleich Arges dabei denkt. Nett ist die Doris, und so freundlich. Mit ihrer ganzen Nettigkeit hat sie ein Interview gegeben. Der Bunten. Darin beklagt sie sich darüber, dass die Deutschen zu antirussisch eingestellt seien. Russlandkritiker sollten doch einmal in dieses spannende Land fahren. Und sie sollten es doch den Russen überlassen, ihre Regierung zu beurteilen. Besonders schlimm seien die Journalisten, die deutschen natürlich. Die russischen seien hingegen lieb, denn die seien entweder für die Regierung oder tot. Aber das hat die Doris nicht gesagt, dieser Satz stammt von mir. Hätte aber auch von der Dorsi sein können.
Ich finde es schön, wie die Doris das so zusammengefasst hat. Da spürt man, welche Wärme doch in der Schröder-Schröder-Köpfschen Ehe herrscht. Nix da, von wegen der Gerhard verdient die Kohle und die Doris bleibt bei Viktoria (7) und Gregor (2) daheim und brutzelt dem Ollen Buletten. Die Doris darf auch mithelfen. Vor allem dann, wenn Wladimir, was Gerhards Chef ist, für sein Geld von Gerhard Leistung sehen will. Gut, als die Doris noch richtige Kanzlergattin ohne „Alt“ war, da hat der Gerhard seinem Freund Wladimir einige Male ganz dolle geholfen und spätestens bei der nächsten Gasabrechnung werden ganz viele Deutsche wieder ganz dolle an den Gerhard und seinen Freund denken, so dolle haben die beiden den Deutschen eins eingeholfen. Und mancher wird sich fragen, warum er eigentlich dem Schröder ein Stück vom Gehalt zahlen muss, wenn der doch beim Russen schafft.
Aber zurück zu Doris: Jetzt, wo aus der Kanzlergattin längst eine Altkanzlergattin geworden ist, muss der Gerhard sich einfallen lassen, wie er es dem Wladimir auch weiterhin besorgen kann.
Und da hat er lange überlegt und dann kam ihm eine Idee. „Dorrris“, hat er gesagt. „Wir müssen was für Wladimirs Image tun.“ Und die Altkanzlergattin rief einige Kollegen an. Bei einer Zeitung. Die waren ganz lieb zu ihr, denn schließlich hatten andere Freunde von Wladimir auch schon angerufen. Und so durfte die Doris „den Deutschen“ einmal richtig die Leviten lesen. Das kann sie, denn schließlich ist sie ja Altkanzlergattin und kennt die Welt. Sie kennt Hannover, Berlin und Petersburg und sie weiß, dass die Russen allesamt Gutmenschen sind und dass „die Deutschen“, die weder die reichen noch die armen Russen mögen, in Wirklichkeit gar keine Russen mögen und ganz in Wirklichkeit irgendwie rechts oder links und auf der Suche nach einem Feindbild sind. Das hat sie alles irgendwie gesagt. Oder so ähnlich. Ist ja interessant.

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Dienstag, 16. Oktober 2007
Klaus Zumwinkel hat Ärger mit den Springerstiefeln
Putzige Dinge ereigneten sich in den vergangenen Tagen im deutschen Blätterwald. Zumindest im Springerschen Revier rauschte es, als zerrte ein Sturm an den Wipfeln. Ein paar Schneisen weiter war es zwar ruhiger, zu spüren war das Brausen und Rappeln aber auch dort.
Ausgelöst worden waren die Turbulenzen durch das Stichwort Entsendegesetz im Postbereich. Im Klartext: Ganz gleich, ob gelb, grün, blau oder wasweißdennich – wer Briefe zum Empfänger befördert, soll dafür einen Lohn erhalten, der zum Leben reicht. Ohne zusätzliche Alimentierungen aus den Töpfen des Hartz-IV-Systems.
