Mittwoch, 25. April 2012
Führergeburtstag und Bram Stoker. Oder: Du sollst nicht den Namen des Bösen aussprechen.
In meinem Büro hängt ein großer Abreißkalender. So mit Zitaten drauf, immer von einem Menschen, der am jeweiligen Tag geboren wurde, starb oder irgendwas vollbracht hat. Also ganz nett und außerdem eine nützliche Investition, denn gelegentlich schreibe ich für meine Kunden Grußworte und Reden und habe Bedarf an allerlei tiefsinnigen, staatstragenden Aussprüchen, die nicht in jedem Internetzitatelexikon stehen. Schon so manches Kalenderzitat ist in meiner Sammlung gelandet und hat mir beim bezahlten Herstellen wichtigtuerischer Schwafelarien gute Dienste geleistet.
Doch zurück zu meinem Kalender. Den pflege ich immer mal zu vernachlässigen, sodass sich dann eine oder eineinhalb Wochen lang die geistreiche Zettelei ansammelt, die ich im Bündel abreiße und „am Stück“ lese. Das ist nicht schlecht, denn so stimmt wenigstens die Dosis der verabreichten Geistesnahrung. Und ich merke an der Dicke des Blätterbündels, wie schnell doch eine erkleckliche Menge an Tagen vergangen ist.
Beim Durchlesen des jüngsten Päckchens abgerupfter Lebenszeit blieb ich bei Bram Stoker hängen. Genauer gesagt, bei seinem Zitat „Erst wenn der Mensch die Leiden der Nacht erfahren hat, erkennt er, wie süß und lieblich der Morgen sein kann.“ Wenn ich mal wieder etwas über die rumpelnden Turboprop-Cargoflieger schreibe, die nächtens in weitem Umkreis des Flughafens Leipzig-Halle die Leute quälen, werde ich wohl Bram Stoker zitieren, dachte ich beim Lesen. Denn was für Vampire gilt, gilt auch für Nachtfluggeplagte: Das Dasein eines (gefühlten) Untoten ist nicht wirklich erstrebenswert.
Doch zurück zum Kalenderblatt. Erst auf den zweiten Blick fiel mir das Datum der 100. Wiederkehr des Bram-Stoker-Todestages auf: 20. April. Und da auf der Rückseite des Zitatekalenders neben ein paar Sätze über das Leben und Wirken des jeweiligen Erdenbürgers stets auch die Namen von Menschen vermerkt sind, die am selben Tag im Jahr aus dem Mutterleib ans Licht der Welt geschubst bzw, geschnibbelt wurden, schaute ich nach. Lange, Gardiner, O’Neal, Miró, Lloyd, Goebel, Napoleon III – der wohl weltweit bekannteste 20.-April-Geborene fehlte. Nun liegt es mir fern, für einen gewissen Adolf Schickelgruber aka Adolf Hitler in irgendeiner Weise die Trommel zu rühren; dass hier aber just sein Name fehlte, ließ mich an Harry Potter denken, der keine Angst davor hatte, Lord Voldemort beim Namen zu nennen – im Unterschied zur übergroßen Mehrheit seiner Mitzauberer. Dadurch, dass wir den Namen des Bösen nicht aussprechen, verschwindet es nicht. Im Gegenteil: Wir bieten ihm einen Raum, indem es ungestört wuchern kann.
Womit wir bei der einstigen "Zensursula" Ursula von der Leyen wären, die glaubte (oder zumindest so tat, als glaubte sie es), den Kindesmissbrauch dadurch bekämpfen zu können, dass einschlägige Seiten im Netz mit leicht zu umgehenden Stoppschildern zugepappt werden.
In diesem Sinne: An einem 20. April, dem 100. Todestag des literarischen Dracula-Erfinders Bram Stoker, wurde Adolf Hitler geboren, in den Kreisen lichterkettenzündelnder Gutmenschen auch bekannt als "Duweißtschonwer". Hitler ("Du sollst diesen Namen nicht sagen) starb übrigens am 30. April 1945 von eigener Hand. Und ist heute noch so untot, dass gewisse Leute dieses Datum geflissentlich übergehen …

PS.: Wäre ich Mitglied der Piratenpartei (Nicht ohne Reiz, dieser Gedanke, es gibt da gewisse Berührungspunkte.), würde man mir nun rechtes Gedankengut unterstellen. Doch weder das eine noch das andere trifft zu. But: Never say never ...

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