Donnerstag, 15. April 2010
Wenn Holzmedien zitieren. Oder: "Ein Berliner Journalist" hat geschrieben ...
Berufsmäßige Schreiberlinge freuen sich, wenn sie gelesen werden. Noch mehr freut es unsereinen, wenn er zitiert wird. Schließlich ist das neben der Auflage eines Printmediums die einzig wahre Währung. Wenn andere Blätter, TV- oder Radiosender aus einer Zeitung zitieren, adelt das die eigene Holzpostille ungemein – und natürlich auch den Verfasser der wiedergegebenen Zeilen.
Meine Lokalpostille, die Leipziger Volkzeitung, verkündet mit schöner Regelmäßigkeit und unüberlesbarem Stolz, dass sie zu den wichtigen und vielzitierten Holzmedien Deutschlands gehört (http://nachrichten.lvz-online.de/leipzig/wirtschaft/leipziger-volkszeitung-gehoert-zu-den-am-haeufigsten-zitierten-zeitungen/r-wirtschaft-a-16623.html ). Wenn der Media Tenor entsprechende Zahlen veröffentlicht (z.B. hier http://www.medientenor.de/newsletters.php?id_news=660 ), wird im Hauptquartier am Leipziger Peterssteinweg gejubelt. Und auf der Medienseite, die sonst eher eine Fernsehprogrammseite ist, darf der geneigte Leser die Botschaft auch erfahren.
Umgekehrt ist es mit den Zitaten mitunter so eine Sache. Zum Beispiel am 13. April, als der Verlagsleiter der zur LVZ gehörenden Muldentalzeitung hier http://epaper.lvz-online.de/cgi-bin/eZeitung/ezeitung/index.html?a-e_global-sz_Portal=CIT&a-e_global-sz_Arg=wd1094cbcbf1bf62905268ecbee12bcd43a8624a32c (hoffentlich hält der Link einige Zeit ...) in seiner Lokalspitze darüber nachdachte, dass die Unternehmen ihren potenziellen Lehrlingen (Heinrich Lillie sprach von den Auszubildenden, ich mag diese Wort wegen der implementierten Passivität allerdings nicht) keine motivationsfördernden Berufe anbieten. Supermodel und Popstar sind doch attraktivere Lehrberufe als Kanalputzer oder Darmreiniger (die beiden letzteren stammen aus meinem Wortschatz.
Immerhin: Der Autor gibt die Sache mit den zielgruppengerechten Berufsbildern nicht als eigene Idee aus, sondern verweist auf den Urheber – das ist bei der Leipziger Volkszeitung leider keine Selbstverständlichkeit. Der Ideenklau geht um ...
Aber zurück zu Heinrich Lillie: Er lässt die schwindende LVZ-Leserschaft wissen, dass die Urheberschaft für die Sache mit den coolen Berufen nicht bei ihm, sondern bei einem „Berliner Journalisten“ liegt. Hallo, geht’s noch? Mir fallen auf Anhieb etwa zehn Berliner Berufskollegen ein, die für eine so feinsinnige Betrachtung in Frage kämen ... Wer hat’s also erfunden?
Der geneigte LVZ-Leser wird es nicht erfahren, weil ein Verlagsleiter schwammig zitiert hat. Da hätte er auch gleich „gewöhnlich gutinformierte Kreise“ oder „wie aus Berlin zu erfahren war“ schreiben können. Einige Grundlegende Hinweise, wie’s richtig geht, findet man hier http://repositorium.uni-osnabrueck.de/bitstream/urn:nbn:de:gbv:700-2006112213/2/E-Diss610_thesis.pdf .
Um nicht missverstanden zu werden: Ich gehe nicht davon aus, dass des Autor fachliches Unvermögen hinter der eigenartigen Scheinzitierung steckte. Aber die Leipziger Volkszeitung tut sich – wie die meisten Holzmedien (Hallo Burks, herzlichen Dank für das schöne Wort) – mit Links schwer. Vor allem dann, wenn diese nach draußen, ins böse, böse Internet führen ... Und Verweise auf Verlage, die nicht zum Madsack-Imperium gehören, sind ja schon beinahe Teufelszeug ...

PS.: Der äußerst lesenswerte Artikel, auf den Heinrich Lillie sich in seiner Guten-Morgen-Kolumne bezogen hat, stammt von meinem werten Kollegen André Mielke und ist in der „Welt am Sonntag“ vom 10. April 2010 auf Seite 1 erschienen. Nachzulesen übrigens hier http://www.welt.de/satire/article7147227/Wirtschaft-muss-sich-an-Heidi-Klum-orientieren.html . Nur am Rande sei erwähnt, dass die WamS über eine Suchfunktion verfügt, die diesem Namen wirklich gerecht wird.

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