Die einschlägigen Bundesministerien sind für eine solche Regelung, denn jeder Euro, der an unterbezahlte Zusteller ausgereicht wird, ist eine heimliche Subventionierung der Postdienste. Deren bekanntester, die neuerdings als DHL daherkommende „gelbe Post“, stimmte dem Mindestlohn zu. Die anderen bunten Zustellvögel brüllten Zeter und Mordio, als drohte der Untergang des Abendlandes oder die mindestens ebenso schlimme Reduzierung ihrer Erlöse.
Prompt wurden die üblichen Textbausteine („Das bedeutet den Verlust von soundsovielen Arbeitsplätzen“) abgeschossen.
Damit wäre es eigentlich gut gewesen. Die beteiligten Parteien hätten wie immer bis in die Nacht verhandelt, sich irgendwann völlig übermüdet geeinigt, eine Presseerklärung abgegeben und allen Menschen wäre es ein wohlgefallen gewesen. Das Abendland wäre übrigens auch nicht untergegangen.
Doch in diesem Fall lief (nein: läuft) die Geschichte anders. Die Medien – allen voran die Springerschen – entdeckten ihr Herz für die gebeutelten Zustelldienste, die unter dem Würgegriff des gelben Monopolisten ächzen. Arbeitsplätze seien in Gefahr, der Untergang unseres Wertesystems drohe. In großformatigen Zeitungsanzeigen trampelten die Retter des Abendlandes mit ihren Springer-Stiefeln auf den Verfechtern eines einheitlichen Mindestlohnes für den Zustellbereich herum. Postchef Klaus Zumwinkel wurde gar eine mediale Sonderbehandlung zuteil.
Wer an dieser Stelle immer noch staunt und sich die Sache nicht erklären kann, dem sei folgendes verraten: Es geht ums Geld. Der Springer-Verlag hat sich vor gar nicht langer Zeit die Mehrheit am Zusteller pin group gesichert und steht damit in direkter Konkurrenz zur gelben Post. Folglich vergessen wir mal den Pressekodex und schreiben Klaus Zumwinkel in die Feindecke. Und weil das nicht reicht, schalten wir in unseren eigenen Zeitungen sogar noch Anzeigen, in denen es richtig „feste druff“ geht und dem gelben Feind der Marsch geblasen wird.
Das ist weder fein noch fair, aber üblich (Und spricht dafür, dass das Kartellamt gar zu heftigen Fusionsbestrebungen im Medienbereich immer mal widerspricht. Kaum vorstellbar, was eine gleichgeschaltete Springer-Medienmaschinerie, so sie von der Kette gelassen wird, für einen Krieg entfesseln würde). Bis zu dieser Stelle war’s ja auch noch lustig. Aber nun kommt der spannende Teil: Die gelbe Post schaltet ja auch die eine oder andere Anzeige in den diversen deutschen Blättern. Für richtig viel Geld. Genau diese Anzeigen wurden jetzt gestoppt. Dieser Gunstentzug hat ein Ausmaß von rund 800.000 Euro, das Geheul der betroffenen Verlage löste in ganz Deutschland Wolfsalarm aus. Wer bisher nicht wusste, was Krokodilstränen sind, kann sie hier gleich eimerweise fließen sehen.
Mal im Klartext: Vergessen wir Springer und die Post. Denken wir an unser Wohnzimmer. Gemütlicher Abend mit Freunden, da gehen die Scheiben zu Bruch, Farbbeutel und Jaucheeimer fliegen herein, dann tritt ein Nachbar die Tür aus dem Rahmen, kickt meine Katze aus dem zertrümmerten Fenster und lädt mich zu seinem Geburtstag ein. „Aber wenn Du mir keinen 60-Zoll-Flachbildschirm schenkst, erzähle ich all meinen Bekannten, dass Du ein Geizhals bist“, lässt er den Wohnungsinhaber wissen, ehe er sich einen Sechserpack Bier aus dem Kühlschrank nimmt und furzend die verwüstete Wohnung verlässt.
