Mittwoch, 13. August 2014
Versuch einer Lebensverlängerung. Oder: Noch nicht reif für die Tonne.
Irgendwann in den 90ern, also in jener grauen Vorzeit, als es noch koffergroße C-Netz-Telefone gab, kaufte ich mir einen Kopfhörer. Natürlich hatte ich zuvor schon welche besessen, das waren allerdings hochempfindliche Funkkopfhörer, mit denen man erstens die Ätherflöhe husten hörte, zweitens wie ein Außerirdischer aussah und die drittens nicht wirklich zum Musikhören taugten.
Meine richtigen Musikkopfhörer erwarb ich in einem Fachgeschäft, das an einer Rasterwand mehr als zwei Dutzend Modelle zum Probetragen und -hören bereitstellte. Nach eingehendem Hören und Probieren, wobei ich bewusst aufs Lesen von Beschreibungen und Preisschildern verzichtete, fand ich "meinen" Kopfhörer, ein nicht unauffälliges Produkt von Sony mit dem Namen MDR CD350.
Letzterer hat mich jahrelang nicht interessiert, denn die Kopfhörer taten das, wozu ich sie zu einem recht sündhaft hohen Preis gekauft hatte: Sie gaben mir Musik in ganz ordentlicher Qualität auf die Ohren und erschlossen mir völlig neue Klangwelten, die bei Wiedergabe über Lautsprecher wohl einen Blauhelmeinsatz ausgelöst hätten.
Doch irgendwann landeten die schwarzen Ohrwärmer in einer Schublade. Ich hörte zwar noch immer Musik, doch an der Muße fürs Abtauchen ins Klanguniversum des geschlossenen Systems fehlte es mir.
Vor ein paar Wochen fielen mir die Kopfhörer wieder in die Hände. Der Klang war noch immer toll, allerdings hatten runde 20 Jahre den Schaumstoff der Ohrpolster bröselig werden lassen.
Das wäre noch zu ertragen gewesen, hätte der bröselnde Ohrpolsterbezug nicht die perfide Eigenart, sich abzulösen und an Ohren und Hals kleben zu bleiben. Halswäsche hilft zwar, ist aber erstens nervig und zweitens nicht praktikabel, wenn der Postbote klingelt.
Also widmete ich meinen Kopfhörern ein wenig Aufmerksamkeit, las (wohl zum ersten Mal) die Typenbezeichnung und machte mich auf die Suche.
Fazit: Ab in die Tonne ... Sony hat kein wirkliches Interesse daran, Uralttechnik am Leben zu erhalten.
Allerdings war mein Ehrgeiz geweckt, ich suchte und landete in einem Hifi-Forum, wo meine ollen Schallwandler offensichtlich noch immer eine treue, ob drohenden Totalausfalls aber wehmütige Fangemeinde besitzen, die besagte Vorzeit-Sonys jedem neuen Produkt vorzieht.
Was lernte ich? Die Bröselei hat System. Es gibt keine originalen Ersatzteile. Und als es diese vor ein paar Jahren noch hab, waren sie so sündhaft teuer, dass der Kauf neuer Polster schon eine gewisse obsessive Störung voraussetzte.
Aber: Es gibt einen Hersteller am anderen Ende der Welt, der kompatible Polster produziert, übers Meer schippert und mir zur Verfügung stellt. Die audiophilen Schreiberlinge im HiFi-Forum zeigten sich ob der Erfahrungen mit diesen Fernostpolstern positiv gestimmt.
Nun mache ich die Probe aufs Exempel und bin guter Hoffnung, dass neben meinem modernen Headset bald wieder die guten, alten Kopfhörer aus jener Zeit hängen, da Angela Merkel Bundesministerin für Familie und Jugend war.

Update: Am Sonnabend sind die neuen Polster eingetroffen. Der Kostenpunkt entspricht weniger als drei Hefeweizen beim Lieblingsgriechen. Und nun? Das Krümeln hat ein Ende, die Kopfhörer kommen nun wieder regelmäßig zum Einsatz.

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