Donnerstag, 30. Juli 2009
Illegale Durchsuchung ohne Konsequenzen. Oder: Wo wir schon mal hier sind, schauen wir uns gleich noch um!
Na, gestern wieder Krimi geguckt? So mit „Officer, lesen Sie dem Festgenommenen seine Rechte vor“, und mit einem cleveren Verteidiger, der vor Gericht damit glänzt, belastendes Beweismaterial für nicht verwertbar erklären zu lassen, weil es im Rahmen einer Hausdurchsuchung erlangt wurde, die noch gar nicht genehmigt war? US-Krimis sind herrlich. Aber sie entsprechen nicht der Realität – zumindest nicht der deutschen.
Hier darf man nämlich auch Beweismittel verwerten, die im Zuge einer eigentlich illegalen Wohungsdurchsuchung erlangt wurden.
So sagt es zumindest das Bundesverfassungsgericht, nachzulesen hier: http://www.bundesverfassungsgericht.de/pressemitteilungen/bvg09-085.html und hier: 2 BvR 2225/08 –
In Kurzform: In München wurde die Wohnung eines Mannes im Rahmen Ermittlungen wegen eines Verstoßes gegen das Markenrecht durchsucht. Da keine Beweise gefunden wurden, stellte das Amtsgericht München die Ermittlungen ein. Zuvor war übrigens der Durchsuchungsbeschluss durch die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts aufgehoben worden, da dieses Gericht angesichts des nur geringen Tatverdachts den mit der Durchsuchung verbundenen Eingriff ins Grundrecht auf die Unversehrtheit der eigenen Wohnung als unverhältnismäßig bezeichnet hatte.
Was die Polizeibeamten nicht wirklich aufhielt: Sie gingen rein, und da sie nun einmal drin waren, schauten sie sich noch ein wenig um und fanden „in einem dem Beschwerdeführer zugeordneten Zimmer
Haschisch in nicht geringer Menge sowie zwei Feinwaagen.“
Nun ging’s mit Klage und Entgegnung lustig hin und her, die verhängten und z.T. aufgehobenen Urteile schwankten zwischen Freispruch und sechs Monaten (Wer’s ausführlich mag, wird hier http://www.bundesverfassungsgericht.de/pressemitteilungen/bvg09-085.html befriedigt).
Das Durchsuchungsopfer führte daraufhin Beschwerde beim Verfassungsgericht, um die im Zuge einer rechtswidrigen Durchsuchung erlangten Beweismittel für unwirksam erklären zu lassen. Die obersten deutschen Richter grübelten, formulierten und begründeten und verkündeten ein Urteil, das fast schon als Ermächtigung für polizeistaatliches Handeln gedeutet werden kann:
Trotz aller unbestrittenen Verstöße der Beamten gegen geltendes Recht sind die gewonnen Beweise verwertbar und basta.
Es sei vielmehr davon auszugehen, dass „dem Strafverfahrensrecht ein allgemein geltender Grundsatz, dass jeder Verstoß bei der Beweisgewinnung ein strafprozessuales Verwertungsverbot nach sich zieht, fremd ist ...“
Zudem sei das „öffentlichen Interesse an einer effektiven Strafverfolgung und der Wahrheitsermittlung im Strafverfahren wegen de Verbrechenstatbestandes des § 29a Abs. 1 BtMG ...“ höher anzusetzen als die Grundrechtsverletzung bei der rechtswidrigen Durchsuchung. Ausführlich wieder hier http://www.bundesverfassungsgericht.de/pressemitteilungen/bvg09-085.html nachzulesen.

Die geneigten Leser meines kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuches, die bis zu dieser Stelle durchgehalten haben, mögen sich nun zurücklehnen, tief durchatmen und das Gelesene noch einmal an ihrem inneren Auge vorüberziehen lassen. Und sie mögen sich überlegen, was das für die praktisch Tätigkeit übereifriger Ermittler und Türeneintreter bedeutet.
Übersetzt man das Juristendeutsch in gängige Umgangssprache, so darf offensichtlich jedes Streifenhörnchen eine Tür eintreten und nach dem Ruf „Gefahr im Verzug“ (alternativ auch nach Abgabe eines Warnschusses) eine Wohnung durchsuchen. Zumindest dann, wenn noch irgendein Beweismittel gefunden wird, das auf einen Verbrechenstatbestand schließen lässt, dessen Verfolgung von erheblichem öffentlichen Interesse ist.
Meine geneigte Leserschaft möge sich nun die Frage beantworten, wie weit es angesichts dieser Rechtslage noch von der rechtswidrigen Durchsuchung bis zum gezielt platzierten Beweismittel ist ...

Über mögliche Anwendungsbereiche der höchstrichtlerlichen Rechtsprechung im Kampf gegen vermeintliche Staatsfeine, Unterwanderer, Terrorcampbewohner, Freidenker, Dienstwagenlästerer, Petitionsunterschreiber usw. schweige ich mich an dieser Stelle aus. Wolfgang, Zensursula & Co. werden sich schon etwas Passendes einfallen lassen - solange das öffentliche Interesse überwiegt, ist ja alles erlaubt.

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