Der Vergleich ist übertrieben? Leider nicht wirklich. Und leider ist der Missbrauch der Medienmacht auch nicht neu. Als ich vor etwa fünf Jahren das Vergnügen hatte, als Urlaubsvertretung eine Außenredaktion meiner (natürlich zumindest hälftig zum Springerverlag gehörenden) Lokalpostille zu leiten, schrieb eine Praktikantin eine herzige Geschichte von einer (gelben) Postfrau, die seit Anbeginn der Zeit über die Dörfer radelt und Briefe ausfährt. Für die Geschichte fing ich mir einen Satz heiße Ohren ein. Es gab im Verlag schon damals das „Feindbild Post“, folglich hatte über die Post nichts Gutes im Blatt zu stehen. Hätte die Frau dagegen Geldbriefe geklaut, wäre die Geschichte willkommen gewesen. Warum? Seinerzeit waren die Zusteller meiner Lokalpostille auch als Briefträger unterwegs, der Zustelldienst machte der gelben Post mit eigenen Angeboten Mini-Konkurrenz, sodass über die Posthörnchen nichts Gutes im Blatt stehen durfte.
War da nicht irgendwas mit einem Presserat und dem Pressekodex? Geneigter Leser, vergiss diese Institution, vergiss diesen Kodex. Wie schon der alte Pirat sagte: „Aber das sind doch nur Empfehlungen“. Oder anders: Wer den zahnlosen Tiger füttert, wird garantiert nicht wirklich gebissen.

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Montag, 8. Oktober 2007
Dekadenz und Dummheit
Der Duden hält für das Stichwort „Dekadenz“ die Kurzerklärung „Verfall, Niedergang“ bereit. Kann man von Dekadenz reden, wenn laut Leipziger Volkszeitung vom 8. Oktober 2007 „eine Gruppe junger Leute“ demnächst die Filiale einer Fast-Food-Kette leerfressen will? Angepeilt werden laut Lokalpostille 4.000 Burger in Leipzig, zeitgleich sollen Rekordversuche in Berlin und Augsburg stattfinden.
Initiator dieser Aktion ist Udo Grigas, ein 20jähriger Koch, der seine Brötchen im Halleschen Dorinth-Hotel mit der Herstellung etwas besserer Kost verdient. Nach einigen kleineren Testaktionen in Berlin und Zwickau will er nun den ganz großen Coup landen und wirbt dafür im Internet. „Natürlich aus Spaß“, betont Grigas. Und ohne Verbandelung mit der auf diese Weise mit PR bedachten Burgerbraterei.
Ob es wirklich noch etwas mit Spaß zu tun hat, wenn – wie geplant – mindestens 500 Menschen je acht oder mehr Burger ins sich hineinstopfen, sei dahingestellt. Ein Zeichen von Dekadenz ist es aus meiner Sicht auf jeden Fall. Und das nicht nur beim Macher und seinen Mitmachern, sondern auch bei der Redakteurin, die derartigem Geistesmüll noch Platz in einer Zeitung einräumt, die nach eigenem Selbstverständnis den Anspruch hegt, Qualitätsjournalismus zu bieten.
Wie weit der Niedergang schon fortgeschritten ist, macht ein Blick auf die Homepage der Burgeraktion deutlich. Dort wird der für den 13. Oktober geplante Flashmob angekündigt. Nun gut, der virtuose Umgang mit der deutschen Sprache und der ihr zudachten Rechtschreibung ist wohl mittlerweile keine der Fähigkeiten mehr, die man zwingend besitzen muss.
Vom Webmaster der Aktion darf man in Zukunft trotz seiner Jugend noch einige anspruchsvolle Auftritte erwarten. Schließlich hat sich der clevere Schüler bereits Domains wie drittes-bein.de schützen lassen und bietet diese zum Kauf an. Nur aus Spaß.
