Freitag, 16. April 2010
Argumente gegen ein deutsches Burkaverbot. Oder: fette Männer unters Zelt
Wo das Wissen aufhört, fängt der Glaube an. Das gilt für den Glauben an das segensreiche Wirken eines höheren Wesens (welchen Namens auch immer) übrigens ebenso wie für den Glauben an die Richtigkeit einer Sache. An die Fähigkeit zu glauben appellierte z.B. in den 70er Jahren mein Staatsbürgerkundelehrer (so was gab’s in der DDR tatsächlich), in den 80ern die Dozenten im Fach Wunderkunde (steht verballhornend für die Abkürzung WK = Wissenschaftlicher Kommunismus), das ich als Student einer naturwissenschaftlichen Fachrichtung obligatorisch zu absolvieren hatte und ganz allgemein die DDR-Führung, die von ihren Bürgern den Glauben verlangte, dass die Wandlitzer Altherrenriege schon das Richtige tun würde. Soweit zum Glauben, mit dem ich mich verständlicherweise schwertue.
Aus diesem Grund habe ich auch keinen Hang zu Religionen. Weder zu der mit dem Kreuz noch der mit dem Stern und auch nicht zu der mit dem Abbildungsverbot. Wenn überhaupt, dann zu einer ganz anderen. Aber darum geht es jetzt nicht.
Statt dessen will ich die Leser meines kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuches zum Nachdenken über eine das Kopftuchverbot anregen. Um dabei nicht in den Verdacht zu geraten, ein heimlicher Islamist oder so was zu sein, habe ich meinem Tagebucheintrag die obigen Glaubengedanken vorangestellt.
Doch nun zum Kopftuchverbot. Ganz klar ist, dass – wer in Deutschland leben will – auch wirklich in Deutschland leben muss und nicht in einer türkischen, persischen oder russischen Parallelwelt, die sich zufällig auf deutschem Hoheitsgebiet befindet. Das Scheitern der bisherigen deutschen Einwanderungs- und Integrationspolitik nun aber durch das Verbot von Kopftuch, Schleier oder Burka in einen Erfolg zu verwandeln, kann nur kranken Hirnen von sesselgeilen Politikern oder politischen Extremisten aller Farbschattierungen entspringen.
Die Leser meines Tagebuches dürfen beruhigt sein: Ich werde an dieser Stelle nicht all die pro- und contra-Argumente wiederholen, die in dieser Sache seit Monaten durch die Medien wabern. Statt dessen beschränke ich mich auf drei Punkte, die meines Wissens bisher nicht bedacht wurden:
1. Wodurch unterscheidet man ein „religiöses“ Kopftuch von einem, das zum Beispiel in der Generation der vor dem 2. Weltkrieg geborenen Frauen noch gang und gäbe war und von älteren Menschinnen noch heute getragen wird? Und: Wo verläuft die Grenze zwischen Kopftuch und Piratentuch? Und was ist mit kopftuchtragenden Männern? Könnte ja sein, dass es sich dabei um eine Frau handelt, die sich nur „im falschen Körper“ befindet, so etwas scheint derzeit ja recht beliebt zu sein ...
2. Wer soll das Kopftuchverbot überwachen und durchsetzen? Außer Ampelrot- und Geschwindigkeitsüberwachung passiert doch in punkto Überwachung auch im Straßenverkehr nicht mehr viel, wenn man von gelegentlichen Großkontrollen z.B. am Rosenmontag absieht. Schon jetzt beschränken sich die Mitarbeiter städtischer Ordnungsämter aufs (konfliktarme) Blitzen und Parksünderabzocken, während das Entleeren eines Aschenbechers bei Ampelrot genauso geflissentlich übersehen wird wie das Wegwerfen von Zigarettenkippen usw. Und nun sollen besagte Ordnungsamtseumel plötzlich zu Helden werden und migrationshintergündigen Frauen in Neukölln oder entlang der Leipziger Eisenbahnstraße unter den Augen testosteronlastiger Jungmänner die Kopftücher herunterreißen? Positiv ausgedrückt erscheint mir dieses Szenario ebenso unwahrscheinlich wie das Auftreten robust ummantelter Bundespolizisten in gleicher Angelegenheit.
3. Man sollte das Tragen von Kopftuch, Galabya und Burka nicht generell verteufeln. Bei einem erschreckend hohen Teil der deutschen Bevölkerung wäre die Verhüllung des Gesichtes bzw. des ganzen Körpers durchaus vorteilhaft und trüge zur Verschönerung des Straßenbildes bei. Wobei ich diese Feststellung ausdrücklich auf beide Geschlechter beziehe: Die geneigten Leser meines Tagebuches mögen sich an dieser Stelle ihrer Lektüre einen fettglänzenden deutschen Feinrippmann mit „Goldketterl“ vorstellen – einmal in seiner ganzen Leibesherrlichkeit samt Doppelkinn, Wohlstandswampe und dümmlichem Gesichtsausdruck; und dann verborgen unter einem burkaartigen Zelt. Ich bin für die zweite Variante.

... link (1 Kommentar)   ... comment