Dass mein mangelndes Verständnis für die Aktion wohl nicht nur an meinem mittlerweile etwas vorgerückteren (amtlichen) Alter liegt, wurde mir beim Blick in diverse Flashmob-nahe Bloggereien klar. Dort sorgen die Aufrufe zum Leerfressen einzelner Burgerbratereien seit Monaten für Kritik. Während den einen das sinnlose Schlingen mit Bezug auf andernorts alltäglichen Hunger und die Details der industriellen Fleischproduktion unangenehm aufstößt, vermissen andere Blogger vor allem das kreative Element, das einen Flashmob üblicherweise auszeichnet. Zitat: „Klar mit Ansage. Damit die Klopsebrater Zeit haben, Dienstplan und Warenlager auf den Ansturm vorzubereiten. Mit Flashmob hat das nichts zu tun.“
Daran ändert auch nichts, dass die „Nur-aus-Spaß“-Initiatoren der Leipziger Aktion für ihren „Anschlag“ zwei mögliche Ziele benannt haben. Diese liegen nur wenige hundert Meter auseinander, zur Not ließe sich der Nachschub per Handwagen von A nach B rollen. Aber da Gefrierfleisch geduldig ist, sollte es kein Problem sein, beide Filialen rechtzeitig aufzurüsten. Bei der PR-Aktion gehen die Kosten für „mal eben aus Spaß 5.000 Burgerscheiben ins Zwischenlager“ im Grundrauschen unter. Im Flash-Mobbers.net wird im Zusammenhang mit der Leipziger Aktion bzw. ihre per Web bereits mehrfach angekündigten Vorläufer an die Rulez dieses Metiers erinnert, die direkte oder indirekte Werbeaktionen ausdrücklich ausschließen.
Warum ich das schreibe? Weil mir allmählich die Nackenmuskeln wehtun – vor lauter Kopfschütteln. Wie berufsvergessen muss man als Redakteuse einer dem Qualitätsjournalismus verpflichteten Abo-Zeitung eigentlich sein, Informationen über eine bekloppte Bulettenfressorgie ins Blatt zu heben, ohne sich die Mühe zu machen, mal ein wenig zu recherchieren, was es damit eigentlich auf sich hat? Ein wenig Google, ein wenig Denic, ein wenig hier und da recherchiert, ein wenig journalistisches Handwerk – und der nur-aus-Spaß-Rekordversuch wäre da gelandet, wo er hingehört: im Trash-Ordner bzw. im Papierkorb. Oder doch zumindest in der Rubrik „Glossiert“.

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Donnerstag, 4. Oktober 2007
Oder doch lieber drei Brötchen?
Ein Euro. Nicht eben üppig, dieser Betrag. Was bekommt man für einen Euro? Drei nicht zu ausgefallene Brötchen bei meinem Dorfbäcker. Noch. Eine Flasche Bier, oder auch zwei, je nach Marke. Einen knappen Liter Diesel. Noch. Und meine allmorgendliche Zeitung. Ja, ein Exemplar meiner Lokalpostille, die das Wörtchen „Volk“ im Titel führt, schlägt im Freiverkauf ebenfalls mit einem Euro zu Buche. Am Wochenende wird’s teurer, weil das Blatt dann vorgibt, gehaltvoller zu sein.
Ich gönne mir den Luxus einer täglichen Zeitung. Auch berufsbedingt, als Journalist muss man trotz aller Knausrigkeit hier und da nach Informationen grasen. Obwohl: Oon Jahr zu Jahr fällt es mir schwerer, bei der Wahl zwischen „drei Brötchen“ oder „meiner Zeitung“ nicht letztere in den Skat zu drücken. Und das liegt nicht daran, dass mir der eine Euro wirklich Pein bereitet.
Heute war wieder so ein Tag, der mich zweifeln ließ an Sinn und Zweck morgendlicher Zeitungslektüre. Gut, der Lokalteil war etwas weniger schwachbrünstig als sonst. Den Rechten und den Linken sei’s gedankt. Kürzlich hat in Leipzigs Innenstadt ein Modegeschäft eröffnet, in dem wohl Klamotten einer Marke angeboten werden, die gern „von rechts“ getragen wird. Nach einem Umweg über Magdeburg hat die linkstouristische Szene bei Googlemaps nun auch Leipzig entdeckt und lässt in der City Scheiben von Geschäften splittern. Wie sich die Ausdrucksformen von Rechts und Links doch mitunter ähneln.
Sei’s drum: Während die Montagsausgabe meiner Lieblingslokalzeitung normalerweise eher dürftig daherkommt, hatte der Lokalteil heute sogar ein aktuelles Thema. Außerdem hat unser Landesfürst seinen Kanzleichef abgesägt. Letzterer verlegt sein Tun nun aus der Dresdner Residenz ins notorisch rote Leipzig, was ich gleich zweifach befürworte: Zum einen tut etwas mehr schwarzer Politik meiner Heimatstadt nur gut, zum anderen war’s gleich der zweite lesenswerte Lokalbericht. Und das an einem Montag!
Im Sport sieht das schon anders aus. Dort wird wieder einmal die sportliche und finanzielle Pleite eines der beiden „wichtigen“ Leipziger Fußballvereine breitgeschrieben. Für Außenstehende: Wer sich eine Vorstellung von den Summen machen will, die beide Vereine seit 1990 ohne erkennbaren Erfolg geschluckt und vernichtet haben, sollte einen Blick auf die deutsche Staatsverschuldung werfen. Allerdings: Deutschland wird wohl eher aus dem finanziellen Keller kommen als die stolpernden Grünflächenbügler.
Ansonsten: Fleißiger Nachrichtenagenturen sei Dank, enthielt mein Lokalpapier sogar wieder einen Politikteil. Heute sogar mit montagsuntypischer Zugabe. Beim Durchsehen entdeckte ich nämlich ein separates Buch (so heißen im Zeitungsjargon die Heften, aus denen der ganze Papierpacken besteht) namens „Zeitgeschehen“. Hoffnung keimte auf: Sind die Gesellschafter schon so satt, dass sie den Lesern nun etwas mehr gönnen? Zu früh gefreut: Unter dem Titel Zeitgeschehen waren vier Agenturmeldungen aufs Papier geklatscht worden. DPA berichtet über die USA-Giftspritze und die Koreanische Präsidentenwanderung (letzteres eine Dublette, denn das Thema stand schon an anderer Stelle im Blatt), afp tickerte über Radio Maryja und Kaczynski, DDP machte die Seite mit dem Prozess um den Foltermord in der JVA Siegburg voll. Aber nicht ganz: Auf einem drittel der Seite prangte eine Textil-Anzeige, die einen glatzköpfigen Mitbürger alternativer Pigmentierung im 99-Euro-Anzug zeigt und mich wissen ließ, dass „Drucktechnisch bedingte Farbunterschiede nicht ganz auszuschließen sind“. Wieder was gelernt.
Der Rest des Zeitgeschehen-Buches hatte diesen hohen Anspruch nicht. Der bestand aus zwei nordischen Seiten (sorry an die linken Touristen: Das Format meiner Lokalpostille heißt nun mal „nordisch“, also lasst die Steine im Pflaster) Werbung für die netten Läden des einen Albrechtbruders sowie einer weiteren Seite, auf der ein blondes Rippchen mit nur einem Fuß und einer viel zu großen Kunstledertasche mich zur heutigen Eröffnung eines neuen Bahnhofsladen nach Leipzig bittet. Auch ja, und die in schlichtem blau-orange-Wechsel gehaltene Beilage eines geilen Elektroladens passte auch noch hinter die Seite mit der Ankündigung vom Zeitgeschehen.
Sicher, der Volksmund weiß, dass Papier geduldig ist. Aber ob das auch die Leserschaft einer Zeitung ist? Drei Brötchen oder zwei Bier sind auch nicht zu verachten.

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Mittwoch, 3. Oktober 2007
Vorurteile schützen vor dem Denken
Menschen sind in der Lage, aus den auf sie einströmenden Informationen zu lernen. Sie sammeln Erfahrungen und können beim wiederholten Auftreten einer Situation adäquat reagieren, ohne den konkreten Fall erst durchdenken zu müssen. Das war „früher“ von Vorteil („Löwe – schnell weg“) und ist es heute noch („Besoffener Glatzkopf – besser Schnauze halten“). Verselbstständigen sich Erfahrungen bzw. versteckt sich ein Mensch, statt die Bereitschaft zum Denken zu zeigen, hinter seinem Erfahrungsschatz, werden aus Erfahrungen Vorurteile.
Wohl jeder Mensch hat einige davon („Die Grünen hätte man rechtzeitig verbieten sollen“), hält sich mit deren exzessiver Verkündigung aber wohlweislich zurück – schließlich hat man ja frühzeitig die Erfahrung gemacht, dass Reden zwar Silber, Schweigen aber mitunter Gold sein kann.
Ausdrücklich verlangt wird Vorurteilsfreiheit – zumindest in beruflichen Fragen – von Journalisten. Die Meinung des Schreiberlings – und dazu zählen auch dessen Vorurteile – hat in einem Bericht nichts verloren. Aber es ist ja so bequem, seinen Vorurteilen Auslauf zu geben. Schließlich muss man dann weniger denken und noch weniger recherchieren.
Ein aktuelles Beispiel für diese Berufsauffassung lieferte am gestrigen Tage der Chefreporter meiner Leipziger Lokalpostille ab. Er erzählte in großer Aufmachung eine herzige Tag-der-deutschen-Einheit-Geschichte. Zwei Knaben spielten 1942 miteinander, Kriegswirren und deutsche Teilung beendeten die Eisenbahn- und Sandkastenfreundschaft. Jetzt trafen beide einander wieder, der eine hat ein Leben in Bayern, der andere eines in Sachsen (fast) hinter sich. Und die Spieleisenbahn gibt’s immer noch.
Es hätte eine schöne Geschichte sein können – hätte mein werter Berufskollege nicht in die Kiste seiner Vorurteile gegriffen. Der „Knabe Ost“ war ein durchschnittlicher DDR-Bürger, aber ein wenig auch dagegen: Mutig löckte er wider den Stachel, war – so der Bericht – der einzige Bewohner des ganzen elfgeschossigen Plattenbaus, der nie die geforderte Fahne aus dem Fenster hängte und sogar den „Haus-Genossen“ widersprach. Dieser „einzige Aufrechte“ erinnert mich ein wenig an die Mär von der einen Stimme, die in irgendeinem deutschen Kaff bei allen Wahlen gegen Adolf Hitler abgegeben worden war. Ich habe selbst 29 Jahre DDR miterlebt; zur totalen Beflaggung fehlte trotz aller Agitation stets mehr als nur ein Stück Stoff …
Aber es kommt noch besser: Der ergraute Chefreporter greift noch einmal tief in die Schatzkiste seiner Berufs- und DDR-Erfahrung. Der „Knabe Ost“ war ein Nichtgenosse. Für alle Spätgeborenen: Er gehörte nicht der staatstragenden SED an – wie die übergroße Mehrheit der DDR-Bürger auch. Schlimmes widerfuhr ihm deshalb: „Auf die Plattenwohnung, 70 Quadratmeter groß, musste der Nicht-Genosse Wagner viele Jahre warten“, schildert der Chefreporter die Schikanen, denen die Aufrechten ausgesetzt waren.
Was sind „viele Jahre“? Zehn? Zwanzig? Vierzig? Rechnen wir mal nach. Laut des Chefreporters Text bezog Nicht-Genosse Wagner seine Platte in Leipzig-Grünau im Jahre 1980. Als Journalist, der sein Handwerk schon zu Zeiten der roten Genossen erlernt und ausgeübt hat, sollte der Herr Chefreporter wissen oder zumindest nachschlagen können, dass der Grundstein für das Neubaugebiet Leipzig-Grünau am 1.6.1976 gelegt wurde. Wie es Nicht-Genosse Wagner, der 1980 einzog, geschafft hat, viele Jahre auf seine Plattenwohnung zu warten, wird wohl auf ewig ein Geheimnis des Chefreporters und seiner Vorurteile bleiben.

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Freitag, 14. September 2007
Kundenpflege: wieder eine Prophezeiung
Weil ich gerade bei den Vermutungen bin: Am 10. September hatte ich mich an dieser Stelle über die nervige Verquickung von Anzeige(n) und Redaktion bzw. über die Selbstbeweihräucherung auf den Seiten meines mir leider sehr teuren Lokalblättchens ausgelassen. Die heutige Ausgabe gibt mir Anlass zu einer neuerlichen Prophezeiung: In der Montagsausgabe, d.h. am 17. September 2007, wird im Blatt ein netter Bericht über das Kraftwerk Lippendorf stehen.
Woher ich diese Weisheit beziehe? Nun, einst kamen in meinem Lokalblättchen doch tatsächlich Menschen zu Wort, die sich über die aus dem gigantischen Kühlturm entweichenden Wolken beschwerten, die ihnen nervige Schatten über Haus und Garten huschen ließen. Aber das ist Geschichte. Jetzt schaltet Vattenfall Europe (Da war doch was ...) Anzeigen in meinem Lieblingsgutenmorgenknisterpapierpaket. Heute erschien eine Viertelseite – das bringt einige Tausender, da muss ein alte Frau lange für stricken! Besagtes Seitenviertel steht unter dem Motto „Für alle: Strom gucken!“ und ist eine Einladung zur Kraftwerksbesichtigung mit Humtata, Speis’ und Trank. Brot und Spiele hieß das wohl früher mal ...
Und da ein erfolgreiches Medienhaus des 21. Jahrhunderts weiß, wie man sich für den einen oder anderen Tausender erkenntlich zeigen und künftige Geschäfte anbahnen kann, wird es wohl eine liebevolle Berichterstattung geben. Tätteräää.

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Mittwoch, 12. September 2007
Die blonde Eva und die kalkulierten Skandale
Der kollektive Aufschrei der Gutmenschen hat wieder mal einen Namen: Eva Herman. Wie kann sie nur ... Ist die Blonde blöd? Oder hat sie einfach nur die richtige Mischung aus Kaltschnäuzigkeit und Cleverness, die die Erfolgreichen auszeichnet?
Dass sie zwar blond, aber nicht blöd ist, stellte die Eva Feldker – später besser bekannt als Eva Herrmann, nach Scheidung und Streichung zweier Konsonanten jetzt Herman – schon häufiger unter Beweis. Diverse Kurz- und Mittelehen waren ihrer Karriere durchaus förderlich, beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk lief es gut. Dass sie 2001 mit „Dann kamst Du“ einen zwei Jahre später sogar verfilmten Roman veröffentlichte, einige Sachbücher nachschob sowie mit Max Raabe und Hape Kerkeling Singklassiker sang – weiß das eigentlich noch jemand?
Weitaus bekannter ist das schon „Das Eva-Prinzip“. Man/frau mag über dieses Elaborat geteilter Meinung sein. Fest steht jedoch, dass der Erfolg des Buches ihre früheren Werke in den Schatten stellte. Das lag nicht in erster Linie am Inhalt. Frauen an den Herd, das ist wahrlich nicht der Brüller. Als Erfolgsrezept bewährte sich hingegen der geschickt eingefädelte Skandal: Zoff mit Alice Schwarzer, Mitautorenschaft an einem kontrovers diskutierten Cicero-Artikel, Prügel und Gegenwehr, heroischer Entschluss „Ich lasse meine Tätigkeit als Tagesschausprecherin ruhen“ – so werden Bestseller inszeniert.
Und weil man das, was einmal geklappt hat, gern wiederholt, ist Eva Herman bei ihrem jüngsten Buch „Das Prinzip Arche Noah“ auf Nummer sicher gegangen. Ein wenig blonde Plapperei, geschickt in Szene gesetzt, ein Vivat auf des Führers Wertschützung für die deutsche Mutter und schwuppdiwupp ist der Skandal da. So lässt sich sogar im 21. Jahrhundert ein dröges Buch verkaufen, das die Rettung der Familie durch Rückkehr zur tradierten Rollentrennung verspricht. Wer sich da empört und glaubt, Eva Herman wäre ein uuups unterlaufen, der hat die Spielregeln der PR nicht erkannt.
Allerdings bin ich auf die Fortsetzung gespannt. Was kommt nach der Arche Noah? Und wie wird es vermarktet?
Mal nachdenken. Eva Herman hat es mit der Bibel. Erst Eva, dann Arche Noah; und weil aller guten Dinge drei sind, folgt vielleicht der „Jüngste Tag“. Hoffentlich kündigt die blonde Bestsellerautorin dieses noch in den Sternen stehende Opus nicht mit einem geschickten Versprecher zum Thema „Endlösung“ an ... Aber wäre das so schlimm? Eva entschuldigt sich ja immer so nett. Und der Erfolg heiligt ja die Mittel.

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Montag, 10. September 2007
Zeitungsgelächter
Mir steht ein Muskelkater ins Haus. Nein, es liegt nicht am Weißenstädter 6-Stunden-Lauf, an dem ich am Sonnabend teilgenommen habe. In Vorbereitung eines Seminars habe ich mir von www.presserat.de den Pressekodex in seiner aktuellen Fassung heruntergeladen und bin aus dem Lachen nicht mehr herausgekommen. Muskelkater folgt.
Weshalb das Gelächter? Ich hatte – ebenfalls zwecks Seminarvorbereitung – einige Ausgaben meiner Lokalzeitung, die mir zwar nicht lieb, aber buchstäblich teuer ist, auf dem Schreibtisch zu liegen und verglich Theorie und Praxis.
Besonders erheiternd fand ich den sehr lässigen Umgang mit der im Pressekodex aufgelisteten Ziffer 7, die sich mit der gebotenen Trennung von Werbung und Redaktion befasst. Der Klassiker schlechthin, der in jedem Jahr für einige Rügen des Presserates gut ist. Neuerdings heißt es im Pressekodex, dass Veröffentlichungen, die ein Eigeninteresse des Verlages betreffen, als solche erkennbar sein müssen. Und da die meisten Großverlage so arm sind, dass sie sich keine Juristen leisten können, listet ein separater Kommentar auf der Presserat-Seite sogar explizit auf, was gemeint ist: Gewinnspiele, Leserreisen, gemeinsame Aktionen mit Wirtschaftsunternehmen und Berichterstattung über verlagseigene Unternehmen. Man sollte annehmen, dass das sogar der DAV (Dümmstanzunehmender Verlagsmitarbeiter) versteht. Weit gefehlt.
Beispiel gefällig? Mein Leib- und Magenblatt hat erst kürzlich ein Historienbuch auf den Markt gebracht, auf das die zivilisierte Welt schon seit Äonen gewartet haben muss. Dieser Eindruck drängte sich mir zumindest angesichts der ausladenden Vorabdrucke und Berichterstattung auf, die diesem epochalen Druckerzeugnis zuteil wurde.
Ähnlich bedeutungsvoll scheinen auch die „hauseigenen Veranstaltungen“ meines Blättchens für die Menschheit zu sein: Wenn meine Lokalpostille ihre Leser durch die Landschaft radeln oder in den Zoo gehen lässt, sind das die heißesten News, die man sich denken kann. Da könnte am Wochenende die westliche Welt samt freiheitlich-demokratischer Grundordnung den Bach runtergehen – die Leserschaft wird in epischer Breite über die Begeisterung sektsüffelnder Anzeigenkunden und das Treiben der Lokalpromis zwischen Flamingo und Pavian informiert.
Nur gut, dass der Presserat nicht nur ein zahnloser, sondern auch krallenfreier Tiger ist und dass die geneigte Leserschaft zumindest im Einzugsbereich meines Leib- und Magenblattes beim Erwerb ihrer lokalen Morgenlektüre nur die Wahl zwischen Pest und Cholera hat.

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Montag, 9. Juli 2007
Anmerkung zum Leserbrief vom 25.6.07
Es kam, wie es kommen musste: Der Leserbrief zum falschen Juvenal-Zitat ("Nur in einem gesunden Körper wohnte ein gesunder Geist") blieb unveröffentlicht. Dafür drückte mir der für die Veröffentlichung verantwortliche Redakteur sein Missfallen aus. "Da muss man doch nicht gleich einen Leserbrief schreiben ... Es ist zwar falsch, aber so schlimm ist der Fehler ja auch nicht ..."
Kopfschüttelnd
Der Zeitungsdieb

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